Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 25.02.2010, Az.: 8 U 86/09
Arglistige Täuschung eines Versicherungsnehmers wegen der Einreichung von nicht mit dem geltend gemachten Schaden zusammenhängenden Rechnungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 25.02.2010
- Aktenzeichen
- 8 U 86/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 36390
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0225.8U86.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 26.02.2009 - AZ: 8 O 346/07
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 S. 1 VVG a.F.
- § 49 VVG a.F.
- § 2 VGB 98
- § 4 Ziff. 1 b) VGB 98
- § 6 VGB 98
- § 21 Nr. 1 VGB 98
Fundstellen
- VK 2011, 69-70
- VersR 2010, 1312-1313
In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 26. Februar 2009 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 11.995,65 EUR.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochteneUrteil beruht im Ergebnis nicht auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO). Ferner rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen die angefochtene Entscheidung auch nach eigener Beweisaufnahme des Senats (§ 513 Abs. 1 ZPO).
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 11.995,65 EUR aus der mit dieser geschlossenen Gebäudeversicherung wegen des von ihm behaupteten Leitungswasserschadens gemäß § 1 Abs. 1 S. 1, § 49 VVG a.F. i.V.m. § 4 Ziff. 1 b), § 6, § 2 VGB 98 zu.
1.
Dabei kann mit dem Landgericht dahinstehen, ob ein versicherter Schadensfall durch Austritt von Leitungswasser aus Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung gemäß § 6 Ziff. 1 a) VGB 98 eingetreten ist, ob der Kläger den Schaden "unverzüglich" im Sinne von § 20 Ziff. 1 a) VGB 98 anzeigte, und ob er gegen das sog. Veränderungsverbot verstieß, so dass es einer Fortsetzung der durch Beschluss vom 25. November 2009 zu diesen Punkten (Ziff. I.1.c)) angeordneten Beweisaufnahme nicht mehr bedurfte, worauf im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2010 hingewiesen wurde.
2.
Die Beklagte ist jedenfalls nach § 21 Nr. 1 VGB 98 von einer etwaigen Leistungspflicht befreit, weil der Kläger versuchte, arglistig über Tatsachen zutäuschen, die für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, indem er mit Schreiben vom 07. Mai 2008 (Bl. 75 d.A.) eine Anzahl von Rechnungen über Sanierungsarbeiten mit einer Gesamtsumme von 11.944,92 bei der Beklagten zur Schadensregulierung einreichte, obwohl insbesondere die beiden Rechnungen der Firma Sanitär- und Heizungsbau D. vom 23. April 2007 (Bl. 76 - 81 d.A.) Positionen enthielten, welche nicht ursächlich auf einen Wasserschaden zurückzuführen waren.
Der Versuch einer arglistigen Täuschung ist bei einer bewusst falschen Antwort des Versicherungsnehmers gegeben, die einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt (BGHZ 96, 88 f.; Urteil des Senats vom 4. Dezember 2008 - 8 U 122/08 -, ZfS 2009, 275; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 22 VHB 84, Rdnr. 1). Arglistig handelt der Versicherungsnehmer bereits dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Bereicherungsabsicht ist nicht Voraussetzung der Arglist. Es genügt das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche zu beseitigen. Auch ist die Annahme der Arglist dabei nicht auf falsche Angaben zu gewichtigen Schadenspositionen beschränkt. Die Täuschung muss auch nicht erfolgreich sein; vielmehr reicht bereits ein entsprechender Versuch aus.
a)
Mit seinem Abrechnungsschreiben zur Schadensregulierung vom 2. Mai 2007 hat der Kläger aus der Rechnung 302060 (Bl. 79 - 81 d.A.) vom 23. April 2007 der Firma Sanitär- und Heizungsbau D. die zu den Positionen 001 und 002 angeführten beiden Flachheizkörper zu 225,00 EUR bzw. 182,70 EUR geltend gemacht. Nach Regulierungsverweigerung der Beklagten hat er diese bei der Klageforderung in Abzug gebracht. Nicht abgesetzt hat er jedoch die Positionen
003 Schnellmontagekonsolen für "Cosmo Nova", 21,40 EUR
004 Ventilunterteil, 23,40 EUR
005 Radiator-Verschraubung, 17,20 EUR
006 Fühlerelement, 28,60 EUR
007 4,0 m Kupferrohr, 27,84 EUR und
008 3,8 m Schlauchisolierung "Cosmo Flex", 2,58 EUR.
