Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.02.2010, Az.: 15 WF 17/10
Bewilligung der Prozesskostenhilfe für Unterhaltsansprüche eines Kindes gegen die Eltern zum Zwecke eines Master-Studiums
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.02.2010
- Aktenzeichen
- 15 WF 17/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 25958
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0202.15WF17.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hildesheim - 29.12.2009 - AZ: 38 F 38393/09
Rechtsgrundlagen
- § 1610 Abs. 2 BGB
- § 112 FamFG
- § 113 FamFG
- § 127 ZPO
Fundstellen
- FF 2010, 370-371
- FF 2010, 262
- FamFR 2010, 228
- FamRB 2010, 231
- FamRZ 2010, 1456-1457
- FuR 2010, 4
- FuR 2010, 292-293
- MDR 2010, 753
- NJW-RR 2010, 1229
- NJW-Spezial 2010, 326
- NWB 2010, 2937
- NWB direkt 2010, 966
- ZAP 2010, 1207
- ZAP EN-Nr. 757/2010
Redaktioneller Leitsatz
Da die Rechtsfrage, ob Bachelor- und Masterstudium einen einheitlichen Ausbildungsgang darstellen und damit ein Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen den unterhaltspflichtigen Elternteil auch für die Dauer des Masterstudiums besteht, ist Prozesskostenhilfe für eine klage auf Zahlung von Unterhalt zu bewilligen. Denn diese bislang ungeklärte Rechtsfrage kann nicht im Prozesskostenhilfeverfahren rechtlich geklärt werden.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Dem Antragsteller wird ratenlose Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ##, ##, für seinen Antrag vom 30. Oktober 2009 bewilligt.
Gründe
Die gemäß §§ 113 Abs. 1, 112 Nr. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Amtsgericht hat dem Antragsteller für seinen auf Abänderung der Urkunde des Jugendamts des Landkreises St. vom 27. August 2001, mit der Unterhalt der Antragsgegnerin in Höhe von 130,7 % des Regelbetrages gemäß § 2 Regelbetrags-Verordnung tituliert ist, gerichteten Antrag im angefochtenen Beschluss Verfahrenskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) versagt.
Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Ziel der begabungsbezogenen Ausbildung ist es, das unterhaltsberechtigte Kind in die Lage zu versetzen, künftig seinen Unterhalt und ggf. den seiner Familie sicherzustellen. Nach erfolgreichem Abschluss einer angemessenen Ausbildung hat das Kind grundsätzlich keinen Anspruch auf eine weitere (Zweit-)Ausbildung. Dabei ist die Abgrenzung zwischen einer Zweitausbildung und einer Weiterbildung fließend, wie auch die Rechtsprechung zu den sog. Abitur-Lehre-Studium-Fällen zeigt (vgl. BGH FamRZ 2006, 1100, 1102). Maßgebend ist in den vorgenannten Konstellationen der Gedanke, dass es sich um einen eigenen und durchgehenden Ausbildungsweg handelt, der in einer mehrstufigen Ausbildung durchlaufen wird (vgl. Scholz in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., Rz. 80 zu § 1).
Die Antragsgegnerin war vom Wintersemester 2006/2007 bis September 2009 an der Universität H. im Studiengang Sozial-/Organisationspädagogik mit dem angestrebten Abschluss Bachelor of Arts (B.A.) immatrikuliert. Dieses Studium hat sie nach dem Zeugnis des Fachbereichs I Erziehungs- und Sozialwissenschaften vom 14. Oktober 2009 mit dem Gesamturteil gut (1,7) mit der Prüfung zum Bachelor of Arts bestanden. Seit Oktober 2009 ist die Antragsgegnerin in dem gleichen Studiengang mit dem angestrebten Abschluss Master of Arts immatrikuliert.
