Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 06.11.2014, Az.: S 13 KR 189/14
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 06.11.2014
- Aktenzeichen
- S 13 KR 189/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42435
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der am 10. Januar 2013 bei der Beklagten eingegangene Antrag der Klägerin auf eine Bauchdeckenstraffung mit Nabeltransposition als genehmigt gilt.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin begehrt die Versorgung mit einer operativen Bauchdeckenstraffung. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Leistungsantrag der Klägerin auf diese Leistung als genehmigt gilt, weil die Beklagte nicht innerhalb von fünf Wochen über den Antrag entschieden hat.
Am 10. Januar 2014 ging der Antrag der Klägerin auf Versorgung mit einer Bauchdeckenstraffung mit Nabeltransposition bei der Beklagten ein.
Ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (MDK) untersuchte die Klägerin am 17. Februar 2014 und gelangte zu dem Ergebnis, dass keine medizinische Indikation für den begehrten Eingriff vorläge.
Mit der am 18. Juni 2014 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr Leistungsantrag als genehmigt gilt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eingetreten sei.
Die Beklagte hat bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht über den Antrag der Klägerin entschieden.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass ihr am 10. Januar 2013 bei der Beklagten eingegangene Antrag auf eine Bauchdeckenstraffung mit Nabeltransposition als genehmigt gilt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe davon ausgehen müssen, dass über den Leistungsantrag nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V habe entschieden werden können. Das Ergebnis der Begutachtung sei der Klägerin dann zeitnah mitgeteilt worden. Unabhängig davon löse die Versäumung der Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht automatisch einen Anspruch auf die beantragte Leistung aus. Sinn und Zweck der Vorschrift sei die Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens, nicht jedoch die Bewilligung medizinisch nicht erforderlicher Leistungen.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die erhobene Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig.
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, dass ihr Leistungsantrag als genehmigt gilt. Ein Interesse ist berechtigt, wenn es nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigt ist; es kann rechtlicher oder als schutzwürdig anzuerkennender tatsächlicher, insbesondere wirtschaftlicher oder ideeller Art sein (Scholz in Roos/Wahrendorf Sozialgerichtsgesetz, § 55 Rn 21 mit weiteren Nachweisen). Die Klägerin hat ein solches Feststellungsinteresse, weil mit der gerichtlichen rechtskräftigen Feststellung des Eintritts der Genehmigungsfiktion die Klägerin ohne Kostenrisiko sich die begehrten Leistungen selbst beschaffen und Kostenerstattung gegenüber der Beklagten geltend machen kann.
Die Klage ist auch begründet, weil eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten ist.
Gemäß § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Die Beklagte hat die Fünfwochenfrist nach § 13 Abs. 3a SGB V nicht eingehalten und der Klägerin die Gründe hierfür nicht mitgeteilt. Soweit die Beklagte meint, die Klägerin habe erkennen können, dass die Fünfwochenfrist nicht habe eingehalten werden könne, ist dieser Einwand nach dem Wegfall eines etwaigen Entscheidungshindernisses rechtlich unerheblich geworden. Die Beklagte hat der Klägerin keinen Grund für die Nichtentscheidung über den Leistungsantrag nach dem Vorliegen des MDK Gutachtens vom 18. Februar 2014 mitgeteilt. Wenn die Krankenkasse die Fristen nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten kann und die Gründe dem Versicherten mitteilt, hat dies nicht zur Folge, dass die Krankenkasse von ihrer Pflicht, über den Antrag zu entscheiden, entbunden wird. Die Krankenkasse hat unverzüglich nach Wegfall der Hinderungsgründe über den Antrag zu entscheiden, was sie hier nicht getan hat.
Gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gilt die von der Klägerin beantragte Leistungen damit als genehmigt. Die Kammer legt die Regelung nicht entgegen ihres Wortlauts einschränkend dahingehend aus, dass ihr keine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 2014, L 16 KR 154/14 B ER). Hiergegen spricht die differenzierte Regelung zwischen der Genehmigungsfiktion in Satz 6 und der Normierung eines Kostenerstattungsanspruchs in Satz 7. Dieser differenzierten Regelung hätte es nicht bedurft, wenn ein Fristversäumnis ausschließlich zur Folge hätte, dass der Versicherte sich die erforderliche Leistung beschaffen und Kostenerstattung geltend machen könnte. Unerheblich ist, dass die Genehmigungsfiktion systemfremd in die Regelungen des § 13 SGB V zu Kostenerstattungen integriert wurde. Unerheblich ist auch, ob der Gesetzgeber möglicherweise etwas anderes gewollt hat. Denn maßgeblich ist das erlassene Gesetz und nicht der Wille des Gesetzgebers, wenn der Wortlaut einer Regelung eindeutig und keiner Auslegung zugänglich ist. Eine dem Wortlaut widersprechende Auslegung überschritte dann die Grenzen einer zulässigen Auslegung. Ein solcher Fall der unzulässigen Auslegung läge vor, wenn der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V keine Bedeutung beigemessen würde. Denn dies hieße die Regelung in Gänze zu ignorieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).