Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.09.2019, Az.: L 3 U 41/17

Anerkennung eines Arbeitsunfalls; Einführungsseminar zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr; Fehlender sachlicher Zusammenhang der zum Unfall führenden Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit; Unversicherte Freizeitaktivitäten

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
25.09.2019
Aktenzeichen
L 3 U 41/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 42229
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BSG - 06.10.2020 - AZ: B 2 U 13/19 R

Redaktioneller Leitsatz

Unfallversicherungsschutz bei Seminaren und ähnlichen Veranstaltungen erfasst nicht den gesamten Seminaraufenthalt, weil rein private Tätigkeiten, insbesondere im Rahmen von Freizeitaktivitäten, unversichert sind.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 17. Januar 2017 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Die im November 1998 geborene Klägerin begann nach dem Abschluss der 10. Klasse der Realschule am 1. September 2015 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), dessen Grundlage ein Vertrag war, den sie mit der Internationalen Bund West gGmbH für Bildung und soziale Dienste, vertreten durch den E. (im Folgenden: IB) am 3. September 2015 geschlossen hatte (FSJ-Vertrag). Einsatzstelle war das Alten- und Pflegeheim der Inneren Mission in F ...

In der zweiten Septemberwoche 2015 begann sie ein einwöchiges Einführungsseminar, das im FSJ-Vertrag vorgesehen war, in der Bildungs- und Ferienstätte G. (Träger: Katholische H. G. eV) in I. (Landkreis G.) stattfand und von Mitarbeitern des IB betreut wurde. Dabei wurde das Seminarprogramm täglich von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr durchgeführt. Die sich anschließende Freizeit stand den Teilnehmern zur freien Verfügung. Einzelne Betreuer boten hierfür Aktivitäten an (Lagerfeuer, Spiele ua), die Teilnahme hieran war aber freiwillig. Wer das Gelände der Bildungsstätte verlassen wollte, musste sich abmelden; die minderjährigen Teilnehmer mussten sich hierzu in Gruppen von mindestens drei Personen zusammentun und um 22.00 Uhr wieder zurück sein.

Am 8. September 2015 wollte sich die Klägerin etwa gegen 20.00 Uhr mit weiteren Teilnehmern ihres Seminars zu einem Karten- bzw Rollenspiel in ein anderes Haus der Einrichtung begeben, als die Gruppe unterwegs auf ein 11,20 x 9 m großes aufgeblasenes Hüpfkissen stieß und begann, darauf herumzuhüpfen. Man vereinbarte schließlich, dass sich die Klägerin in die eine Hälfte des Kissens setzen sollte, während acht Teilnehmer gleichzeitig auf die andere Hälfte springen sollten, um die Klägerin in die Luft zu katapultieren. Dieses Vorhaben wurde umgesetzt, die Klägerin flog hoch, landete aber nicht wie vorgesehen wieder auf dem Kissen, sondern auf der aus einer Sand-Kies-Gemisch bestehenden Umrandung. Dabei zog sie sich Deckplatteneinbrüche verschiedener Wirbelkörper der Brust- und Lendenwirbelsäule und eine Impressionsfraktur des ersten Lendenwirbelkörpers zu (Bericht des Durchgangsarztes Dr. J. vom 21. September 2015).

Mit Bescheid vom 14. März 2016 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis vom 8. September 2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit auf dem Sprungkissen dem privaten Lebensbereich der Klägerin zuzurechnen sei.

Zur Begründung ihres hiergegen gerichteten Widerspruchs wies die Klägerin darauf hin, dass die Seminarteilnehmer in I. praktisch kaserniert gewesen seien und deshalb von einer freien Freizeitgestaltung nicht gesprochen werden könne. Vor diesem Hintergrund habe man die Nutzung des Sprungkissens angeboten, um im Rahmen der Bildungsmaßnahme für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen, allerdings ohne eine Beaufsichtigung durch den Bildungsträger zu gewährleisten. Angesichts der Unterbringung der Jugendlichen auf dem Seminargelände sei ein Arbeitsunfall zu bejahen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2016 zurück.

