Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 24.03.2005, Az.: 6 A 100/04

Abschiebung; Abschiebungsverbot; Albaner; Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Behinderung; politische Verfolgung; Serbien-Montenegro; Verbot; Verfolgung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
24.03.2005
Aktenzeichen
6 A 100/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51065
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Hat in einem früheren Asylverfahren das Gericht (inkorrekt) ein Urteil erlassen, mit dem es selbst das Vorliegen eines Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG a. F. (§ 60 Abs. 1 AufenthG) festgestellt hat, darf das Bundesamt bei inzwischen veränderter Sachlage auch ohne erneuten Asylantrag eine neue Feststellungsentscheidung durch Bescheid treffen.

2. Es besteht kein Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungshindernisses, das von einem vermeintlichen diesbezüglichen Recht eines nahen Familienangehörigen (hier: Behinderung) abgeleitet wird.

3. Zur Betreuung von geistig Behinderten in Serbien und Montenegro.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger mit albanischer Volkszugehörigkeit. Er ist in Südserbien in der Nähe der mazedonischen Grenze geboren und hat zuletzt bis zum Verlassen seines Heimatlandes in Presevo gewohnt. Im April 1990 reiste er mit seiner Familie auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt führte er im Wesentlichen aus: Er habe im Februar 1990 mit ca. 5.000 anderen Personen in Presevo an einer Demonstration teilgenommen. Die Demonstranten seien für mehr Rechte der Albaner eingetreten. Die Polizei habe die Demonstration mit Einsatzwagen aufgelöst und kochendes Wasser verspritzt. Später habe die serbische Polizei ihn verhaften und verprügeln wollen. Deshalb sei er von dort ausgereist.

2

Mit Bescheid vom 27. April 1990 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab. In dem dagegen gerichteten Klageverfahren (7 A 7312/90) lehnte das Verwaltungsgericht Braunschweig durch Urteil vom 19. März 1991 das Begehren des Klägers, soweit es auf seine Anerkennung als Asylberechtigter gerichtet war, als unbegründet ab. Die gegen die Nichtzulassung der Berufung gerichtete Beschwerde des Klägers wurde vom OVG Lüneburg mit Beschluss vom 18.08.1992 ((8 L 4423/91) zurückgewiesen.

3

Im Oktober 1992 beantragte die Beklagte beim Verwaltungsgericht Braunschweig die Fortsetzung des ursprünglichen Klageverfahrens mit der Begründung, dass vom Gericht die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. nicht geprüft worden seien und deshalb das erste Asylverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Mit Urteil vom 30. März 1993 (7 A 7379/93) hob das Verwaltungsgericht Braunschweig daraufhin den Bescheid des Bundesamtes vom 27. April 1990 auf und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. in Bezug auf den Kläger vorlägen. Ein hiergegen gerichteter Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten auf Zulassung der Berufung wurde vom Niedersächsischen OVG mit Beschluss vom 18.11.1993 (8 L 2010/93) abgelehnt.

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Nachdem bekannt geworden war, dass der Kläger im Mai 2003 vorübergehend in das Kosovo gereist war, leitete das Bundesamt am 14. Juli 2003 in entsprechender Anwendung von § 73 AsylVfG ein Verfahren zur Neuentscheidung über die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. ein und gab dem Kläger unter dem 11. Dezember 2003 Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 12. Januar 2004 machte der Kläger geltend, sein im Februar 1993 in Deutschland geborener Sohn sei behindert (Down-Syndrom) und erheblich betreuungsbedürftig. In Südserbien, wo er bis zu seiner Ausreise nach Deutschland gelebt habe, sei eine Behandlung bzw. Betreuung des Sohnes nicht möglich. Deshalb müsse ihm ein Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG a.F. zuerkannt werden.

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Mit Bescheid vom 15. Januar 2004 stellte das Bundesamt fest, dass ein Abschiebungsverbot nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. nicht vorliege und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG a.F. ebenfalls nicht gegeben seien.

