Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 19.03.2004, Az.: 6 D 930/04
Androhung von Zwangsgeld gegen eine Behörde; Prüfung der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen; Der Vollstreckung einer solchen Maßnahme entgegenstehende Umstände
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 19.03.2004
- Aktenzeichen
- 6 D 930/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 32905
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2004:0319.6D930.04.0A
Rechtsgrundlage
- § 172 S. 1 VwGO
Fundstelle
- NVwZ-RR 2005, 294-295 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Vollstreckung des Gerichtsbescheides vom 10. Oktober 2003
Das Verwaltungsgericht Hannover - 6. Kammer - hat
am 19. März 2004
beschlossen:
Tenor:
Dem Vollstreckungsschuldner wird eine Frist von einem Monat nach Zustellung dieses Beschlusses gesetzt, um seiner Verpflichtung aus dem Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer - vom 10. Oktober 2003 - 6 A 1152/01 -, den Vollstreckungsschuldner hinsichtlich seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, nachzukommen.
Für den Fall, dass der Vollstreckungsschuldner dieser Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommen sollte, wird ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 (in Worten: Fünftausend) Euro angedroht.
Der Vollstreckungsschuldner trägt die Kosten des Vollstreckungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Vollstreckungsverfahren auf 4.090,33 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Entscheidung ergeht gemäß § 172 Satz 1 VwGO. Danach kann das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluss androhen, wenn die Behörde in einem Fall des § 113 Abs. 5 VwGO der ihr im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt, wobei ein Gerichtsbescheid auch insoweit als Urteil wirkt (§ 84 Abs. 3, 1. Halbsatz VwGO).
Die Voraussetzungen für eine Vollstreckung nach dieser Vorschrift liegen vor.
Zunächst sind die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen - Antrag, Titel, Klausel und Zustellung - gegeben: Der Vollstreckungsgläubiger hat die Einleitung der Vollstreckung nach § 172 VwGO mit Schriftsatz vom 25. Februar 2004 beantragt. Vollstreckungstitel ist eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung im Sinne von § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, und zwar der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer - vom 10. Oktober 2003 - 6 A 1152/01 -. Dieser ist auch rechtskräftig, nachdem er den Beteiligten am 23. und 24. Oktober 2003 zugestellt worden ist und gegen ihn bislang keine Rechtsmittel eingelegt worden sind. Die Vollstreckungsklausel wurde dem Vollstreckungsschuldner auf seinen Antrag vom 15. März 2004 am 17. März 2004 erteilt; die vollstreckbare Ausfertigung des Gerichtsbescheides befindet sich bei den Gerichtsakten. Der Vollstreckungstitel wurde schließlich dem Vollstreckungsgläubiger am 24. Oktober 2003 und dem Vollstreckungsschuldner am 23. Oktober 2003 zugestellt.
Darüber hinaus setzt die Vollstreckung nach § 172 VwGO voraus, dass die Behörde der ihr im Titel auferlegten Verpflichtung innerhalb einer angemessenen Erfüllungsfrist nicht nachgekommen ist (sog. grundlose Säumnis). Die Androhung eines Zwangsgeldes ist danach erst gerechtfertigt, wenn es der Behörde als Vollstreckungsschuldnerin billigerweise zugemutet werden konnte, die ihr auferlegte Verpflichtung in der Zeit seit Zustellung des Titels zu erfüllen. Auch diese Voraussetzung liegt hier offenkundig vor. Denn es wäre dem Vollstreckungsschuldner zweifellos als solches möglich und zumutbar gewesen, der ihm in dem Gerichtsbescheid auferlegten Verpflichtung zur Neubescheidung des Vollstreckungsgläubigers hinsichtlich seines Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis in den letzten rund fünf Monaten nachzukommen. Ein zureichender Grund für die bisherige Säumnis des Vollstreckungsschuldners liegt nicht vor.
Ein solcher Grund kann insbesondere nicht in der nach Meinung des Vollstreckungsschuldners entscheidungserheblichen Änderung der Sachlage nach Ergehen der gerichtlichen Entscheidung gesehen werden. Denn eine Partei, die im Erkenntnisverfahren die Verpflichtung der Behörde zur Vornahme einer Amtshandlung erstritten hat, und sei es auch nur die Verpflichtung zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, hat einen Anspruch auf Vollstreckung gegen die Behörde aus diesem Titel nach Maßgabe des Entscheidungstenors (und der Entscheidungsgründe) im Rahmen der für die Vollstreckung anzuwendenden Vorschriften. Dieser Anspruch besteht grundsätzlich, solange der Vollstreckungstitel selbst besteht. Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage kann zwar unter Umständen den materiell-rechtlichen Anspruch des erfolgreichen Klägers zum Erlöschen bringen. Derartige Einwendungen können jedoch im Vollstreckungsverfahren nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden. Solange eine gerichtliche Entscheidung, die einer solchen Vollstreckungsabwehrklage des Vollstreckungsschuldners stattgibt, nicht ergangen und rechtskräftig geworden oder vorläufig vollstreckbar ist oder die einstweilige Einstellung der Vollstreckung nicht nach § 769 ZPO angeordnet worden ist, besteht der Vollstreckungsanspruch des Vollstreckungsgläubigers aber fort (so schon OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. Dezember 1973 -1 B 155/73 - NJW 1974, 918; ebenso: VGH Mannheim, Beschluss vom 14. Mai 1992 - 8 S 158/92 - NVwZ-RR 1993,447).
Danach kann das Vorbringen des Vollstreckungsschuldners, seine neuerlichen Ermittlungen könnten dazu führen, dass der Anspruch des Vollstreckungsgläubigers auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nicht (mehr) bestehe, im vorliegenden Verfahren schon grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, dass der Vollstreckungsgläubiger auch nicht unmittelbar zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis, sondern lediglich zur Neubescheidung des Vollstreckungsgläubigers über seinen darauf gerichteten Antrag verpflichtet worden ist. Schließlich mag zu bedenken sein, dass gerade der Umstand, dass die jahrelangen Ermittlungen des Vollstreckungsschuldners gegen den Vollstreckungsgläubiger bislang nichts zu Tage gefördert haben, was die fortgesetzte Erteilung von Duldungen und die Versagung einer Aufenthaltsbefugnis rechtfertigen konnte, entscheidend für das Ergehen des Gerichtsbescheides vom 10. Oktober 2003 gewesen ist. Ob die jetzt vermeintlich eingetretenen Ermittlungsfortschritte eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, dürfte auch materiell-rechtlich zweifelhaft sein.
Nach alledem hat der Vollstreckungsgläubiger hier einen Anspruch auf Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner aus dem Gerichtsbescheid vom 10. Oktober 2003 gemäß § 172 Satz 1 VwGO. Die gesetzte Frist von einem Monat ist angemessen, ebenso wie die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes, das hier zunächst mit der Hälfte des gesetzlich vorgesehen Höchstbetrages bemessen wurde.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird für das Vollstreckungsverfahren auf 4.090,33 Euro festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GKG und entspricht dem Erzwingungsinteresse des Vollstreckungsgläubigers, welches durch den für das Erkenntnisverfahren anzusetzenden Streitwert ausgedrückt wird.
Heidmann
Oppenborn-Prinzen