Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.02.2010, Az.: 5 U 119/09
Verpflichtung eines Architekten zur Information über Nachteile einer vom Bauherrn gewünschten Konstruktion; Anspruch eines Bauherrn gegen den Architekten auf Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.02.2010
- Aktenzeichen
- 5 U 119/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 43828
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0218.5U119.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 29.05.2009 - AZ: 13 O 286/02
Rechtsgrundlagen
- § 280 Abs. 1 BGB
- § 636 BGB
Fundstellen
- BauR 2010, 1093-1094
- IBR 2010, 510
- MDR 2010, 1048
- NJW-RR 2010, 1395-1396
- NZBau 2010, 573-574
Amtlicher Leitsatz
1. Ein Architekt macht sich gegenüber seinem Auftraggeber schadensersatzpflichtig, wenn er diesen nicht auf Nachteile einer von ihm gewünschten Konstruktion hinweist (hier: konventionelle Fachwerkkonstruktion).
2. Auch im Baurecht gilt die Vermutung beratungskonformen Verhaltens, die der Aufklärungspflichtige widerlegen muss.
In dem Rechtsstreit
K. W., W. 5 A, R.,
Beklagte, Widerklägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. R. & Dr. R., S. 36, H.,
gegen
P. B., W. Straße 25, N.,
Kläger, Widerbeklagter, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro Dr. D. + v. H., M. 16, C.,
Geschäftszeichen: 00136/09
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., den Richter am Oberlandesgericht B. sowie die Richterin am Oberlandesgericht Dr. St. für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 29. Mai 2009 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte weitere 14.978,68 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21. Januar 2009 zu zahlen.
Wegen der Zinsmehrforderung wird die Widerklage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz haben der Kläger 44 % und die Beklagte 56 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung restlichen Architektenhonorars in Anspruch genommen. Mit der Widerklage fordert die Beklagte Zahlung von Schadensersatz wegen Mängeln der Planungen des Klägers.
Die Beklagte beauftragte den Kläger mit der Planung eines Fachwerkhauses in I., W. 5 a. Zum Aufgabenfeld des Klägers gehörten entsprechend dem Leistungskatalog nach § 15 HOAI u. a. die Grundlagenermittlung, die Vorplanung, die Ausführungsplanung, die Objektüberwachung und die Objektbetreuung. Die Parteien einigten sich für diese Leistungen auf ein Honorar in Höhe von 65.000 DM einschließlich MWSt. Die Beklagte verweigerte die Zahlung des Resthonorars, weil durch die Außenhaut des Fachwerkhauses Wasser dringe, die Kellerabdichtung mangelhaft und das Fachwerkhaus nicht luftdicht sei.
Mit der Klage hat der Kläger restliche Honoraransprüche in Höhe von 10.021,32 Euro geltend gemacht.
Wegen der Mängel der Planungsleistungen des Klägers hat die Beklagte Widerklage erhoben, mit der sie gestützt auf das vom Landgericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen Architekt Dipl.-Ing. P. G. für die Verkleidung der Fassade mit einem Wärmeverbundsystem 25.000 Euro begehrt. Weiterhin hat sie mit der Widerklage einen technischen und merkantilen Minderwert in Höhe von 92.000 Euro geltend gemacht sowie hilfsweise Feststellungsanträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung des restlichen Architektenhonorars in Höhe von 10.021,32 Euro verurteilt. Auf die Widerklage hat es den Kläger verurteilt, 31.000 Euro an die Beklagte zu zahlen, wobei das Landgericht diesen Betrag aus den Kosten für das Errichten einer Wärmedämmverbundschale in Höhe von 25.000 Euro und einem weiteren Betrag aus dem merkantilen Minderwert in Höhe von 6.000 Euro errechnet hat. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen. Wegen der Begründung der Entscheidung im Einzelnen wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Der Kläger hat seine Anschlussberufung, mit der er die Abweisung der Widerklage erstrebte, im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2010 zurückgenommen.
Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung, das Landgericht habe verkannt, dass die Beträge zur Sanierung des jetzigen Zustandes in Höhe von 25.000 Euro sowie der Betrag, um den die Baukosten von vornherein niedriger gewesen wären, wenn sogleich eine Wärmedämmverbundsystemschale errichtet worden wäre, additiv zu verstehen seien. Die Beklagte rechnet gegenüber dem unstreitigen restlichen Honoraranspruch des Klägers in Höhe von 10.021,32 Euro mit den Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 25.000 Euro für die Errichtung der Wärmedämmverbundsystemschale auf. Den überschießenden Betrag von 14.978,68 Euro macht sie zusammen mit dem Betrag in Höhe von 31.000 Euro geltend, den die Beklagte nach den Ausführungen des Sachverständigen G. an Baukosten hätte einsparen können, wenn sie sogleich das Bauwerk nicht in Fachwerkbauweise, sondern konventionell mit einer Wärmedämmverbundschale errichtet hätte.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen und auf die Widerklage den Widerbeklagten zu verurteilen, an die Widerklägerin 45.978,68 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2008 zu zahlen.