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Gegen den am 22. Januar 2004 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 3. Februar 2004 vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor:

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Seine Ehefrau sei im Jahre 1995 verstorben. Er sei teilzeitbeschäftigt und kümmere sich um seinen schwerbehinderten Sohn. In Serbien und Montenegro stünden geeignete Behinderteneinrichtungen nicht zur Verfügung. Der Sohn besuche derzeit eine Förderschule für Behinderte. Das Kind werde morgens gegen 7.30 Uhr von einem Taxi oder Kleinbus zur Schule gefahren. Nach 16.00 Uhr hole er seinen Sohn von der Schule wieder ab. Das Kind könne nicht ohne Aufsicht bleiben und bedürfe bei den Verrichtungen des täglichen Lebens ständiger Hilfe. Als alleinerziehender Vater eines behinderten Kindes könne er in Südserbien nicht überleben.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Bundesamtes vom 15. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG (§ 53 AuslG a.F.) vorliegen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Da gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts abzustellen ist, ist bei der Entscheidung zu berücksichtigen, dass die §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG zum 1. Januar 2005 durch § 60 AufenthG ersetzt worden sind (Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 Zuwanderungsgesetz / BGBl 2004 I S. 1950).

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Zu Recht ist das Bundesamt davon ausgegangen, dass es nicht befugt ist, die prozessrechtlich als Feststellungsurteil inkorrekte, aber rechtskräftig gewordene Entscheidung der 7. Kammer des Gerichts (7 A 7379/92) nach § 73 AsylVfG zu widerrufen. Ein solcher Widerruf wäre im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gewaltenteilungsprinzip, die grundsätzliche Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen nach § 121 VwGO und den Wortlaut des § 73 AsylVfG rechtswidrig (BVerwG, Urt. vom 23.11.1999, BVerwGE 110, 111 m.w.N.). Auch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG durch das Bundesamt wäre nicht zulässig gewesen, weil dafür ein Antrag erforderlich wäre und ein Wiederaufgreifen im Übrigen nur dann in Betracht kommt, wenn - anders als es hier der Fall ist - ein früher ergangener Verwaltungsakt geändert oder aufgehoben werden soll.

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Das Bundesamt durfte jedoch über das Abschiebungsverbot erneut entscheiden. Nach den allgemeinen Regeln darf die Behörde nach dem Abschluss eines Verfahrens bei veränderter Sachlage neu in der Sache entscheiden, wenn die in dem Verfahren früher getroffene Entscheidung ausschließlich auf die in dem damaligen Entscheidungszeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage bezogen ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 49 Rn 6). Dies gilt auch dann, wenn in dem früheren Verfahren ein (inkorrektes) verwaltungsgerichtliches Feststellungsurteil ergangen und rechtskräftig geworden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 23.11.1999, aaO.) sowie auch nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer (Urt. vom 26.11.2004, 6 A 459/04) darf das Bundesamt bei veränderter Sachlage auch dann eine neue Feststellung über den Abschiebungsschutz nach § 51 AuslG a.F. (§ 60 Abs. 1 AufenthG) treffen, wenn ein solches Abschiebungshindernis vom Verwaltungsgericht selbst festgestellt worden war.

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Der angefochtenen Entscheidung des Bundesamtes steht nicht entgegen, dass es über ein Abschiebungsverbot grundsätzlich erst nach einem Antrag des Ausländers entscheiden darf (§ 13 Abs. 2 AsylVfG) und ein neuer Antrag nicht gestellt wurde. Das frühere Asylverfahren des Klägers beruhte auf einem solchen Asylantrag; ein weiterer Antrag war für die neue Entscheidung des Bundesamtes nicht erforderlich.

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Die Voraussetzungen für eine erneute, von der verwaltungsgerichtlichen Feststellung abweichende Entscheidung des Bundesamtes sind erfüllt. Seit dem Erlass des rechtskräftigen Urteils vom 30. März 1993 (7 A 7379/92) hat sich die Sachlage entscheidungserheblich verändert.

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Nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 1 AufenthG (§ 51 Abs. 1 AuslG a.F.) nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, wobei eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegt, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann ausgehen vom Staat sowie von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen. Darüber hinaus kann die Verfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in § 60 Abs. 1 Satz 4a) und b) AufenthG genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine inländischer Fluchtalternative.

