Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.02.2010, Az.: 6 U 88/09

Haftung des Bauherrn für Mitverschulden des Architekten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.02.2010
Aktenzeichen
6 U 88/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 10500
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:0204.6U88.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 12.05.2009 - AZ: 3 O 282/07

Fundstellen

  • BauR 2010, 665
  • BauR 2010, 924-925
  • NJW-Spezial 2010, 142

Amtlicher Leitsatz

Haben bauplanender Architekt und Bauunternehmer vereinbart, dass in ihrem Verhältnis der Bauunternehmer dem Bauherrn allein haftet, hindert diese Vereinbarung den Bauunternehmer nicht, dem Bauherrn, der von ihm Schadensersatz verlangt, das Mitverschulden des Architekten entgegenzuhalten.

In dem Rechtsstreit

T. H., ...,

Kläger, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte K. ..., ...,

gegen

J. B., ...,

Beklagte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwältin H., ...,

Streithelfer:

J. W., ...,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte D. ..., ...,

Geschäftszeichen: 410/09D06

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piekenbrock, den Richter am Oberlandesgericht Volkmer und die Richterin am Landgericht Natho ohne mündliche Verhandlung, wobei die Parteien Schriftsätze bis zum 26. Januar 2010 einreichen konnten, für Recht erkannt:

Tenor:

Das am 12. Mai 2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird zu Nummer 2 seiner Formel folgendermaßen berichtigend ergänzt:

´Es wird festgestellt, dass der Kläger der Beklagten die durch Beseitigung der in dem Gutachten F. vom 18. August 2008 festgestellten Mängel anfallenden Folgekosten infolge Räumung der Wohnungen in dem Hause H. Straße ... in B... zu ersetzen hat.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.´

Auf die Berufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.985,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. November 2008 zu zahlen. Die Widerklage wird, soweit sie auf Zahlung gerichtet ist, insgesamt abgewiesen. Die weiter gehende Berufung und die Anschlussberufung der Beklagten - diese unter Abweisung der mit ihr erweiterten Widerklage - werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 44 % und die Beklagte 56 %, mit Ausnahme der durch die Streithilfe verursachten Kosten. diese trägt der Streithelfer.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.770,14 € festgesetzt [27.920,14 € (Beschluss des Landgerichts vom 20. Mai 2009 - Bl. 175 d.A.) - 150 € von der Beklagten nicht angefochtene Abweisung der Widerklage, nämlich 100 € immaterieller Schaden + 50 € höhere reine Mängelbeseitigungskosten als vom Klagabweisungs und Widerklagzahlungsantrag bereits erfasst], für den Streithelfer jedoch nur auf 11.855,12 €.

Gründe

1

A. Die berichtigende Ergänzung des angefochtenen Urteils beruht auf § 319 Abs. 1 ZPO. Das Fehlen eines Ausspruchs zum Widerklagfeststellungsantrag und zum weiter gehenden Widerklagzinsantrag, als das Landgericht ihm entsprochen hat, ist eine Schreib und Rechnungsfehlern ähnliche offenbare Unrichtigkeit. Den Entscheidungsgründen (Seite 7 des Urteils) ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Widerklage mit dem weiter gehenden Zinsanspruch und dem Feststellungsbegehren, soweit dieses über den Schaden infolge Räumung der Wohnungen hinausgeht, abweisen und ihr mit dem Feststellungsbegehren hinsichtlich des Schadens infolge Räumung der Wohnungen stattgeben wollte und nur vergessen hat, dieses in die Urteilsformel aufzunehmen. Das Landgericht hat ausgeführt, ´daneben (sei) ... davon auszugehen, dass der Beklagten im Zusammenhang mit der erforderlichen Neuherstellung der Fußböden Aufwendungen im Zusammenhang mit der Räumung der Wohnungen entst(änd)en. ... Verzugszinsen ... (könne) die Beklagte erst mit Rechtshängigkeit ihres Widerklagantrags ... beanspruchen.´

2

B. Die Berufung ist teilweise begründet, die Anschlussberufung unbegründet.

3

I. Die Klage ist geringfügig gerechtfertigt.

4

1. Der Werklohnanspruch des Klägers gegen die Beklagte für die Bodenbelagsarbeiten in deren Dreifamilienhaus in B. besteht nur noch in Höhe von 1.985,01 €. Der Anspruch von insgesamt 27.840,14 € (s. die Schlusszahlungsfreigabe des Streithelfers vom 2. November 2006. Anlage zur Anspruchsbegründung - Bl. 18 d.A.) ist in Höhe von 13.580,01 € durch Zahlung seitens der Beklagten, in Höhe von 420 € aufgrund der Beklagten gewährten Skontos (3 % von 14.000,01 €) und in Höhe von 11.855,12 € infolge Aufrechnung seitens der Beklagten mit deren Anspruch auf Schadensersatz gegen den Kläger erloschen (§ 389 BGB). Dieser Anspruch ergibt sich aus § 13 Abs. 7 Nr. 3 Satz 1 VOB/B.