Die Klägerin hat hiergegen am 4. Juli 2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben, mit der sie an ihrem Ziel der Anerkennung eines Arbeitsunfalls festgehalten hat.

Mit Urteil vom 17. Januar 2017 hat das SG den Bescheid vom 14. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2016 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 8. September 2015 ein Arbeitsunfall ist. Freizeitverrichtungen bei Klassenfahrten, Schul- oder Berufsschulausflügen oder bei auswärtigen Wehrdienstveranstaltungen, die außerhalb des erlaubten Rahmens erfolgt seien, seien nach der Rechtsprechung zwar regelmäßig nicht als versichert angesehen worden. Andererseits habe die Rechtsprechung aber Versicherungsschutz insbesondere bei Schulausflügen und Klassenfahrten bei Verhaltensweisen angenommen, die auf dem natürlichen Spieltrieb oder auf typischem Gruppenverhalten von Kindern und Jugendlichen beruhten. Es sei sachgerecht, diese Grundsätze auch auf die zum Unfall führende Verrichtung der Klägerin zu übertragen. Denn auch die das FSJ begleitenden Seminarveranstaltungen dienten nicht allein dem fachlichen Austausch, sondern ausdrücklich auch der Förderung der Zusammenarbeit in der Gruppe. Die abendliche Freizeitgestaltung sei durch freiwillige und offene Angebote der Veranstalter geprägt gewesen, die ebenfalls der Förderung der Gemeinschaft dienten. Zudem habe sich bei der den Unfall herbeiführenden Verrichtung ein Prozess ereignet, der sich gerade exemplarisch als Ausdruck eines jugendlichen Spieltriebs einer Gruppe Heranwachsender darstelle.

Gegen die ihr am 22. März 2017 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. April 2017 Berufung eingelegt, die am 18. April 2017 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum das SG von einer Klassenfahrt oder einer Gemeinschaftsveranstaltung ausgegangen sei. Denn nach dem Ergebnis des gesamten Verwaltungs- und Klageverfahrens stelle sich der Sachverhalt so dar, dass keine gezielte Absprache über Unternehmungen von Teilnehmern gleicher Seminare stattgefunden habe, sondern dass diese sich zufällig auf dem Gelände begegnet seien. Aus der Ausstattung der Bildungs- und Freizeitstätte G. - mit zahlreichen Freizeitmöglichkeiten auf dem Gelände - könne geschlossen werden, dass es sich hierbei um eine gut besuchte Einrichtung handele, die auch bei den angebotenen Seminaren für alle dort befindlichen Teilnehmer aus den verschiedensten Bereichen ein gut aufgestelltes Angebot an Freizeitaktivitäten vorhalte. Dies könne aber nicht dazu führen, einen "Rundum-Versicherungsschutz" für alle Teilnehmer zu begründen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 17. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es habe ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der Freizeitaktivität auf dem Luftkissen und dem Seminar vorgelegen. Entscheidend sei dabei, dass man dort "auf dem Gelände der Beklagten untergebracht" gewesen sei und sich der Unfall zwar auf dem Gelände der katholischen H. G. eV ereignet habe, aber unmittelbar angrenzend an dem Gelände des IB.

Der Senat hat das Programm des Seminars vom IB beigezogen. Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin außerdem ein in ihrem Zivilrechtsstreit gegen die katholische H. G. eV eingeholtes Gutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 25. März 2018 vorgelegt, in dem Mängel des Hüpfkissens der Bildungs- und Ferienstätte G. verneint worden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das SG Hildesheim hat der am 4. Juli 2016 erhobenen Klage zu Unrecht stattgegeben.

I. Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs 1, 55 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

II. Sie ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung der Beklagten, das Vorliegen eines Arbeitsunfalls abzulehnen, ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Nach § 8 Abs 1 S 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 S 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Betroffenen zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-2700 § 136 Nr 6 mwN).