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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Albanische Volkszugehörige, die aus Südserbien stammen, unterliegen in Serbien und Montenegro allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit keiner unmittelbaren oder mittelbaren politischen Verfolgung (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 28.05.2003, 6 A 693/02, Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt durch Nds. OVG, Beschl. vom 23.07.2003, 13 L 287/03; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 25.05.2002, A 14 S 831/00; BVerfG, Beschl. vom 20.12.2001, 2 BvR 249/98). Serbien und Montenegro stehen unter ständiger Beobachtung internationaler Organisationen. Diese haben in der Region Südserbien bislang nur vereinzeltes Fehlverhalten von Polizisten gegenüber Zivilpersonen festgestellt. Es liegen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die serbische Polizei in Südserbien in asylerheblicher Weise ohne konkrete Verdachtsmomente gegen männliche Personen wegen (angeblicher) Unterstützung der militanten albanischen Extremisten vorgeht. Dies trifft auch für ethnische Albaner zu, die aus dem Ausland nach Südserbien zurückkehren (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 16.10.2002, vom 28.07.2003 und vom 24.02.2004 sowie Auskünfte vom 28.03.2002 an das VG München, vom 31.05.2002 an das VG Kassel und vom 16.10.2002 an das VG Frankfurt/Main; Gesellschaft für bedrohte Völker, Auskunft vom 13.06.2001 an das VG Köln). Gegenwärtig ist nicht ersichtlich, dass sich das Vorgehen der Sicherheitskräfte auf Grund der jüngsten Entwicklungen in Serbien, wo es seit Februar 2003 zu vereinzelten Gewalttaten albanischer Extremisten gekommen ist, geändert hat (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 28.07.2003 und vom 24.02.2004). Danach handelt es sich bei den festgestellten Übergriffen serbischer Polizisten um das rechtswidrige Handeln einzelner Amtswalter, das über das im Regelfall vom Staat Serbien und Montenegro hingenommene, geduldete oder strukturell begünstigte Verhalten hinausgeht und diesem folglich nicht zugerechnet werden kann (sog. Amtswalterexzess). Unabhängig davon fehlt es angesichts der vereinzelt gebliebenen Vorfälle an der für die Annahme einer gruppenbezogenen Verfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte und an einer landesweiten Gefährdung jedes einzelnen ethnischen Albaners. Soweit es bei Hausdurchsuchungen durch Sicherheitskräfte auch zu Beleidigungen und einzelnen Diebstählen gekommen sein soll (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.02.2004), rechtfertigen solche Verhaltensweisen jedoch noch nicht die Zuerkennung eines Abschiebungsschutzes.

20

Hiervon ist auch mit Blick darauf auszugehen, dass die Grenzregion Südserbiens zum Kosovo, zu dem das Gebiet um die Gemeinden B., Presevo und C. zählt, bis zum Frühjahr 2001 Schauplatz bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen albanischen Rebellen und serbischen bzw. jugoslawischen Sicherheitskräften war. Seit der Unterzeichnung des von der Europäischen Union und der KFOR vermittelten Friedensabkommens im Mai 2001 hat sich jedoch ein Friedensprozess entwickelt, der eine weitgehende Beruhigung der Union gebracht hat. Der UNHCR hat in der Zeit vom 31. Mai bis 16. September 2001 ein Rückkehrprogramm durchgeführt, mit dem mehr als 8.700 der geflohenen 12.500 Albaner zurückgekehrt sind, wobei davon ausgegangen wird, dass die restlichen albanischen Volkszugehörigen aus vorwiegend wirtschaftlichen Gründen von einer Rückkehr abgesehen haben. Als vertrauensbildende Maßnahme zur Förderung der Integration der albanischen Minderheit wurde im Juli 2002 ein Amnestiegesetz in Kraft gesetzt, das die Staatsbürger betrifft, die in Südserbien Terrorakte begangen oder staatsfeindliche Aktivitäten geplant haben bzw. dessen verdächtigt werden. Am 28. Juli 2002 fanden zudem vorgezogene Kommunalwahlen statt, die zu einer stärkeren Repräsentanz der Albaner in den Gemeindeorganen geführt haben. Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzlichen Regelungen zur Integration der Albaner nicht in der vom Gesetz intendierten Weise umgesetzt werden, sind nicht vorhanden. Auch ist die UCPMB, eine Widerstandsorganisation der albanischen Rebellen, seit längerer Zeit in der Presevo-Region nicht mehr in Erscheinung getreten und dürfte de facto dort nicht mehr bestehen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 12.11.2003 an das VG Frankfurt).