Es handelt sich um Zubehör und Montagematerial für den Einbau der Heizkörper. Zu diesen hat die Beklagte geltend gemacht, dass die Schäden hieran nicht durch den behaupteten Leitungswasserschaden verursacht wurden, sondern der Kläger eine Komplettsanierung vorgenommen habe, weil die Wohnung insgesamt bereits erhebliche Mängel aufgewiesen hätte. In seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger angegeben, der Handwerker, der den Heizkörper ausgetauscht habe, habe ihn darauf hingewiesen, dass sich Rost am Heizkörper gebildet habe (Bl. 208 d.A.). Er habe darauf hingewiesen, dass er diesen Heizkörper nicht "mit Garantie" wieder einbauen könne. Auf seinen Hinweis habe er dann nachgesehen, ob die abgeschlossene Versicherung eine "Neuwertversicherung" sei. Der Handwerker habe dann zu ihm gesagt, dass der Heizkörper ausgetauscht werden könne, weil er vom Versicherungsschutz erfasst sei. Diese Angaben sind zur Schadensursächlichkeit durch den Wasserschaden ohne Belang. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es ggf. zu rostbedingten Beschädigungen an den Heizkörpern durch einen Wasserschaden kommen kann, wie die Zeugin B. dies theoretisch nicht ausschließen konnte. Feststellungen lassen sich hierzu jedenfalls nicht treffen. Die Zeugin konnte sich an die Heizkörper und ob sie diese in ihre Schätzung der Schadenssumme auf 9.000 bis 12.000,00 EUR eingestellt hat, nicht mehr erinnern. Der Handwerker, der Zeuge D., hat ebenfalls bekundet, dass die Heizkörper gar nicht mehr vorhanden waren, als er hinzugezogen wurde. Er habe diese nicht mehr gesehen, weil der Ausbau wie auch derjenige sämtlicher Sanitärobjekte im Bad von einer anderen Firma ausgeführt worden sei. Insoweit sind die Angaben des Klägers in der Anhörung vor dem Landgericht jedenfalls nicht zutreffend. Ferner hat der Zeuge D. bekundet, dass lediglich die Heizkörperrohre noch vorhanden waren. Diese seien sehr alt, aber nicht beschädigt gewesen. Deshalb habe er zusätzlich zu einem Austausch geraten. Der Austausch war danach keineswegs durch den Wasserschaden veranlasst. Die vom Kläger zur Begründung für den Austausch der Heizkörper in Bezug genommene und insoweit vorgetragene Bestätigung des Zeugen D. vom 3. April 2009 (Anlage K B 1, Bl. 261 d.A.) zur Ursache des Rostbefalls an den Heizkörpern ist jedenfalls insoweit falsch, als der Zeuge D. hierzu keine eigenen Feststellungen mehr treffen konnte.
b)
Gleiches gilt für die Duschwanne. Diese ist in der weiteren Rechnung D. vom 23. April 2007 unter Pos. 9 mit 178,02 EUR netto aufgeführt (Bl. 76 f. d.A.). Dass die Zeugin B. ebenso wie der Zeuge D. bestätigten, dass es möglich sein könne, dass eine Duschwanne bei der Demontage wegen ihres festen Einbaus nicht unbeschädigt entfernt werden könne, ändert nichts daran, dass der Kläger nach Überzeugung des Senats insoweit jedenfalls das Regulierungsverhalten der Beklagten zu seinen Gunsten beeinflussen wollte. Vortrag des Klägers zu Einzelheiten der Beschädigungen und Erkenntnisse der Zeugen hierzu gibt es nicht. Vielmehr ist die Bestätigung des Zeugen D. vom 3. April 2009, die der Kläger zur Begründung des schadensbedingten Austausches in Bezug nimmt, falsch, weil der Zeuge hierzu vor dem Senat angegeben hat, dass die Sanitärobjekte bereits demontiert und entfernt worden waren, als er hinzugezogen wurde. Er hat lediglich die neuen Objekte geliefert und montiert. Dies gilt auch für die mit der Duschwanne im Zusammenhang stehenden Positionen für Zubehör bzw. Montagematerial:
