Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.02.2020, Az.: 1 U 14/20

Anspruch auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung; Formelle Anforderungen an eine Änderungsmitteilung; Umschulung auf einen anderen Beruf; Verweisung des Versicherten auf eine andere ausgeübte Tätigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.02.2020
Aktenzeichen
1 U 14/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 69409
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - AZ: 9 O 2078/18

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(..),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden CC, Ort2,
Geschäftszeichen: (...)
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Richterin am Oberlandesgericht (...), die Richterin am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...)
am 27. Februar 2020
beschlossen:

[Gründe]

I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

II.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil, mit der der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt, hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Nach den hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen stand der Beklagten, die einen Leistungsanspruch des Klägers aus der zwischen den Parteien bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit Schreiben vom 15.08.2011 anerkannt hatte, ein Recht zur Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit zu (hierzu unten Ziff. 3), welches sie mit ihrem Schreiben vom 09.11.2016 in formell (Ziff. 4) und materiell (Ziff. 5) wirksamer Weise mit den unter Ziff. 6 dargestellten Folgen ausgeübt hat.

1. Unstreitig besteht zwischen den Parteien ein Vertrag über eine Rentenversicherung, der eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung einschließt. In dem Versicherungsschein vom 15.11.2007 (Anlagenband Blatt 19ff) heißt es in der Rubrik "Besondere einzelvertragliche Vereinbarungen" unter anderem:

Verzicht auf die abstrakte Verweisung

Abweichend von § 2 Ziffer 1 der Bedingungen für die BB-Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung gilt:

Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen mindestens zu 50 % außerstande ist, ihren Beruf auszuüben. Dies gilt nicht, wenn die versicherte Person eine andere, ihre Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausübt.

Die in den Bedingungen für die BB-Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung enthaltenen Regelungen zur Verweisbarkeit auf eine nicht tatsächlich ausgeübte Tätigkeit finden keine Anwendung, insbesondere gelten § 2 Ziffer 2 und 4 der Bedingungen für die BB-Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung nicht.

Bei der Nachprüfung der Berufsunfähigkeit (§ 7 Ziffer 1) werden neu erworbene Fähigkeiten in einem tatsächlich ausgeübten Beruf berücksichtigt.

Näher ausgestaltet ist das Versicherungsverhältnis durch die Versicherungsbedingungen der Beklagten, welche auch Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung umfassen (Anlagenband Blatt 50ff, nachfolgend BBUZ).

§ 7 BBUZ lautet:

§ 7 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

Fortbestehende Berufsunfähigkeit

1. Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht dürfen wir das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder die Pflegebedürftigkeit nachprüfen. Dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnis nach § 5. Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Ziffer 1 ausüben kann, wobei neu erworbene berufliche Fähigkeiten berücksichtigt werden.

(...)

Wegfall der Berufsunfähigkeit

4. Liegt eine Berufsunfähigkeit nicht mehr vor, stellen wir unsere Leistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 6 mit. Sie wird erst mit Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam. Ab diesem Zeitpunkt sind die Beiträge wieder zu zahlen.

(...)

2. Ihr nach § 7 BBUZ bestehendes Recht, trotz eines erklärten Anerkenntnisses die Leistungen einzustellen, wenn ein Nachprüfungsverfahren ergeben hat, dass keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit mehr vorliegt, hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 09.11.2016 (Anlagenband Blatt 11) ausgeübt.

3. Entgegen der erstinstanzlich geäußerten Auffassung des Klägers steht einer Nachprüfung nicht entgegen, dass die Beklagte sich eine solche in dem Anerkenntnis vom 15.08.2011 nicht vorbehalten hat. Ein Nachprüfungsrecht in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist von einem solchen Vorbehalt nicht abhängig (BGH, Urteil vom 07.12.2016 - IV ZR 434/15 [juris], Rn. 11).

