Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 05.09.2022, Az.: 4 B 2288/22

Anfechtung Beschluss Wohnungseigentümergemeinschaft; Brandschutz; Fassadensanierung; fehlendes Abwehrrecht Einzelner; Gemeinschaftseigentum; Mitglieder Wohnungseigentümergemeinschaft; sofortige Vollziehbarkeit; Vollstreckungshindernis; Wohnungseigentümergemeinschaft

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
05.09.2022
Aktenzeichen
4 B 2288/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59636
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das Fehlen eines Beschlusses der WEG über die Finanzierung einer Maßnahme am Gemeinschaftseigentum, die bauaufsichtlich angeordnet worden ist, stellt kein Vollstreckungshindernis einer Zwangsgeldfestsetzung wegen nicht fristgerechter Umsetzung der bauaufsichtlichen Verfügung dar.
2. Die Einwendung, dass ein Zwangsgeld kein geeignetes Zwangsgeld für die Durchsetzung der bauaufsichtlichen Verfügung ist, kann nicht mehr mit Erfolg im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Zwangsgeldfestsetzung geltend gemacht werden.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 100.000,00 EURO festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Zwangsgeldfestsetzung sowie eine weitere Zwangsgeldandrohung der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, ist Eigentümerin des Grundstücks mit der postalischen Anschrift D. Straße E. in F. (Flurstück G., Flur H., Gemarkung I.). Das Grundstück ist mit einem 12-geschossigen Wohngebäude bebaut, welches aus 48 Einheiten besteht. Die Höhe des Gebäudes beträgt von der Geländeoberfläche bis zur Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Aufenthaltsraums ungefähr 31 m. In der Baugenehmigung zur Errichtung des Gebäudes vom 02.08.1972 wird auf die Einhaltung der gültigen Hochhausrichtlinie (HHR) vom 15.03.1958 hingewiesen. Nach Punkt 5 Satz 1 der HHR müssen tragende Bauteile feuerbeständig sein. Konkrete Regelungen zu Außenwandbekleidungen und Dämmungen trifft die HHR nicht. Erst seit 1981 müssen Außenwandbekleidungen aus nichtbrennbaren Materialien bestehen. Nach Punkt 3.4 der Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) von 2008 müssen Außenwandbekleidungen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Bei der derzeitigen Fassade des Gebäudes handelt es sich um eine sog. hinterlüftete Fassade aus Faserzementplatten. Auf den tragenden Betonwänden sind zusätzlich Holzwolleleichtbauplatten (HWL) als Dämmung angebracht. Holzwolleleichtbauplatten entsprechen nicht der Baustoffklasse A2 (nichtbrennbar).

Mit Bescheid vom 08.07.2019 traf die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung u.a. folgende Regelungen:

1. Bis zum 31.12.2019 ist die brennbare Fassadenkonstruktion im Bereich des Treppenraumes am Wohngebäude zu entfernen.

2. Für den Fall, dass der Anordnung unter Punkt 1 nicht Folge geleistet wird, drohe ich ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000 Euro an.

3. Bis zum 30.06.2020 ist die übrige brennbare Fassadenkonstruktion am Wohngebäude zu entfernen.

4. Für den Fall, dass der Anordnung unter Punkt 3 nicht Folge geleistet wird, drohe ich ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000 Euro an.

Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 10.07.2019 zugestellt. Unter dem 12.08.2019 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid ein. Unter dem 19.08.2019 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des von ihr eingelegten Widerspruchs beim Verwaltungsgericht Hannover (4 B 3818/19).

Eine im Auftrag der Antragstellerin erstellte Kostenschätzung für die Fassadensanierung vom 14.10.2019 prognostiziert Gesamtkosten in Höhe von rund 2,3 Mio Euro für die Bauwerkskonstruktion, Abbrucharbeiten und Nebenkosten.

In der mündlichen Verhandlung über den Eilantrag am 26.11.2019 änderte die Antragsgegnerin den Bescheid vom 08.07.2019 wie folgt ab:

1. Die Antragstellerin wird verpflichtet, bis zum 31.03.2020 ein in Kooperation mit der J. erstelltes Brandschutzkonzept eines von der IHK anerkannten Brandschutzsachverständigen vorzulegen, welche Maßnahmen für den Bestand des Gebäudes D. Straße E. zu ergreifen sind. Kommt das Brandschutzkonzept zu dem Ergebnis, dass eine effektive Brandbekämpfung möglich sei, ist das Konzept innerhalb von sechs Monaten umzusetzen.

2. Für den Fall, dass das Brandschutzkonzept in der Kooperation mit K. und der L. keine effektive Möglichkeit aufzeigt, die Gefahr für Leib und Leben zu beseitigen oder nicht vorgelegt wird, gelten die Anordnungen des Bescheides vom 08.07.2019 in der Form, dass die Fristen jeweils um ein Jahr verlängert werden.

