Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.02.2009, Az.: L 8/13 SO 7/07
Anspruch eines Behinderten auf höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ohne Anrechnung eines gewährten Ausbildungsgeldes; Subsumtion eines gewährten Ausbildungsgeldes unter § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.02.2009
- Aktenzeichen
- L 8/13 SO 7/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 15727
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0226.L8.13SO7.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - 05.01.2007 - AZ: S 19 SO 53/06
Rechtsgrundlagen
- § 104 Abs. 1 Nr. 2 SGB III
- § 107 SGB III
- § 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI
- § 41 SGB XII
- § 45 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB XII
- § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII
- § 83 Abs. 1 SGB XII
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 5. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Der Beklagte erstattet der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch Sozialhilfe (SGB XII) als bewilligt, insbesondere ohne Anrechnung eines ihr gewährten Ausbildungsgeldes von 57,00 EUR monatlich. Streitig ist der Zeitraum von Juni 2005 bis Februar 2006.
Die am 24. September 1984 geborene Klägerin besitzt einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 (Bescheid des Versorgungsamtes J. vom 3. November 2004, Funktionsbeeinträchtigungen: psychische Störung, Hirnleistungsstörung). Sie stand unter Betreuung. Die Agentur für Arbeit K. übernahm im Zusammenhang mit der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben der Klägerin die Maßnahme Eingangsverfahren in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), Beginn: 3. Januar 2005 bis voraussichtlich 2. April 2005, und weiterhin die Maßnahme Berufsbildungsbereich in einer WfbM vom 3. April 2005 bis 2. April 2006 (Bescheide vom 3. November 2004 und 8. März 2005). Für die Teilnahme bewilligte die Agentur für Arbeit K. Ausbildungsgeld vom 3. Januar 2005 bis 3. Januar 2006 in monatlicher Höhe von 57,00 EUR (sowie die Lehrgangskosten) und für die Zeit ab 3. Januar 2006 bis 2. April 2006 monatlich 67,00 EUR (Bescheid der Agentur für Arbeit K. vom 23. März 2005).
Mit Antrag vom 1. November 2004 begehrte die Klägerin für die Zeit ab Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Statt der beantragten Leistungen nach dem SGB II bewilligte die für den Beklagten handelnde Samtgemeinde L. ab Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII (monatliche Höhe zunächst 627,78 EUR).
Die Klägerin zog zum 1. Juni 2005 um in die M. in N. (betreutes Wohnen). Ab dieser Zeit begehrte sie mit Antrag vom 19. Mai 2005 Leistungen bei der Samtgemeinde O ... In den Antragsunterlagen wurde als Einkommen das Ausbildungsgeld von monatlich 57,00 EUR mitgeteilt, als Vermögen Sparguthaben in Höhe von 719,86 EUR und eine Haftpflichtversicherung mit 7,03 EUR Monatsbeitrag. Nach dem Mietvertrag vom 12. April 2005 war eine monatliche Kaltmiete von 255,00 EUR zu entrichten, als Betriebskosten wurden verlangt für Heizung 55,00 EUR monatlich und für die übrigen Nebenkosten 25,00 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 16. September 2005 bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen für die Klägerin für die Zeit von Juni 2005 bis Februar 2006. Vom Regelsatz von 345,00 EUR wurde eine Energiepauschale (Warmwasser) von 6,28 EUR abgezogen. An Heizkosten wurden statt der im Mietvertrag vereinbarten 55,00 EUR lediglich 40,00 EUR eingestellt. Das Ausbildungsgeld von 57,00 EUR wurde als Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt. Die Beiträge für die Haftpflichtversicherung wurden nicht berücksichtigt. Der Zahlbetrag belief sich auf 601,72 EUR. Für die Zeit ab Juli 2005 wurde bei ansonsten gleichbleibenden Verhältnissen eine Energiepauschale von 7,83 EUR abgezogen, so dass sich ein monatlicher Zahlbetrag von 600,17 EUR errechnete. Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 16. September 2006 Widerspruch ein. Sie trug zur Begründung vor, dass sich der Widerspruch gegen die volle Anrechnung des Ausbildungsgeldes als Einkommen richte. Angemessen sei nach einem Runderlass lediglich die Berücksichtigung des hälftigen Betrages. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2006 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Ausbildungsgeld sei zu Recht in voller Höhe als Einkommen berücksichtigt worden, und zwar gemäß § 82 Abs. 1 SGB XII. Aus § 83 Abs. 1 SGB XII ergebe sich nichts anderes. Das Ausbildungsgeld werde gemäß den §§ 97ff Sozialgesetzbuch Drittes Buch Arbeitsförderung (SGB III) aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gewährt. Es fehle jedoch an einer ausdrücklich genannten Zweckbestimmung, wie sie von § 83 Abs. 1 SGB XII gefordert werde. Weiterhin habe eine Einkommensanrechnung zu erfolgen, weil das Ausbildungsgeld demselben Zweck diene wie die Sozialhilfe, nämlich der Sicherstellung des Lebensunterhaltes. Auch habe der Gesetzgeber die Anrechnung des Ausbildungsgeldes als Einkommen im SGB XII nicht ausdrücklich ausgenommen. Die Vorschrift des § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII zeige, dass im Vergleich zur Einkommensanrechnung nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Änderungen vorgenommen worden seien ...
