Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.12.2002, Az.: 3 K 501/96
Unbeschränkte Steuerpflicht eines Kapitäns auf einem Schiff einer inländischen Reederei; Besteuerung von Einkünften aus Zypern; Auslegung des Begriffs "Unternehmen" im Sinne des Art. 15 Abs. 3 DBA Zypern; Voraussetzungen an einen Vertrauenstatbestand zugunsten eines Steuerpflichtigen; Besteuerung unselbständiger Arbeit an Bord eines Seeschiffes im internationalen Verkehr
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.12.2002
- Aktenzeichen
- 3 K 501/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 24842
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:1211.3K501.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 EStG
- Art. 15 Abs. 3 DBA Zypern
- Art. 23 Abs. 1a S. 1 DBA Zypern
- § 19 Abs. 1 S. 1 EStG
Redaktioneller Leitsatz
Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern, der bestimmt, dass Vergütungen für unselbstständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffes im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, ist dahingehend auszulegen, dass als "Unternehmen" i.S. dieser Vorschrift nicht die zypriotische Arbeitnehmer-Verleihfirma, sondern das die Schifffahrt betreibende Unternehmen (hier: die in der Bundesrepublik ansässige Reederei) zu verstehen ist.
Tatbestand
Gegenstand der Klage sind die Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1994 bestätigt durch Einspruchsbescheid vom 9. September 1996.
Strittig ist, ob der Kläger (Kl.) mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist und ggf., ob die Finanzbehörde an der Durchsetzung ihrer Steueransprüche durch einen von ihr geschaffenen Vertrauenstatbestand gehindert ist.
Die Kl. sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kl. bezieht als Kapitän Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Bis zum August 1987 war er bei der Partenreederei MS beschäftigt. Für die Zeit ab September 1987 legte er beim seinerzeit örtlich zuständigen Finanzamt eine Bescheinigung der Firma F. Limassol (Zypern) vor, wonach er bei dieser Gesellschaft beschäftigt sei, und zwar in Übereinstimmung mit den zyprischen Einkommensteuerbestimmungen für Seeleute. Ende 1990 teilte die Klägerin dem FA mit, dass ihr Ehemann auf einem Schiff unter der Flagge Antiguas fahre. Das FA löschte das Steuerkonto der Kläger zum Jahresende 1987.
Im Jahre 1991 ging beim FA ein Schreiben des Klägers ein, dass das FA nicht zuordnen konnte. Das FA teilte deshalb per Kurzmitteilung vom 22. Juli 1991 den Klägern dieses mit und wies darauf hin, dass die Steuernummer...bis 31. Dezember 1987 begrenzt sei.
Am 9. August 1993 ging beim FA eine aufgrund einer Betriebsprüfung gefertigte Kontrollmitteilung des FA ein, wonach der Kläger auf der MV, deren Reederei ihren Sitz in Y in der Bundesrepublik habe, beschäftigt sei und in den Jahren ab 1987 bestimmte Leistungen von der F., Zypern, erhalten habe, die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen der vollen Steuerpflicht unterlägen. Das FA forderte die Kläger daraufhin auf, für die Jahre ab 1988 Einkommensteuererklärungen abzugeben, da nach Art. 15 Abs. 3 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Zypern die Heuern für nichtselbständige Tätigkeiten, die an Bord eines Seeschiffes im internationalen Verkehr ausgeübt würden, in dem Vertragsstaat zu besteuern seien, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befinde. Nach einem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichtes vom 26. März 1991 sei mit "Unternehmen" die Reederei des Schiffes gemeint, auf dem der Kläger beschäftigt sei.
Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10. November 1993 die Rechtsprechung des Niedersächsischen Finanzgerichts bestätigt hatte, gaben die Kläger Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre ab.
Mit Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1988 bis 1994 besteuerte das FA die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Kapitän. Im Übrigen folgte es den abgegebenen Steuererklärungen.
Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihren Einsprüchen, in denen sie zur Begründung ausführten:
Er, der Kläger, habe einen Arbeitsvertrag mit der Firma M., Limassol/Zypern, als Agentin der Firma F. Sein Arbeitgeber habe somit seine Geschäftsleitung in Sinne von Art. 15 Abs. 3 DBA Zypern in Zypern.
Als er im Jahre 1991 Einkommensnachweise der F. beim FA habe abgeben wollen, sei ihm im Juli 1991 vom FA mitgeteilt worden, dass seine Steuernummer gelöscht sei. Damit sei - zumal das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26. März 1991 bereits vorgelegen habe - für ihn ein Vertrauenstatbestand des Inhaltes geschaffen worden, dass für die Jahre 1988 bis 1992 auf ihn keine Einkommensteuerbelastung mehr zukommen werde.
Der nunmehr für die Besteuerung der Kläger örtlich zuständige Bekl. wies die Einsprüche mit Einspruchsbescheid als unbegründet zurück, weil die Firma F. als bloße Arbeitnehmerverleihfirma nicht Unternehmer im Sinne von Art. 15 Abs. 3 DBA Zypern sei. Dies sei allein die inländische Reederei als Schiffahrtsunternehmen. Aus der Kurzmitteilung des FA vom 26. Juli 1991 lasse sich ein Vertrauensschutz des Klägers nicht ableiten.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Klage.
Sie tragen ergänzend vor:
Das Schreiben des FA vom 22. Juli 1991 begründe für ihn, den Kläger, einen Vertrauenstatbestand, da sein Beschäftigungsverhältnis dem FA bekannt gewesen sei. Nach diesem Schreiben, dass einen Verwaltungsakt darstelle, sei ihm mitgeteilt worden, dass für die Jahre 1988 bis 1990 keine Steuererklärungen abzugeben seien.
Die Auffassung seines Arbeitgebers, der F., gehe unverändert dahin, dass der Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens sich auf Zypern befinde, sodass das DBA Zypern Anwendung finden müsse. Lohnsteuerbeträge würden bis heute vom Arbeitgeber nicht einbehalten und abgeführt.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1994 sowie den Einspruchsbescheid aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass ein Vertrauenstatbestand für den Kläger nicht begründet worden sei. Das Schreiben des FA vom 22. Juli 1991 stelle keinen Verzicht auf die Abgabe der Einkommensteuererklärungen 1988 bis 1992 dar. Es sei auch kein Verwaltungsakt. Erst durch die Kontrollmitteilung des Finanzamts S. vom 9. August 1993 sei das FA davon in Kenntnis gesetzt worden, dass es sich bei der Firma F. um eine Arbeitnehmerverleihfirma gehandelt habe. Ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Antigua bestehe nicht. Dann seien aber nach der BFH-Rechtsprechung zum DBA Zypern die Einkünfte des Klägers in der Bundesrepublik steuerpflichtig.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Bekl. hat zu Recht mit Einkommensteuerbescheiden 1988 bis 1994 in dem dort festgestellten Umfang Einkommensteuer gegenüber den Klägern festgesetzt. Denn der Kläger unterliegt mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Kapitän auf einem Schiff einer inländischen Reederei der deutschen Einkommensteuer.
Der im Inland wohnhafte Kläger ist gem. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) mit allen von ihm erzielten Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig. Hierunter fallen auch Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die der Kläger im Ausland ausübte. Der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte im Inland steht kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) entgegen. Mit Antigua hat die Bundesrepublik kein DBA abgeschlossen. Art. 15 Abs. 3 DBA Zypern schließt das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik nicht aus.
Gem. Art. 23 Abs. 1 a Satz 1 DBA Zypern werden bei einer in der Bundesrepublik ansässigen Person von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer unter anderem die Einkünfte aus Zypern ausgenommen, die nach dem Abkommen in Zypern besteuert werden können. Die dem Kläger von dem zypriotischen Unternehmen F. gezahlte Vergütung kann von der Republik Zypern nicht besteuert werden. Insbesondere ergibt sich aus Art. 15 DBA Zypern kein Besteuerungsrecht Zyperns.
Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, ist Art. 15 Abs. 3 DBA Zypern, der bestimmt, dass Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffes im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, dahingehend auszulegen, dass als "Unternehmen" im Sinne dieser Vorschrift nicht die zypriotische Arbeitnehmerverleihfirma, hier die F., sondern das die Schifffahrt betreibende Unternehmen, hier die Reederei Y., zu verstehen ist (Urteil des BFH vom 10. November 1993 IR 53/91, BStBl. II 1994, 218; Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 10. August 1993 V 75/91, EFG 1994, S. 466; Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 15 Zypern Tz. 6 ff). Der BFH hat diese Rechtsprechung zum DBA Zypern, insbesondere zu Art. 15 Abs. 3 DBA Zypern, in jüngster Zeit erneut durch Urteil vom 5. September 2001 (I R 55/00, IStR 2002, S. 164) bestätigt. Wegen der Gründe, die zu dieser Auslegung von Art. 15 Abs. 3 DBA Zypern geführt haben, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der BFH-Urteile von 5. September 2001 und 10. November 1993 Bezug genommen.
Zu Unrecht sind die Kläger auch der Auffassung, durch die Kurzmitteilung des FA L vom 22. Juli 1991 sei zumindest für einen Teil der Streitjahre zu ihren Gunsten ein Vertrauenstatbestand des Inhaltes begründet worden, dass sie sich nunmehr darauf hätten verlassen dürfen, dass keine Einkommensteuerbelastung aus der nichtselbständigen Tätigkeit des Klägers als Kapitän für die Vergangenheit mehr auf sie zukommen würde.
Zwar gebieten die Grundsätze von Treu und Glauben, dass in Rechtsverkehr jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinen eigenen früheren Verhalten, auf das der andere vertraut hat, nicht in Widerspruch setzt. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten eines Steuerpflichtigen setzt jedoch ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörde voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Beurteilung annehmen kann, die Finanzbehörde werde sich an ihrem Verhalten festhalten lassen. Dies fordert ein Verhalten der Finanzbehörde voraus, dass so nachhaltig sein muss, dass der andere Teil daraus Schlüsse ziehen konnte und durfte. Hierbei ist nur eine nachdrückliche Willenserklärung geeignet, ein berechtigtes Vertrauen auf ein gleichbleibendes bestimmtes Verhalten der Finanzbehörde zu begründen. Ferner ist erforderlich, dass der Finanzbehörde der Sachverhalt vollständig bekannt ist (vgl. hierzu Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 4 AO Tz. 139 ff.; Urteil des BFH vom 25. November 1988 III R 159/85, BFH/NV 1989, S. 420).
Im Streitfall ist seinerzeit vom Finanzamt L. durch Schreiben vom 22. Juli 1991 eine Zusage gegenüber den Klägern, die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit einkommensteuerfrei zu belassen, nicht erteilt worden. Demgemäß wurde gegenüber den Klägern auch kein ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand dieses Inhaltes geschaffen.
Die Kurzmitteilung vom 22. Juli 1991 teilt den Klägern lediglich mit, dass ein Schreiben des Klägern mangels Steuernummer nicht zugeordnet werden könne und die angegebene Steuernummer bis 31. Dezember 1987 begrenzt, also danach gelöscht sei. Rückschlüsse auf ein bestimmtes steuerliches Verhalten der Finanzbehörde in der Vergangenheit und/oder der Zukunft in der Sache können hieraus nicht abgeleitet werden. Aus dem Schreiben ist deutlich erkennbar, dass die Finanzbehörde in die materielle Prüfung der steuerrechtlichen Verhältnisse der Kläger nicht eingetreten ist. Es kommt hinzu, dass der Finanzbehörde erst durch die Kontrollmitteilung des Finanzamts S. vom 9. August 1993 erstmals bekannt worden ist, dass es sich bei der Firma F. um eine Arbeitnehmerverleihfirma gehandelt hat, so dass der Finanzbehörde der maßgebliche Sachverhalt auch nur unvollständig bis zu diesem Zeitpunkt bekannt war.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).