Der Rechtsstreit wurde daraufhin in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Gegen den Bescheid vom 08.07.2019 in Gestalt der Abänderungserklärung gemäß dem Protokoll der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Hannover zu Az. 4 B 3818/19 vom 26.11.2019 legte die Antragstellerin unter dem 27.11.2019 Widerspruch ein. Über diesen Widerspruch wurde bisher noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin beschloss auf der 55. Eigentümerversammlung am 22.10.2020 einstimmig, die Sanierung der Fassaden nach dem Modell des Effizienzhauses 85 durchzuführen. Ebenso beschloss sie, den Architekten M. mit der Umsetzung der Arbeiten zu beauftragen.

In der Eigentümerversammlung vom 29.09.2021 beschloss die Antragstellerin, dass im Rahmen eines Umlaufverfahrens mit einfacher Mehrheit die erforderliche Finanzierung zur Sanierung der Fassade beschlossen werden solle.

Der entsprechende Umlaufbeschluss vom 18.11.2021 lautet wie folgt:

„Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat mehrheitlich entschieden, dass die Finanzierung der Gesamtbaumaßnahme durch Umlage (Sonderumlage/n) der Kosten auf die einzelnen Eigentümer nach Miteigentumsanteilen durchgeführt wird. Jeder Eigentümer hat somit für die Finanzierung seines Anteils zu sorgen. Die Beiträge gehen auch aus dem allen Wohnungseigentümern vorliegenden Schreiben/Aufstellung der Kostenübersicht der Firma die Energieingenieure hervor.“

Dieser Umlaufbeschluss erfuhr wegen einer Änderung einer Vergaberichtlinie für die Förderung durch den Umlaufbeschluss vom 23.12.2021 eine Korrektur.

Auf die Anfechtung durch eine Miteigentümerin der Antragstellerin erklärte das Amtsgericht N. die beiden Umlaufbeschlüsse vom 18.11.2021 und vom 23.11.2021 (im Wesentlichen aus formellen Gründen) in seinem Urteil vom 05.07.2022 (21 C 50/21) für ungültig.

Bereits mit Bescheid vom 24.05.2022 setzte die Antragsgegnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro fest und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von jeweils 100.000 Euro an, falls die Antragstellerin den Anordnungen der Ziffern 1 und 3 des Bescheids vom 08.07.2019 in der Fassung der Änderungserklärung vom 26.11.2019 bis zum 31.08.2022 nicht nachkommt und einen entsprechenden Nachweis der Beauftragung und des Beginns der angeordneten Maßnahmen der Antragsgegnerin nicht vorlegt.

Gegen den Bescheid vom 24.05.2022 legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 31.5.2022 Widerspruch ein. Über diesen wurde bislang noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin hat am 31.05.2022 beim Verwaltungsgericht Hannover einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Sie ist der Ansicht, die Festsetzung eines Zwangsgeldes sei rechtswidrig, da ein Vollstreckungshindernis bestehe. Die Umsetzung der Anordnungen der Antragsgegnerin sei derzeit mangels bestandskräftigem Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft für die Antragstellerin rechtlich unmöglich. Nach § 20 Abs. 1 WEG könne die Antragstellerin die beabsichtigten Baumaßnahmen nur vornehmen, sofern ein bestandskräftiger Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vorliegt. Baumaßnahmen, die nicht durch einen solchen Beschluss legitimiert sind, könnten von jedem Miteigentümer durch zivilrechtliche Unterlassungsverfügungen verhindert werden. Ohne einen entsprechenden Beschluss könne die Antragstellerin die Anordnungen der Antragsgegnerin nur dann ausführen, sofern Duldungsverfügungen gegenüber den einzelnen Miteigentümern vorlägen. Dass die Antragsgegnerin keine Duldungsverfügungen erlassen habe, stelle somit ein Vollstreckungshindernis dar.

Ferner sei die Festsetzung des Zwangsgelds unverhältnismäßig. Das Zwangsgeld sei kein geeignetes Zwangsmittel, denn es führe dazu, dass der Antragstellerin Kapital entzogen werde, welches zur Finanzierung der Baumaßnahme erforderlich sei. Vielmehr sei ein Zwangsgeld kontraproduktiv, da ein Teil der Eigentümer bereits Schwierigkeiten habe, die erforderlichen Summen für die Baumaßnahmen aufzubringen.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2022 über die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 100.000 € und die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie ist der Auffassung, dass Duldungsverfügungen gegenüber den einzelnen Teileigentümern der Wohnanlage lediglich dann erforderlich seien, wenn Dritte die Durchführung von angeordneten Maßnahmen verhindern könnten. Duldungsverfügungen gegenüber einzelnen Miteigentümern der Antragstellerin seien nicht zielführend. Erneute Rechtsmittel gegen etwaige Duldungsverfügungen würden die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen weiter verschieben.