Hilfsweise für den Fall der Zurückweisung der Berufung gegen die Klage:
Auf die Widerklage den Widerbeklagten zu verurteilen, an die Widerklägerin 56.000,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2008 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit die Beklagte Berufung eingelegt hat.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen bis zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2010 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 631, 636, 280 Abs. 1 BGB, weil der Kläger gegen seine vertraglichen Aufklärungspflichten als Architekt verstoßen hat. Bei der Planung hätte er die Beklagte darauf hinweisen müssen, dass es bei einem Haus, das in konventioneller Fachwerkbauweise errichtet wird, Probleme mit der Luftdichtheit geben und Zugerscheinungen auftreten können. Wie der Sachverständige G. in seinem Gutachten vom 2. Februar 2007 ausgeführt hat, sei es bei einem Gebäude, das in konventioneller Fachwerkkonstruktion geplant und errichtet werde, prinzipiell unmöglich, die Luftdichtwerte nach heutigen Werten gemäß DIN 4108 zu erreichen (S. 8 des Gutachtens). Da Wärmeschutzgesichtspunkte immer mehr an Bedeutung gewinnen, hätte der Kläger die Beklagte auf diese Problematik hinweisen müssen. Zwar hätte der Kläger nicht - wie es in dem Schriftsatz des Klägers vom 23. November 2009 (S. 5 oben) ausgeführt ist - die Fachwerkkonstruktion "quasi ausreden" müssen, aber er hätte die Beklagte über deren Nachteile aufklären müssen, insbesondere hätte er darauf hinweisen müssen, dass es bei konventionell errichteten Fachwerkgebäuden Probleme mit der Luftdichtigkeit geben könne. Dass das Objekt möglicherweise die im Planungszeitpunkt geltenden Anforderungen an den Wärmeschutz erfüllt hat, wie sich aus der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung der N. I. GmbH vom 15. Dezember 2000 ergibt, steht dem nicht entgegen.
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte trotz eines erteilten Hinweises dafür entschieden hätte, ein Fachwerkhaus in konventioneller Bauweise zu errichten und nicht z. B. auf ein konventionell errichtetes Haus mit vorgesetzter Fachwerkfassade umgeschwenkt wäre oder nicht sogleich ein Haus mit Wärmedämmverbundsystem errichtet hätte, hat der Kläger nicht dargetan. Die Beklagte hat bereits in erster Instanz im Schriftsatz vom 17. September 2007 (S. 2 unten) vorgetragen, dass sie bei einem entsprechenden Hinweis des Klägers auf eine Fachwerkfassade verzichtet und die konventionelle Bauweise vorgezogen hätte. Zwar hat der Kläger dies bestritten. Sein Bestreiten ist aber nicht ausreichend, weil auch im Baurecht die Vermutung beratungskonformem Verhaltens besteht, die der Kläger widerlegen muss. Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt.
Die Höhe des Schadens ist in zweiter Instanz nicht bestritten. Der Beklagten steht der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Sanierung der Fassade mit einem Wärmedämmverbundsystem in Höhe von 25.000 zu. Der Anspruch ist durch in zweiter Instanz erklärte Aufrechnung mit der unstreitigen Resthonorarforderung des Klägers in Höhe von 10.021,32 Euro erloschen, so dass noch eine Forderung von 14.978,68 Euro verbleibt. Die Klägerin hat darüber hinaus Anspruch auf die Erstattung der vom Sachverständigen G. ermittelten und bereits vom Landgericht zuerkannten unstreitigen Kosten in Höhe von 31.000 Euro, die die Beklagte hätte einsparen können, wenn sie sogleich ein Haus in konventioneller Bauweise mit Wärmedämmverbundsystem errichtet hätte.
Der Zinsausspruch rechtfertigt sich aus § 291 BGB. Wie bereits vom Landgericht angenommen, kann die Beklagte auf die über einen Betrag von 19.800 Euro hinausgehende Forderung nur Zinsen ab Zustellung des Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 verlangen, die am 21. Januar 2009 erfolgt ist. Der weitergehende Zinsanspruch ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 516 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt auf §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.