4. Das Schreiben der Beklagten vom 09.11.2016 genügt den formellen Anforderungen, die an eine Änderungsmitteilung zu stellen sind. Wenn der Versicherer feststellt, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderungen in Textform dargelegt hat. Diese Erklärung ist eine unerlässliche formelle Voraussetzung eines erfolgreichen Nachprüfungsverfahrens (Prölss/Martin/Lücke, 30. Aufl., § 174 VVG, Rn. 21). Die Änderung hat eine nachvollziehbare Begründung dafür zu geben, warum die Leistungspflicht des Versicherers enden soll (Prölss/Martin/Lücke, 30. Aufl., § 174 VVG, Rn. 22f). Sie muss eine objektive Gegenüberstellung des beruflichen und gesundheitlichen Zustands der versicherten Person zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls und zum Zeitpunkt der Nachprüfungsentscheidung sowie eine subjektive Vergleichsbetrachtung des Versicherers, wie er die Rechtslage zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles und zum Zeitpunkt der Nachprüfungsentscheidung bewertet hat, enthalten. Außerdem sind Gutachten bzw. ärztliche Unterlagen auszuhändigen, die der Entscheidung zugrunde liegen (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kapitel 14, Rn. 108f). Angesichts der Bedeutung der Nachprüfungsmitteilung für den Versicherungsnehmer sind die an ihren Inhalt zu stellenden Anforderungen hoch (Prölss/Martin/Lücke, 30. Aufl., § 174 VVG, Rn. 27).

Die Änderungsmitteilung ist hier unter dem 09.11.2016 schriftlich erfolgt.

Der Entscheidung der Beklagten lag keine Veränderung des Gesundheitszustands des Klägers zugrunde, so dass ärztliche Gutachten oder Arztunterlagen nicht auszuhändigen waren.

Die Entscheidung der Beklagten wird den oben dargestellten weiteren Voraussetzungen gerecht. Die Beklagte legt in ihrem Schreiben vom 09.11.2016 zunächst dar, welche Tätigkeitsbeschreibung ihrer ursprünglichen Entscheidung zugrunde gelegen hat. Sodann führt sie aus, sie sei dazu berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit zu überprüfen und die Leistungen einzustellen, soweit nach Maßgabe der Bedingungen keine Berufsunfähigkeit mehr gegeben sei, wobei auch neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten zu berücksichtigen seien. Sodann legt sie dar, der Kläger habe erfolgreich zum Großhandelskaufmann umgeschult und arbeite folgerichtig als kaufmännischer Angestellter in einer Bank, wobei es sich um eine reine Bürotätigkeit handele. Sie, die Beklagte, gehe davon aus, dass er diese Tätigkeit gesundheitlich zu über 50 % ausüben könne. Sodann führt sie zu den Einkommensverhältnissen aus, als kaufmännischer Angestellter verdiene der Kläger nunmehr monatlich 2.386,34 € brutto. In den letzten drei Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit habe der Durchschnittsverdienst 2.525,00 € brutto betragen. Die bisherige Lebensstellung werde durch die derzeitige berufliche Tätigkeit des Klägers somit gewahrt. Die Einkommensdifferenz bewege sich gemäß der einschlägigen Rechtsprechung noch im zumutbaren Rahmen. Die Voraussetzungen für die weitere Leistung aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung seien daher nicht mehr gegeben. Sie stelle die Leistungen daher zum 01.03.2017 ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten vom 09.11.2016 Bezug genommen.

Diese Ausführungen der Beklagten sind aus der Sicht eines durchschnittlichen, verständigen Versicherungsnehmers nachvollziehbar. Insbesondere wird dargelegt, welche Grundlage das ursprünglich erklärte Anerkenntnis hat und welche Änderungen der Umstände zu der nunmehr erfolgten Entscheidung, die Leistungen einzustellen, geführt haben.

5. Die Beklagte war berechtigt, mit Wirkung zum 01.03.2017 die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung einzustellen.

