Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 25.03.2004, Az.: 2 A 936/01

Minderung; mittelbare Diskriminierung; Ruhegehalt; Ruhegehaltssatz; Teilzeit; Verbot mittelbarer Diskriminierung; Versorgungsabschlag

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.03.2004
Aktenzeichen
2 A 936/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50739
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Minderung des Ruhegehalts derjenigen Beamten nach §§ 14 Abs. 1 BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984, 85 BeamtVG, die schon am 31.12.1991 im Beamtenverhältnis standen und während eines Teils ihrer Laufbahn in Teilzeit beschäftigt waren, verstößt für die Zeit ab 17.05.1990 gegen das europarechtliche Verbot mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Tatbestand:

1

Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen den sogenannten Versorgungsabschlag für Teilzeitbeschäftigte nach § 14 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BeamtVG in der bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung.

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Die am 15.12.1939 geborene Klägerin ist Mutter zweier Kinder. Sie war als Realschullehrerin überwiegend teilzeitbeschäftigt und wurde zuletzt besoldet nach BesGr A 13 BBesO, Endstufe. Auf ihren Antrag wurde sie mit Bescheid vom 23.11.2000 mit Ablauf des 30.11.2000 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

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Mit Bescheid vom 15.12.2000 setzte der Beklagte die Versorgungsbezüge der Klägerin auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes von 62,88 v.H. fest.

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Den hiergegen von der Klägerin am 15.01.2001 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001 als unbegründet zurück. Er führte u.a. aus, da die Klägerin bereits vor dem 01.01.1991 Beamtin in Niedersachsen gewesen sei, sei der für sie maßgebliche Ruhegehaltssatz durch Vergleichsberechnungen gemäß §§ 85 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 BeamtVG ermittelt worden. Ohne Teilzeitbeschäftigung hätte die Klägerin eine ruhegehaltsfähige Dienstzeit von 31,01 Jahren und damit einen Ruhegehaltssatz von 71 v.H. nach altem Recht erreicht. Dieser Satz sei im Verhältnis ihrer unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung erdienten ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von 27,46 Jahren vermindert worden.

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Am 02.03.2001 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben und vorgetragen, durch den sogenannten Versorgungsabschlag für Teilzeitbeschäftigte werde ihr Ruhegehaltssatz doppelt gekürzt. Teilzeittätigkeiten seien nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG nur zu dem Teil als ruhegehaltsfähig zu berücksichtigen, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspreche. Über diese anteilige Kürzung hinaus erfolge nach § 14 Abs. 1 BeamtVG a.F. eine weitere Kürzung. Dies verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und gegen das Verbot der mittelbaren Frauendiskriminierung nach Art. 141 EGV. Maßstab für eine Kürzung könne nur die geleistete Arbeitslänge sein. Sie habe genau so viel gearbeitet, wie ein Beamter der 27 Jahre in Vollzeit tätig gewesen sei. Ein solcher Beamter erreiche einen Ruhegehaltssatz von 67 v.H., ihrer sei auf 62,88 v.H. gekürzt worden. Der EuGH habe mit Urteil vom 23.10.2003 - C 4/02 und C 5/02 - über die vorliegende Vorschrift entschieden.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 15.12.2000 in Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 25.01.2001 den Beklagten zu verpflichten, ihr rückwirkend ab dem 01.12.2000 Versorgungsbezüge auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes von 63,81 v.H. einschließlich Zinsen von 5 v.H. über dem Basiszinssatz ab dem 02.03.2001 zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ergänzt, ein Anspruch auf unveränderte Versorgungsregelungen werde durch Art. 33 Abs. 5 GG nicht gewährleistet. Der Gesetzgeber sei berechtigt, Kürzungsvorschriften zu erlassen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sei und der Kernbereich der Alimentationspflicht unangetastet bleibe. § 14 Abs. 1 BeamtVG 1984 differenziere nicht nach dem Geschlecht des Versorgungsempfängers, auch wenn unbestritten deutlich mehr Frauen als Männer von der Möglichkeit der Teilzeittätigkeit Gebrauche machten und von der Regelung daher überwiegend Frauen betroffen seien. Dies stelle aber keine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Anknüpfungspunkt der gesetzlichen Regelung sei nicht das Geschlecht, sondern die verminderte Arbeitsleistung. Die Regelung wirke sich daher nicht rechtlich unterschiedlich auf Männer und Frauen, die teilzeitbeschäftigt seien, aus. Eine etwaige Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter sei durch geschlechtsunabhängige Gründe bestimmt, nämlich das Bestreben des Gesetzgebers, für die Erweiterung der Teilzeitmöglichkeiten, die mit höherem Aufwand für die öffentliche Hand verbunden seien, einen Ausgleich bei der Versorgung herbeizuführen. Dass mehr Frauen als Männer von der Regelung betroffen würden, sei daher eine zufällige Nebenfolge. Im Zielkonflikt, die Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen zu erweitern, mit dem beamtenrechtlichen Grundsatz der Vollzeitbeschäftigung sei es angemessen, die Teilzeittätigkeit einer besonderen ‚Sanktion’ zu unterwerfen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Insoweit waren der entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 15.12.2000 und der Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001 aufzuheben.

