Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 06.02.2020, Az.: 14 U 202/19

Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Fahrzeug mit einem Motor der Baureihe EA 189; Einrede der Verjährung; Dreijährige Verjährungsfrist

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
06.02.2020
Aktenzeichen
14 U 202/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 66527
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 26.06.2019 - AZ: 3 O 902/19

In dem Rechtsstreit
AA AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden BB, Ort1,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
CC, Ort2
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Amtsgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2019 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 26.06.2019, Az. 3 O 902/19, geändert:

Die Klage wird hinsichtlich des Feststellungsantrags (Klageantrag zu 2) als unzulässig, im Übrigen als unbegründet abgewiesen.

  1. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

  2. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  3. 4.

    Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt bis zu 13.000,- EUR

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines von der Abgasthematik betroffenen Fahrzeugs in Anspruch.

Der Kläger erwarb im März 2013 von der DD GmbH & Co.KG einen gebrauchten (...) mit einem Kilometerstand von 99.942 km zu einem Kaufpreis von 19.900 EUR. In dem PKW ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut, dessen ursprüngliche Motorsteuerungssoftware zu einer Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren führte. Das Kraftfahrtbundesamt beanstandete diese Software mit Bescheid vom 15.10.2015 als unzulässige Abschalteinrichtung und verpflichtete die Beklagte, geeignete Maßnahmen zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit der hiervon betroffenen Fahrzeuge zu ergreifen. Das von der Beklagten zu diesem Zweck entwickelte Softwareupdate ließ der Kläger am 31.05.2017 aufspielen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn sittenwidrig geschädigt und behauptet, das Fahrzeug sei mit der ursprünglichen Software nicht zulassungsfähig gewesen; hätte er bei Kauf hiervon Kenntnis gehabt, hätte er es nicht erworben. Unter anderem gestützt auf einen Pressebericht vom 23.09.2015 des Onlinemagazins wired.de hat er behauptet, das Fahrzeug habe durch die Manipulationssoftware erheblich an Wert verloren. Die Beklagte habe aus Gewinnstreben gehandelt und der Einbau der Manipulationssoftware sei mit Wissen und Wollen des Vorstandes erfolgt. Der Zulieferer Bosch habe die Beklagte laut eines ntv-Berichtes vom 27.09.2015 vor Gebrauch der Abgassoftware gewarnt.

Die Beklagte hat den Mangel in Abrede genommen und die Auffassung vertreten, der Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes enthalte hinsichtlich der Unzulässigkeit der Software keine bindenden Feststellungen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der erstinstanzlichen Anträge, der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, der Klage ganz überwiegend stattgegeben und sie nur wegen eines geringfügigen Teils der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die vollständige Klageabweisung verfolgt.

In der Berufungsinstanz hat sie mit Schriftsatz vom 07.11.2019 erstmals die Einrede der Verjährung erhoben und insoweit vorgetragen, der Kläger habe bereits im Jahr 2015 alle entscheidungserheblichen Tatsachen gekannt. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Der Klägervertreter hat die Erhebung der Einrede in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2019 als verspätet gerügt.

Die Beklagte beantragt,

das am 26. Juni 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

II.

I. Die zulässige Berufung hat Erfolg; die Klage war nach Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte abzuweisen.

1. Der Anspruch des Klägers auf Schadenersatz aus § 826 BGB ist verjährt, §§ 214, 199 Abs. 1, 195 BGB.

a. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB) und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, § 199 Abs. Nr.1, 2 BGB.

Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2008 - GSZ 1/08 -, BGHZ 177, 212-217). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat die erstmals in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede darauf gestützt, dass dem Kläger bereits im Jahr 2015 alle anspruchsbegründenden Tatsachen bekannt gewesen seien. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten, sodass der Vortrag gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB begann die dreijährige Verjährungsfrist daher mit Schluss des Jahres 2015.

b. Der Verjährungsbeginn ist - jedenfalls bei vollständiger Tatsachenkenntnis des Klägers im Jahr 2015 - nicht wegen Unzumutbarkeit der Klageerhebung hinausgeschoben.

Im Ausgangspunkt gilt, dass für den Beginn der Verjährung die Kenntnis/das Kennenmüssen der anspruchsbegründenden Tatsachen ausreicht, die Kenntnis der Rechtsfolgen ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit nicht erforderlich (Palandt-Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 199 Rn. 27 m.w.N.). An der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn kann es aber - ausnahmsweise - dann fehlen, wenn ein Kläger rechtsunkundig war und die Rechtslage derart unübersichtlich oder zweifelhaft war, dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen vermocht hat (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13 -, BGHZ 203, 115-140, Rn. 35; BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98 -, Rn. 19, juris m.w.N.). So liegt der Fall hier nicht:

Der Kläger hat schon nicht dargetan, dass er im Jahr 2015 die Rechtslage nicht überblickt oder falsch eingeschätzt hat, sodass vorliegend der Annahme der Unzumutbarkeit jede Grundlage fehlt.