Das festgesetzte Zwangsmittel stelle ferner das mildeste Mittel zur Abwendung der Gefahr für Leib und Leben der Bewohner des Gebäudes dar. Wegen der bestehenden Brandgefahr sei es zwingend erforderlich, die Maßnahmen zeitnah umzusetzen. Fehlende Beschlüsse nach dem WEG dürften nicht dazu führen, dass die Anordnungen nicht umgesetzt werden und Fristen wiederholt verlängert werden müssten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

Der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Bescheid vom 24.05.2022 eingelegten Widerspruchs gerichtete Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zulässig, da Rechtsbehelfe gegen die Festsetzung und Androhung von Zwangsmitteln gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG keine aufschiebende Wirkung haben.

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist dann begründet, wenn im Rahmen einer Abwägung das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts überwiegt. Dies beurteilt sich maßgeblich nach den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2014 – 7 VR 1/14 –, Rn. 10, juris). Das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage bzw. ihres Widerspruchs überwiegt in der Regel, wenn sich im Rahmen einer summarischen Prüfung ergibt, dass der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Sollte sich der Verwaltungsakt hingegen als offensichtlich rechtmäßig erweisen, so tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.02.1997 – 3 M 856/97 –, NVwZ 1997, 407, 407 [VGH Baden-Württemberg 12.02.1997 - 7 S 430/97]).

Nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs fällt die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus, denn der Bescheid vom 24.05.2022 ist aller Voraussicht nach sowohl in Hinblick auf die Festsetzung des Zwangsgelds (1.) als auch in Hinblick auf die Androhung eines gesteigerten Zwangsgelds (2.) rechtmäßig.

1. Die Festsetzung des Zwangsgeldes in Höhe von insgesamt 100.000 Euro dürfte sich als rechtmäßig erweisen.

Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Zwangsgeldes ist § 70 NVwVG i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67 Abs. 1 Satz 1, 70 Abs. 1, 3, 5 NPOG. Danach kann zur Vollstreckung eines wirksamen Verwaltungsakts, der auf eine Handlung gerichtet ist, ein Zwangsgeld festgesetzt werden, wenn ein gegen den Verwaltungsakt gerichteter Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Zudem muss das Zwangsgeld zuvor angedroht und eine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung gesetzt worden sein.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Der Bescheid vom 08.07.2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26.11.2019 stellt eine wirksame Grundverfügung dar, der auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist, denn der Antragstellerin wurde u.a. aufgegeben, die brennbare Fassadenkonstruktion am Wohngebäude zu entfernen.

Der gegen den Bescheid vom 08.07.2019 in der Fassung vom 26.11.2019 eingelegte Widerspruch vom 27.11.2019 entfaltet gemäß § 70 NVwVG i.V.m. § 64 Abs. 1 Alt. 2 NPOG keine aufschiebende Wirkung, da die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde. Zwar ordnet Ziffer 8 des Bescheids vom 08.07.2019 naturgemäß ausdrücklich nur die sofortige Vollziehung sämtlicher Anordnungen des Bescheids vom 08.07.2019 an und nicht auch der (zeitlich nachfolgenden) Ergänzung des Bescheids durch die Erklärungen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.11.2019. Jedoch ergibt eine Auslegung des am 26.11.2019 abgeänderten Bescheids, dass die im ursprünglichen Bescheid in Ziff. 8 angeordnete sofortige Vollziehung auch für den abgeänderten Bescheid Geltung entfaltet.

Hierfür spricht zum einen der Wortlaut der abgeänderten Verfügung (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2019, Bl. 16 d.A.). Denn es ist ausdrücklich und vollumfänglich festgelegt worden, dass „die Anordnungen des Bescheides vom 08.07.2019“ gelten und lediglich die Fristen verlängert werden. Zum anderen spricht für diese Auslegung das Verhalten der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2019. Denn im Anschluss an die Abänderung des Bescheids erklärte die Antragstellerin den Verzicht darauf, einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die geänderte Verfügung zu richten (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2019, Bl. 16 d.A.). Wären die Beteiligten davon ausgegangen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung im ursprünglichen Bescheid nicht für die abgeänderte Verfügung gelten solle, wäre die zu Protokoll gegebene Erklärung sinnlos gewesen, da ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen der dann bestehenden aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO bereits unzulässig gewesen wäre.

Das Zwangsgeld wurde gemäß § 70 NVwVG i.V.m. § 70 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 NPOG schriftlich und in bestimmter Höhe angedroht.

