Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 18.03.2004, Az.: 6 B 1104/04

Voraussetzungen für eine gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels; Voraussetzungen für einen Ausschluss vom Schulbetrieb; Ausschluss vom Schuldbetrieb wegen wiederholtem, aggressivem Verhalten; Anforderungen an die Begründung einer Anordnung der sofortigen Vollziehung; Zulässigkeit eines Ausschlusses vor Bekanntgabe eines entsprechenden Bescheides

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
18.03.2004
Aktenzeichen
6 B 1104/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 35654
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2004:0318.6B1104.04.0A

Fundstelle

  • SchuR 2005, 80-81 (Volltext)

Verfahrensgegenstand

Schulrechtliche Ordnungsmaßnahme (Ausschluss vom Unterricht)
hier: vorläufiger Rechtsschutz

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 6. Kammer -
am 18. März 2004
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich im Wege eines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den von der Antragsgegnerin ihm gegenüber verfügten und für sofort vollziehbar erklärten Ausschluss vom Unterricht.

2

Der Antragsteller wurde am L. in Kirgisien geboren. Er besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und gelangte als sog. Spätaussiedler mit seiner Familie nach Deutschland. Seit dem 4. Dezember 2000, dem Beginn des zweiten Halbjahres des Schuljahres 2000/2001, ist er Schüler der Antragsgegnerin, einer Hauptschule, und besucht dort gegenwärtig die Klasse 9b.

3

Ausweislich der von der Antragsgegnerin über den Antragsteller geführten Schülerakte, die für das vorliegende Verfahren in Ablichtung beigezogen worden ist (Beiakte A), verstößt der Antragsteller seit Beginn seines Schulbesuchs bei der Antragsgegnerin regelmäßig gegen die Schulordnung, ist gegenüber anderen Schülerinnen und Schülern sowie gegenüber Lehrkräften aggressiv und stört den Unterricht. Die Antragsgegnerin ermahnte ihn deshalb in einer Vielzahl von Fällen und setzte mehrfach Erziehungsmittel gegen ihn fest. Insbesondere fiel der Antragsteller auch von Anfang an durch aggressives und gewalttätiges Verhalten gegenüber anderen Schülerinnen und Schülern auf. Bereits unter dem 3. Mai 2001 vermerkte der Lehrer M. in der Schülerakte, der Antragsteller sei am 26. April 2001 und am 3. Mai 2001 an Schlägereien in der Schule beteiligt gewesen und habe seit seinem Eintritt in die dortige Schule "schon mehrfach zugeschlagen". Nachdem es auch am 9. Mai 2001 zu einem Zwischenfall mit einer Schülerin gekommen war, schlug der Antragsteller am 10. Mai 2001 erneut auf einen Mitschüler ein und beleidigte diesen. Deswegen und wegen verschiedener anderer Pflichtverstöße beschloss die Klassenkonferenz am 17. Mai 2001, den Antragsteller für die Zeit vom 18. bis zum 22. Mai 2001 vom Unterricht auszuschließen, und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme an. Wegen der näheren Einzelheiten wird insoweit auf den diesbezüglichen Bescheid des Schulleiters der Antragsgegnerin vom 21. Mai 2001 verwiesen. Nach einem Vermerk vom 28. August 2001 schlug der Antragsteller danach erneut einen Mitschüler mit der Faust ins Gesicht. Am 28. September 2001 schlug er wiederum einen anderen Mitschüler. Die Klassenkonferenz beschloss daraufhin am 29. Oktober 2001, gegenüber dem Antragsteller als Erziehungsmittel die Ableistung von 15 Stunden Sozialdienst im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft anzuordnen. Wegen der näheren Einzelheiten wird insoweit auf das Schreiben des Schulleiters der Antragsgegnerin vom 2. November 2001 verwiesen. Auch danach kam es wiederholt zu erheblichen Pflichtverstößen des Antragstellers, wobei er auch insbesondere massiv den Unterricht störte. Die Antragsgegnerin wies die Eltern des Antragstellers mit Schreiben vom 13. Mai 2002 auf dieses Fehlverhalten hin und machte darauf aufmerksam, dass wegen des störenden Verhaltens des Antragstellers auch für andere Schüler der Klasse das Erreichen der Lernziele nicht mehr gewährleistet sei. Trotzdem kam es auch danach zu verschiedenen Pflichtverstößen des Antragstellers, wegen der er von der Antragsgegnerin verwarnt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird im Übrigen auf den Inhalt der Schülerakte (Beiakte A) verwiesen.