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a) Es liegt ein wesentlicher Mangel vor, der die Gebrauchsfähigkeit des von dem Kläger hergestellten Werkes erheblich beeinträchtigt. Der von dem zum Sachverständigen ernannten Parkettlegermeister F. zum Messen des Trittschallpegels hinzugezogene Dipl.Ing. K. hat festgestellt, dass der gemessene Pegel die vorgeschriebene Norm um mindestens 5 db überschreitet und messtechnisch zu bestätigen ist, dass das Begehen der Dielen in der Obergeschosswohnung im Erdgeschoss deutlich zu hören ist.

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b) Der Kläger haftet für diesen Mangel, auch wenn dieser auf die Leistungsbeschreibung des Streithelfers zurückzuführen ist (§ 13 Abs. 3 Halbs. 1 VOB/B). Er hat keine Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung der Dielenböden ohne Dämmung zur Schallisolierung mitgeteilt, obwohl ihm solche Bedenken hätten kommen müssen (§ 13 Abs. 3 Halbs. 2, § 4 Abs. 3 Halbs. 1 Fall 1 VOB/B). Das Erfordernis der Trittschalldämmung fällt nicht in den alleinigen Verantwortungsbereich des Bauplaners. Es ist handwerkliche Selbstverständlichkeit.

7

c) Unerheblich ist, dass die Beklagte dem Kläger nicht, wie gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B erforderlich, eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt hat. Dieses erweist sich jetzt als nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entbehrlich. Der Kläger ist nicht bereit, den Mangel durch Neuherstellung des Werkes zu beseitigen, auf welche Art der Mangelbeseitigung allein seine Pflicht sich konzentriert hat. Der Sachverständige F. hat (Seite 4 der Sitzungsniederschrift vom 21. April 2009 - Bl. 156 d.A.) überzeugend ausgeführt, die Beseitigung der Dielen und des gesamten Unterbaus sei erforderlich, um diesen anschließend sachgerecht - z.B. durch Einbau von Dämmstreifen - neu herzustellen und die Dielen darauf neu zu verlegen.

8

d) Der Mangel ist auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen. Dieser hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) erkennen müssen, dass die Verlegung des Fußbodens ohne Maßnahmen zur Trittschalldämmung den Anforderungen an handwerklich fachgerechte Arbeit nicht genügt.

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e) Infolge des Mangels ist der Beklagten ein Schaden in Höhe von 23.710,24 € entstanden.

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aa) Er drückt sich aus in der Differenz des Wertes, den das Werk des Klägers bei Mangelfreiheit gehabt hätte (laut durch den Streithelfer berichtigtem Angebot des Klägers vom 12. Juni 2006. Anlage zur Klagerwiderung - Bl. 42 f. d.A. - 27.894,40 €), und des tatsächlichen Wertes aufgrund des Mangels, der nicht vorhanden ist. Diese Differenz verringert sich jedoch durch die Kosten der Trittschalldämmung, die der Beklagten zusätzlich entstanden wären, wenn der Kläger sein Werk mangelfrei hergestellt hätte, welche der Senat auf 15 % der vorgenannten berichtigten Angebotssumme schätzt (§ 287 Abs. 1 Satz 1, § 525 Satz 1 ZPO).

11

bb) Der so errechnete ersatzfähige Schaden mindert sich um die Hälfte (§ 254 Abs. 1, § 278 Satz 1 Fall 2 BGB).

12

(1) Die Beklagte muss sich in dieser Höhe das Verschulden des Streithelfers zurechnen lassen als dasjenige ihres Erfüllungsgehilfen, dessen sie sich bei der Planung des von dem Kläger erstellten Werkes bedient hat, das der Senat genauso schwer bewertet wie das Verschulden des Klägers an dessen mangelhafter Arbeit. Das Vorbringen der Beklagten, der Streithelfer habe klargestellt, dass er von der Erstellung eines Dielenfußbodens auf frischem Beton keine Kenntnis habe, ist unerheblich. Der Streithelfer hat die Verantwortung für die Planung dieses Fußbodens übernommen, indem er das Leistungsverzeichnis für diese Arbeiten (Anlage K 8 im Anlagenhefter zur Berufungsbegründung) erstellt und das Angebot des Klägers vom 12. Juni 2006 am 6. Juli 2006 dem Wunsch nach geänderter Ausführung angepasst hat (Anlage zur Klagerwiderung - Bl. 42 f. d.A.).