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Der zwischen den Beteiligten allein streitige Ruhegehaltssatz, der der Festsetzung der Versorgungsbezüge der Klägerin zugrunde zu legen ist, ist für Beamte, die wie die Klägerin bereits am 31.12.1991 im Beamtenverhältnis standen, nach der Übergangsvorschrift des § 85 BeamtVG zu ermitteln. Diese Vorschrift verstößt nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. U. v. 23.10.2003 - C 4/02 und C 5/02 -) für die Zeit ab 17.05.1990 aber teilweise gegen das europarechtliche Verbot der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts i.S.d. Art. 119 Abs. 1 und Abs. 2 EGV und Art. 141 Abs. 1 und Abs. 2 EG.

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Gegen die Berechnung des Ruhegehaltssatzes der Klägerin in Anwendung des § 85 BeamtVG bestehen zunächst keine Bedenken und werden auch von der Klägerin nicht erhoben. Nach § 85 Abs. 4 BeamtVG wird der sich aus Abs. 1 der Vorschrift ergebende Ruhegehaltssatz der Berechnung des Ruhegehalts zugrunde gelegt, wenn er höher ist als der Ruhegehaltssatz, der sich nach dem BeamtVG für die gesamte ruhegehaltsfähige Dienstzeit ergibt. Der sich aus Abs. 1 ergebende Ruhegehaltssatz darf den Ruhegehaltssatz, der sich nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht ergäbe, aber nicht übersteigen. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte eine Vergleichsberechnung vorgenommen und zunächst den Ruhegehaltssatz mit dem linearen Satz des § 14 Abs. 1 BeamtVG (in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung) i.H.v. 1,875 v.H. mit 51 v.H. (27,20 ruhegehaltsfähige Dienstjahre x 1,875) festgestellt. Er hat dem als zweite Vergleichsgröße den sich gemäß § 85 Abs. 1 BeamtVG nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht ergebenden Ruhegehaltssatz gemäß der früheren degressiven Ruhegehaltstabelle des § 14 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. BeamtVG jedoch ohne den hier streitigen Versorgungsabschlag mit einer Mischberechnung für die Zeit ab 1992 gegenüber gestellt und insoweit einen Ruhegehaltssatz von 63,81 v.H. ermittelt. Sodann hat er für die gesamte ruhegehaltsfähige Dienstzeit, also auch die Zeit ab 01.01.1992, das bis zum 31.12.1991 geltende Recht zugrunde gelegt und als Vergleichsruhegehaltssatz ohne Versorgungsabschlag 67 v.H. errechnet. Schließlich hat er als Vergleichsgröße den Ruhegehaltssatz ermittelt, der sich bei vollständiger Anwendung des früheren Rechts einschließlich des hier streitigen Versorgungsabschlags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 (BGBl. I, S. 998, 1001) gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG ergibt und den sich daraus ergebenden Ruhegehaltssatz von 62,88 v.H. der Berechnung der Versorgungsbezüge der Klägerin zugrunde gelegt.

