Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.12.2002, Az.: 11 K 562/98
Berücksichtigung des laufenden Gewinns bei der Feststellung anrechenbarer Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer ; Versteuerung des Liquidationsgewinn im Streitjahr nur mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz; Für die Zulässigkeit der Klageänderung oder Sprungklage notwendige Zustimmung des Beklagten durch Erklärung zu gerichtlichem Protokoll; Realisierung des Liquidationsgewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft; Pflichten der Liquidatoren einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ; Verteilung des Vermögens vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und vor Ablauf des Sperrjahres; Gläubigerbefriedigung vor Verteilung zum Gläubigerschutz wegen der Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.12.2002
- Aktenzeichen
- 11 K 562/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 20651
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:1212.11K562.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 04.10.2006 - AZ: VIII R 7/03
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs. 2 FGO
- § 36 Abs. 2 EStG
- § 16 EStG
- § 34 EStG
- § 45 FGO
- § 67 FGO
- § 68 FGO
- § 11 Abs. 3 KStG
- § 70 GmbHG
- § 65 Abs. 2 GmbHG
- § 73 GmbHG
- § 13 Abs. 2 GmbHG
- § 414 BGB
- § 41 AO 1977
Fundstellen
- BBK 2003, 1082
- DStR 2003, XIV Heft 49 (amtl. Leitsatz)
- DStRE 2003, 1427-1428 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2003, 1543-1544
- INF 2003, 764
Redaktioneller Leitsatz
Eine Klage mit dem Ziel, eine höhere Einkommensteuerfestsetzung zu erreichen ist zulässig, wenn sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Steuerfestsetzung und ihrer Auswirkungen ergibt, dass die Belastung mit Einkommensteuer, die aus der Erhöhung der Einkünfte folgt, niedriger ist, als der mit der Erhöhung des Anrechnungsbetrages verbundene Vorteil. Der Liquidationsgewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wird regelmäßig dann realisiert, wenn feststeht, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin, die X GmbH u. Co KG, bereits im Jahr 1996 einen Gewinn aus der Liquidation einer Tochtergesellschaft erzielt hat.
Die Klägerin erwarb 1995 die Gesellschaftsanteile der Y GmbH und wies sie in der Bilanz als Betriebsvermögen aus. Die GmbH hatte 1988 den ganzen Betrieb der damals noch anders firmierenden Klägerin gepachtet. Nach den vertraglichen Bestimmungen wurden dabei die nicht zum Anlagevermögen gehörenden Aktiva und Passiva der Klägerin zum Buchwert auf die GmbH übertragen. Die GmbH verpflichtete sich, bei Ablauf des Pachtverhältnisses diese Aktiva und Passiva zum Buchwert auf die Klägerin zurück zu übertragen. Eine Kündigung des Vertrags war mit einer Frist von einem halben Jahr zum Ende des Wirtschaftsjahrs der GmbH möglich. Am 03.06.1996 vereinbarten die Gesellschaften, das Pachtverhältnis zum 30.06.1996 zu beenden. Die Klägerin unterrichtete im Juni 1996 die Geschäftspartner, aus steuerlichen und organisatorischen Gründen werde eine strukturelle Neugestaltung der Firmengruppe vorgenommen. Ab 01.07.1996 werde die Klägerin die geschäftlichen Aktivitäten durchführen. Die Kunden wurden gebeten, den Geschäfts- und Schriftverkehr künftig mit der Klägerin abzuwickeln. Die Klägerin führte den Geschäftsbetrieb ... ab 01.07.1996 weiter. Sie stellte 1996 ihr Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr um.
Die GmbH wurde am 26.08.1996 zum 30.06.1996 aufgelöst und in "Z GmbH i. L." umfirmiert. Im Dezember 1996 beschloss die Klägerin die Beendigung der Liquidation der GmbH. Die GmbH zahlte das Stammkapital und das restliche Vermögen an die Klägerin aus. Die Klägerin erklärte, sie werde die im Rahmen der Liquidationsschlussrechnung der GmbH ausgewiesenen Restverbindlichkeitenübernehmen und die Begleichung sicherstellen. Die Klägerin reichte am 30.12.1996 eine dementsprechende Kapitalertragsteuererklärung ein und entrichtete die Steuer.