21

Der erneuten Entscheidung des Bundesamtes zu § 60 Abs. 1 AufenthG (§ 51 Abs. 1 AuslG a.F.) steht auch die Regelung in § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG nicht entgegen. Diese Vorschrift gilt nur für den Fall eines Widerrufs und ist auch nicht analog anzuwenden. § 73 AsylVfG enthält eine Sonderregelung für die Aufhebung von Sachentscheidungen nach § 31 AsylVfG. Dass der Gesetzgeber auch den Fall einer nach einem Feststellungsurteil eintretenden Sachlagenänderung regeln wollte, ist nicht ersichtlich, weil hierfür die allgemeinen Regelungen des Prozessrechts, insbesondere die Vorschrift über die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen in § 121 VwGO eine ausreichende Grundlage enthalten. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erfüllt wären. Erforderlich dafür ist, dass sich der Ausländer in einer psychischen Sondersituation befindet, weil er ein besonders schwerwiegendes, nachhaltig wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten hat und es ihm deshalb lange Jahre danach ungeachtet der veränderten Verhältnisse nicht zumutbar ist, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren (VG Braunschweig, Urt. vom 12.11.2004, 6 A 157/04 m.w.N.). Dafür gibt es nach den vorliegenden Unterlagen und Angaben des Klägers keine hinreichenden Anhaltspunkte. Bereits in dem früheren Asylverfahren des Klägers war vom Verwaltungsgericht Braunschweig im Urteil vom 19. März 1991 (7 A 7212/90) ausgeführt worden, dass der Kläger ein asylrelevantes, individuelles Verfolgungsschicksal nicht erlitten habe. In dem später nachfolgenden Urteil vom 30. März 1993 (7 A 7379/92) wurde dem Kläger ein Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. nur deshalb zuerkannt, weil das Gericht ihn der Gruppe der aus dem Ausland zurückkehrenden jugoslawischen Staatsangehörigen mit albanischer Volkszugehörigkeit zurechnete und eine Anwendung staatlicher Gewalt auf Grund einer extremen Polarisierung der serbischen und albanischen Bevölkerungsgruppen für diesen Personenkreis, zumal wenn im Ausland ein Asylantrag gestellt worden war, nicht auszuschließen vermochte.

22

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (§ 53 AuslG a.F.) nicht vor. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes im Bescheid vom 15. Januar 2004 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Im Hinblick auf die von dem Kläger geltend gemachte Behinderung seines jüngsten Kindes wird lediglich ergänzend angemerkt, dass der Kläger für sich nicht mit Erfolg einen Abschiebungsschutz aus vermeintlicher Gefährdung herleiten kann, die seinen Sohn betreffen (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. vom 16.06.2004, NVwZ 2004, 1271 [BFH 16.03.2004 - VIII R 33/02]; Hessischer VGH, Urt. vom 05.03.1998, ESVGH 48, 317 <juris>). Der Anspruch auf Schutzgewährung nach § 60 Abs. AufenthG (§ 53 AuslG a.F.) begründet eine individuelle Rechtsposition, die nur auf Gefahren gestützt werden kann, die dem Ausländer selbst drohen. Eine lediglich vom Recht eines nahen Familienangehörigen auf Abschiebungsschutz abgeleitete Berechtigung, ebenfalls Abschiebungsschutz zu erhalten, besteht nicht. Sofern bei dem Kind ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG (§ 53 Abs. 6 AuslG a.F.) vorliegen sollte, kann dies nur in einem gesonderten Verfahren für das Kind geltend gemacht werden. Würde ein solches Abschiebungshindernis festgestellt werden, wäre dies von der Ausländerbehörde bei der Entscheidung über den Vollzug der Abschiebung des Klägers zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. vom 16.06.2004, aaO., m.w.N.). Der Schutz der Familieneinheit nach Art. 6 Abs. 1 GG wäre dann ein wesentlicher Gesichtspunkt, der der Abschiebung des Klägers entgegenstehen könnte. die Beurteilung, ob wegen des Schutzes familiärer Bindungen ein Anspruch auf Schutz des Familienlebens des Klägers im Bundesgebiet besteht, obliegt deshalb nicht einer Entscheidung des Bundesamtes, worauf in dem angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen worden ist. Die Behauptung des Klägers, wegen der Betreuungsbedürftigkeit seines Sohnes in seinem Heimatland in eine existenzbedrohende Lage zu kommen, ist im Übrigen spekulativ. Die Betreuung kann, sofern sie im Heimatland nicht in einer entsprechenden Einrichtung erfolgen sollte, auch durch eine andere erwachsene Person erfolgen, wenn der Kläger einer Berufstätigkeit nachgehen sollte.