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Diese Verfahrensweise entspricht dem geltenden bundesdeutschen Recht, das vom BVerwG (vgl. U. v. 23.04.1998 - 2 C 2/98 -, DVBl. 1998, 1079 f., U. v. 22.07.1999 - 2 C 19/98 -, ZBR 2000, 38 f.) als sowohl mit Art. 3 GG als auch mit Europarecht, insbesondere auch mit Art. 119 EGV, vereinbar angesehen wurde. Das BVerwG hat insoweit den Standpunkt vertreten, § 14 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 enthalte keine den Gleichheitssatz verletzende Benachteiligung solcher früherer Beamter, die zeitweise teilzeitbeschäftigt gewesen seien. Der Ruhegehaltssatz werde vielmehr im Ergebnis zunächst so errechnet, wie er sich bei voller Dienstleistung ergeben hätte und dann im Verhältnis der durch die Teilzeitbeschäftigung entfallenden Dienstzeit zur gesamten ruhegehaltsfähigen Dienstzeit gekürzt. Die Regelung habe der Korrektur einer auf der früheren degressiven Ruhegehaltstabelle beruhenden vergleichsweisen Besserstellung derjenigen Beamten, die nicht vollzeitig beschäftigt gewesen seien, gedient. Auch wenn tatsächlich erheblich mehr Frauen als Männer von diesen Dienstfreistellungen Gebrauch machten, sei damit keine unzulässige mittelbare Benachteiligung von Frauen verbunden. Im Rahmen der Vergleichsberechnung nach der Übergangsregelung des § 85 Abs. 1 und Abs. 4 BeamtVG sei nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die teilweise Wahrung der bis Ende 1991 erreichten Versorgungserwartung auf die damalige Gesetzeslage beschränkt habe.

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Auch bei Berücksichtigung der Motive des Gesetzgebers zur Einführung des Versorgungsabschlags (vgl. BT-Drucks. 10/930) ergeben sich für die Kammer keine Bedenken an der getroffenen Regelung. Die Vorschrift ist im Rahmen der im Hinblick auf die hohe Zahl von Arbeitssuchenden aus arbeitsmarktpolitischen Gründen gewollten Erweiterung der Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten für Beamte unter Beachtung des Grundsatzes der Freiwilligkeit eingeführt worden. Die damit unmittelbar verbundenen Mehrkosten und die personalwirtschaftlichen Schwierigkeiten etwa dadurch, dass teilzeitbeschäftigte Beamte nach Ablauf des Bewilligungszeitraums wieder in Vollzeit beschäftigt werden müssen, sollten u.a. durch Einführung von Abschlägen bei der Versorgung für alle Fälle einer verminderten Dienstleistung aufgefangen werden. Dabei hat die Teilzeitbeschäftigung beamtenrechtlich einen Ausnahmecharakter gegenüber den elementaren Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums, die dessen Funktionsfähigkeit gewährleisten sollen, wie den Grundsatz der Hauptberuflichkeit, der Vollalimentation und des Lebenszeitprinzips.

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Der EuGH hat in seinem Urteil vom 23.10.2003 demgegenüber für Recht erkannt, dass ein Altersruhegehalt wie die Versorgungsbezüge der Beamten in den Anwendungsbereich der Art. 119 EGV und 141 EG fällt und diese Bestimmungen dem § 14 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 i.V.m. § 85 BeamtVG dann entgegenstehen, wenn sie zu einer Minderung des Ruhegehalts derjenigen Beamten führen können, die ihren Dienst zumindest während eines Teils ihrer Laufbahn als Teilzeitbeschäftigte ausgeübt haben und diese Gruppe von Beamten erheblich mehr Frauen als Männer umfasst, es sei denn, die Regelung ist durch Faktoren objektiv gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Auch wenn der EuGH insoweit die Feststellung dem Kompetenzbereich des nationalen Gerichts zuweist, ob und inwieweit eine gesetzliche Regelung aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist, hat er anderseits ausgeschlossen, den Zweck, die öffentlichen Ausgaben zu begrenzen, zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts anzuführen. Er hat weiter entschieden, dass die Regelung auch nicht dadurch als objektiv gerechtfertigt angesehen werden kann, dass eine Besserstellung teilzeitbeschäftigter Beamter gegenüber vollzeitbeschäftigten Beamten verhindert werden soll, wenn die betroffene Regelung bewirkt, dass das Ruhegehalt eines Arbeitnehmers stärker als unter proportionaler Berücksichtigung der Zeiten seiner Teilzeitbeschäftigung gekürzt wird.