Dabei müssen die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl hierzu BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 43). Dafür ist zwar keine absolute Gewissheit erforderlich; verbliebene Restzweifel sind bei einem Vollbeweis jedoch nur solange unschädlich, wie sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R - juris, mwN). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt demgegenüber die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings eine bloße Möglichkeit (vgl BSGE 103, 54 [BSG 02.04.2009 - B 2 U 33/07 R] mwN). Dabei ist der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 - B 2 U 17/15 R - juris mwN).

2. Nach diesen Vorgaben war das Ereignis vom 8. September 2015 kein Arbeitsunfall.

a) Die Klägerin stand allerdings als Absolventin eines FSJ grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil sie hierbei "Beschäftigte" iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII war. Beschäftigung ist nach § 7 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die nicht selbstständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß § 7 Abs 1 S 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil das FSJ gemäß § 3 Abs 1 Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG; hier anwendbar in der ursprünglichen, ab 1. Juni 2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 16. Mai 2008 &706;BGBl I 842&707;) (überwiegend) aus einer praktischen Hilfstätigkeit besteht und in gemeinwohlorientierten Einrichtungen geleistet wird. Damit ist ein Tätigwerden nach Weisungen und eine Eingliederung in den Betrieb der jeweiligen Einrichtung notwendig verbunden. Dies kommt vorliegend auch dadurch zum Ausdruck, dass die vom IB und der Klägerin unter dem 3. September 2015 geschlossene Vereinbarung unter 3. ua vorsieht, dass die Klägerin verpflichtet ist, die ihr übertragenen Aufgaben im Alten- und Pflegeheim in F. unter Anleitung einer Fachkraft nach Wissen und Können auszuführen und dabei den Anweisungen des Fachpersonals Folge zu leisten und während der Arbeitszeit die betriebliche Kleiderordnung einzuhalten. Dass die Klägerin kein Gehalt, sondern gemäß Nr 4.6 der Vereinbarung lediglich ein Taschengeld und einen Verpflegungskostenzuschuss erhalten sollte, ändert hieran nichts, weil es nicht zum Begriff des Beschäftigungsverhältnisses gehört, dass die Tätigkeit überhaupt gegen Entgelt ausgeübt wird (BSGE 57, 262 [BSG 13.12.1984 - 2 RU 79/83] (264)).

Dass es sich bei der Ableistung eines FSJ grundsätzlich um eine Beschäftigung handelt, wird auch mittelbar im Gesetz anerkannt, wenn § 10 Abs 1 SGB IV regelt, dass als "Beschäftigungsort" für Personen, die ein FSJ leisten, der Ort gilt, an dem der Träger des FSJ seinen Sitz hat (hierzu und zu weiteren Regelungen Leube, SGb 2011, 378 (379); Kruschinsky in Krasney, SGB VII-Komm, Stand: Februar 2019, § 2 Rn 277 ff).

Wenn § 2 Abs 1a SGB VII daneben einen Versicherungstatbestand für den "Freiwilligendienst aller Generationen" vorsieht, kommt dem im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Denn hiermit ist eine nicht im JFDG geregelte besondere Form ehrenamtlichen Engagements gemeint, die durch ein Modellprojekt der Bundesregierung eingeführt worden ist (vgl hierzu Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung &706;SGB VII&707;, Stand: Juli 2018, § 2 Rn 637a ff).

b) Die Verrichtung der Klägerin am 8. September 2015 - das Sitzen auf dem Hüpfkissen, um sich durch die anderen Jugendlichen in die Luft katapultieren zu lassen - hat auch zu einem Unfallereignis geführt, als sie auf die Kissenumrandung gestürzt ist und der Erdboden auf ihren Körper eingewirkt hat. Hierdurch ist es auch zu erheblichen Gesundheitsstörungen (mehrere Wirbelkörperfrakturen) gekommen.

c) Die zum Unfall führende Verrichtung stand aber nicht im sachlichen Zusammenhang mit der nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Beschäftigung.