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(2) Die Behauptung des Streithelfers, der Kläger und er, vertreten durch seinen Mitarbeiter P., hätten im Juni 2006 in seinem Büro vereinbart, dass der Kläger allein die Verantwortung für den Fußbodenaufbau übernehme, ist unerheblich. Falls dieses zutrifft, hat der Kläger den Streithelfer zwar von dem Schadensersatzanspruch der Beklagten, der sich gegen ihn und diesen als Gesamtschuldner richtet, zu befreien, ist aber nicht gehindert, der Beklagten das Mitverschulden des Streithelfers an dem Schaden entgegenzuhalten. Die Beklagte hat aus der Vereinbarung zwischen Kläger und Streithelfer keinen Anspruch gegen den Kläger erworben. Sie kann nicht mit dem Anspruch des Streithelfers gegen den Kläger auf Schuldbefreiung aufrechnen, der sich in ihrer Hand als Gläubigerin des Anspruchs, von welchem zu befreien war, in einen Zahlungsanspruch verwandelt hätte (§ 241 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 1 Fall 1, § 328 Abs. 1 BGB). Die Absprache zwischen Kläger und Streithelfer ist nicht als Vertrag auszulegen, aus welchem die Beklagte unmittelbar eine Forderung gegen den Kläger erlangen sollte. Den Interessen des Klägers läuft dieses zuwider, dem Streithelfer nützt es nichts. Der Kläger erhielte auf seinen Werklohn von vornherein nichts, während die Beklagte ohne Forderungserwerb aus der Absprache zwischen Kläger und Streithelfer auf ihren Anspruch gegen diesen und dessen Zahlungsfähigkeit angewiesen bliebe. - Der Streithelfer könnte nicht erreichen, dass die Beklagte sich allein an dem Kläger schadlos hält. In seinem Zuwendungsverhältnis zur Beklagten im Rahmen des Vertrages zwischen dem Kläger und ihm zugunsten der Beklagten läge unberechtigte auftragslose Geschäftsführung vor, welche die Beklagte lediglich zwänge, dem Streithelfer dessen Anspruch auf Schuldbefreiung gegen den Kläger abzutreten (§ 684 Satz 1 BGB), aber nicht, ausschließlich gegen den Kläger vorzugehen.

14

Der Erwerb des weiteren Anspruchs gegen den Kläger außer dem Schadensersatzanspruch gegen diesen durch die Beklagte entsprach weder deren Interesse noch mutmaßlichem Willen (§ 683 Satz 1 BGB). Er brachte ihr keinen Vorteil. Der weitere Anspruch ist inhaltsgleich mit dem Schadensersatzanspruch.

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2. Der Zinsanspruch ist, soweit der Hauptanspruch besteht, begründet (§ 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 2 Fall 2, § 288 Abs. 1, § 187 Abs. 1 BGB). Die Beklagte ist am 11. Januar 2007 (Tag nach Zustellung des Mahnbescheids) in Verzug gekommen, während der Kläger Verzinsung erst seit 15. November 2008 begehrt, worüber hinaus der Senat ihm Zinsen nicht zusprechen darf (§ 308 Abs. 1, § 525 Satz 1 ZPO).

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II. Die Widerklage ist teilweise gerechtfertigt.

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1. Soweit die Beklagte mit ihr Zahlung erstrebt, ist sie - die Widerklage - unbegründet. Dazu verweist der Senat auf die Ausführungen unter Ziffer I.

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2. Das Feststellungsbegehren ist teilweise berechtigt.

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a) Die Beklagte hat ein rechtliches Interesse daran (§ 256 Abs. 1 ZPO), dass die Verpflichtung des Klägers zum Ersatz derjenigen Kosten feststeht, die ihr aus der Räumung der Wohnungen während der Neuherstellung der Dielenböden entstehen, weil sie diese noch nicht beziffern kann, das auch begründet ist. Der Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger umfasst diese Kosten. Sie sind Folgeschaden, den der Kläger zu tragen hat, weil er durch Herstellung der Böden ohne Trittschalldämmung gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen hat (§ 13 Abs. 7 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a VOB/B).

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b) Die Feststellung, dass die Beklagte gegen den Kläger Schadensersatzansprüche in Höhe von 27.420,14 € hat, ist nicht zu treffen. Dieses ergibt sich aus den Ausführungen zu Ziffer I.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 101 Abs. 1 Halbs. 2, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Beklagte ist in demjenigen Teil des Streits, an welchem der Streithelfer beteiligt ist, in vollem Umfang unterlegen. Der Senat hat ihr das Mitverschulden des Streithelfers in voller von ihm bekämpfter Höhe zu gerechnet. - Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht vorliegen.

Piekenbrock
Volkmer
Natho