Die Klägerin hat am 10. April 2006 Klage beim Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Sie hat vorgetragen, dass das ihr gewährte Ausbildungsgeld nicht als Einkommen bedarfsmindernd angerechnet werden dürfe. Das Ausbildungsgeld diene gerade nicht demselben Zweck wie die Sozialhilfe. Denn es diene nicht der Sicherstellung des Lebensunterhaltes. Werde unterstellt, dass das Ausbildungsgeld als Einkommen zu berücksichtigen sei, sei zu ihren Gunsten § 82 Abs. 3 SGB XII anzuwenden. Die Beklagte hat erwidert, aufgrund der eingeschränkten Widerspruchseinlegung Anrechnung des Ausbildungsgeldes nur zur Hälfte sei der Bescheid insoweit bestandskräftig geworden. Im Übrigen hat der Beklagte vertiefend vorgetragen, das Ausbildungsgeld sei anrechenbares Einkommen.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 5. Januar 2007 stattgegeben und den Beklagten in Abänderung seines Bescheides vom 16. September 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2006 verurteilt, an die Klägerin monatliche Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung des an sie gezahlten Ausbildungsgeldes zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage in vollem Umfang zulässig sei, weil eine Teilbestandskraft des angefochtenen Bescheides nicht eingetreten sei. Im Übrigen sei die Klage begründet, weil das Ausbildungsgeld nicht auf die Leistungen der Klägerin angerechnet werden dürfe. Der Anrechnung stehe § 83 Abs. 1 SGB XII entgegen. Das Ausbildungsgeld sei eine Leistung für einen besonderen Zweck. Es werde zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung erbracht.
Der Beklagte hat am 5. Februar 2007 Berufung eingelegt. Er trägt nochmals ausführlich vor, dass die Klage nur im Umfang der Widersprucheinlegung zulässig sei, so dass streitig allein die Anrechnung des hälftigen Ausbildungsgeldes sei. Weiterhin wird ausführlich vorgetragen, dass das Ausbildungsgeld anrechenbares Einkommen sei.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ein angenommenes Teilanerkenntnis hinsichtlich der tatsächlich angefallenen Heizkosten sowie des Abzuges einer Energiepauschale abgegeben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 5. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist der Berufungsbeschwerdewert von mehr als 500,00 EUR des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz SGG (alte Fassung) erreicht. Streitiger Zeitraum ist die Zeit von Juni 2005 bis Februar 2006. Bei einer monatlichen Anrechnung von 57,00 EUR Ausbildungsgeld ergibt sich ein streitiger Betrag von 513,00 EUR. Die Berufung ist weiterhin in der Frist und Form des § 151 SGG eingelegt worden.