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1996 setzte die Klägerin auch einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn aus der Liquidation der GmbH in Höhe von 10.886.012,00 DM sowie anrechenbare Körperschaft-, Kapitalertragsteuer und anrechenbaren Solidaritätszuschlag in Höhe von 5.960.043,00 DM an. In dem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid 1996 vom 12.08.1997 berücksichtigte der Beklagte diese Positionen nicht, weil der Liquidationsgewinn 1997 zu erfassen sei. Einen Antrag auf Änderung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18.12.1997 ab.
Hiergegen richtete sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsbescheid vom 02.07.1998) zunächst die (Verpflichtungs-)Klage. Gegenstand des Verfahrens ist nunmehr der geänderte Feststellungsbescheid vom 18.11.2002, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde.
Die Klägerin meint, sie habe den Liquidationsgewinn bereits 1996 realisiert. Die Vermögensmehrungen aus den Zahlungen der GmbH seien dinglich wirksam erfolgt und demzufolge in der Bilanz der Klägerin auf den 31.12.1996 auszuweisen. Jedenfalls sei die Klägerin wirtschaftlicher Eigentümer des Vermögens der GmbH geworden. Die Gesellschaften seien sich darüber einig gewesen, dass das Vermögen endgültig auf die Klägerinübergehen solle. Der Ansatz von Korrekturposten auf der Passivseite wegen zivilrechtlicher Ansprüche der GmbH, die aus der Auszahlung ihres Stammkapitals und übrigen Vermögens vor Ablauf des Sperrjahres (§ 73 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) herrühren könnten, hätte dagegen zu unterbleiben, da es an der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme fehle. Die Erklärung der Klägerin, die Verbindlichkeiten der GmbH zu übernehmen und zu begleichen, habe etwaige Gläubiger der GmbH gesichert. Eine Situation, in der die GmbH zum Rückgriff gegen die Klägerin gezwungen gewesen wäre, habe sich nicht ergeben können. Sämtliche Verbindlichkeiten der GmbH seien in die Bilanz der Klägerin übernommen worden.
Im Streitfall sei keine Liquidation im üblichen Sinne durchzuführen gewesen. Die GmbH habe zum 30.06.1996 ihrer Rückgabeverpflichtung nachkommen müssen. Da die GmbH während der Pachtzeit nur den Betrieb der Klägerin fortgeführt und keinen darüber hinausgehenden Geschäftsbetrieb unterhalten habe, sei die GmbH zur Rückgabe sämtlicher Aktiva und Passiva verpflichtet gewesen und habe im Gegenzug eine Forderung gegen die Klägerin in Höhe des saldierten Buchwerts der übertragenen Wirtschaftsgüter erlangt. Von der im Pachtvertrag eingeräumten Möglichkeit, Ersatzbeschaffungen von Wirtschaftsgütern des gepachteten Anlagevermögens vorzunehmen, habe die GmbH keinen Gebrauch gemacht. Die vertragliche Regelung, wonach diese Wirtschaftsgüter bei Pachtende zum Teilwert auf die Klägerin zu übertragen seine, habe daher nicht gegriffen. Bis zum 15.12.1996 seien nur geringe Abwicklungsmaßnahmen erforderlich gewesen, die vollständig hätten abgeschlossen werden können. Allerdings hätten drei Forderungen der GmbH wegen der Liquiditätslage der Schuldner nicht sofort realisiert werden können.
Die Klägerin sei durch Garantieleistungen für die GmbH nicht in größerem Umfang als derübernommenen Rückstellung entsprach in Anspruch genommen worden. Sämtliche Kunden, die noch Garantieleistungen hätten beanspruchen können, seien im Juni 1996 angeschrieben und über die Umstrukturierung informiert worden. Der Aufforderung, den künftigen Geschäftsverkehr über die Klägerin abzuwickeln, habe niemand widersprochen. Damit hätten sich die Vertragspartner mit dem Übergang sämtlicher Vertragsbeziehungen, also auch der Garantieverpflichtungen, konkludent einverstanden erklärt.