Nach den hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen besteht keine Berufsunfähigkeit, wenn die versicherte Person eine andere, ihrer Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausübt. Unstreitig ist der Kläger mittlerweile als kaufmännischer Angestellter für die DD Bank eG im Ort3 tätig. Wie sich aus dem Fragebogen zur Leistungsprüfung (Anlage BLD 8a, Anlagenband Blatt 129) und der Verdienstabrechnung der DD Bank eG für Oktober 2016 (Anlage BLD 8b, Anlagenband Blatt 138) ergibt, übt er diesen Beruf zumindest seit Oktober 2016 aus. Dass die Beklagte ihn auf diese konkrete Tätigkeit verwiesen hat, ist nicht zu beanstanden.

Eine Verweisung des Versicherten auf eine andere ausgeübte Tätigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn diese Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung der versicherten Person entspricht. Diese wird vor allem durch die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich, ebenso wie die Vergütung dieser Tätigkeit, wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (BGH, Urteil vom 07.12.2016 - IV ZR 434/15 [juris], Rn. 15; BGH, Urteil vom 26.06.2019 - IV ZR 19/18 [juris], Rn. 17). Da die Berufsausübung in gesunden Tagen vor Eintritt des Versicherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür liefert, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, muss bekannt sein, wie sie konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten. Dies gilt auch bei der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit (BGH, Urteil vom 07.12.2016 - IV ZR 434/15 [juris], Rn. 16; BGH, Urteil vom 26.06. 2019 - IV ZR 19/18 [juris], Rn. 18). Bei der Prüfung einer Verweisung des Klägers auf die inzwischen ausgeübte Tätigkeit bedarf es stets einer auf den Einzelfall abgestellten Wertung, ob mit der neuen Tätigkeit ein spürbarer sozialer Abstieg verbunden ist (BGH, Beschluss vom 23.11.2016 - IV ZR 502/15 [juris], Rn. 7; BGH, Urteil vom 26.06. 2019 - IV ZR 19/18 [juris], Rn. 14).

Ein sozialer Abstieg gegenüber seiner ursprünglichen Tätigkeit als Estrichleger ist für den Kläger mit seinem nunmehr ausgeübten Beruf als kaufmännischer Angestellter nicht verbunden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beruf des Estrichlegers demjenigen, der ihn ausübt, ein größeres Ansehen vermitteln sollte als die Tätigkeit eines kaufmännischen Angestellten einer Bank.

Die konkrete Ausgestaltung des ursprünglich seitens des Klägers ausgeübten Berufs ergibt sich in hinreichender Form aus dem Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit (Anlage BLD 5a, Anlagenband Blatt 100f). Demnach hat der Kläger als Estrichleger täglich 7-10 Stunden an 5-6 Tagen in der Woche, je nach Auftragslage, gearbeitet. Die hierbei zu verrichtenden Aufgaben und die insoweit zu berücksichtigenden Anteile an der Arbeitszeit variierten je nach Baustelle. Festzuhalten ist, dass der Schwerpunkt seiner Tätigkeit nach eigenen Angaben des Klägers in Aufgaben bestand, die in kniender Haltung auszuführen waren, nämlich dem Auftragen des Unterbodens und des Estrichs. Hierzu hat der Kläger in Bezug auf den täglichen Zeitaufwand Durchschnittswerte von 240 bzw. 300 Minuten angegeben.

Ausweislich der Angaben in dem Fragebogen zur Leistungsprüfung vom 01.11.2016 (Anlage BLD 8a, Anlagenband Blatt 131) arbeitet der Kläger in seinem neuen Beruf täglich ca. 8 Stunden, wovon jeweils ca. 90 Minuten auf das Schreiben von Angeboten, auf den Verkauf, die Bestandskontrolle und Sonstiges entfallen sowie ca. 120 Minuten auf die Kundenberatung.