010 Funktionseinheit Domoplex f. Duschwanne, 9,94 EUR
011 Ausstattungsset Domoset verchromt, 5,18 EUR
012 Wannenträger, 88,02 EUR.
c)
In der Rechnung 302060 (Bl. 79 - 81 d.A.), sind weitere Positionen nicht mit einem Wasserschaden im Trockenestrich in Zusammenhang zu bringen:
009 ein komplettes WC-Set, bestehend aus Wandtiefspül-WC mit Schallschutz-Set, WC-Sitz mit Deckel, 165,75 EUR
010 ein Waschtisch-Set mit Einhandwaschtischbatterie, 172,41 EUR
011 Wandstange 90 cm verchromt, 25,10 EUR
012 Eckeinstieg-Haelfte 3-S-Modell 3-tlg., 205,40 EUR
013 Eckeinstieg-Haelfte 3-S-Modell 3-tlg., 211,90 EUR
Erläuterungen des Klägers hierzu fehlen. Die Zeugen D. und B. haben auch diese Sanitärobjekte nicht mehr zu sehen bekommen, weil sie bereits entfernt waren.
3.
Dass der Kläger bei Einreichen der Rechnungen des Zeugen D. vom 23. April 2007 vorsätzlich und mit Arglist gehandelt hat, steht nach dem Ergebnis der eigenen Beweisaufnahme für den Senat außer Frage.
a)
Es gibt objektiv keine andere Erklärung für die geltend gemachten Positionen. Tatsächlicher Reparaturbedarf infolge des Wasserschadens wird vom Kläger nicht dargelegt. Die hierzu benannten Zeugen haben keine eigenen Erkenntnisse.
b)
Die vom Kläger gegebenen Erklärungen stimmen nicht. Zur Begründung für den Austausch der Heizkörper nimmt er die Bestätigung des Zeugen D. vom 3. April 2009 (Anlage K B 1, Bl. 261 d.A.) zur Ursache des Rostbefalls an den Heizkörpern in Bezug. Diese ist unrichtig. Der Zeuge hat die Sanitärobjekte und die Heizkörper nicht mehr gesehen. Demzufolge ist auch die Angabe des Klägers zu Protokoll der Vorinstanz (Bl. 208 d.A.) unrichtig, der Handwerker habe ihm gesagt, der Heizkörper könne ausgetauscht werden weil er vom Versicherungsschutz der Neuwertversicherung erfasst sei. Dies besagt auch nichts zur Schadensursache an den Heizkörpern. Schließlich haben die Bekundungen des Zeugen D. vor dem Senat zu den Heizungsrohren, die alt aber nicht beschädigt gewesen seien, bestätigt, dass in der Wohnung altersbedingter Sanierungsbedarf bestand, welchen sich der Kläger zumindest anteilig durch einen Versicherungsschaden mitfinanzieren lassen wollte. Dabei kommt es nicht darauf an, zweifelhafte Einzelpositionen gegebenenfalls in Abzug zu bringen, wie dies mit der Klage bereits in Bezug auf die Heizkörper geschehen ist. Der Kläger hat durch Einreichen der Rechnungen auch für ihn erkennbar über den Umfang der Schadensbedingten Reparaturaufwendungen getäuscht.
4.
Eine Leistungsverweigerung der Beklagten stellt sich auch nicht als unzulässige Rechtsausübung treuwidrig dar, weil der Verlust des Versicherungsschutzes auch in Anbetracht seines Verschuldens für den Kläger keine übermäßige Härte darstellt und die Täuschung nicht nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft. Ging das Landgericht in seiner Begründung noch von einem Betrag von 697,00 EUR für die beiden Heizkörper und die Duschwanne aus, beträgt die Summe der vorgenannten Positionen 1.590,44 EUR netto. Einschließlich Mehrwertsteuer sind dies 1.892,62 EUR, entsprechend knapp 16% des geltend gemachten Gesamtschadens. Hierbei noch nicht berücksichtigt sind die in den Positionen 020 und 021 bzw. 015 und 016 berechneten Montagelöhne, die anteilig auf den Einbau der Bauteile entfallen.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.