aa) Der Versicherungsschutz als Beschäftigter nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII umfasste zwar grundsätzlich auch das Einführungsseminar in der zweiten Septemberwoche 2015 (zum Versicherungsschutz Beschäftigter bei der Teilnahme an Lehrgängen oder Seminaren vgl zB BSG, Urteil vom 9. Dezember 1976 - 2 RU 145/74 - juris; SozR 2200 § 548 Nr 90; SozR 3-1500 § 55 Nr 6). Denn die Klägerin war nach Nr 3.3 der FSJ-Vereinbarung (vgl auch § 5 Abs 2 Sätze 2 und 6 JFDG) hierzu verpflichtet. Zum Kreis der insoweit bestehenden Verpflichtungen gehörte aber im Kern nur die Teilnahme an der Seminararbeit von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr, wobei Nr 3.3 der FSJ-Vereinbarung ausdrücklich die Bereitschaft einforderte, beim Seminar die Arbeit in der Einrichtung zu reflektieren, sich persönlich mit den thematischen Angeboten auseinanderzusetzen und die Zusammenarbeit der Gruppe aktiv mitzugestalten. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dagegen anerkannt, dass sich der Versicherungsschutz bei Seminaren uä nicht auf den gesamten Seminaraufenthalt bezieht, weil rein private Tätigkeiten, insbesondere im Rahmen von Freizeitaktivitäten, unversichert sind (vgl etwa BSG, Urteil vom 9. Dezember 1976 aaO: Spaziergang; SozR 3-1500 § 55 Nr 6: abendliches Tischtennisspiel).

Bei den Aktivitäten der Klägerin auf dem Hüpfkissen handelte es sich um reine Freizeitgestaltung. Die Seminarveranstaltungen waren am 8. September 2015 um 18.00 Uhr beendet worden. Eine Pflicht der Teilnehmer, ihre sich anschließende Freizeit gemeinsam bzw nach bestimmten Vorgaben der Organisatoren bzw der Betreuer des IB zu verbringen, bestand nicht. Nach dem vom IB vorgelegten Seminarprogramm war zu Beginn des ersten Tages (7. September 2015) zwar die "Planung von Abendaktivitäten" vorgesehen, wobei das Interesse am Mitmachen beim Kegeln abgefragt wurde und Informationen über weitere Aktivitäten (Karaoke, Filme, Spiele) vermittelt wurden. Hierbei handelte es sich aber nur um einführende Auskünfte, um die Seminarteilnehmer mit den Gegebenheiten ihres Aufenthaltes in der Bildungsstätte vertraut zu machen. Dies zeigt schon die dazugehörige Überschrift "Organisatorisches zum Haus" und weitere darunter gefasste Punkte wie "Hausregeln zum Rauchen", "Ortsbegehung" und "Info zu den Mahlzeiten". Die Seminarteilnehmer konnten sich frei entscheiden, ob sie eines der Angebote annehmen, für sich bleiben oder das Gelände der Bildungsstätte verlassen. Wenn sie sich im letztgenannten Fall abmelden mussten und dies bei Minderjährigen nur in Gruppen von mindestens drei Personen - bei Rückkehrpflicht bis 22.00 Uhr - möglich war, hatte dies seinen Grund nicht in Besonderheiten des FSJ-Seminars, sondern entsprach bloßen Sicherheitsvorkehrungen. Hieraus ergibt sich auch, dass die Klägerin nicht - wie sie meint - "kaserniert" gewesen ist.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die angebotenen Spiele etc noch zum Seminarprogramm gehörten, kann dies aber jedenfalls nicht für die Benutzung des Hüpfkissens gelten. Hiervon war an keiner Stelle des Seminarprogramms die Rede und auch nach den Schilderungen der Klägerin selbst waren sie und die anderen Teilnehmer kurz vor dem Unfall selbst auf den Gedanken gekommen, sich auf dem Kissen zu betätigen. Dass dies zu den vom Seminarveranstalter angebotenen Freizeitaktivitäten gehören sollte, ist schon deshalb fernliegend, weil das Hüpfkissen nur für die Benutzung durch Kinder im Alter von höchstens 14 Jahren vorgesehen war, wie der Sachverständige Dr. K. in seinem vom Landgericht (LG) L. eingeholten Gutachten vom 25. März 2018 unter Hinweis auf die entsprechende DIN-Vorschrift überzeugend dargelegt hat.