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass das der Klägerin nach §§ 104 Abs. 1 Nr. 2, 107 SGB III gewährte Ausbildungsgeld nicht als Einkommen auf die ihr gewährten Grundsicherungsleistungen nach § 41 SGB XII angerechnet werden darf. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach den §§ 41ff SGB XII waren zu bejahen. Trotz Antragstellung für Leistungen nach dem SGB II hat die Klägerin ab Januar 2005 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII erhalten. Mittlerweile nach Heirat und Beendigung des ambulanten betreuten Wohnens erhält die Klägerin Leistungen nach dem SGB II von ihrer zuständigen Arbeitsgemeinschaft (ab 1. Juni 2008). Der Beklagte hat zu Recht dauerhafte und volle Erwerbsminderung angenommen und deshalb Grundsicherungsleistungen bewilligt, weil die Klägerin in einer WfbM tätig war. Dies ist aus der Regelung in § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII herzuleiten. Da der Gesetzgeber hier ein Ersuchen auf Überprüfung der dauerhaften und vollen Erwerbsminderung ausschließt, muss angenommen werden, dass nach seiner Vorstellung im Fall des § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII die dauerhafte und volle Erwerbsminderung gemäß § 41 Abs. 1 SGB XII vorliegt (so auch LSG Berlin-Brandenburg , Urteil vom 21. August 2008 L 23 SO 269/06 Rdnr 30, im [...]Abdruck; vgl. auch Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 2. Auflage 2008, § 41 Rdnr 14; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, 17. Auflage 2006, § 41 Rdnr 16; Wenzel in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 41 Rdnr 11). Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII sind - mit dem Beklagten - zu bejahen. Die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass der Sozialhilfeträger den zuständigen Rentenversicherungsträger zu ersuchen hat zu prüfen, ob die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII vorliegen, also Feststellungen über die dauerhafte und volle Erwerbsminderung zu treffen. Nach § 45 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII findet ein derartiges Ersuchen nicht statt, wenn der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme abgegeben hat (§§ 2 und 3 der Werkstätten-Verordnung) und der Leistungsberechtigte kraft Gesetzes nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) als voll erwerbsgemindert gilt. Die letztgenannte Voraussetzung trifft zu, weil die Klägerin die Voraussetzungen des § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt; sie ist als behinderter Mensch, die in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen tätig ist, versicherungspflichtig. Ebenso hat der Fachausschuss über die Aufnahme der Klägerin in die Werkstatt für behinderte Menschen eine Stellungnahme abgegeben. Die Klägerin war tätig in den P ... Im Beschlussvorschlag vom 3. Februar 2005 empfahl der Fachausschuss die Aufnahme der Klägerin in den Berufsbildungsbereich-Grundkurs (Bl 58 Verwaltungsakte Eingliederungshilfe). Ein entsprechender Beschlussvorschlag des Fachausschusses über die Aufnahme in das Eingangsverfahren stammt vom 22. November 2004 (Bl 91 Verwaltungsakte Eingliederungshilfe). Mithin galt die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen und der Abgabe der Stellungnahme des Fachausschusses über die Aufnahme in die Werkstatt als dauerhaft und voll erwerbsgemindert.
Die Entscheidung des Beklagten ist anders als dieser meint in vollem Umfang zu überprüfen. Die Klägerin hat Widerspruch wegen der Höhe der Grundsicherungsleistung eingelegt, die Anrechnung des Ausbildungsgeldes gerügt und zur Begründung weiter vorgetragen, es dürfe nur die Hälfte angerechnet werden. Daraus kann keine "Teilbestandskraft" des Bescheides hergeleitet werden. Die Verfahrensbeteiligten können den Streitgegenstand nicht auf die Überprüfung einer einzelnen (Rechts-) Frage beschränken. Vielmehr ist die Behördenentscheidung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zur überprüfen; es sind daher z.B. auch Gesichtspunkte zu erörtern, die von der Klägerin nicht gerügt worden sind. Diese Überprüfung hat dazu geführt, dass der Beklagte rechtswidrig nicht die vollen tatsächlichen Heizkosten in die Bedarfsberechnung eingestellt hat, nämlich nur 40,00 EUR statt der zu zahlenden 55,00 EUR. Eine Verurteilung des Beklagten war nicht erforderlich, weil er insoweit ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis abgeben hat. Entsprechendes gilt für die Kosten der Warmwasserbereitung. Hier hat die Überprüfung ergeben, dass die Warmwasserbereitung nicht über die Heizung erfolgt, sodass der Abzug für Warmwasser (Energiepauschale) zu Unrecht erfolgte. Auch hier war eine Verurteilung des Beklagten nicht erforderlich, weil er dem durch ein angenommenes Teilanerkenntnis Rechnung getragen hat.