Im Übrigen dürfte, worauf es allerdings nicht mehr entscheidungserheblich ankommt, Ende des Jahres 2015 die Rechtslage - jedenfalls bei vollständiger Tatsachenkenntnis des Klägers - nicht im vorgenannten Umfang zweifelhaft gewesen sein (ausführlich: LG Saarbrücken, Urteil vom 13. Dezember 2019 - 12 O 56/19 -, Rn. 33 ff., juris; i.E. ebenso, allerdings ohne Erörterung einer möglichen Ausnahme: OLG München, Hinweisbeschluss vom 03.12.2019 - 20 U 5741/19, BeckRS 2019, 31911, beck-online; a.A. LG Trier, Urteil vom 19. September 2019 - 5 O 417/18 -, Rn. 52, juris). Die Voraussetzungen der §§ 826, 31 BGB bzw. des § 831 BGB und die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Haftungsnormen sind hinreichend geklärt (vgl. zur eindeutigen Rechtslage: Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Dieselfahrzeuge in NJW 2019, 257). Auch die Einordnung der Software als unzulässige Abschalteinrichtung lag durch die - dem Kläger bekannte - Rückrufaktion des Kraftfahrtbundesamtes auf der Hand. Zwar lag im Jahr 2015 noch keine Rechtsprechung zu der zivilrechtlichen Schadenersatzhaftung der Beklagten gegenüber den Käufern aufgrund der Abgasthematik vor. Dies allein macht die Klageerhebung aber nicht unzumutbar. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Unzumutbarkeit der Klageerhebung selbst dann zu verneinen, wenn die Klage nach nahezu einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung keinen Erfolg verspricht. Nur gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung verschiebt den Verjährungsbeginn (BGH, Urteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 385/16 -, Rn. 18, juris; BGH, Urteile vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, Rn. 35; vom 16. September 2004 - III ZR 346/03, Rn. 39; Beschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 516/14, Rn. 34). Wenn aber selbst eine nahezu einhellige obergerichtliche Rechtsprechung, nach der eine Klage aussichtslos erscheint, nicht zur Unzumutbarkeit der Klageerhebung führt, kann das bloße Fehlen jeder Rechtsprechung zu einer konkreten (Subsumtions-)Frage die Unzumutbarkeit der Klageerhebung bei gesicherter Tatsachengrundlage erst recht nicht begründen. Der Problematik, dass über einen konkreten Lebenssachverhalt noch nicht entschieden worden ist, sehen sich Kläger regelmäßig ausgesetzt.

c. Begann die Verjährungsfrist danach bereits mit dem Schluss des Jahres 2015 zu laufen, endete sie mit Ablauf des Jahres 2018. Die Klageschrift ging erst danach, nämlich am 25.03.2019 beim Landgericht ein und konnte die Verjährung nicht mehr nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen.

2. Soweit der Kläger sein Klagebegehren auf andere Anspruchsgrundlagen stützt (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 27 Abs. 1 EG-FGV, § 831 BGB, § 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB), scheitert der Klageerfolg auch insoweit jedenfalls an der erhobenen Verjährungseinrede. Der Zinsanspruch kann gemäß § 217 BGB nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden.

3. Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist die Klage mangels Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) unzulässig, da bei Klageabweisung keine Vollstreckungserleichterung aus §§ 765 Nr. 1, 756 Abs. 1 ZPO in Betracht kommt.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 2 ZPO. Die Kostentrennung beruht auf dem Umstand, dass die Berufung aufgrund einer erstmals in zweiter Instanz erhobenen Einrede Erfolg hatte, die unschwer in erster Instanz hätte erhoben werden können und nach dem Gedanken der Prozessförderungspflicht hätte erhoben werden müssen (vgl. Herget in Zöller, ZPO 33. Aufl., § 97 Rn. 11 f.).

III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Frage des Verjährungsbeginns zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Beklagte aufgrund der Abgasthematik wurde nicht grundsätzlich, sondern nur für den Sonderfall der vollständigen Tatsachenkenntnis des Klägers im Jahr 2015 entschieden, der keine Rechtsunkenntnis für sich in Anspruch nimmt.

V. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangene Schriftsatz der Beklagten vom 05.12.2019 gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.