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Das von dem Kläger im Verfahren vorgelegte Fördergutachten der D. -Schule (Schule für geistig Behinderte) vom 3. Mai 1999 gibt allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die im Rahmen der sonderpädagogischen Überprüfung getroffenen Feststellungen über die lebenspraktischen Fertigkeiten, die kognitiven Fähigkeiten und das Verhalten des Sohnes des Klägers gegenüber anderen Personen im diametralen Widerspruch zu den Behauptungen des Klägers stehen. Es dürfte kaum anzunehmen sein, dass sich der Sohn des Klägers innerhalb des seit der Begutachtung vom Mai 1999 verstrichenen Zeitraums, in dem er zudem an der D. -Schule gefördert worden ist, zu einer Person entwickelt hat, die mit den einfachsten Handreichungen des täglichen Lebens nicht allein zurecht kommt und deshalb in allen Lebenslagen ständiger Aufsicht und Hilfe bedarf. Allein der Umstand, dass der Sohn des Klägers auf Grund einer geistigen Behinderung in seinen kognitiven und motorischen Fähigkeiten eingeschränkt ist, dürfte ein Abschiebungshindernis nicht begründen. Auch in Serbien und Montenegro gibt es Schulen für geistig Behinderte (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 15.01.1998, vom 28.04.1998 und vom 24.08.1998). Soweit es um eine medizinische Betreuung des Sohnes geht, gibt es in Serbien und Montenegro nur sehr wenige Erkrankungen, die auf Grund einer fehlenden Ausrüstung oder wegen unzureichender Medizinprodukte nicht oder nur schlecht behandelt werden können. Die Bewohner der Region Südserbiens, aus der der Kläger stammt, können auf einen modernen Gesundheitsschutz zurückgreifen, da sich in unmittelbarer Nähe im Ort B. eine moderne Poliklinik und in der Stadt Vranje das regionale medizinische Zentrum befinden. Das gesamt Gebiet Serbiens und Montenegros ist mit einem Netz von öffentlichen medizinischen Anstalten abgedeckt. Außerdem gibt es dort private ärztliche Praxen. Zahlreiche der Ambulanzen haben sog. Entwicklungsberatungsstellen, in denen neben Kinderärzten auch Neuropädiater und Pädopsychiater, die die psychomentale Entwicklung von Kindern begleiten, tätig sind (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.02.2004; Bundesamt, Bericht vom Juni 2004, Serbien und Montenegro/Gesundheitswesen). Für Kinder ist nach den gesetzlichen Versicherungsbestimmungen in Serbien und Montenegro die medizinische Behandlung und Versorgung mit den erforderlichen Medikamenten kostenlos (Bundesamt, Bericht vom Juni 2004, aaO.; Deutsche Botschaft Belgrad, Auskunft vom 26.01.2003 an das VG Düsseldorf und vom 16.10.2002 an das BAFl).

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Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG abzuweisen. Die Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11. 711 ZPO.