Auch wenn man berücksichtigt, dass der Kläger in einer kleineren Stadt lebt, wo handwerklichen Berufen eine höhere Wertschätzung entgegengebracht werden mag als in Großstädten, ist doch nicht ersichtlich, wieso dem Beruf des Estrichlegers - ohne diesen herabwürdigen zu wollen - ein höheres Ansehen entgegengebracht werden sollte als dem eines kaufmännischen Angestellten, der, wie im Falle des Klägers, insbesondere auch Kundenkontakt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass einer dieser Berufe sich bei Berücksichtigung der für die Vergleichsbetrachtung maßgeblichen Bewertungskriterien (hierzu Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kapitel 8, Rn. 119) gegenüber dem jeweils anderen hervorheben würde. Dies gilt insbesondere für die erforderlichen Qualifikationen und die Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Beide Tätigkeiten sind nicht mit einer Vorgesetztenfunktion verbunden, wohl aber (bei lebensnaher Betrachtung) weisungsgebunden.

Ebenfalls keine Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass der Kläger gemäß seinem Vortrag aus seiner Berufungsbegründung in dem Beruf als Estrichleger über besondere Fertigkeiten verfügen mag. Maßgeblich ist das Ansehen, welches der Beruf der versicherten Person in der Öffentlichkeit vermittelt (Prölss/Martin/Lücke, 30. Aufl., § 2 BU, Rn. 63), also das Ansehen des Berufsstandes, und dessen Ausmaß ist unabhängig von der Leistungsfähigkeit der versicherten Person im Einzelfall (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kapitel 8, Rn. 114).

Damit verbleibt hier als entscheidendes Kriterium ein Einkommensvergleich. Entgegen der Auffassung des Klägers ist für diesen Vergleich trotz des Zeitablaufs zwischen dem Anerkenntnis und der Änderungsentscheidung der Beklagten das Gehalt, welches er als Estrichleger bezogen hat, nicht anzupassen. Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei diesem Vergleich allein das vor der Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen zugrunde zu legen ist, weil es entscheidend auf die Sicherstellung der individuellen bisherigen Lebensumstände ankommt und die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht die künftige Verbesserung dieser Lebensumstände sichert. Die Lohn- und Gehaltsentwicklung im Ursprungsbedarf nach Eintritt des Versicherungsfalls hat demnach grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 26.06.2019 - IV ZR 19/18 [juris], Rn. 28). Der Senat folgt dieser überzeugenden Rechtsprechung.

Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Landgerichts hat der Kläger, bevor er berufsunfähig geworden ist, bezogen auf die Jahre 2008-2010 ein durchschnittliches Einkommen in Höhe von 2.581,13 € brutto und im Jahr 2010 von durchschnittlich 2.656,41 € brutto bezogen.

Als kaufmännischer Angestellter bezieht er nach diesen Feststellungen nunmehr ein Grundgehalt von 2.386,34 €. Weiter ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger von seinem neuen Arbeitgeber nach eigenen Angaben ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt wird. Hierfür ist nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ein Betrag von 327,00 € anzusetzen. Mit diesem Betrag wird die Gestellung des Dienst-Pkw ausweislich der Verdienstabrechnung der DD-Bank eG für Oktober 2016 (Anlage BLD 8b, Anlagenband Blatt 138) in die Berechnung des Gesamtbrutto eingestellt, mithin auch besteuert.

Die Überlassung eines Dienstwagens mit Privatnutzung ist als Einkommensbestandteil zu berücksichtigen (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kapitel 8, Rn. 103). Bereits auf dieser Grundlage, also ohne die in der Verdienstabrechnung für Oktober 2016 angeführten weiteren Vergütungsbestandteilen - diese Abrechnung weist ein Gesamtbrutto von 2.901,23 € aus; der Abzug zur Höhe von 388,00 € bezüglich der "Lohnart 652" fällt ersichtlich nicht monatlich an und mindert das zu berücksichtigende Bruttogehalt damit nicht - ergibt sich ein Bruttogehalt von 2.713,34 €. Dieser Betrag liegt sogar über dem Gehalt, welches der Kläger in seiner Tätigkeit als Estrichleger erzielt hat. Die Frage, bis zu welcher Höhe dem Versicherungsnehmer in dem hier gegebenen Zusammenhang eine Gehaltseinbuße zumutbar ist, muss demnach an dieser Stelle nicht beantwortet werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat auch nicht ausnahmsweise eine Fortschreibung seines ursprünglich erzielten Gehalts zu erfolgen. Richtig ist, dass auch der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass von dem Grundsatz, dass eine Fortschreibung des Gehalts nicht zu erfolgen hat, eine Ausnahme gemacht werden kann, wenn sonst aufgrund eines besonders langen Zeitraums zwischen dem Eintritt der Berufsunfähigkeit und ihrer Nachprüfung eine objektive Vergleichbarkeit des Einkommens und der damit verbundenen Lebensstellung nicht mehr gewährleistet wäre (BGH, Urteil vom 26.06.2019 - IV ZR 19/18 [juris], Rn. 31). Von einem besonders langen Zeitraum kann hier jedoch keine Rede sein.

Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil ist die Berufsunfähigkeit des Klägers zum 01.10.2010 eingetreten. Bis zu der Änderungsentscheidung der Beklagten sind somit sechs Jahre vergangen. Der Bundesgerichtshof hat in dem oben zitierten Urteil zwar nicht ausgeführt, was unter einem besonders langen Zeitraum zu verstehen ist. Auch insoweit wird sich freilich eine schematische Beurteilung verbieten. Die Verhältnisse zwischen den Jahren 2010 und 2016 haben sich jedoch nicht so entscheidend geändert, dass das Einkommen bei Eintritt der Berufsunfähigkeit und jenes zum Zeitpunkt der Änderungsentscheidung der Beklagten nicht objektiv vergleichbar sind. In diese Richtung weist auch das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 07.12.2016 (5 U 84/16 [juris]), auf welches der Bundesgerichtshof a. a. O. Bezug nimmt. In dem dortigen Fall lagen zwischen dem Eintritt der Berufsunfähigkeit und der Änderungsentscheidung des Versicherers 13 Jahre, also ein deutlich längerer Zeitraum als dies hier der Fall ist.

Ob die Ermittlung des fortgeschriebenen Gehalts rechtspraktisch ohne Schwierigkeiten möglich ist - der Kläger beruft sich insoweit auf die Lohntabelle des Baugewerbes West -, ist für die Frage, ob nach der oben genannten Rechtsprechung eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Fortschreibung nicht erfolgt, ohne Relevanz.

6. Nach alledem lag eine Berufsunfähigkeit des Klägers jedenfalls seit Oktober 2016 nicht mehr vor. Die Beklagte war demnach gemäß § 7 Ziff. 4 BBUZ berechtigt, die Leistung einzustellen.

Ob die Regelung zur Schonfrist in § 7 Ziff. 4 BBUZ vor dem Hintergrund der Regelungen in §§ 174 Abs. 2, 175 VVG Bestand haben kann (hierzu Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kapitel 14, Rn. 172), kann hier dahinstehen. Selbst wenn man von einer Unwirksamkeit der Regelung ausgehen würde, hätte die Klägerin die dann gemäß §§ 306 Abs. 2 BGB, 174 Abs. 2 VVG geltende (längere) Frist von drei Monaten gewahrt, denn es ist lebensnah davon auszugehen, dass die Veränderungsmitteilung vom 09.11.2016 dem Kläger noch im November 2016 zugegangen ist. Die Einstellung der Leistungen ist unstreitig erst zum 01.03.2017 erfolgt.

Da über den 28.02.2017 hinaus keine Leistungspflicht der Beklagten gegenüber dem Beklagten besteht, ist weder festzustellen, dass die Leistungspflicht der Beklagten weiterbesteht, noch dass der Kläger nicht verpflichtet ist, ab dem 01.03.2017 Beiträge für die bei der Beklagten unterhaltene Versicherung zu zahlen. Ebenso wenig ist die Beklagte zu verurteilen, ab dem 01.03.2017 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 500,00 € zu zahlen. In Ermangelung einer Hauptforderung hat der Kläger auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Freistellung von den vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.