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Die Kammer hat bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, dass sie im Falle einer Kollision von Gemeinschaftsrecht mit nationalem Recht den Normenkonflikt lösen und dabei den Vorrang des Gemeinschaftsrechts sowohl hinsichtlich des primären als auch des sekundären Gemeinschaftsrechts zu beachten hat (vgl. BVerfG, B. v. 19.11.2003 - 2 BvR 1476/01 -). Ein Widerspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht etwa aufgrund mangelhafter Umsetzung einer Richtlinie führt dazu, dass sich der Betroffene gegenüber den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar auf die Richtlinie berufen kann, sofern diese klar und unbedingt ist und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsaktes mehr bedarf. Soweit Fragen der Auslegung von EG-Recht betroffen sind, entscheidet hierüber verbindlich der EuGH ( vgl. Wank, Bereitschaftsdienst von Ärzten, ZRP 2003, S. 414 ff m.w.N.).

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In Übereinstimmung mit dem EuGH und dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. U. v. 23.04.1998, a.a.O.) ist die Kammer davon ausgegangen, dass von den gebotenen Möglichkeiten der Teilzeittätigkeit für Beamte tatsächlich erheblich mehr Frauen als Männer Gebrauch machen. In Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 kann es zudem zu einer Minderung der Versorgungsbezüge kommen, die über das Maß hinausgeht, das dem Verhältnis der geleisteten Teilzeittätigkeit zu einer Vollzeittätigkeit entspricht. Dies verdeutlicht folgende fiktive Betrachtung. Ein Beamter, der 20 Jahre in Vollzeit berufstätig war, erhält in Anwendung der degressiven Ruhegehaltsstaffelung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 Versorgungsbezüge auf der Grundlage einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von 55 v.H. (35 v.H. für die ersten 10 Jahre und je 2 v.H. für jedes folgende Jahr). Ein 10 Jahre in Vollzeit tätiger und 20 Jahre mit ½ teilzeittätiger Beamter, der für seinen Dienstherrn die gleiche Anzahl an Dienststunden geleistet hat, erhält demgegenüber nur ein Ruhegehalt von 46,67 v.H. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 betrüge das Ruhegehalt zunächst 70 v.H. (für die ersten 10 Dienstjahre 35 v.H., für die folgenden 15 Jahre je 2 v.H. = 30 v.H. und für die letzten 5 Dienstjahre je 1 v.H. = 5 v.H.). Wegen der Teilzeitbeschäftigung wäre dieses Ruhegehalt aber bei Anwendung des Versorgungsabschlags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 in dem Verhältnis zu mindern, in dem die ruhegehaltsfähige Dienstzeit zu der Zeit steht, die ohne diese Freistellung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit erreicht worden wäre (70 v.H. x 20 : 30 = 46,67 v.H.).

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Für diese Ungleichbehandlung vermag die Kammer bei Beachtung der vom EuGH ausgeschlossenen Gesichtspunkte der Begrenzung der öffentlichen Ausgaben und der Verhinderung der Besserstellung teilzeitbeschäftigter Beamter keine objektiven Rechtfertigungsgründe zu erkennen. Wie sich aus den vorstehend zitierten Motiven des Gesetzgebers ergibt, war mit der Einführung des Versorgungsabschlages ein Ausgleich der Mehraufwendungen für höhere Sozial- und Gemeinkosten der Teilzeitbeschäftigung intendiert. Die aus arbeitsmarktpolitischen Gründen gewünschte Erweiterung der Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten für Beamte sollte im Hinblick auf die bedrängte Haushaltssituation und wegen der Gemeinwohlbindung des öffentlichen Dienstes aber kostenneutral und unter Wahrung der Struktur des öffentlichen Dienstrechts erfolgen. Dass vor diesem Hintergrund eine Kürzung der Versorgungsbezüge über die proportionale Berücksichtigung der Zeiten der Teilzeitbeschäftigung hinaus erfolgt ist, beruht auf den darüber hinaus gehenden Kosten der Dienstherrn etwa im Bereich der Personalsachbearbeitung und aufgrund des auch für Teilzeitbeschäftigte bestehenden vollen Beihilfeanspruchs. Dieser Gesichtspunkt vermag nach der Entscheidung des EuGH vom 23.10.2003 aber ebenso wie weitere, nicht bei der Einführung des Versorgungsabschlags angeführte Rechtfertigungsgründe die Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten nicht zu rechtfertigen, da sie ebenfalls solche fiskalischer Art sind und daher außer Betracht zu bleiben haben. Dies gilt auch für den vom Beklagten angeführten Grund, im Zielkonflikt zwischen der Erweiterung der Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen und dem beamtenrechtlichen Grundsatz der Vollbeschäftigung die Teilzeitbeschäftigung einer besonderen ‚Sanktion’ zu unterwerfen. Zwar knüpft dieser Gesichtspunkt zunächst an den Grundsatz der Vollzeitbeschäftigung der Beamten an, der die Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums gewährleisten soll. Die gewählte ‚Sanktion’ erweist sich aber in der Sache deshalb als wenig geeignet, weil sie erst zu einem Zeitpunkt wirksam würde, zu dem der Beamte seine Entscheidung für eine Teilzeittätigkeit nicht mehr revidieren kann, nämlich mit Eintritt in den Ruhestand. Sie dient daher letztlich maßgeblich auch der Begrenzung der öffentlichen Ausgaben.

