Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.12.2002, Az.: 5 K 96/01

Stillschweigende Option eines Landwirts zur Regelbesteuerung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.12.2002
Aktenzeichen
5 K 96/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 14050
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:1212.5K96.01.0A

Fundstellen

  • EFG 2003, 656-657
  • UStB 2003, 193

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Option zur Regelbesteuerung ist eine Willenserklärung, die nur dann wirksam wird, wenn sie dem FA rechtzeitig zugeht. Diesen Zugang muss der Stpfl. nachweisen.

  2. 2.

    Der getrennte Ausweis von Ausgangs-Umsatzsteuer und Vorsteuer in der Buchführung ist allein noch keine Option zur Regelbesteuerung.

  3. 3.

    Die Ausübung der Option erfordert eine eindeutige Erklärung, aus der das FA zweifelsfrei den Übergang zur Regelbesteuerung erkennen kann.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Streitig ist, ob er wirksam zur Regelbesteuerung optiert hat.

2

Am 1. März 2000 reichte der Kläger beim Beklagten Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das 1. bis 4. Quartal 1997 und für das 1. bis 2. Quartal 1998 ein, in denen er jeweils Vorsteuerüberhänge geltend machte. Am 16. Juni 2000 stimmte der Beklagte diesen Voranmeldungen zunächst zu. Da der Kläger für die nachfolgenden, in diesem Klageverfahren zunächst streitbefangenen Voranmeldungszeiträume (Umsatzsteuer-Vorauszahlungen 3. bis 4. Quartal 1998, 1. bis 4. Quartal 1999 und 1. Quartal 2000) keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben hatte, erließ der Beklagte am 29.06.2000 Schätzungsbescheide, in denen er die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für jedes dieser Quartale jeweils auf 500,00 DM schätzte. Aufgrund des hiergegen eingelegten Einspruchs hob der Beklagte diese Vorauszahlungsbescheide mit Bescheid vom 03.11.2000 ersatzlos auf. Hiergegen legte der Kläger erneut Einspruch ein. Mit Schreiben vom 12.12.2000 teilte der Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf die Erläuterungen zum Umsatzsteuerbescheid 1997 mit, er habe nicht wirksam zur Regelbesteuerung optiert. Daraufhin machte der Kläger geltend, er habe bereits mit Schreiben vom 11.12.1997 eine wirksame Optionserklärung an das FA geschickt. Zuvor hatte der Kläger dem Beklagten erstmals mit Schreiben vom 9. Oktober 2000 die Kopie eines auf den 11. Dezember 1997 datierten Schreibens vorgelegt, in dem der Kläger erklärte, er optiere ab 1997 für seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zur Regelbesteuerung. Diese Kopie wurde vom Kläger mit dem handschriftlichen Zusatz "am 12.12.97 per Post abgeschickt" versehen. Ein Eingang des Originals dieser Optionserklärung ist in den Akten des Beklagten nicht festzustellen. Der Einspruch des Klägers wurde als unbegründet zurückgewiesen.

3

Mit der hiergegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend, für alle o.g. Voranmeldungszeiträume seien jeweils Vorsteuerüberhänge festzusetzen, da er ab dem Kalenderjahr 1997 wirksam zur Regelbesteuerung optiert habe. Dabei legte der Kläger mit Schreiben vom 31.07.2001 Umsatzsteuer-Voranmeldungen für diese Voranmeldungszeiträume vor, die jeweils einen Vorsteuerüberhang ausweisen.

4

Ferner macht der Kläger geltend, er habe in seiner Buchführung bereits in der am 20.11.1998 zusammen mit der Einkommensteuererklärung für 1997 beim Beklagten eingereichten Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1996/97 die umsatzsteuerlichen Konsequenzen aus der Option zur Regelbesteuerung gezogen. Betriebseinnahmen seien ab 01.07.1996 getrennt als Nettoerlöse einerseits und als vereinnahmte Umsatzsteuer andererseits gebucht worden. Betriebsausgaben seien ab 01.07.1996 ebenfalls getrennt als Nettoausgaben und gezahlte Vorsteuer gebucht worden. Ein solcher Ausweis sei bei pauschalierenden Landwirten weder sinnvoll noch üblich. Er sei deshalb als stillschweigende Option zur Regelbesteuerung aufzufassen, so dass jedenfalls ab dem - hier streitbefangenen - Jahr 1998 eine fristgerechte wirksame Option zur Regelbesteuerung erfolgt sei. Es sei allgemein anerkannt, dass eine Option auch stillschweigend erfolgen könne, z.B. durch Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen (Hinweis auf Abschn. 270 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStR 2002). In gleicher Weise könne auch stillschweigend durch Abgabe entsprechender Gewinnermittlungen der Wille zur Option bekundet werden. Durch den Ausweis der Umsatzsteuer in dieser Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung als betrieblichen Ertrag habe er eindeutig seinen Willen zur Option nach § 24 Abs. 4 UStG erklärt. Zuvor seien in den Gewinnermittlungen lediglich Vorsteuerbeträge aus Investitionen offen ausgewiesen worden, da diese ertragsteuerlich nicht Teil der Anschaffungskosten des betreffenden Wirtschaftsguts seien, sondern sofort abziehbare Betriebsausgaben. Die Umstellung der Buchführung sei von dem Prozessbevollmächtigten als steuerlichem Berater des Klägers bewusst vorgenommen worden, als der Kläger sich zur Option zur Regelbesteuerung entschlossen und das Schreiben vom 11.12.1997 an den Beklagten abgesandt habe.