Die der Klägerin gewährten Grundsicherungsleistungen sind bedürftigkeitsabhängig, §§ 19 Abs. 2, 41 Abs. 1 SGB XII. Einkommen und Vermögen ist nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII zu berücksichtigen. Der Beklagte hat das Ausbildungsgeld unter § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII subsumiert und als Einkommen bedarfsmindernd in die Bedarfsberechnung eingestellt. Dies war unzutreffend. Denn bei dem Ausbildungsgeld handelt es sich um eine Leistung nach § 83 Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient.
Diese Vorschrift dient zum einen dem Schutz des Empfängers der öffentlich-rechtlichen Leistung. Soll mit ihr ein ausdrücklich benannter besonderer Bedarf gedeckt werden, dann soll dem Empfänger dieser Leistung diese Bedarfsdeckung nicht dadurch unmöglich gemacht werden, dass er durch (Teil-) Versagung der Sozialhilfe gezwungen wird, die andere Leistung ihrer Zweckbestimmung zuwider zu verwenden. Zum anderen soll durch Anrechnung zweckidentischer Leistungen verhindert werden, dass für ein und denselben Zweck Doppelleistungen aus öffentlichen Mitteln gewährt werden (vgl Decker in Oestreicher, Kommentar zum SGB XII/ SGB II, Loseblattsammlung Stand: März 2007, § 83 SGB XII Rdnr 5). Das Ausbildungsgeld wurde aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift gewährt, nämlich gemäß §§ 104 Abs. 1 Nr. 2, 107 SGB III. Danach haben behinderte Menschen Anspruch auf Ausbildungsgeld während einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer WfbM, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann. Als Bedarf wurde seinerzeit bei Maßnahmen in der WfbM gemäß § 107 SGB III im ersten Jahr 57,00 EUR monatlich und danach 67,00 EUR monatlich zu Grunde gelegt.
Weiterhin muss die Leistung (Ausbildungsgeld) für einen im Leistungsgesetz ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob in dem anderen Gesetz das Wort "Zweck" gebraucht ist. Es reicht aus, dass die Zweckbestimmung aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung folgt, soweit sich aus dem Gesamtzusammenhang die vom Gesetzgeber gewollte Zweckbindung eindeutig ableiten lässt (vgl Decker, a.a.O., Rdnr 11). Danach dient das Ausbildungsgeld nicht demselben Zweck wie die Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung -.
Davon geht die weit überwiegende sozialgerichtliche Rechtsprechung aus, wonach das hier fragliche Ausbildungsgeld nicht demselben Zweck wie die Sozialhilfe dient und damit gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist (vgl Sächsisches Landessozialgericht LSG , Urteil vom 20. März 2008 L 3 SO 25/07 Revision: B 8 SO 15/08 R ; LSG Berlin-Brandenburg , Urteil vom 21. Februar 2008 L 23 SO 269/06 ; dasselbe , Urteil vom 21. Februar 2008 L 23 SO 117/07 ). Auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung herrscht die Annahme vor, dass das fragliche Ausbildungsgeld eine zweckbestimmte Leistung darstellt (vgl OVG Münster, Urteil vom 22. Februar 2006 16 A 176/05 ; OVG Lüneburg, Urteil vom 14. März 2001 4 L 3636/00 ; Urteil vom 22. Februar 2001 12 L 3923/00 FEVS 52, Seite 508; VG Hannover, Urteil vom 30. September 2004 7 A 2552/04 ; VG Köln, Urteil vom 20. Mai 2005 18 K 1821/03 , anderer Ansicht ist soweit ersichtlich SG Karlsruhe - Urteil vom 20. September 2007 S 4 SO 4758/06 ).