Das Abwicklungskonto Z GmbH i. L. in den Bilanzen der KG weise nur eine Steuerrückstellung und eine Pensionsrückstellung für den Geschäftsführer A aus. Als Geschäftsführer beider Gesellschaften sei ihm klar gewesen, dass er nach der Liquidation der GmbH Ansprüche nur gegenüber der KG werde realisieren können und habe demzufolge die GmbH konkludent aus der Schuld entlassen. Die übernommenen Verbindlichkeiten stammten ganzüberwiegend aus dem laufenden Geschäftsverkehr der GmbH. Es sei deshalb davon auszugehen, dass sie ganz überwiegend bis Ende 1996 beglichen worden seien.
Die Klägerin beantragt,
den Feststellungsbescheid vom 18.11.2002 zu ändern und die Besteuerungsgrundlagen wie in der Klageschrift vom 29.07.1998 dargestellt festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Auskehrung des Vermögens der GmbH sei wegen eines bewussten Verstoßes gegen das Verteilungsverbot vor Ablauf des Sperrjahres sittenwidrig und die Klägerin zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet gewesen. Der Liquidationsgewinn sei 1997 zu erfassen. Laut Pachtvertrag seien Ersatzbeschaffungen grundsätzlich von der Klägerin durchzuführen. Da aber auch die GmbH dazu berechtigt gewesen sei und die Klägerin in diesem Fall der GmbH bei Pachtende den Teilwert dieser Wirtschaftsgüter zu erstatten gehabt habe, sei die bisherige Ermittlung des Übernahmewerts zweifelhaft. Unklar sei auch, wer die übernommenen Verbindlichkeiten der GmbH in Höhe von 1.895.743,70 DM gezahlt habe und wann dies geschehen sei, ob die Gläubiger über den Schuldnerwechsel informiert worden seien und ihm zugestimmt hätten. Schuldner der Garantieleistungen sei die GmbH geblieben. Das Schweigen der Kunden auf das Informationsschreiben könne nicht als konkludente Zustimmung zum Schuldnerwechsel gewertet werden. Soweit in dem Antrag der Klägerin eine Klageänderung bzw. eine Sprungklage gesehen werden müsse, werde der Klageänderung bzw. Sprungklage zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig.
Eine Beschwer im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO liegt vor. Die Klage zielt zwar auf den zusätzlichen, nicht mit einer Minderung des laufenden Gewinns des Streitjahres einhergehenden Ansatz eines Veräußerungsgewinns ab. Die Berücksichtigung dieses Gewinns ist aber Voraussetzung für die Feststellung anrechenbarer Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Einkommensteuergesetz - EStG -). In einem solchen Fall ist die Klage mit dem Ziel, eine höhere Einkommensteuerfestsetzung zu erreichen zulässig, wenn sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Steuerfestsetzung und ihrer Auswirkungen ergibt, dass die Belastung mit Einkommensteuer, die aus der Erhöhung der Einkünfte folgt, niedriger ist, als der mit der Erhöhung des Anrechnungsbetrages verbundene Vorteil (BFH-Urteil vom 19.07.1994 VIII R 58/92, BStBl II 1995, 362). Entsprechendes muss auch im Gewinnfeststellungsverfahren gelten. Da der Liquidationsgewinn im Streitjahr nur mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz zu versteuern wäre (§§ 16, 34 EStG), die damit zusammenhängenden Anrechnungsbeträge aber in voller Höhe angerechnet werden, ist auch im Streitfall von einer möglichen Beschwer auszugehen.
