Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.12.2002, Az.: 3 K 508/00
Außergewöhnliche Belastung bei Aufwendungen für Altschulden eines Ehepartners für den anderen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.12.2002
- Aktenzeichen
- 3 K 508/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 20659
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:1203.3K508.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 33 EStG
- § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB
Fundstellen
- EFG 2003, 622
- FamRB 2003, 204 (Kurzinformation)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Unter rechtliche Gründe i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG fallen nur solche rechtlichen Verpflichtungen, die der Stpfl. nicht selbst gesetzt hat. Verpflichtungen aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen können für sich allein eine Zwangsläufigkeit i.S.d. Vorschrift regelmäßig nicht begründen.
- 2.
Aus der ehelichen Beistandspflicht gem. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB folgt nicht die Verpflichtung, Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten zu begleichen. Für eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen reicht es nicht aus, dass ein Stpfl. sich zu Aufwendungen für einen Dritten verpflichtet fühlt.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob Zahlungen des Klägers in Höhe von 30.000 DM auf Altschulden der Klägerin aus erster Ehe als außergewöhnliche Belastungen im Streitjahr 1996 zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind seit dem 1993 verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin hat aus erster Ehe nicht unerhebliche Schulden mitgebracht, die insbesondere aus dem Bau eines gemeinsamen Einfamilienhauses mit ihrem damaligen Ehemann stammen. Das Einfamilienhaus wurde zwangsversteigert, gegen die Klägerin wurden Vollstreckungsmaßnahmen unternommen. Nach der Heirat hatte der Kläger Verhandlungen mit den Gläubigerbanken aufgenommen und 1996 einen Betrag in Höhe von 30.000 DM an die A-Bank gezahlt. Im Gegenzug entließ die Bank die Klägerin sodann aus der persönlichen Haftung.
Bei der Einkommensteuererklärung 1996 machte der Kläger die geleistete Zahlung in Höhe von 30.000 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte lehnte eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ab.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.
Die Schulden, die der Kläger getilgt habe, stammten aus der ersten Ehe seiner Ehefrau und seien in erster Linie von deren damaligen Ehemann verursacht worden. Für den Kläger handele es sich somit um außereheliche Schulden. In dieser Konstellation könne es daher nicht von Bedeutung sein, ob die Schulden, wenn sie denn von dem verursachenden Ehegatten bezahlt werden, außergewöhnliche Belastungen darstellen würden. Die Folge der Zwangsläufigkeit, die sich hier aus einer sittlichen Verpflichtung ergebe, sei daher wie bei Nichtehegatten zu beurteilen. Bei diesen stelle sich aber nicht die Frage, ob bei dem die Schulden Verursachenden eine Tilgung ebenfalls außergewöhnliche Belastungen darstellen würden. Der Kläger selbst wohne mit seiner Ehefrau in einer Kleinstadt, es kenne hier praktisch jeder jeden, so dass auch solche Tatsachen an die Öffentlichkeit gelangen, die dafür nicht bestimmt seien. Zwangsläufig würden sich daher Neuigkeiten außergewöhnlich schnell verbreiten und führten allzu oft zu einer gesellschaftlichen Verurteilung. Für die gesellschaftliche Anerkennung und den gesellschaftlichen Status sei es daher von ganz erheblicher und entscheidender Bedeutung, dass zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Lohnpfändungen bei der Ehefrau ein Ende gesetzt werde. Der Kläger habe sich daher sittlich gezwungen gefühlt, die Schulden der Ehefrau zu tilgen. Die Gesellschaft hätte in dem vorliegenden Fall die Schuldentilgung bzw. die Erlösung von der Lohnpfändung erwartet und jedes Unterlassen durch den Kläger gesellschaftlich geächtet. Der Kläger habe sittlich daher überhaupt keine andere Wahl gehabt, als der Lohnpfändung ein Ende zu setzen und die Schuldentilgung vorzunehmen.
Die Kläger beantragen,
die Zahlungen in Höhe von 30.000 DM als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bei den Schulden der Klägerin handele es sich um Restschulden aus erster Ehe, die nach der Zwangsversteigerung ihres mit ihrem damaligen Ehemann errichteten Einfamilienhauses verblieben seien. Die Tilgung dieser Schulden stelle grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung dar. Durch Schuldentilgung entstehe keine Vermögensminderung, sondern eine Vermögensumschichtung, so dass eine Belastung nicht vorliege. Eine Kreditaufnahme für den Bau oder Kauf eines Wohnhauses sei ein normaler Vorgang, der auf freier Entscheidung des Bauherrn und Käufers beruhe und nicht durch eine Zwangslage veranlasst werde. Außergewöhnliche Belastungen zusammen veranlagter Ehegatten seien zudem einheitlich zu betrachten. Es sei daher ohne Bedeutung, bei welchem Ehegatten die Ausgaben entstanden seien. Daraus folge, dass Aufwendungen, die ein Ehegatte trage, nur dann berücksichtigungsfähig seien, wenn sie beim anderen Ehegatten auch eine außergewöhnliche Belastung wären, weil ansonsten allein die Übernahme von Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten eine außergewöhnliche Belastung darstellen würde.