4

Am Abend des 29. Januar 2004 fand eine Schulfete in der Aula der Antragsgegnerin statt. Bei dieser Veranstaltung schlug der Antragsteller in erheblich alkoholisiertem Zustand mehrfach auf einen Schüler der Klasse 9d ein, während dieser von einem weiteren Schüler festgehalten wurde. Wegen dieses Vorfalls lud die Antragsgegnerin die Erziehungsberechtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 11. Februar 2004 zu der für den 19. Februar 2004 anberaumten Sitzung der Klassenkonferenz ein. An der Sitzung der Klassenkonferenz vom 19. Februar 2004 nahm der Antragsteller mit seinem Vater und einem Mitschüler seines Vertrauens teil, der ihn unterstützte. Alle drei erhielten ausweislich des Sitzungsprotokolls Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen gegen den Antragsteller zu äußern. Der Antragsteller gab dabei zu, den betreffenden Mitschüler mehrmals geschlagen zu haben, während ein anderer Schüler diesen festhielt, und dabei, wie die anderen beteiligten Schüler auch, stark alkoholisiert gewesen zu sein; allerdings seien die Angaben des Opfers nicht glaubhaft, zumal dieses keine sichtbaren Verletzungen davon getragen habe. Entschuldigt hat sich der Antragsteller bei seinem Opfer bis heute, soweit ersichtlich, nicht. Aus dem Sitzungsprotokoll ergeben sich zudem weitere Vorwürfe gegen den Antragsteller. U.a. soll er wegen eines Vorfalls am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien, bei dem er einen Mitschüler der Klasse 9b von hinten in den Rücken getreten und eine Treppe hinab gestoßen habe, rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden sein; das Gericht habe die Tat mit der Anordnung von Sozialdienst geahndet, so dass die Schule insoweit von gesonderten Ordnungs- oder Erziehungsmitteln abgesehen habe. Das diesbezügliche Urteil befindet sich allerdings nicht bei den dem Gericht vorliegenden Akten. Die Klassenkonferenz beschloss daraufhin, den Antragsteller ab sofort bis zu den (am Montag, den 29. März 2004 beginnenden) Osterferien vom Unterricht auszuschließen, die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme anzuordnen und den Antragsteller darüber hinaus von allen künftigen Schulveranstaltungen mit Ausnahme der Schulabschlussfeier der 9. Klasse auszuschließen. Dies teilte der Schulleiter der Antragsgegnerin dem Antragsteller und seinem Vater im Anschluss zunächst mündlich mit.

5

Mit Bescheid vom 23. Februar 2003 teilte der Schulleiter der Antragsgegnerin den Erziehungsberechtigten des Antragstellers die Beschlüsse der Klassenkonferenz noch einmal schriftlich mit und begründete diese. Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung wird darin ausgeführt, diese sei erforderlich, damit die Mitschülerinnen und Mitschüler des Antragstellers die Möglichkeit erhielten, ohne Angst die Schule zu besuchen, und nicht mehr von dem Antragsteller bedroht werden könnten. Diesem Bescheid, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, nach der gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben und gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt werden könne.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den für das vorliegende Verfahren beigezogenen diesbezüglichen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin (Beiakte B) verwiesen.

7

Am 5. März 2004 hat der Antragsteller durch einen nicht unterschriebenen Schriftsatz seines Vaters vom 2. März 2004 bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Eine weitere Antragsschrift haben die Erziehungsberechtigten des Antragstellers noch einmal am 15. März 2004 bei Gericht eingereicht; diese ist nunmehr von beiden Erziehungsberechtigten unterschrieben.