Der Antragstellerin wurde nach § 70 NVwVG i.V.m. § 70 Abs. 1 Satz 2 NPOG eine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung gesetzt. Angemessen ist eine Frist immer dann, wenn sie das behördliche Interesse an der Schleunigkeit der Ausführung berücksichtigt und zugleich dem Betroffenen die nach der allgemeinen Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen (OVG Berlin, Beschl. v. 11.09.2014 – 10 S 8.13 –, Rn. 4, juris). Die von der Antragsgegnerin gesetzte Frist erfüllt diese Voraussetzungen. Die in Anordnung zu Ziffer 1 des Bescheids gesetzte Frist berücksichtigt zum einen das Interesse der Antragsgegnerin, eine im Brandfall sichere Rettung durch das Treppenhaus als Fluchtweg zu ermöglichen, um die in der brennbaren Fassadenkonstruktion liegende Gefahr für Leib und Leben der Bewohner und Bewohnerinnen des Wohngebäudes in der D. Straße E. schnellstmöglich zu beseitigen. Zum anderen wird durch die Fristsetzung bis zum 31.12.2020 dem Umstand Rechnung getragen, dass der Antragstellerin als Wohnungseigentümergemeinschaft für interne Abstimmungen und ggf. Beschlussfassung nach der Lebenserfahrung ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um die Anordnung umsetzen zu können. Die großzügiger gewählte Frist hinsichtlich der Anordnung zu Ziffer 3 des Bescheids erfüllt die Voraussetzungen ebenfalls. Denn dadurch wird der Antragstellerin die erforderliche Zeit gewährt, um der umfangreicheren Entfernung der übrigen Fassadenkonstruktion nachkommen zu können.

Die Antragstellerin hat die ihr auferlegten Handlungspflichten nicht innerhalb der gesetzten Fristen erfüllt.

Als alleinige Adressatin des Bescheids vom 08.07.2019 in der Fassung vom 26.11.2019 ist sie auch richtige Vollstreckungsschuldnerin.

Die Festsetzung des Zwangsgeldes ist zudem verhältnismäßig. Insbesondere ist die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes, die dem angedrohten Betrag entspricht, nicht zu beanstanden.

Keinen Erfolg hat darüber hinaus das Argument der Antragstellerin, dass die Zwangsgeldfestsetzung unverhältnismäßig ist, weil das Zwangsgeld ungeeignet erscheint.

Ob ein Zwangsgeld als Zwangsmittel zur Durchsetzung der zu vollstreckenden Grundverfügung geeignet ist, ist eine Frage der Zwangsgeldandrohung. Denn die Auswahl des zur Durchsetzung der Grundverfügung geeigneten und erforderlichen Zwangsmittels erfolgt auf der Stufe der Zwangsmittelandrohung (OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.02.2015 – 4 LA 245/13 –, Rn. 14, juris). Die Zwangsmittelandrohung regelt bereits den Einsatz des bestimmten Zwangsmittels, sie trifft die Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Zwangsmitteln und enthält auch die Entscheidung, dass das ausgewählte Zwangsmittel eingesetzt werden darf, wenn der Adressat der Verfügung dem Handlungsgebot nicht nachkommt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.02.2015 – 4 LA 245/13 –, Rn. 14, juris).

Einwendungen gegen eine Vollstreckungsmaßnahme sind grundsätzlich mit einem Rechtsmittel gegen diese Vollstreckungsmaßnahme geltend zu machen. Wird die Vollstreckungsmaßnahme bestandskräftig, so ist die Geltendmachung einer diesen Akt betreffenden Einwendung im weiteren Vollstreckungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.02.2015 – 4 LA 245/13 –, Rn. 14, juris; VGH Kassel, Beschl. v. 04.10.1995 – 4 TG 2043/95 –, NVwZ-RR 1996, 715, 716). Dies gilt auch für den Fall, dass die wirksame Zwangsmittelandrohung sofort vollziehbar ist und der vorläufige Rechtsschutz gegen sie entweder nicht oder erfolglos gesucht worden ist (OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.02.2000 – 1 L 4549/99 –, Rn. 11, juris; VGH Kassel, Beschl. v. 04.10.1995 – 4 TG 2043/95 –, NVwZ-RR 1996, 715, 716; OVG Münster, Beschl. v. 02.12.2019 – 10 B 1344/19 –, Rn. 6, juris). Einwendungen, die mit prozessualen Mitteln im prozessual zulässigen Umfang gegen die Zwangsgeldandrohung hätten geltend gemacht werden können, sind im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Zwangsgeldfestsetzung grundsätzlich ausgeschlossen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.02.2000 – 1 L 4549/99 –, Rn. 11, juris; VGH Kassel, Beschl. v. 04.10.1995 – 4 TG 2043/95 –, NVwZ-RR 1996, 715, 716).