Beide Parteien habe ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erteilt.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Das Finanzamt hat zutreffend die Schuldentilgung in Höhe von 30.000 DM nicht steuermindernd als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 EStG berücksichtigt.
1.
Allerdings kann nach § 33 Abs. 1 EStG die Einkommensteuer ermäßigt werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Nach dieser Vorschrift erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Unter rechtliche Gründe i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG fallen dabei nur solche rechtlichen Verpflichtungen, die der Steuerpflichtige nicht selbst gesetzt hat. Verpflichtungen aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen können mithin für sich allein eine Zwangsläufigkeit i.S.v. § 33 Abs. 2 EStG regelmäßig nicht begründen. Denn in den Fällen rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen tritt der Zwang in aller Regel nicht von außen an den Steuerpflichtigen heran. Zwangsläufigkeit kann in derartigen Fällen nur bejaht werden, wenn zusätzlich zu der selbst begründeten Rechtspflicht eine weitere sich z.B. unmittelbar aus dem Gesetz ergebende rechtliche oder sittliche Verpflichtung bzw. eine tatsächliche Zwangslage zur Leistung der Aufwendungen besteht.
2.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall bei den Leistungen des Klägers an seine Ehefrau nicht gegeben.
a)
Der Kläger war zunächst nicht aufgrund bestehender Ehe verpflichtet, für die Schulden seiner Ehefrau einzutreten. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die sich aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebende eheliche Beistandspflicht. Diese Beistandspflicht beinhaltet in erster Linie persönliche Handlungspflichten, wie z.B. die Pflicht, bei Unfällen, Krankheit und Gefahren Beistand zu leisten, nicht aber folgt aus der Vorschrift die Verpflichtung, Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten zu begleichen (Urteil des Finanzgerichts Köln vom 2. März 1995 2 K 3852/94, EFG 1995, 719; Urteil des Finanzgerichts München vom 19. April 1994 2 K 2838/93, n.V.)
b)
Die Tilgung der Schulden war allerdings auch nicht deshalb zwangsläufig, weil der Kläger etwa aus sittlichen Gründen hierzu verpflichtet gewesen wäre. Für eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen reicht es nicht aus, dass ein Steuerpflichtiger sich zu Aufwendungen für einen Dritten verpflichtet fühlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH-Urteil vom 18. Juli 1986 III R 178/80, Bundessteuerblatt II 1986, 745) erwachsen Zahlungen in Erfüllung rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen regelmäßig nicht zwangsläufig i.S.v. § 33 Abs. 2 EStG. Unter rechtlichen Gründen i.S.v. § 33 Abs. 2 EStG fallen nur solche rechtlichen Verpflichtungen, die der Steuerpflichtige nicht selbst gesetzt hat. Nach herrschender Meinung können Schuldzinsen sowie Tilgungen nur dann eine außergewöhnliche Belastung bilden, wenn die Schuldaufnahme durch Ausgaben veranlasst ist, die ihrerseits eine außergewöhnliche Belastung darstellen (BFH-Urteil vom 18.07.1986 a.a.O.; Urteil des Finanzgerichts Köln vom 2. März 1995 a.a.O.). Für die Zwangsläufigkeit ist deshalb auf den Forderungen abzustellen, die ursächlich für die spätere Verpflichtung zur Schuldentragung ist. Anderenfalls nämlich könnten Aufwendungen, die weder außergewöhnlich noch zwangsläufig sind, auf dem Umweg über eine Darlehensaufnahme mit Erfolg als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden. Hat die unterstützte Person daher die Aufwendungen durch eigenes Verhalten verursacht, dass einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG in ihrer Person entgegenstehen würde, erst regelmäßig die Übernahme der Aufwendungen durch den Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig (Urteil des Finanzgerichts München vom 05.07.1991 8 K 2613/91 n.V.; BFH-Urteil vom 3. Mai 1974 VI R 86/71, Bundessteuerblatt II 1974, 686).
Danach sind im Streitfall die seitens des Klägers geleisteten Zahlungen auch nicht aufgrund einer sittlichen Verpflichtung als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Die Darlehensaufnahme für den Hausbau durch seine Ehefrau in erster Ehe war seitens der Klägerin freiwillig begründet. Sie selbst hat daher eine ganz normale vertragliche Verpflichtung gesetzt, aus der die bestehenden Schulden resultieren. Das Ereignis "Hausbau" und die damit verbundene Kreditaufnahme selbst war nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG gewesen. Daher könne auch nicht die spätere Schuldentilgung nunmehr auf dem Umweg der Tilgung durch den Ehemann den Charakter der Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen i.S.d. § 33 EStG erlangen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.