Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 17.02.2009, Az.: L 11 AL 305/05
Feststellung des sog. "wohlverstandenen Interesses" i.S.v. § 53 Abs. 2 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I); Abtretung von Ansprüchen auf Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) hinsichtlich des pfändbaren und des unpfändbaren Teils zur Sicherung von laufend erbrachten Leistungen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 17.02.2009
- Aktenzeichen
- L 11 AL 305/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 16073
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0217.L11AL305.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 01.07.2005 - AZ: S 7/18 AL 129/03
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I
- § 53 Abs. 3 SGB I
- § 53 Abs. 4 SGB I
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 1. Juli 2005 wird geändert. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2003 rechtswidrig und die Beklagte verpflichtet war, festzustellen, dass die vom Beigeladenen am 30. Januar 2003 erklärte Abtretung der Ansprüche "auf Zahlung von Alg gegenüber dem Arbeitsamt K." an den Kläger im Zeitraum vom 1. März 2003 bis zum 5. Mai 2003 im wohlverstandenen Interesse des Beigeladenen lag. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt drei Viertel der Kosten des Berufungsverfahrens. Der Kläger trägt ein Viertel der Kosten des Berufungsverfahrens. Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 2.245,98 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Feststellung des sog. "wohlverstandenen Interesses" im Sinne von § 53 Abs. 2 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Der Beigeladene wurde im Jahre 1948 geboren. Ab 8. April 2002 wurde ihm Arbeitslosengeld (Alg) für 780 Tage bewilligt. Mit Schreiben vom 19. Juni 2002 erklärte er gegenüber der Beklagten, dass er alkoholabhängig sei und seine Arbeit nach einem Rückfall nicht mehr ausüben könne. Aus diesem Grund befand sich der Beigeladene vom 11. Juni 2002 bis 30. September 2002 in stationärer Behandlung im Nds. Landeskrankenhaus in K ... Bereits seit 6. April 2002 wohnte der Beigeladene bei dem Kläger, einem eingetragenen Verein, der eine Obdachlosenunterkunft betreibt. Der Kläger sorgte für die Unterkunft und für die komplette Verpflegung des Beigeladenen. Mit Vereinbarung vom 8. April 2002 trat der Beigeladene seine Ansprüche auf Zahlung von Alg hinsichtlich des pfändbaren und des unpfändbaren Teils an den Kläger zur Sicherung der an den Beigeladenen laufend erbrachten Leistungen ab. Die Beklagte bestreitet die Kenntnis dieser Abtretung.
Mit Abtretungsvereinbarung vom 30. Januar 2003 trat der Beigeladene den pfändbaren und unpfändbaren Teil seines Anspruches auf Alg zur Sicherung der vom Kläger an den Beigeladenen laufend erbrachten Leistungen oder zur Erstattung der bereits laufend erbrachten Leistungen ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger Unterkunfts-/Pflegekosten in Höhe von ca. 10.000,- EUR bereits seit 6. April 2002 erbracht, ohne dass der Beigeladene diese an den Kläger gezahlt hätte.
Mit Schreiben vom 31. Januar 2003 - bei der Beklagten per FAX am 31. Januar 2003 eingegangen und schriftlich am 5. Februar 2003 nachgesandt - teilte der Kläger der Beklagten die an ihn erfolgte Abtretung mit und bat unter Vorlage des Originals der Abtretungserklärung vom 30. Januar 2003 - eingegangen bei der Beklagten am 5. Februar 2003 - um sofortige Zahlungseinstellung an den Beigeladenen.
Die Beklagte zahlte dem Beigeladenen ein wöchentliches Alg in Höhe von 238,21 EUR, täglich von 34,03 EUR. In den Zeiträumen vom 1. Januar bis 31. März 2003 bezog der Beigeladene daher Alg in Höhe von: 1054,93 EUR, vom 1. April 2003 bis 30. April 2003: 1020,90 EUR und vom 1. Mai 2003 bis 5. Mai 2003: 170,15 EUR. Zum 5. Mai 2003 verzog der Beigeladene in eine eigene Wohnung in K ...