Danach kann die Antragstellerin den Einwand, das Zwangsgeld sei nicht geeignet und deshalb unverhältnismäßig, nicht mehr mit Erfolg im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Zwangsgeldfestsetzung erheben. Denn die Androhung der Zwangsgelder erfolgte mit Bescheid vom 08.07.2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26.11.2019. Sie ist von Gesetzes wegen sofort vollziehbar, da Rechtsbehelfe gegen Zwangsmittelandrohungen gemäß § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG keine aufschiebende Wirkung haben. Zwar stellte die Antragstellerin einen Eilantrag gegen den Bescheid vom 08.07.2019. Ob die Antragstellerin damit auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Androhung der Zwangsgelder in Ziffer 2 und 4 des Bescheides beantragt hat, kann dahingestellt bleiben. Denn zum einen wurden in diesem Verfahren keine Einwendungen gegen die Geeignetheit des Zwangsgeldes erhoben. Und zum anderen blieb das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der Beseitigung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 08.07.2019 in der Fassung vom 26.11.2019 erfolglos, da das Eilverfahren am 26.11.2019 durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet wurde.

Schließlich liegt entgegen der Ansicht der Antragstellerin kein Vollstreckungshindernis vor. Insbesondere wird von der Antragstellerin dadurch nichts rechtlich Unmögliches verlangt, dass keine Duldungsverfügungen gegenüber ihren Mitgliedern erlassen worden sind.

Ein Vollstreckungshindernis, das die Befolgung der behördlichen Anordnung rechtlich unmöglich macht, ist nach allgemeinem Verwaltungsvollstreckungsrecht u.a. dann gegeben, wenn der Vollstreckungsschuldner einer ihm obliegenden Pflicht nicht nachkommen kann, ohne in die zivilrechtlichen Rechte Dritter einzugreifen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.01.2016 – 15 MF 21/15 –, Rn. 36, juris; OVG Koblenz, Urt. v. 25.11.2009 – 8 A 10502/09 –, Rn. 18, juris). Sofern eine baurechtliche Verfügung zwangsweise durchgesetzt werden soll, müssen Dritte, die den Adressaten der Verfügung aufgrund eines Rechtsverhältnisses an deren Ausführung hindern können, der Ausführung entweder zustimmen oder durch entsprechende Anordnung zur Duldung verpflichtet werden (Mann in: Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 10. Auflage 2020, NBauO § 79 Rn. 89). Eine Duldungsverfügung ist immer dann erforderlich, wenn ein Dritter den Adressaten einer bauaufsichtlichen Anordnung an ihrer Befolgung hindern kann, weil ihm obligatorische oder dingliche Rechte an der baulichen Anlage zustehen (Mann in: Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 10. Auflage 2020, NBauO § 79 Rn. 91; OVG Lüneburg, Urt. v. 11.02.1985 – 6 A 95/82-, juris).

Trotz des fehlenden Beschlusses über die Finanzierung der Maßnahmen, die in Ziffer 1 und 3 des Bescheids vom 08.07.2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26.11.2019 angeordnet worden sind, bedarf es zur Vollziehung dieser Anordnungen keiner Duldungsverfügung gegenüber den Mitgliedern der Antragstellerin. Denn die einzelnen Mitglieder können im Hinblick auf die Fassadenkonstruktion am Gebäude keine dinglichen oder obligatorischen Rechte geltend machen. Ihnen stehen insbesondere keine sich aus Eigentums- oder Besitzrechten ergebenden Abwehransprüche zu.

Die (ggf. gerichtliche) Geltendmachung von Ansprüchen im Hinblick auf bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum ist nur durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst möglich. Dies folgt aus der seit dem 01.12.2020 geltenden Regelung in § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG. Nach § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte der Wohnungseigentümer aus. Die gesetzliche Befugnis bezieht sich auf alle Rechte der Wohnungseigentümer, die aus dem Miteigentum am gemeinschaftlichen Eigentum fließen (BT-Drs. 19/18791, 47; Wicke in: Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Auflage 2022, WEG, § 9a Rn. 7). Erfasst sind insbesondere Ansprüche aus § 1004 BGB wegen der Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums (BT-Drs. 19/18791, 47), auf Eigentumsverletzung beruhende schuldrechtliche Ansprüche sowie Besitzschutzansprüche aus §§ 861ff. BGB (Wicke in: Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Auflage 2022, WEG, § 9a Rn. 7). Sofern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für einen Anspruch nach § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG ausübungsbefugt ist, übt allein sie diesen Anspruch für die Wohnungseigentümer aus. Die Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schließt die individuelle Ausübung dieser Rechte durch die einzelnen Wohnungseigentümer aus (LG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.01.2021 – 2-13 S 155/19 –, NJW 2021, 643, 643f. [OLG Köln 25.06.2020 - 21 U 107/19]; Hügel in: Hau/Poseck, BeckOK Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Edition 01.05.2022, WEG § 9a Rn. 29). Dies hat zur Folge, dass insbesondere privatrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche bei einer Störung oder Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt und geltend gemacht werden können (LG Frankfurt a. M., Urt. v. 11.2.2021 – 2/13 S 46/20 –, NZM 2021, 239, 240; VGH München, Beschl. v. 24.07.2014 – 15 CS 14.949, BeckRS 2014, 55292 Rn. 19; Hügel in: Hau/Poseck, BeckOK Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Edition 01.05.2022, WEG § 20 Rn. 31). Wird die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht tätig, kann der einzelne Eigentümer lediglich im Innenverhältnis einen Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung nach § 18 Abs. 2 WEG gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend machen (Hügel in: Hau/Poseck, BeckOK Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Edition 01.05.2022, WEG § 9a Rn. 29).