5

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer-Vorauszahlung III/1998 auf ./. 195,31 DM festzusetzen,

die Umsatzsteuer-Vorauszahlung IV/1998 auf ./. 3.733,53 DM festzusetzen,

die Umsatzsteuer-Vorauszahlung I/1999 auf ./. 1.256,00 DM festzusetzen,

die Umsatzsteuer-Vorauszahlung II/1999 auf ./. 5.832,68 DM festzusetzen,

die Umsatzsteuer-Vorauszahlung III/1999 auf ./. 1.365,15 DM festzusetzen und

die Umsatzsteuer-Vorauszahlung IV/1999 auf ./. 698,81 DM festzusetzen.

6

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Er ist der Ansicht, die Klage sei unbegründet, da der Kläger für die streitigen Zeiträume nicht wirksam zur Umsatzsteuer optiert habe. Der Kläger habe den fristgerechten Eingang der auf den 11.12.1997 datierten Optionserklärung nicht nachgewiesen. Darüber hinaus könne der Kläger nicht erklären, weshalb er Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche erstmals mit den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das Jahr 1997 vom 01.03.2000 geltend gemacht habe, wenn er bereits im Dezember 1997 zur Regelbesteuerung optiert habe.

8

Die Gewinnermittlung könne nicht als wirksame Option für die Veranlagungszeiträume 1998 oder 1999 angesehen werden. Zwar sei die Option nicht an eine bestimmte Form gebunden. Sie müsse jedoch eindeutig und zweifelsfrei erfolgen. Dies sei bei der vorgelegten Gewinnermittlung nicht der Fall. Der gesonderte Ausweis der Umsatzsteuer könne auch auf anderen Gründen beruhen als auf einem Willen zur Option (z.B. könne es sich um interne Daten für betriebswirtschaftliche Zwecke oder um bloße Buchungsfehler handeln). Ein Wille zur Option sei hieraus nicht hinreichend klar zu erkennen.

9

Für das 1. Quartal 2000 half der Beklagte der Klage in der mündlichen Verhandlung ab, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung erklärte, diese Option mit Wirkung ab dem Jahr 2000 solle auch dann gelten, wenn eine Option für die Vorjahre nicht mehr möglich ist.

Gründe

10

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht zu, da er für die Streitjahre nicht rechtzeitig zur Regelbesteuerung optiert hat.

11

1.

 Für die im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers ausgeführten Umsätze konnte der Kläger nur dann nach den allgemeinen Vorschriften besteuert werden, wenn er dem Finanzamt gegenüber spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres erklärte, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Vorschriften des § 24 Abs. 1 bis 3 UStG, sondern nach den allgemeinen Vorschriften besteuert werden sollten (§ 24 Abs. 4 Satz 1 UStG). Dabei ist die Option zur Regelbesteuerung eine Willenserklärung, die nur dann wirksam wird, wenn sie dem Finanzamt rechtzeitig zugeht. Diesen Zugang muss der Kläger nach den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen nachweisen, da es sich hierbei um eine für ihn günstige Tatsache handelt.

12

Diesen Nachweis hat der Kläger nicht geführt.

13

a) 

Der getrennte Ausweis von Ausgangsumsatzsteuer und Vorsteuer in der Buchführung des Klägers war allein noch keine Option zur Regelbesteuerung.