Ob der Bescheid vom 18.11.2002 kraft Gesetzes gemäß § 68 FGO analog, im Wege der Klageänderung gemäß 67 FGO oder durch Sprungklage gemäß § 45 FGO zum Gegenstand des Verfahrens wurde, bedarf keiner Entscheidung. Die nach den §§ 45, 67 FGO für die Zulässigkeit der Klageänderung oder Sprungklage notwendige Zustimmung des Beklagten wurde zu gerichtlichem Protokoll erklärt.
Die Klage ist aber unbegründet.
Der Liquidationsgewinn ist nicht bereits im Streitjahr 1996 zu erfassen. Der Liquidationsgewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, die zum Untergang einer Beteiligung führt, die das gesamte Nennkapital umfasst, wird regelmäßig dann realisiert, wenn feststeht, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann (BFH-Urteile vom 27.10.1992 VIII R 87/89, BStBl II 1993, 340; vom 03.06.1994 VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162 [BFH 03.06.1993 - VIII R 81/91], beide Urteile zu im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen). Diese Voraussetzungen sind im Fall der Auflösung mit anschließender Liquidation regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt (BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761). Der Grundsatz gilt entsprechend, wenn die Anteile im Betriebsvermögen gehalten werden (Neu, Die Liquidationsbesteuerung der GmbH, GmbHR 2000, 57, 61).
Ein an die Klägerin auszuzahlendes Abwicklungs-Endvermögen der GmbH (§ 11 Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz - KStG -) hat 1996 noch nicht festgestanden. Die Abwicklung der GmbH war noch nicht abgeschlossen. In der sich an die Auflösung der Gesellschaft anschließenden Abwicklungs- bzw. Liquidationsphase haben die Liquidatoren einer GmbH die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen (§ 70 GmbHG). Die Verteilung des Vermögens darf nicht vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und nicht vor Ablauf eines Jahres ("Sperrjahr") seit dem Tage vorgenommen werden, an welchem die Aufforderung an die Gläubiger (§ 65 Abs. 2 GmbHG) in den öffentlichen Blättern zum dritten Male erfolgt ist (§ 73 GmbHG). Schulden werden nicht verteilt. Dies folgt aus der Reihenfolge der Abwicklung "Gläubigerbefriedigung vor Verteilung". Diese Reihenfolge ist zum Gläubigerschutz notwendig, weil nach § 13 Abs. 2 GmbHG die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist. Ohne einen besonderen Verpflichtungsgrund, wie z.B. eine Bürgschaft, haften die Gesellschafter den Gläubigern nicht persönlich (Scholz/ K. Schmidt, GmbHG,§ 72, 22).
Im Streitfall ist die GmbH zwar durch Beschluss vom 26.08.1996 noch 1996 aufgelöst, aber nicht mehr bis zum 31.12.1996 abgewickelt worden.
Am 31.12.1996 waren mindestens die Verpflichtungen der GmbH aus Garantieleistungen und (Steuer-)Verbindlichkeiten nicht vollständig getilgt bzw. sichergestellt.
Die Klägerin räumt ein, dass nach 1996 noch Garantieleistungen für Umsätze der GmbH zu erbringen waren, eine Steuerverbindlichkeit von ca. 24.000,00 DM und restliche Verbindlichkeiten aus dem laufenden Geschäftsverkehr beglichen werden mussten. Auf die absolute Höhe der Verbindlichkeiten oder ihre Relation zum Gesellschaftsvermögen kommt es nicht an.
Diese Schulden der Gesellschaft waren auch nicht sichergestellt, insbesondere nicht durch die Erklärung der Klägerin, für die Verbindlichkeiten der GmbH aufkommen zu wollen. Die Haftung eines Erwerbers ersetzt nicht die Sicherheitsleistung, da sie die Gläubiger gegenüber dem Zustand vor der Vermögensübertragung nicht wie eine Sicherheitsleistung besser stellt (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 73, 11; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, GmbHG, § 73, 17).