8

Zur Begründung wird seitens des Antragstellers sinngemäß vorgetragen, die Klassenkonferenz am 19. Februar 2004 sei einseitig verlaufen, und man habe ihm und seinem Vater hinsichtlich seiner Verteidigung kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt. So habe er nicht hinreichend erklären können, wie es zu dem fraglichen Vorfall gekommen sei. Die Ordnungsmaßnahme sei zudem zu hart, zumal das Opfer keine Verletzungen habe vorweisen können. Auch sei es nicht zutreffend, dass man seitens der Schule zuvor alle anderen Mittel ausgeschöpft habe, um ihm zu helfen. Alles in allem habe er den Eindruck, man wolle ihn nur loswerden.

9

Der Antragsteller stellt

"einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung".

10

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

11

Zur Begründung macht die Antragsgegnerin geltend, der Antrag sei unzulässig, weil der Antragsteller oder seine Erziehungsberechtigten bislang keinen Widerspruch gegen die der Sache nach angegriffene Ordnungsmaßnahme erhoben hätten. Jedenfalls aber sei der Antrag auch unbegründet, weil die Maßnahme offensichtlich rechtmäßig sei. Dies ergebe sich aus der Begründung des Bescheides vom 23. Februar 2004.

12

Soweit ersichtlich, haben weder der Antragsteller noch seine Erziehungsberechtigten bislang Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2004 erhoben, obwohl das Gericht sie mit Verfügung vom 5. März 2004 aufgefordert hat, dies darzulegen, und der Berichterstatter den Vater des Antragstellers auf dessen telefonische Nachfrage am 10. März 2004 noch einmal ausdrücklich auf die Notwendigkeit der gesonderten Widerspruchserhebung hingewiesen hat.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und noch einmal auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (Beiakten A und B) verwiesen.

14

Dem Antrag muss der Erfolg versagt bleiben.

15

Dabei kann die Kammer im vorliegenden Fall die in Rechtsprechung und Literatur bislang wohl nicht eindeutig beantwortete Frage offen lassen, ob die Zulässigkeit eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO, wie ihn der Antragsteller hier der Sache nach gestellt hat, voraussetzt, dass der Antragsteller bereits einen Rechtsbehelf (Widerspruch oder Anfechtungsklage) erhoben hat, dessen aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) wiederhergestellt werden könnte (vgl. zum Streitstand Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 13. Aufl., § 80 VwGO Rn. 139 m.w.N.). Denn zum einen ist die Widerspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des angegriffenen Verwaltungsaktes nach § 70 Abs. 1 VwGO hier noch nicht abgelaufen, so dass der Antragsteller oder seine Erziehungsberechtigten jedenfalls gegenwärtig noch zulässigerweise Widerspruch erheben könnten.

16

Zum anderen ist der Antrag, eine rechtzeitige Widerspruchserhebung unterstellt, aber jedenfalls unbegründet und daher ohnehin abzulehnen.

17

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wiederherstellen, wenn die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO angeordnet wurde. Bei dieser Entscheidung prüft das Gericht zum einen, ob das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 3 VwGO ordnungsgemäß begründet wurde. Zum anderen trifft das Gericht eine eigene Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, vorläufig von den Wirkungen des angefochtenen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Aufschubinteresse), einerseits und dem Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsaktes (Sofortvollzugsinteresse) andererseits. Dabei sind die Erfolgsaussichten des von dem Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen, soweit diese bei summarischer Prüfung absehbar sind. Bestehen bereits bei dieser summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, ist dem Antrag stattzugeben, da ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht in Betracht kommt (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Bestehen solche Zweifel nicht, wird der Rechtsbehelf in der Hauptsache bei summarischer Prüfung also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben, und ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 3 VwGO ordnungsgemäß begründet worden, so ist der Antrag abzulehnen. So liegt es hier.

18

Bei summarischer Prüfung sind weder in formeller noch in materieller Hinsicht irgendwelche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2003 erkennbar. Dieser ist vielmehr offensichtlich rechtmäßig.

19

Rechtsgrundlage für den Ausschluss des Antragstellers vom Unterricht ist § 61 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 Satz 1 NSchG. Danach kann ein Schüler im Wege einer Ordnungsmaßnahme für bis zu drei Monate vom Unterricht ausgeschlossen werden, wenn er seine Pflichten grob verletzt (Abs. 2) und durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet oder den Unterricht nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat (Abs. 4 SatzD).