Danach ist allein die Antragstellerin befugt, etwaige privatrechtliche Ansprüche wie den Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung von Beeinträchtigungen durch bauliche Veränderungen an der Fassade gemäß § 1004 BGB oder besitzschutzrechtliche Ansprüche gemäß §§ 861f. BGB auszuüben. Die einzelnen Mitglieder der Antragstellerin können diese Rechte nicht geltend machen, da es sich bei der angeordneten baulichen Veränderung an der Fassade um eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums handelt.

Gemeinschaftliches Eigentum im Sinne des WEG sind gemäß § 1 Abs. 5 WEG das Grundstück und das Gebäude, soweit sie nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen. Sondereigentum ist in § 3 Abs. 1 Satz 1 WEG definiert als Eigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude. Nach § 5 Abs. 2 WEG sind Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, nicht Gegenstand des Sondereigentums, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume oder Teile des Grundstücks befinden. Danach gehören neben den konstruktiv notwendigen Teilen des Gebäudes auch alle Anlagen und Einrichtungen zum Gemeinschaftseigentum, die funktional dem Bestand oder der Sicherheit des Gebäudes dienen und hierfür erforderlich sind (Armbrüster in: Bärmann, Wohnungseigentümergesetz, 12. Auflage 2013, § 5 Rn. 31ff.). Für die Erforderlichkeit ist die Verkehrsanschauung maßgeblich. Sofern bereits eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Ausstattung des Gebäudes mit bestimmten Einrichtungen oder Anlagen besteht, wird hierdurch die Erforderlichkeit bestimmt (Armbrüster in: Bärmann, Wohnungseigentümergesetz, 12. Auflage 2013, § 5 Rn. 34). Einrichtungen, die dem Brandschutz des Gebäudes dienen und gesetzlich vorgeschrieben sind, sind für die Sicherheit des Gebäudes erforderliche Teile (OLG München, Beschl. v. 13.08.2007 – 34 Wx 75/07 –, NZM 2008, 493, 494; Armbrüster in: Bärmann, Wohnungseigentümergesetz, 12. Auflage 2013, § 5 Rn. 34; Hügel in: Hau/Poseck, BeckOK Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Edition 01.05.2022, WEG § 5 Rn. 15).

Danach steht die Fassadenkonstruktion vorliegend im Gemeinschaftseigentum, da sie einen für die Sicherheit des Gebäudes erforderlichen Teil darstellt. Der Außenwandbekleidung kommt eine Schutzfunktion vor Brandgefahren zu, was sich u.a. aus Punkt 3.4 der Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) von 2008 ergibt. Denn danach ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die Außenwandbekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen beschaffen sein muss, um Fassadenbrände, welche von der Feuerwehr nicht wirksam bekämpft werden können, zu vermeiden (vgl. Punkt 3.4. der MHHR-Erläuterung – Fachkommission Bauaufsicht Fassung 18. April 2008, abgerufen am 18.08.2022 unter https://www.pruefsv.de/upload/files/Gesetze%20und%20Verordnungen/Musterwelt/MHHR_2008_04.pdf).

Dem steht auch nicht entgegen, dass bei formaler Betrachtung die Mitglieder der Antragstellerin Inhaber der Miteigentumsrechte sind und diese vorliegend betroffen sein könnten (vgl. LG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.01.2021 – 2-13 S 155/19 –, NJW 2021, 643, 643 [OLG Köln 25.06.2020 - 21 U 107/19]). Denn mangels einer Befugnis zur Ausübung ihrer Miteigentumsrechte können sie die sich hieraus ergebenden Ansprüche nicht (gerichtlich) durchsetzen und die Antragstellerin an der Durchführung der baulichen Maßnahmen nicht hindern. Gesonderter Duldungsverfügungen gegenüber einzelnen Miteigentümern bedarf es deshalb nicht.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt auch nicht deshalb ein Vollstreckungshindernis vor, weil kein bestandskräftiger Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG existiert. Zwar bedarf es nach § 20 Abs. 1 WEG grundsätzlich für jede bauliche Veränderung, d.h. für jede Maßnahme, die über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht, eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Jedoch kommt es aus vollstreckungsrechtlicher Sicht nicht auf die Beschlussfassung an. Die Antragstellerin kann auch ohne einen gefassten Beschluss den Anordnungen nachkommen. Denn sie ist als Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG befugt, bauliche Maßnahmen an der Fassadenkonstruktion als Teil des gemeinschaftlichen Eigentums vorzunehmen. Die Wahrnehmungsbefugnis, die § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG verleiht, wird im Außenverhältnis nicht durch Bindungen des Innenverhältnisses eingeschränkt. Setzt sich die Wohnungseigentümergemeinschaft im Außenverhältnis über die Bindungen und Vorgaben im Innenverhältnis hinweg, so ist die vorgenommene Handlung gleichwohl wirksam (Lafontaine in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Auflage 2022, WEG, § 9a Rn. 194). Etwaige (Schadensersatz-)Ansprüche innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft bleiben auf der Vollstreckungsebene unberücksichtigt.