Daneben bezog der Beigeladene auch Sozialhilfe. Seit dem Aufnahmetag in der Unterkunft und spätestens bis zum Verlassen der Unterkunft des Klägers, war ihm Hilfe in besonderen Lebenslagen (§ 72 Bundessozialhilfegesetz - BSHG) in Form von Betreuungskosten gewährt worden. Die Abrechnung der Betreuungskosten erfolgte direkt mit dem Kläger. Daneben wurde dem Beigeladenen ein Grundbarbetrag (§ 21 Abs. 3 BSHG) in Höhe von 87,90 EUR ab 1. Juli 2002 monatlich gewährt (Bescheid vom 25. Juli 2002). Mit Änderungsbescheid vom 18. September 2003 wurde der monatliche Zusatzbarbetrag (§ 21 BSHG ) im Mai 2002 auf 39,03 EUR und ab Juni 2002 auf 44,40 EUR festgesetzt. Der Kostenbeitrag des Beigeladenen wurde für diese Monate auf 703, 93 EUR bzw. 740,- EUR festgelegt; monatliche Einnahmen des Beigeladenen in Höhe von 780,62 EUR bzw. 1032,25 EUR wurden hierbei berücksichtigt. Im Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2003 setzte das Land Niedersachsen die Vergütung pro Hilfeempfänger und Pflegetag in Höhe von 57,68 EUR für die Unterkunft des Klägers fest. Hierin enthalten waren alle Kosten für Wohnen und Unterkunft, inkl. der Kosten der persönlichen Hilfe (Vereinbarung vom 12. Dezember 2002).
Mit Ablehnungsbescheid vom 10. Februar 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Auszahlung des Alg gemäß § 53 SGB I an den Kläger nicht erfolgen könne. Ein wohlverstandenes Interesse im Sinne von § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I liege nicht vor, da durch die Übertragung des Anspruches kein solcher Vorteil für den Beigeladenen entstanden sei, der dem Anspruchsverlust gleichwertig gegenüber stehe. Mit Schreiben vom 21. Februar 2003 legte der Kläger Widerspruch ein. Der Kläger wies darauf hin, dass die Abtretungserklärung bereits am 8. April 2002 bei der Beklagten eingereicht worden sei, die die Beklagte zunächst anerkannt habe. Die erneute Abtretungserklärung sei erfolgt, weil der Beigeladene seit dem 17. Juni 2006 Sozialleistungen erschlichen hätte, so dass er sowohl Alg als auch Sozialhilfe bezogen habe. Aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I ergebe sich, dass die Beklagte zur Überleitung der Ansprüche an den Beigeladenen verpflichtet sei. Im Übrigen hätte die Beklagte in einem Parallelverfahren beim Sozialgericht (SG) Lüneburg (Az: N.) das wohlverstandene Interesse einer Abtretung an den Kläger anerkannt. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. März 2003). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass das wohlverstandene Interesse nur dann anzunehmen sei, wenn es sich bei dem Kläger um eine Kommune handelte; da der Kläger aber ein Verein mit finanziellem Interesse sei, könne eine Anerkennung nicht erfolgen. Es widerspreche dem wohlverstandenen Interesse, wenn sich der Kläger bereits bei Aufnahme in die Obdachlosenunterkunft Ansprüche abtreten ließe.
Hiergegen hat der Kläger am 10. April 2003 Klage erhoben. Der Kläger hat vorgetragen, dass der Beigeladene bisher keinerlei Zahlungen für Unterkunft und Verpflegung an den Kläger geleistet habe. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. April 2000, Az: B 11 AL 47/99 R, bestehe zwar ein wohlverstandenes Interesse schon dann nicht mehr, wenn die Leistung an den Berechtigten ausgezahlt worden sei. In diesem Fall käme aber die Feststellung in Betracht, dass der Sozialleistungsträger zu einer entsprechenden Feststellung verpflichtet gewesen sei. Ein solches Feststellungsinteresse sei hier zu bejahen, weil eine Wiederholungsgefahr anzunehmen sei, denn gegenüber der Beklagten habe der Kläger mehrmals Ablehnungen der Feststellung des wohlverstandenen Interesses hinnehmen müssen. Im Übrigen stehe dem Kläger ein Schadensersatzanspruch infolge der Nichtbeachtung der Abtretungserklärung zu. Durch die Nichtbeachtung der Abtretung sei dem Kläger ein Fehlbetrag in Höhe von 8.848,79 EUR entstanden, was der "Kontokarte" des Beigeladenen zu entnehmen sei, die im Mai 2003 diesen Fehlstand ausgewiesen habe. Das vom BSG angenommene Verbot der rückwirkenden Feststellung des wohlverstandenen Interesses unter Hinweis auf § 184 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit § 407 Abs. 1 BGB könne vorliegend nicht greifen, weil der Kläger ansonsten keine effektive Rechtsschutzmöglichkeit bei rechtswidriger Versagung der Feststellung des wohlverstandenen Interesses hätte. Lediglich hilfsweise komme daher ein Feststellungsantrag in Betracht.