Besonderheiten in der rechtlichen Ausgestaltung des FSJ mit der Folge, dass auch Freizeitaktivitäten zum Kreis der verpflichtenden Seminarinhalte gehörten, liegen nicht vor. Insbesondere kann aus § 5 Abs 2 S 5 JFDG - wonach die "Seminarzeit als Dienstzeit" gilt - nicht abgeleitet werden, dass alle Verrichtungen, die im Verlauf des Seminars vorgenommen werden, der Erfüllung einer dienstlichen Verpflichtung der Seminarteilnehmer dienen. § 5 Abs 2 S 5 JFDG hat nach seiner systematischen Stellung im Gesetz lediglich den Sinn klarzustellen, dass die Zeiten der Seminare nach § 5 Abs 2 S 2 JFDG auf die Dienstzeiten nach § 5 Abs 1 S 1 und 2 JFDG anzurechnen sind. Auch aus § 5 Abs 2 S 7 JFDG, wonach die Freiwilligen an der inhaltlichen Gestaltung und der Durchführung der Seminare mitwirken, ergeben sich keine Hinweise dafür, dass sich diese Mitwirkung nicht nur auf die Ausbildungsinhalte, sondern auch auf die Freizeitgestaltung erstrecken muss. Das gleiche gilt in Hinblick darauf, dass Freiwillige wie die Klägerin nach Nr 3.3 der FSJ-Vereinbarung verpflichtet sind, die Zusammenarbeit der Gruppe aktiv mitzugestalten.

bb) Die unfallbringende Verrichtung stand auch nicht deshalb unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil sie Bestandteil eines spielerischen Verhaltens Minderjähriger gewesen ist. In der BSG-Rechtsprechung ist bisher zu zwei Fallgruppen anerkannt, dass bei Unfällen durch Spielerei Versicherungsschutz besteht, wenn es sich bei dem Verletzten um ein Kind oder einen Jugendlichen handelt. Zum einen ist dies der Fall, wenn der Verletzte ein jugendlicher Arbeitnehmer oder ein Auszubildender ist, der durch die Gestaltung der Betriebsverhältnisse, insbesondere durch unzureichende Beaufsichtigung, in die Lage versetzt wird, sich durch leichtsinnige Spielereien am Arbeitsplatz besonderen Gefahren auszusetzen (BSG SozR 2200 § 540 Nr 14; Urteil vom 7. November 2000 - B 2 U 40/99 R - juris, mwN). Zum anderen hat das BSG wiederholt entschieden, dass bei Unfällen von Schülern, die sich während ihres Aufenthaltes im Schulbereich ereignen und auf Spielereien beruhen, die Annahme eines Versicherungsschutzes sogar noch eher zu bejahen ist als bei entsprechenden Unfällen jugendlicher Arbeitnehmer, weil von der Schule gerade in Bezug auf den Spiel- und Nachahmungstrieb der Schüler zusätzliche Gefahren ausgehen, die im Rahmen des Unfallversicherungsschutzes Berücksichtigung finden müssen (BSG aaO; SozR 2200 § 550 Nr 26). Darüber hinaus liegen bei Schülern nicht nur während des Schulbesuchs und in den Schulpausen entsprechende besondere Verhältnisse vor, sondern auch bei Klassenfahrten, bei denen der natürliche Spieltrieb und die auf typischem Gruppenverhalten beruhenden Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen zu Gefährdungen führen, die bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen sind (BSG SozR 220 § 550 Nr 14; Urteil vom 7. November 2000 - B 2 U 40/99 R - juris). So hat das BSG Ereignisse als Arbeitsunfall anerkannt, bei denen Minderjährige auf Klassenfahrten im Verlauf einer nächtlichen Rangelei (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 34) oder durch einen Fenstersturz (BSG, Urteil vom 7. November 2000 - B 2 U 40/99 R - juris) zu Schaden gekommen sind. Selbst bei einem über achtzehnjährigen Schüler, der an einer Studienfahrt teilgenommen hatte und dabei nachts von einem Haussims gesprungen war, hat das BSG (SozR 4-2700 § 8 Nr 7) das Vorliegen eines Arbeitsunfalls für möglich gehalten.

Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts ist der vorliegende Fall hiermit aber nicht vergleichbar.

Die Klägerin war im Unfallzeitpunkt zwar erst 16 Jahre und 10 Monate alt und aufgrund des Geschehensablaufs ist der Senat davon überzeugt, dass es infolge altersbedingter Gegebenheiten (Übermut, Spieltrieb, Gruppendynamik und Fehleinschätzung der tatsächlichen Gefahrenlagen) dazu gekommen ist, dass sie sich zu dem "Katapultsprung" entschlossen hat. Sie agierte hierbei - anders als die jugendlichen Arbeitnehmer bzw Auszubildenden in der ersten oa Fallgruppe - aber nicht am Arbeits- oder Ausbildungsplatz und damit nicht mehr im Rahmen der nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherten Beschäftigung, weil - wie bereits dargelegt - das Tagesprogramm des Seminars abgeschlossen war und es sich bei dem Spiel am Hüpfkissen um eine reine Freizeittätigkeit gehandelt hat.

Der Ausweitung des Versicherungsschutzes auf spielerische Freizeittätigkeiten wie auf einer Klassenfahrt steht entgegen, dass der insoweit einschlägige Versicherungsschutz von Schülern nach § 2 Abs 1 Nr 8 b SGB VII weiter geht als der der hier vorliegenden Beschäftigtenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Denn Ziel der grundsätzlich unter dem Schutz der Schülerunfallversicherung stehenden Klassenfahrten ist es nicht nur, den Schülern neue, im nachfolgenden Unterricht verwertbare Eindrücke durch den Besuch einer Stadt oder einer Landschaft zu vermitteln, sondern auch das soziale Verhalten in der Gruppe zu fördern und die auf solchen Reisen besonders zum Ausdruck kommende Gruppendynamik zu beherrschen und zu bewältigen (BSG, Urteil vom 7. November 2000 - B 2 U 40/99 R - juris; ähnlich BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 34 und zusammenfassend SozR 4-2700 § 8 Nr 7). Die Förderung und Weiterentwicklung des sozialen Gruppenverhaltens von Jugendlichen ist aber nur Aufgabe der Schulausbildung, nicht hingegen der Tätigkeit im FSJ. Im Zentrum des Jugendfreiwilligendienstes steht kein umfassender Bildungsauftrag, sondern die praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen (§ 3 Abs 1 JFDG), und die im Zusammenhang damit erbrachte pädagogische Arbeit hat nicht die umfassende erzieherische Zielsetzung wie die der Schulausbildung, sondern ist gemäß § 3 Abs 2 S 1 JFDG nur eine Begleitleistung der praktischen Tätigkeit im FSJ. Wenn in § 3 Abs 2 JFDG angeführt ist, dass die pädagogische Begleitung (auch) das Ziel verfolgt, soziale Kompetenzen zu vermitteln, steht hierbei nicht die Binnenkompetenz im Gruppenverhalten Heranwachsender im Vordergrund, sondern die Gesamtheit der Fähigkeiten, die erforderlich sind, um angemessen und gedeihlich mit Mitmenschen (und dabei insbesondere mit Mitarbeitern im Berufsleben) und mit Schutzbefohlenen umzugehen. Dies ergibt sich auch daraus, dass § 3 Abs 2 S 2 JFDG nicht nur auf soziale, sondern ebenso auf kulturelle und interkulturelle Kompetenzen und auf die Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl verweist. Nichts anderes folgt aus dem vom SG hervorgehobenen Umstand, dass die Klägerin nach Nr 3.3 des FSJ-Vertrags verpflichtet gewesen ist, die Zusammenarbeit der Gruppe (aktiv) mitzugestalten, weil sich dies schon dem Wortlaut nach nur auf die Arbeit bezogen hat. Schließlich führen auch die Ziele des Einführungsseminars, ein Gruppengefühl zu entwickeln und Vertrauen zu bilden (vgl S 1 des Seminarprogramms), zu keinem anderen Ergebnis; denn dies sollte durch die Seminarinhalte - die zB auch Übungen und Spiele zur Gruppenfindung umfassten - erreicht werden, nicht aber durch im Belieben der Teilnehmer stehende und damit nicht gruppenbezogene Freizeitaktivitäten.