Die Begründung für die Annahme einer zweckbestimmten Leistung des fraglichen Ausbildungsgeldes ergibt sich aus folgendem: Es handelt sich nach der gesetzlichen Konzeption um eine zusätzliche Leistung, die auf eine Erhöhung der für den persönlichen Bedarf tatsächlich zur Verfügung stehenden Finanzmittel gerichtet ist, um die besonderen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Maßnahme im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM zu decken und hierdurch die Durchführung dieser Maßnahme zu fördern (vgl BSG, Urteil vom 26. September 1990 9b/7 RAr 100/89 FEVS 41, 468). Das Ausbildungsgeld ist eine ergänzende Leistung zu den besonderen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, die zur Deckung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs als Leistung zum Lebensunterhalt geleistet wird und damit eine ergänzende Leistung zur Unterhaltssicherung ist. In Abgrenzung zum Ausbildungsgeld nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III tritt die Funktion der Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts bei Teilnahme an einer Maßnahme in einer WfbM vollständig hinter dem Zweck der Sicherung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs zurück. Beim Ausbildungsgeld handelt es sich gleichsam um einen "pauschalierten Aufwendungsersatz" für die an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich der WfbM teilnehmenden behinderten Menschen, der nicht deren Unterhaltsbedarf, sondern die besonderen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme abdecken soll. Der Vergleich der Höhe der in den §§ 105 und 106 SGB III festgelegten Pauschalen für Personen, deren Kosten für Unterbringung und Verpflegung von anderer Seite gedeckt sind (154,00 EUR bzw. 205,00 EUR oder 236,00 EUR monatlich) mit der Höhe der Pauschale nach § 107 SGB III (57,00 EUR monatlich bzw. 67,00 EUR monatlich) erhellt, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption mit der nach § 107 SGB III gewährten Pauschale auch kein sonstiger allgemeiner Bedarf befriedigt werden soll. Das Ausbildungsgeld nach § 107 SGB III soll den behinderten Menschen als eine Art fester Geldbetrag nach Art eines Taschengeldes für kleinere Ausgaben im Zusammenhang mit der Bildungsmaßnahme (z.B. zusätzliche Verpflegungs- und Veranstaltungskosten) zur Verfügung gestellt und zugleich die Motivation für die Bildungsmaßnahme gefördert werden (siehe BSG, Urteil vom 14. Februar 2001 B 7 KR 1/00 R FEVS 53, Seite 5). Als im Zusammenhang mit der Bildungsmaßnahme stehende Aufwendungen kommen u.a. in Betracht Kosten für sportliche und kulturelle Ausgleichsveranstaltungen, für Zwischenverpflegungen in den Pausen, für Kleidung und Kosmetik, Schreibmaterial und Porto, Zeitungen, Nahverkehrsmittel und dergleichen. Das Ausbildungsgeld stellt somit eine Leistung zur Deckung der durch die Teilnahme an der Maßnahme bedingten Kosten des Lebensunterhalts dar, der nicht durch den allgemeinen Regelsatz erfasst ist. Das Ausbildungsgeld dient nicht der Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts, sondern soll vielmehr die besonderen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Maßnahme in der WfbM decken. Weiterhin ist Sinn und Zweck des Ausbildungsgeldes, die Motivation des behinderten Menschen für eine bestimmte Ausbildungsmaßnahme in einer Werkstatt zu fördern und zu erhöhen. Dieser Zweck würde bei Anrechnung auf die Grundsicherungsleistungen unterlaufen.
Das Sächsische LSG (Urteil vom 1. November 2007 L 3 AS 158/06 ) hat in Abgrenzung hierzu zutreffend ausgeführt, dass das Ausbildungsgeld gemäß § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III keine zweckbestimmte Einnahme i.S. des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II ist, also als Einkommen anzurechnen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Revision wurde von ihr zurückgenommen (B 4 AS 67/07 R - Pressemitteilung zum Termin des BSG vom 16. Dezember 2008 -). Das LSG hat die unterschiedlichen Zwecke des Ausbildungsgeldes nach § 104 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (siehe oben) und des Ausbildungsgeldes nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III herausgearbeitet. Mit dem Ausbildungsgeld nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III wird anders als bei Nr. 2 der Zweck der Deckung des Lebensunterhaltes verfolgt (wie mit der Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III und der Ausbildungsförderung nach dem BAföG). Die Höhe dieses Ausbildungsgeldes ergibt sich aus den §§ 105, 106 SGB III. Die Leistungen in dieser Höhe sind zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt gedacht, so dass dem Ausbildungsgeld insoweit die Funktion wie die Leistung nach dem SGB II bzw. SGB XII zukommen. Mithin ist das hier fragliche Ausbildungsgeld dahin zu charakterisieren, dass es nur die für den persönlichen Bedarf frei verfügbaren Mittel erhöhen und dadurch die Motivation für die Berufsbildungsmaßnahme fördern soll, woraus seine Anrechnungsfreiheit folgt.