Mit Urteil des SG Lüneburg vom 1. Juli 2005 ist die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt worden, für den Zeitraum vom 1. März bis 5. Mai 2003 das "wohlverstandene Interesse" im Sinne von § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I festzustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, im Zeitraum vom 1. März bis 5. Mai 2003 habe ein wohlverstandenes Interesse des Beigeladenen vorgelegen, soweit es um die Abtretung der laufenden Zahlungsverpflichtungen für die aktuelle Unterkunft und Verpflegung gegangen sei. Dieses Interesse habe darin gelegen, dass der alkoholkranke Beigeladene zur Sicherung seiner Unterbringung und seiner Verpflegung und die für ihn daraus entstandenen Zahlungsverpflichtungen das Alg an den Kläger abgetreten habe. Es hätten weder Anhaltspunkte für eine unzureichende Unterkunft und Verpflegung vorgelegen, noch hätten Zahlungsverpflichtungen des Beigeladenen an den Kläger in einem Missverhältnis gestanden. Eine Übervorteilung des Klägers infolge der Abtretung habe nicht vorgelegen. Hierfür spräche auch die Gemeinnützigkeit des Klägers. Die Wirksamkeit der Abtretung für die erbrachten Leistungen in Höhe von 10.000,- Euro könne offen bleiben; auf jeden Fall sei aber das wohlverstandene Interesse zu verneinen. Für diesen Zeitraum sei die Abtretung pfändbarer und unpfändbarer Teile erfolgt. Dadurch sei aber die Lebensgrundlage des Beigeladenen gefährdet gewesen. Denn durch die vollständige Auszahlung des Alg an den Kläger sei es nicht mehr möglich gewesen, die notwendigsten Dinge des Lebens selbst zu beschaffen.
Hiergegen richtet sich die am 3. August 2005 eingelegte Berufung der Beklagten. Der Feststellung des wohlverstandenen Interesses für den ausgeurteilten Zeitraum stünde entgegen, dass der Kläger keinen öffentlich-rechtlichen Status habe. Im Übrigen sei die Praxis des Klägers, sich namentlich Ansprüche pauschal abtreten zu lassen, ohne zuvor Alternativen wie Daueraufträge oder Einzugsermächtigungen geprüft zu haben, bedenklich. Das Gericht hätte auch eine rückwirkende Feststellung des wohlverstandenen Interesses nicht mehr aussprechen dürfen. Dies folge aus der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG. Die Leistungen seien an den Beigeladenen im Zeitraum vom 1. März bis 5. Mai 2003 bereits ausgezahlt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 1. Juli 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sinngemäß angekündigt zu beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat sich nicht erklärt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass es unerheblich sei, ob er einer öffentlichen oder privaten Status habe. Unerheblich sei es auch, ob der Beigeladene Einzugsermächtigungen oder Daueraufträge erteilt habe. Nach der erwähnten Rechtsprechung des BSG liege die Abtretung hier im wohlverstandenen Interesse des Beigeladenen. Die rückwirkende Feststellung des wohlverstandenen Interesses sei vorliegend nicht ausgeschlossen. Denn die Beklagte habe unter Missachtung der Abtretungserklärung - also in Kenntnis der Abtretung - weiterhin das Alg an den Beigeladenen ausgezahlt. §§ 184 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 407 Abs. 1 BGB griffen insofern nicht.
Mit Beschluss vom 20. Dezember 2007 ist der Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzliche Prozessakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Des Weiteren haben die Prozessakten S 18 AL 69/03 ER und S 18 AL 67/01 ER vorgelegen. Die genannten Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 143 ff des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist teilweise begründet. Zu Unrecht hat das SG Lüneburg die Beklagte verurteilt, für den zurückliegenden, streitigen Zeitraum das wohlverstandene Interesse festzustellen. Die Beklagte ist insofern beschwert, als nur die tenorierte, nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Handelns der Beklagten auszusprechen war. Deshalb war das angefochtene Urteil abzuändern und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
Die vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren im Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage, namentlich das wohlverstandene Interesse im Sinne von § 53 SGB I für den streitigen Zeitraum vom 1. März bis 5. Mai 2003 feststellen zu lassen, ist unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 6. April 2000, B 11 AL 47/99 R, SozR 3-1200 § 53 Nr. 5) ist eine Feststellung des wohlverstandenen Interesses für Zeiträume, für die der verpflichtete Sozialleistungsträger bereits in vollem Umfang Leistungen an den Berechtigten erbracht hat, unmöglich. Die Beklagte hat das Alg im Zeitraum vom 1. März 2003 bis einschließlich 5. Mai 2003 in vollem Umfang ausgezahlt. Hierbei handelte es sich insg. um den Betrag von 2.245,98 EUR (Schriftsatz der Beklagten vom 14. Juli 2008). Die Auszahlung an den Beigeladenen erfolgte aufgrund der wirksamen Bewilligung von Alg ab 8. April 2002 für 780 Tage; solange die Beklagte die Feststellung des wohlverstandenen Interesses (wenn auch rechtswidrig) verweigerte, war die Abtretung schwebend unwirksam, so dass ihr auch ein Recht zur Verweigerung der Auszahlung des Alg an den Beigeladenen nicht zustand (vgl. BSG a.a.O Rdnr 18 in [...]). Die vom Kläger im Hauptantrag begehrte Feststellung des wohlverstandenen Interesses betrifft daher einen abgelaufenen Zeitraum. Die rückwirkende Feststellung bezogen auf Zeiträume, für die der abtretende Sozialleistungsempfänger (hier: Beigeladener) die Leistung bereits erhalten hat, geht mithin ins Leere, weil der Kläger als Abtretungsgläubiger gegen die Beklagte Ansprüche aus abgetretenem Recht nicht mehr geltend machen kann.