Ob der unterhaltspflichtige Elternteil seinem Kind nach Abschluss des Bachelor-Studiengangs auch für den nachfolgenden Studiengang mit dem Abschluss eines Masters of Arts Ausbildungsunterhalt schuldet, wird nicht einheitlich beantwortet. Während einerseits der Studienabschluss mit dem Grad eines Bachelors für den Berufseinstieg als angemessen angesehen wird (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl., Rn. 22 zu § 1610 BGB; offen Strohal FPR 2008, 331, 333), wird andererseits die Auffassung vertreten, dass es sich bei den Studiengängen mit Bachelor- und Masterabschluss um einen einheitlichen Ausbildungsgang handelt, sofern das unterhaltsberechtigte Kind mit dem Bachelor-Abschluss die Zugangsvoraussetzungen für den Master-Studiengang erfüllt (vgl. Scholz in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., Rz. 68 zu § 2). Ob dabei ähnlich dem Ausbildungsweg Haupt(Real-)schule-Lehre-Fachoberschule-Fachhochschule (dazu BGH FamRZ 2006, 1100, 1101) für die Bachelor-Master-Studiengangfolge eine von vorn herein bestehende Absicht auf Fortsetzung der Ausbildung oder eine Abstimmung mit den Eltern gegeben sein muss (vgl. OVG Hamburg FamRZ 2006, 1615 zum Studiengang Sozialökonomie mit den Abschlüssen Diplom I und Diplom II; so wohl Wohlgemuth in: Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl., Rn. 463), mag wegen des regelmäßig gegebenen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs der Studiengänge fraglich erscheinen. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt zu dieser Frage, soweit ersichtlich, noch nicht vor.
Auch wenn der Senat dazu tendiert, die Fortsetzung der begonnenen universitären Ausbildung in einem Masterstudium als einen einheitlichen Ausbildungsgang anzusehen, ist dem Antragsgegner unter dem Gesichtspunkt der nicht geklärten Rechtsfrage (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 1876; Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl., Rn 21 zu § 114 ZPO) Prozesskostenhilfe zu bewilligen. In diesem Zusammenhang weist der Senat ergänzend darauf hin, dass mit der Einführung gestufter Studiengänge und -abschlüsse aufgrund der Bologna-Erklärung vom 19. Juni 1999 eine größere Transparenz und Vereinheitlichung in der Europäischen Union herbeigeführt werden sollte. Dabei gingen die Universitäten davon aus, dass zwischen zwei Drittel bis zu 90 % der Absolventen der Bachelor-Absolventen in einem Masterprogramm weiterstudieren werden und daher der Charakter des Bachelor-Studiengangs als Vorstufe für ein Folgestudium betont wurde (Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bachelor- und Masterstudiengänge in ausgewählten Ländern Europas im Vergleich zu Deutschland, Berlin 2005, S. 1, 20). Demgemäß heißt es zum Bachelorstudiengang Sozial- und Organisationsstruktur, dass dieser neben dem Eintritt in das Berufsleben im Masterstudiengang fortgesetzt werden kann (vgl. auch § 2 Satz der Prüfungsordnung der Universität H. vom 14. Januar 2008). Demgegenüber betonen die ländergemeinsamen Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz (unter www.studienwahl.de), dass in einem System mit gestuften Studienabschlüssen der Bachelorabschluss künftig den Regelabschluss darstelle und der Masterabschluss einen weiteren berufsqualifizierenden Abschluss umfasse, der den Zugang zu den Laufbahnen des höheren Dienstes eröffne.
Schließlich ist nach den Erfahrungen des Senats aus anderen Verfahren davon auszugehen, dass den Studierenden in der überwiegenden Zahl der Fälle nach Abschluss eines Bachelor-Studiengangs zwar der Eintritt in das Berufsleben eröffnet ist. Hier stehen sie jedoch regelmäßig in Konkurrenz zu den nach einer praktischen Ausbildung berufnah qualifizierten Bewerbern, so dass eine Fortsetzung des Studiums häufig nicht nur sinnvoll, sondern erforderlich ist.
Dr. Schwonberg
Dr. Meyer-Holz