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Die Kammer geht deshalb vorliegend davon aus, dass der Anwendung von § 85 BeamtVG i.V.m. § 14 BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 Art. 119 EGV und Art. 141 EG entgegenstehen, die den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit festschreiben und damit nicht nur eine hier unstreitig nicht vorliegende unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbieten, sondern auch eine mittelbare Diskriminierung. Deren Vorliegen hat der EuGH mit Urteil vom 23.10.2003 im Hinblick auf die streitige Regelung bejaht, weil sich diese aufgrund des erheblich höheren Prozentsatzes weiblicher als männlicher Arbeitnehmer, die teilzeitbeschäftigt sind, auf weibliche Arbeitnehmer ungünstiger auswirkt als auf männliche.

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Indes ist die in § 14 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 getroffene Regelung bei der Ermittlung der Versorgungsbezüge der Klägerin nur für die Zeit ab 17.05.1990 außer Acht zu lassen. Für die davor liegenden Versorgungszeiten ist sie weiterhin anzuwenden. Dies folgt aus dem zu beachtenden Gebot der Rechtssicherheit, das es ausschließt, dass Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen sich in der Vergangenheit erschöpft haben, in Frage gestellt werden. Dies erkennt ausdrücklich auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 23.10.2003 dann an, wenn dies rückwirkend das finanzielle Gleichgewicht zahlreicher Versorgungssysteme stören könnte, mit der Folge, dass sich dann niemand auf die unmittelbare Wirkung von Art. 119 EGV berufen kann, es sei denn, er hat rechtzeitig Vorkehrungen zur Wahrung seiner Rechte getroffen. Dies hat der EuGH mit seinem Urteil vom 17.05.1990 (in der Rechtssache Barber - C 262/88 -) festgestellt und mit Urteil vom 06.10.1993 (in der Rechtssache Ten Oever - C 109/91 -) ausgeführt, dass gemäß dem in Sachen Barber ergangenen Urteil die unmittelbare Wirkung von Art. 119 EGV zur Stützung der Forderung nach Gleichbehandlung auf dem Gebiet der betrieblichen Renten nur für Leistungen geltend gemacht werden kann, die aufgrund von Beschäftigungszeiten nach dem 17.05.1990, dem Datum des Erlasses des Urteils in der Sache Barber, geschuldet werden. Da nach nationalem Recht für den davor liegenden Zeitraum eine Kollision des § 14 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BeamtVG i.d.F. v. 31.07.1984 mit höherrangigem Recht nicht festgestellt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 22.07.1999, a.a.O. und U.v. 23.04.1998, a.a.O.), ist der davor liegende Beschäftigungszeitraum der Klägerin der Anwendung der streitigen Vorschrift zu unterwerfen und die Klage insoweit abzuweisen.

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Soweit die Klage Erfolg hat, hat der Kläger auch Anspruch auf Prozesszinsen in der geltend gemachten Höhe von 5 v.H. über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung, hier ab 02.03.2001. Dieser Anspruch leitet sich aus der entsprechenden Anwendung des § 291 BGB her (vgl. BVerwG, U. v. 28.05.1998 - 2 C 28/97 -, DVBl. 1998, 1082 f.). Das BeamtVG enthält keine Bestimmung, die die Zahlung von Prozesszinsen ausschließt.