14

Eine derartige Erklärung nach § 24 Abs. 4 Satz 1 UStG bedarf zwar keiner bestimmten Form. Jedoch muss es sich um eine eindeutige Erklärung handeln, aus der das Finanzamt zweifelsfrei den Übergang zur Regelbesteuerung erkennen kann. Dies folgt aus der Tatsache, dass das Gesetz für den Übergang zur Regelbesteuerung nach § 24 Abs. 4 Satz 1 UStG eine fristgebundene "Erklärung" des Unternehmers fordert. Damit will der Gesetzgeber spätestens bis zum 10. Tag nach Ablauf eines Kalenderjahres Klarheit darüber herbeiführen, ob für das Vorjahr eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen oder die Regelbesteuerung gelten soll. Diesem Gesetzeszweck kann nur eine eindeutige Option zur Regelbesteuerung gerecht werden, durch die klargestellt wird, dass und ab welchem Zeitpunkt ein Übergang zur Regelbesteuerung erfolgen soll. Dabei liegt es auch im wohl verstandenen Interesse der Steuerpflichtigen, dass nur eindeutige Handlungen als Option zur Regelbesteuerung zu verstehen sind, da eine solche Option den betreffenden Landwirt nach § 24 Abs. 4 UStG mindestens für die nächsten 5 Jahre, die noch einer Option zugänglich sind, zur Regelbesteuerung verpflichtet.

15

Eine solche klare Option wurde durch die Gewinnermittlung des Klägers nicht erreicht. Allein aus der Tatsache, dass ab dem Wirtschaftsjahr 1996/97 in der nach § 4 Abs. 3 EStG erstellten Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung des Klägers zusätzlich zu der bereits zuvor erwähnten Vorsteuer auch Umsatzsteuer offen ausgewiesen wurde, kann nicht mit der hinreichenden Deutlichkeit auf einen Willen des Klägers geschlossen werden, nach § 24 Abs. 4 Satz 1 UStG zur Regelbesteuerung zu optieren. Wie der Beklagte zutreffend ausführte, könnte ein derartiger Wechsel der Buchführung auch auf anderen Gründen beruhen (z.B. Erfassung aus innerbetrieblichen Zwecken, Buchungsfehler). Denkbar wäre auch, dass ein bisher pauschalierender Landwirt die entsprechenden Daten in seiner Buchführung bereits getrennt erfasst, weil er eine Option zur Regelbesteuerung erwägt, und sich dann aber doch dazu entscheidet, bei der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zu verbleiben.

16

Bei der Frage, wie das Verhalten des Klägers zu würdigen ist, darf außerdem die Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung nicht isoliert betrachtet werden, sondern es ist auch das weitere Verhalten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Insoweit war auch zu würdigen, dass der Kläger mit seiner Gewinnermittlung für 1996/97 lediglich eine Einkommensteuererklärung 1997 abgab, aber keine Umsatzsteuererklärung und dass er bis zur Abgabe dieser Gewinnermittlung im Oktober 1998 auch keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgab. Dieses Verhalten des Klägers sprach aus Sicht des Finanzamtes als Empfänger der Gewinnermittlung keinesfalls für einen Willen des Klägers, ab 01.01.1997 oder - wegen Versäumung der insoweit für 1997 maßgeblichen Frist - ab 01.01.1998 umsatzsteuerlich zur Regelbesteuerung zu optieren. Vielmehr ließ das gesamte Verhalten des Klägers, insbesondere die fehlende Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen, aus Sicht des Erklärungsempfängers nur den Schluss zu, der Kläger wolle nicht zur Regelbesteuerung übergehen.

17

b)

 Eine ausdrückliche Option des Klägers zur Regelbesteuerung enthielt zwar dessen Schreiben vom 11.12.1997. Dieses Schreiben ist dem Beklagten jedoch nach Aktenlage erst in Kopie am 10.10.2000 zugegangen, also nach Ablauf der Fristen, in denen eine Option für die Jahre 1998 und 1999 möglich war.

18

Insoweit kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Option auch dann nicht in Betracht, wenn das Vorbringen des Klägers zutrifft, er habe am 12. Dezember 1997 das Original des Schreibens abgesandt, dessen Kopie er mit Schreiben vom 9. Oktober 2000 vorlegte.

19

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten und innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellt (§ 110 Abs. 1 und 2 AO). Ein Jahr nach Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nur dann beantragt werden, wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 110 Abs. 3 AO). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

20

Die Tatsache, dass der fehlende Zugang des Schreibens des Klägers vom 12.12.1997 erst im Jahr 2000 festgestellt wurde, beruht nicht auf höherer Gewalt, sondern auf einer erheblich verspäteten Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen, also auf einem Verschulden des Klägers. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hätte der Kläger die Umsatzsteuer-Voranmeldung I/1998 bis zum 10. April 1998 einreichen müssen, die - hier streitbefangene - Umsatzsteuer-Voranmeldung III/1998 bis zum 10. Oktober 1998, nachdem er für die Zeit ab 1997 zur Regelbesteuerung optiert hatte. Bei fristgerechter Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen für den streitbefangenen Zeitraum wäre demnach schon 1998 festgestellt worden, dass das Schreiben des Klägers vom 11. Dezember 1997 nicht beim Beklagten angekommen war.

21

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.