Der Hinweis des Beklagten auf § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII, wonach nunmehr vom Einkommen abzusetzen sind das Arbeitsförderungsgeld und Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgeltes i.S. von § 43 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX), vermag seinem Anliegen nicht zum Erfolg verhelfen. Denn dies ist keine Neuregelung gegenüber dem BSHG, womit der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hätte, dass andere Leistungen nach dem SGB IX (wie z.B. das hier fragliche Ausbildungsgeld) als Einkommen anzurechnen seien. Das in § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII erwähnte Arbeitsförderungsgeld war zuvor in § 85 Abs. 2 Satz 2 BSHG geregelt (Einsatz des Einkommens unter der Einkommensgrenze). Nach dieser Regelung wurde vom Hilfeempfänger die Aufwendung der Mittel in Höhe des Arbeitsförderungsgeldes nicht verlangt. Durch die Fassung des § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII wird mit Wirkung vom 1. Januar 2005 geregelt, dass das Arbeitsförderungsgeld nicht nur wie bisher bei einer stationären Unterbringung (geregelt durch § 85 BSHG), sondern auch bei ambulanten Wohnformen - wie hier - nicht mehr als Einkommen angerechnet wird (vgl Vater in Lachwitz/Schellhorn/Welti, Kommentar zum SGB IX, 2. Auflage 2006, § 43 Rdnr 12; Begründung des § 82 SGB XII = § 77 SGB XII-Entwurf BT-Drucksache 15/4575 auch zitiert bei Decker, a.a.O., Rndr 3). Der Schluss des Beklagten, aus der "Neuregelung" des § 82 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII folge die Anrechnung des in § 82 SGB XII nicht erwähnten Ausbildungsgeldes, ist demnach ein Trugschluss.
Entsprechendes gilt für den Umstand, dass in § 45 SGB IX die Leistungen der Leistungsberechtigten während der Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben aufgezählt werden, und zwar unter der Überschrift "Leistungen zum Lebensunterhalt". Darunter befindet sich auch das hier fragliche Ausbildungsgeld, § 45 Abs. 5 Nr. 1 SGB IX. Doch lässt sich aus der Überschrift "Leistungen zum Lebensunterhalt" nicht der Schluss auf den Zweck der Leistung "Ausbildungsgeld" ziehen. Denn dieser Zweck kann nicht aus der insoweit allgemeinen Vorschrift des § 45 SGB IX hergeleitet werden. Maßgeblich ist die spezielle Vorschrift des § 104 Abs. 1 Nr. 2 SGB III (i.V.m. § 107 SGB III). Diese Vorschrift regelt im Speziellen die Voraussetzungen und den Zweck des Ausbildungsgeldes und ist daher allein zur Bestimmung des Zwecks heranzuziehen. Nach den obigen Ausführungen ergibt sich, dass es sich bei dem hier fraglichen Ausbildungsgeld nicht um eine Leistung zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhaltes handelt. Es bleibt daher anrechnungsfrei gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII.
Die Klägerin erhält somit aufgrund dieses Urteils ohne Anrechnung des Ausbildungsgeldes und unter Berücksichtigung der Teilanerkenntnisse des Beklagten die ihr zustehenden Leistungen. Mehr hat sie auch nicht begehrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da der Beklagte unterliegt, hat er auch die zweitinstanzlich angefallenen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Sozialhilfeverfahren dieser Art nicht erhoben.
Die Revision ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache - Anrechnung des Ausbildungsgeldes - zugelassen worden.