20

Die für die Verhängung einer solchen Ordnungsmaßnahme im vorliegenden Fall einzuhaltenden formellen Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften, insbesondere die Regelungen in § 61 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 und 2 NSchG, sind offensichtlich beachtet worden. Die Behauptung des Antragstellers, ihm und seinen Erziehungsberechtigten sei in der Sitzung der Klassenkonferenz vom 19. Februar 2003 keine ausreichende Gelegenheit gegeben worden, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern, sind nicht hinreichend substantiiert und angesichts der Aktenlage auch nicht nachvollziehbar. Aus dem Sitzungsprotokoll, dessen inhaltliche Richtigkeit der Antragsteller nicht substantiiert in Zweifei zieht, geht vielmehr hervor, dass der Antragsteller und der von ihm zur Unterstützung herangezogene Mitschüler seines Vertrauens eingehend zu dem betreffenden Vorfall befragt wurden und den Schülern sowie dem Vater des Antragstellers abschließend noch einmal ausdrücklich das Wort erteilt wurde, um sich zu den Vorwürfen zu äußern. Ferner sind die Erziehungsberechtigten des Antragstellers ordnungsgemäß zu der Sitzung der Klassenkonferenz eingeladen worden, sein Vater war auch anwesend. Damit ist den rechtlichen Anforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs, wie sie in § 61 Abs. 6 Satz 1 und 2 NSchG zum Ausdruck kommen, Genüge getan worden.

21

In materieller Hinsicht geht die Kammer zunächst mit der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hinreichenden Gewissheit davon aus, dass sich der Sachverhalt, den die Antragsgegnerin dem Antragsteller zur Last legt, tatsächlich im Wesentlichen so wie von ihr dargestellt zugetragen hat, zumal der Antragsteller dies weder bei der Sitzung der Klassenkonferenz am 19. Februar 2004 noch im Rahmen seiner Antragsschrift substantiiert bestritten hat und auch sonst keinerlei Anhaltspunkte für diesbezügliche Zweifel ersichtlich sind. Vielmehr verteidigt sich der Antragsteller auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens im Wesentlichen nur mit der Erklärung, die Ordnungsmaßnahme sei zu hart, weil sein Opfer keine Verletzungen davon getragen habe.

22

Vor diesem Hintergrund können jedoch vernünftigerweise auch keine Zweifel daran bestehen, dass die oben dargelegten gesetzlichen Voraussetzungen für einen Unterrichtsausschluss im vorliegenden Fall gegeben sind. Es liegt vielmehr offen auf der Hand, dass das von dem Antragsteller seit nunmehr über drei Jahren in der Schule gezeigte aggressive und gewalttätige Verhalten gegenüber anderen Schülerinnen und Schülern eine überaus grobe Verletzung seiner Pflichten als Schüler darstellt, zumal die damit einhergehenden Körperverletzungen auch strafrechtlich relevant sind (vgl. § 223 des Strafgesetzbuches). Der Vorfall vom 29. Januar 2004, der nunmehr den Anlass der streitigen Ordnungsmaßnahme bildet und bei dem der Antragsteller unstreitig bei einer Schulveranstaltung in erheblich alkoholisiertem Zustand mehrfach auf einen Mitschüler eingeschlagen hat, der von einem anderen Schüler festgehalten wurde, stellt dabei nur ein weiteres Beispiel für die Gewaltbereitschaft und Aggressivität des Antragstellers dar, die seit Beginn seines Schulbesuchs bei der Antragsgegnerin immer wieder zu Tage getreten ist. Dass dieses Verhalten wiederum eine grobe Pflichtverletzung des Antragstellers darstellt und er dadurch die Sicherheit des betroffenen Mitschülers nicht nur ernstlich gefährdet, sondern sogar tatsächlich beeinträchtigt hat, bedarf keiner weiteren Begründung.