Eine Schuldübernahme der Klägerin, die die GmbH von ihren Verbindlichkeiten befreit hätte (§ 414 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -), ist ebenfalls nicht gegeben. Es fehlt an der Zustimmung der Gläubiger zur Auswechslung ihres Schuldners. Anders als die Klägerin meint, lässt sich das Schweigen der Gläubiger auf das Informationsschreiben vom Juni 1996 nicht als konkludente Zustimmung zur Schuldübernahme deuten. Es fehlt jeder Anknüpfungspunkt, um das Schweigen in diesem Sinne auszulegen. Von einer Schuldübernahme ist in dem Schreiben nicht die Rede. Es wird darin nur gebeten, den Geschäfts- und Schriftverkehr künftig über die Klägerin abzuwickeln. Das Finanzamt, ebenfalls Gläubiger der GmbH, ist überhaupt nicht angeschrieben worden.
Dass die Gläubiger die Leistungen der Klägerin für die GmbH entgegengenommen haben, stellt keine Zustimmung zu einer Schuldübernahme der Klägerin dar. Das wirtschaftliche Interesse der Gläubiger ging dahin, möglichst umfangreich gesichert zu sein, die GmbH also nicht aus der Haftung zu entlassen. Ohnehin wäre diese Zustimmung bezüglich der hier in Rede stehenden Verbindlichkeiten erst 1997 durch Annahme der Leistungen der Klägerin erfolgt und würde an dem Ergebnis, dass 1996 die GmbH noch nicht abgewickelt war, nichts ändern.
Möglicherweise hat die Klägerin zwar mit der GmbH einen Schuldbeitritt als Vertrag zu Gunsten Dritter, der Gläubiger, abgeschlossen. Dies würde aber die Verbindlichkeiten der GmbH und damit ihre Verpflichtung, vor der Verteilung des Vermögens die Verbindlichkeiten zu tilgen oder für eine Sicherstellung zu sorgen, nicht beseitigen. Ein Schuldbeitritt wäre keine Sicherstellung im Sinne des § 73 GmbHG. Er kann nicht zur Vermögensverteilung berechtigen, weil die Gläubiger keine Besserstellung erlangen. Die Sachlage wäre mit dem o.a. Fall der Erwerberhaftung vergleichbar, die ebenfalls keine Sicherstellung bewirkt. Die Gläubiger haben sich auch nicht, was als Sicherstellung ausreichend gewesen wäre (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 73, 11), damit einverstanden erklärt, dass die GmbH die Sicherheit durch einen Schuldbeitritt der Klägerin erbringt.
Ob eine Vermögensverteilung vor Ablauf des Sperrjahrs des § 73 GmbHG trotz der Vorschrift des § 41 Abgabenordnung (AO), wonach auch unwirksame Rechtsgeschäfte der Besteuerung zu Grunde zu legen sein können, immer steuerlich unbeachtlich ist (BFH-Urteil vom 29.01.2000 I R 28/00, BFH/NV 2001, 816 zur Parallelvorschrift des § 272 Aktiengesetz AktG; a. A. BFH-Urteile vom 12.09.1973 I R 9//2, BStBl II 1974, 14 [BFH 12.09.1973 - I R 9/72]; vom 06.04.1976 VIII R 72/70, BStBl II 1976, 341) und der Liquidationsgewinn schon deshalb nicht 1996 realisiert sein kann, wie der Beklagte meint, bedarf daher hier keiner Entscheidung. Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob der Geschäftsführer mit der Übernahme seiner Pensionsansprüche durch die Klägerin einverstanden und die Verbindlichkeit der GmbH insoweit weggefallen war. Die GmbH hatte 1997 noch Verbindlichkeiten sowie Garantieleistungsverpflichtungen und war damit noch nicht abgewickelt. Daran ändert auch nichts, dass die Klägerin die Begleichung der Verbindlichkeiten der GmbH tatsächlich über ihre eigenen Konten vorgenommen hat (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 816 zur "informellen" Schlussverteilung) und dass die bei der Übertragung des Betriebsvermögens der GmbH auf die Klägerin übergegangenen Rückstellungen für Garantieleistungen und Steuernhandels- und steuerrechtlich zulässig gebildet sowie der Höhe nach ausreichend waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.