Ferner hätte ein fehlender Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG lediglich zur Folge, dass ein Anspruch auf Beseitigung der vorgenommenen baulichen Maßnahme bestünde (Hügel in: Hau/Poseck, BeckOK Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Edition 01.05.2022, WEG § 20 Rn. 7; Wicke in: Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Auflage 2022, WEG, § 20 Rn. 24f.). Entsprechende Beseitigungsansprüche können vorliegend jedoch gemäß § 9a Abs. 2 WEG ausschließlich von der Antragstellerin selbst und nicht von den einzelnen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden.

2. Die Androhung eines weiteren (gesteigerten) Zwangsgeldes in Höhe von insgesamt 200.000 Euro ist ebenfalls aller Voraussicht nach rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 70 NVwVG i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 67 Abs. 1, 70 Abs. 1, 3, 5 NPOG. Danach ist ein Zwangsgeld zur Durchsetzung eines Verwaltungsakts möglichst schriftlich und in bestimmter Höhe anzudrohen sowie eine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung zu setzen. Dabei kann die Androhung eines weiteren, gegebenenfalls erhöhten Zwangsgeldes mit der Festsetzung des Zwangsgeldes verbunden werden (OVG Lüneburg, Beschl. v. 07.10.1996 – 1 M 5433/96 –, Rn. 7, juris).

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Antragsgegnerin drohte im Bescheid vom 24.05.2022 schriftlich ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 100.000 Euro für den Fall an, dass den Anordnungen zu Ziffer 1 und 3 des Bescheids vom 08.07.2019 in der Fassung vom 26.11.2019 nicht bis zum 31.08.2022 nachgekommen wird.

Die Kammer hat nach summarischer Prüfung auch keine Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit der Frist. Die der Antragstellerin gesetzte Frist trägt sowohl dem Interesse der Antragsgegnerin an der Dringlichkeit des Vollzugs als auch den Möglichkeiten der Antragstellerin, die Anordnung zu befolgen, in ausreichendem Maße Rechnung. Zwar fällt die im Bescheid vom 24.05.2022 gesetzte Frist deutlich kürzer aus als die im Bescheid vom 08.07.2019 in der Fassung vom 26.11.2019 gesetzte Frist. Jedoch ergibt sich durch Auslegung in entsprechender Anwendung von §§ 133, 157 BGB, dass die Antragstellerin innerhalb der im Bescheid vom 24.05.2022 gesetzten Frist lediglich die Beauftragung und den Beginn der Maßnahmen nachweisen muss, nicht aber die vollständige Entfernung der Fassadenkonstruktion. Für diese Auslegung spricht, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin (nur) dazu aufgefordert hat, einen Nachweis über die Beauftragung und den Beginn der angeordneten Maßnahmen vorzulegen. Die Vorlage eines Nachweises über die vollständige Entfernung der Fassadenkonstruktion ist hingegen nicht angeordnet worden. Daraus ergibt sich bei verständiger Würdigung, dass die Antragstellerin die Fassadenkonstruktion bis zum 31.08.2022 nicht vollständig entfernt haben muss. Dadurch wird ihr nach der allgemeinen Lebenserfahrung ausreichend Zeit eingeräumt, die Beauftragung und den Beginn der Maßnahmen bis zum 31.08.2022 umzusetzen. Gleichzeitig wird das Interesse der Antragsgegnerin an der zeitnahen Umsetzung der Maßnahmen berücksichtigt, um die Gefahr für Leib und Leben der Bewohner und Bewohnerinnen zu beseitigen. Diesem Interesse kommt vorliegend ein starkes Gewicht zu, da bereits zwei gesetzte Fristen erfolglos verstrichen sind.

Schließlich ist die erneute Zwangsgeldandrohung auch verhältnismäßig, insbesondere geeignet zur Erfüllung des Zwecks.