Nichts anderes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I. Dieser Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass eine rückwirkende Feststellung des wohlverstandenen Interesses in Betracht kommt. Da die rückwirkende Feststellung für den Kläger ohne jede Rechtswirkung wäre, lässt sich ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellungsklage nicht begründen. Es handelt sich um einen Fall der Erledigung durch Zeitablauf (vgl. BSG a.a.O. RdNr. 23 in [...]). Es liegen hier keine Anhaltspunkte für ein Abweichen von dieser Rechtsprechung vor.
Daher war über den Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig war und die Beklagte verpflichtet gewesen ist, das wohlverstandene Interesse auszusprechen, zu entscheiden. Es handelt sich um eine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG). Der Kläger hat ein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse dargelegt. Er hat glaubhaft vorgetragen, zum wiederholten Male Rechtsstreitigkeiten in vergleichbaren Fällen geführt zu haben. Dies steht zur Überzeugung des Senats aus den beigezogenen Parallelverfahren zu den Az: S 18 AL 69/03 ER und S 18 AL 67/01 fest. Insofern bedarf es auch keiner Prüfung, ob ein Amtshaftungsprozess angestrengt wird.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist auch begründet; insofern war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Gemäß § 53 Abs. 2 SGB I in der bis zum 29. März 2005 gültigen Fassung können Ansprüche auf Geldleistungen übertragen und verpfändet werden wenn 1. zur Erfüllung oder zur Sicherung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Darlehen und auf Erstattung von Aufwendungen, die im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen zu einer angemessenen Lebensführung gegeben oder gemacht worden sind oder, 2. wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt.
Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sind, können in anderen Fällen übertragen und verpfändet werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigen (§ 53 Abs. 3 SGB I).
Gemäß § 53 Abs. 4 SGB I ist der Leistungsträger zur Auszahlung an den neuen Gläubiger nicht vor Ablauf des Monats verpflichtet, der dem Monat folgt, in dem er von der Übertragung Kenntnis erlangt hat.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Abtretung des Alg im Zeitraum vom 1. März bis 5. Mai 2003 an den Kläger hinsichtlich des pfändbaren und unpfändbaren Teils zur Sicherung der vom Kläger an den Beigeladenen laufend erbrachten Leistungen oder zur Erstattung der vom Herbergsverein an den Kläger bereits erbrachten Leistungen (nur pfändbarer Teil) im wohlverstandenen Interesse des Beigeladenen lag. Der Begriff des "wohlverstandenen Interesses des Berechtigten" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BSG SozR 1200 § 53 Nr. 6). Das wohlverstandene Interesse setzt allgemein voraus, dass der abtretende Leistungsberechtigte für den übertragenen Leistungsanspruch als Gegenwert einen zumindest gleichwertigen Vermögensvorteil erwirkt und der Zweck der Sozialleistung die Abtretung rechtfertigt (vgl BSG SozR 3-1500 § 53 Nr. 6; Timme in LPK SGB I § 53 Rdnr 13 m.w.N.).