23

Im Übrigen ist auch die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahl des Mittels nicht zu beanstanden/Insbesondere war es hier angesichts der Schwere der Pflichtverletzung des Antragstellers nicht erforderlich, ihm die streitige Maßnahme nach § 61 Abs. 3 Nr. 4 NSchG zuvor nach § 61 Abs. 3 Nr. 3 NSchG anzudrohen. Zwar mag eine solche vorherige Androhung in der Regel dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit am ehesten Rechnung tragen. Zum einen war die hier in Rede stehende Pflichtverletzung des Antragstellers aber bereits für sich genommen so schwer wiegend, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, von einer vorherigen Androhung abzusehen und unmittelbar den Unterrichtsausschluss selbst anzuordnen, nicht als fehlerhaft angesehen werden kann. Zum anderen war das gewalttätige Verhalten des Antragstellers in der Schule bereits mehrfach Gegenstand einer Beschlussfassung der Klassenkonferenz und von Verwarnungen gegenüber dem Antragsteller. Vor diesem Hintergrund war es hier offenkundig nicht geboten, gegenüber dem Antragsteller ein milderes Mittel zu ergreifen.

24

Auch die angeordnete Länge des Unterrichtsausschlusses hält sich mit rund fünf Wochen noch ohne weiteres im zulässigen Bereich und steht jedenfalls nicht in einem unangemessenen Verhältnis zur Schwere der Verfehlung des Antragstellers. Vielmehr hat die Kammer bereits wiederholt entschieden, dass der aggressive Einsatz erheblicher körperlicher Gewalt gegenüber Personen wie etwa anderen Schülerinnen und Schülern, zumal im Wiederholungsfall, regelmäßig auch die Ausschöpfung der in § 61 Abs. 3 Nr. 4 NSchG vorgesehenen Höchstdauer eines Unterrichtsausschlusses von drei Monaten rechtfertigt. Die gegen den Antragsteller im vorliegenden Fall verhängte Ordnungsmaßnahme bewegt sich daher ihrem zeitlichen Umfang nach noch eher im unteren Bereich des rechtlich Zulässigen.

25

Dass der Antragsteller in Folge des Unterrichtsausschlusses in gewissem Umfang Nachteile hinsichtlich der Erarbeitung des Unterrichtsstoffes erleiden und möglicherweise auch nicht zum vorgesehenen Termin an Klassenarbeiten teilnehmen kann, hat er sich selbst zuzuschreiben. Diese Nachteile sind jedoch nicht von solchem Gewicht, als dass sie die Maßnahme als unverhältnismäßig erscheinen lassen könnten, zumal der Antragsteller versäumten Unterrichtsstoff mit Hilfe von Lehrkräften und Mitschülern zu Hause nacharbeiten und ggf. versäumte Klassenarbeiten zu einem späteren Zeitpunkt nachschreiben kann, was ihm seitens der Antragsgegnerin allerdings ermöglicht werden muss.

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Vor diesem Hintergrund genügt die von der Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 23. Februar 2004 abgegebene Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Diese Begründung ist zwar recht knapp, lässt jedoch in hinreichender Weise erkennen, dass sich die Antragsgegnerin des Ausnahmecharakters einer solchen Anordnung bewusst gewesen ist und das Aufschubinteresse des Antragstellers bezogen auf den vorliegenden Einzelfall gegen das Sofortvollzugsinteresse der Allgemeinheit und der anderen Schülerinnen und Schüler abgewogen hat. Dies reicht aus, zumal sich das Überwiegen des Sofortvollzugsinteresses hier derart offensichtlich aus der weiteren Begründung des Bescheides ergibt, dass eine weiter gehende ausführliche Begründung überflüssig ist.

27

Unerheblich ist schließlich, ob der Antragsteller, wie sein Vater vorträgt, schon vor der Bekanntgabe des Bescheides vom 23. Februar 2004 vom Unterrichtet ausgeschlossen worden ist. Zwar wäre die Vollziehung der Ordnungsmaßnahme erst ab diesem Zeitpunkt zulässig gewesen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Dauer des Unterrichtsausschlusses durch die datumsmäßige Befristung bis zum 26. März 2004, also bis zum letzten Unterrichtstag vor den Osterferien, hinreichend bestimmt und nach wie vor insgesamt jedenfalls nicht unverhältnismäßig lang bemessen ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus §§ 20 Abs. 3,13 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG i.V.m. Abschnitt I. Nr. 7. Satz 1 und 2 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563). Eine Reduzierung des für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts in Höhe des Auffangwertes nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG von 4.000,00 Euro für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kommt danach hier nicht in Betracht, weil die im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragte gerichtliche Entscheidung die Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorwegnimmt.

Littmann
Schade
Oppenborn-Prinzen