Die Androhung eines Zwangsmittels ist bereits dann geeignet, wenn es bei objektiver Betrachtung dazu beiträgt, dass der Betroffene sich pflichtgemäß verhält (Tillmanns in: Sadler/Tillmans, Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz, 10. Auflage 2020, VwVG § 9 Rn. 42). Dabei ist nicht entscheidend, ob das Zwangsgeld beigetrieben werden kann, d.h. ob der Pflichtige in der Lage ist, den angedrohten Betrag aufzubringen. Vielmehr ist alleine maßgeblich, ob das angedrohte Zwangsmittel dazu beitragen wird, dass der Wille des Pflichtigen gebeugt wird (Tillmanns in: Sadler/Tillmans, Verwaltungsvollstreckungsgesetz Verwaltungszustellungsgesetz, 10. Auflage 2020, VwVG § 9 Rn. 42). Ein Zwangsgeld ist nur dann ungeeignet, wenn es keine Wirkung im Hinblick auf den angestrebten Zweck entfaltet (VG Cottbus, Urt. v. 13.01.2022 – 3 K 974/21 –, Rn. 17, juris).

Danach ist die Androhung des weiteren Zwangsgeldes geeignet. Mit der Zwangsgeldandrohung bezweckt die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin mit der Umsetzung der ihr gegenüber angeordneten Maßnahmen beginnt und hierüber einen Nachweis erbringt. Dass sich die Antragstellerin von der Zwangsgeldandrohung nicht unbeeindruckt zeigt, belegt der Umstand, dass die Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutz auch gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes vorgeht, da sie ein Zwangsgeld grundsätzlich für kontraproduktiv hält. Bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände des Einzelfalls, insbesondere der von der Antragstellerin vorgetragenen finanziell angespannten Situation, ist davon auszugehen, dass das angedrohte Zwangsgeld dazu beitragen wird, dass die Antragstellerin wegen der drohenden zusätzlichen finanziellen Belastung den Anordnungen in Ziffer 1 und 3 des Bescheids vom 08.07.2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26.11.2019 Folge leisten wird. Dadurch kommt dem angedrohten Zwangsgeld bei objektiver Betrachtung durchaus Wirkung hinsichtlich der Durchsetzung der Anordnungen zu. Insbesondere kann die Antragstellerin nicht damit durchdringen, dass ihr durch die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes Kapital für die auferlegten Baumaßnahmen entzogen werden würde. Dieser Umstand muss hinsichtlich der Geeignetheit des Zwangsmittels unberücksichtigt bleiben.

Auch bestehen im Hinblick auf die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes keine Bedenken. Die Höhe des Zwangsgeldes muss in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung des Erfolgs stehen (VG Hannover, Beschl. v. 02.03.2009 – 10 B 740/09 –, Rn. 26, juris). Bei der Bemessung ist nach § 70 NVwVG i.V.m. § 67 Abs. 1 Satz 2 NPOG auch das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Nichtbefolgung des Verwaltungsakts zu berücksichtigen.

Zwar schöpft die Antragsgegnerin den Rahmen der Zwangsgeldhöhe nach § 67 Abs. 1 Satz 1 NPOG n.F. vollständig aus. Jedoch ist dies angesichts der mit dem Bescheid vom 08.07.2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26.11.2019 verfolgten Zielsetzung, der Beseitigung einer konkreten Gefahr für Leib und Leben der Bewohner und Bewohnerinnen des Wohngebäudes, und der Erheblichkeit der Verstöße gegen die Anordnungen durch die Antragstellerin nicht zu beanstanden. Aufgrund der brennbaren Fassadenkonstruktion besteht ein dringendes Bedürfnis an der Erfüllung der Handlungspflicht. Ferner ist die Antragstellerin bisher noch keiner der ihr in Ziffer 1 und 3 des Bescheids vom 08.07.2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26.11.2019 aufgegebenen Handlungspflichten nachgekommen. Für die Angemessenheit des Zwangsgeldes spricht zudem, dass das angedrohte Zwangsgeld deutlich hinter den voraussichtlich anfallenden Kosten für die Entfernung und Erneuerung der Fassadenkonstruktion und damit dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Nichtbefolgung zurückbleibt.

Die Antragstellerin hat als Unterlegene gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Hinsichtlich der Festsetzung des Zwangsgeldes orientiert sich die Höhe des Streitwerts an Ziff. 12c) der Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für ab dem 01.06.2021 eingegangene Verfahren, wonach ein Streitwert von 100.000 Euro anzusetzen war. Im Hinblick auf die Androhung des Zwangsgeldes war nach Ziff. 12b) der vorgenannten Streitwertannahmen die Hälfte des angedrohten Zwangsgelds von 200.000 Euro, also ein Streitwert von 100.000 Euro anzusetzen. Nach Ziff. 12d) der Streitwertannahmen sind die Streitwerte zu kombinieren und nach Ziff. 17b) für das vorliegende Eilverfahren zu halbieren.