Dass der besondere Schutzumfang der Schülerunfallversicherung in Hinblick auf Freizeittätigkeiten nicht auf andere Versicherungstatbestände ausgedehnt werden kann, zeigt im Übrigen die BSG-Entscheidung vom 8. Dezember 1998 (B 2 U 37/97 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 45). Dort ist der Unfall eines elfjährigen Ministranten, der im Rahmen einer Jugendherbergsfahrt nachts das Treppengeländer heruntergerutscht war, nicht als Arbeitsunfall anerkannt worden, weil der insoweit maßgebliche Versicherungsschutz ehrenamtlich Tätiger (vgl § 2 Abs 1 Nr 10.b SGB VII) weniger umfassend ist als beim Unfallversicherungsschutz für Schüler.

cc) Das Spiel auf dem Hüpfkissen kann weiterhin auch nicht als von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII geschützte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung angesehen werden. Dies würde voraussetzen, dass es "im Einvernehmen" mit der Unternehmensleitung (hier: der Seminarleitung) stattgefunden hätte (vgl hierzu BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 15/15 R - juris). Dies war aber nicht der Fall, weil sich die Klägerin und die anderen Seminarteilnehmer allein aufgrund eigenen Entschlusses und ohne Kenntnis der Seminarleitung auf das Hüpfkissen begeben hatten.

dd) Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ist auch nicht dadurch begründet worden, dass sich die Klägerin einer besonderen, dem Seminarbetrieb zuzurechnenden Gefahrenquelle ausgesetzt haben könnte. Denn gefährliche Einrichtungen können den Versicherungsschutz bei privaten Verrichtungen (zB im Rahmen einer Dienstreise) nur begründen, wenn der Versicherte der Gefahr - etwa bei der Nachtruhe, der Körperreinigung oder der Nahrungsaufnahme - zwangsläufig ausgesetzt gewesen ist. Dagegen begründen Gefährdungen, denen sich der Reisende bei privaten Unternehmungen am Aufenthaltsort freiwillig aussetzt, keinen Versicherungsschutz (vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 26, mwN). Dass sich die Klägerin vorliegend freiwillig ins Risiko begeben hatte, bedarf keiner näheren Darlegung (zumal Katapultspiele nach der Benutzungsordnung nicht erlaubt waren, vgl Bild 8 der Fotodokumentation zum Gutachten von Dr. K.). Im Übrigen ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. K., dass die Beschaffenheit des Hüpfkissens und die seiner Umrandung ordnungsgemäß gewesen ist, sodass bei vernünftigem Gebrauch hiervon keine besondere Gefahr ausging.

ee) Unerheblich sind schließlich die Hinweise der Klägerin darauf, dass sie die zum Unfall führende Freizeitaktivität auf dem Gelände der Bildungs- und Ferienstätte Eichsfeld ausgeführt habe und diese organisatorisch dem IB angegliedert gewesen sei. Denn in der gesetzlichen Unfallversicherung ist anerkannt, dass es keinen Betriebsbann gibt, aufgrund dessen alle Verrichtungen eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und auf der Arbeitsstätte versichert sind (zuletzt BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 35).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

Da der Frage, welchen Umfang der Unfallversicherungsschutz im Jugendfreiwilligendienst hat, grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat der Senat gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG die Revision zugelassen.-