Diesem Interesse steht grundsätzlich nicht entgegen, wenn die Abtretung wie hier in weiterem Umfang als nach § 53 Abs. 3 SGB I erfolgt, also den nach § 850c der Zivilprozessordnung - ZPO - nicht pfändbaren Mindestbetrag erfasst. Eine solche Möglichkeit lässt § 53 Abs. 2 SGB I zu. Aus der Systematik der Vorschrift ergibt sich, dass die Zulässigkeit der Abtretung nach § 53 Abs. 2 SGB I unabhängig von den Voraussetzungen von § 53 Abs. 3 SGB I zu beurteilen ist (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 14. August 1984, Az.: 10 RKg 19/83). Allerdings hat das BSG auch entschieden, dass nicht mehr von einem wohlverstandenen Interesse auszugehen ist, wenn bei einer zur Sicherung der Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse begründeten Schuld Sozialleistungsansprüche abgetreten werden, die die zu sichernde Forderung erheblich übersteigen (vgl BSG, Urteil vom 7. September 1998, Az.: 10 RKg 18/87 = SozR 1200 § 53 Nr. 8). Eine solche Konstellation liegt hier offensichtlich nicht vor. Die hier erfolgte Abtretung vom 30. Januar 2003 hat die zu sichernden Ansprüche nicht überschritten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beigeladene mit einem Zahlungsrückstand von ca 10.000,- EUR in der Schuld des Klägers. Die laufenden Kosten für Unterkunft und Verpflegung des Beigeladenen bei dem Kläger beliefen sich auf monatlich ca 1.700,- EUR (Vereinbarung des Landes Niedersachsen mit dem Kläger vom 12. Dezember 2002 über die tägliche Vergütung je Hilfeempfänger und Pflegetag in Höhe von 57,68 EUR). Das vom Beigeladenen bezogene Alg, das als Lohnersatzleistung bestimmt war, um den laufenden Lebensbedarf des Beigeladenen zu decken, belief sich im streitigen Zeitraum auf ca 1.000,- EUR monatlich und konnte daher den monatlichen Unterhalt des Beigeladenen nicht sicherstellen, so dass er auf den Bezug von Sozialhilfe zusätzlich angewiesen war. Bereits aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, dass der Kläger einen gleichwertigen Vermögensvorteil durch die Abtretung erlangt hat. Unzutreffend ist auch der Einwand der Beklagten, dass als Folge der Abtretung des Alg dem Beigeladenen ein Barbetrag zur Bestreitung persönlicher Dinge des Lebens nicht mehr verblieben sei. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Bescheide des Sozialhilfeträgers hat der Beigeladene einen monatlichen Barbetrag von 44,40 EUR im streitigen Zeitraum erhalten; hierbei handelte es sich um den nach § 21 BSHG zustehenden Barbetrag.
Dem wohlverstandenen Interesse des Beigeladenen steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem Kläger um einen privatrechtlichen Verein, nicht hingegen um einen öffentlich-rechtlichen Träger handelt. Es ist nicht ersichtlich, dass der private Status dem wohlverstandenen Interesse des Beigeladenen entgegenstand. Hierbei kommt es weder auf das Interesse des Klägers noch das der Beklagten an, sondern nur darauf, ob der private Leistungsträger den Interessen des Beigeladenen hinreichend Rechnung getragen hat. Daran bestehen vorliegend keine Zweifel. Die in privater Hand geführte Obdachlosenunterkunft hat dem Beigeladenen die seinerzeit benötigte "abstinente Umgebung " zur Verfügung gestellt und ihn auf ein möglichst eigenständiges Leben außerhalb der Unterkunft vorbereitet. Diese Fürsorge lag im wohlverstandenen Interesse des Klägers. Schließlich hat der Beigeladene ab 6. Mai 2003 wieder eine eigene Wohnung bezogen.
Soweit die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung die Bestimmtheit der streitigen Abtretung in Frage gestellt hat, hat der Senat keine Zweifel, dass die Abtretung im Hinblick auf das bewilligte Alg in der Abtretungsvereinbarung vom 30. Januar 2003 zumindest individuell bestimmbar war (zu diesen Anforderungen vgl. BSG SozR 3-1200 § 53 Nr. 4, Rdnr 31 ff in [...]). Im Übrigen kommt es darauf nicht mehr entscheidend an, weil die Abtretung - wie dargelegt - im Nachhinein ins Leere geht und nicht mehr zu realisieren sein wird.
Schließlich ist auch keine Rechtsnorm ersichtlich, die den Kläger verpflichtet hätte, sich anstelle der Abtretung einen Dauerauftrag oder eine Einzugsermächtigung vom Beigeladenen erteilen zu lassen.
Da der Kläger nicht zu den kostenrechtlich privilegierten Personen im Sinne von § 183 SGG gehört, richtet sich die Kostenentscheidung nach § 197a SGG i.V.m. §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung in entsprechender Anwendung. Der Streitwert war in der tenorierten Höhe endgültig festzusetzen.
Ein Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). -