Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.07.2023, Az.: 3 U 99/21
Schadensersatz wegen einer notariellen Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Beurkundung einer Grundschuldbestellung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.07.2023
- Aktenzeichen
- 3 U 99/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 56309
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 09.04.2021 - AZ: 16 O 315/20
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs. 1 BNotO
- § 17 BeurkG
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2023 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 9. April 2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen im Revisionsverfahren zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen einer notariellen Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der nicht erfolgten Beurkundung einer Grundschuldbestellung in Anspruch.
Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im Senatsurteil vom 1. Dezember 2021 sowie diejenigen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Februar 2023 (Az. III ZR 210/21) Bezug genommen.
Nach Zurückverweisung des Verfahrens hat die Klägerin unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 31. Mai 2023 vorgetragen, der Beklagte
sei mit der Erstellung einer Grundschuldbestellung beauftragt gewesen, weil in der von der Klägerin vorgefertigten Zweckerklärung Streichungen und Nachforschungen beim Grundbuchamt vorgenommen worden seien. Ferner hat die Klägerin zu Aspekten der Belehrungspflicht eines Verbrauchers vorgetragen.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 9. April 2021, Az. 16 O 315/20, abzuändern;
- 2.
den Beklagten zu verurteilen, an sie 100.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14. Februar 2021 zu bezahlen.
Der Beklagte stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, ihm sei es am 10. November 2017 nicht möglich gewesen, eine Grundschuldbestellung durchzuführen. Ferner hat er im Einzelnen Stellung zu einer etwaigen Belehrung des Zeugen M. S. genommen.
Im Übrigen wird die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat einen Anspruch aus § 19 Abs. 1 BNotO entsprechend den Vorgaben des Bundesgerichtshofs zur Kausalität in dessen Urteil vom 16. Februar 2023 nicht hinreichend dargelegt.
I. Der Bundesgerichtshof hat in Rn. 29 seines Urteils den von der Klägerin (darzulegenden und) zu beweisenden hypothetischen Kausalverlauf aufgezeigt und diesen in drei Abschnitte gegliedert. Der hypothetische Kausalverlauf umfasst:
1. die Vorbereitung aller zur Eintragung einer Grundschuld in das Grundbuch notwendigen Erklärungen Zeugen S.;
2. die gegebenenfalls gem. § 17 Abs. 1 BeurkG oder - über § 24 Abs. 1 BNotO - wie bei einer Beurkundung vom Beklagten vorzunehmende Belehrung über die rechtliche Tragweite der Bestellung einer Grundschuld an einem Grundstück des Zeugen (wie etwa die Möglichkeit einer Zwangsversteigerung des Grundstücks);
3. das Verhalten des Zeugen nach ordnungsgemäßer Belehrung.
Der Senat hat mit Beschluss vom 31. Mai 2023 darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der obigen Punkte 1 (insoweit entgegen dem Vorbringen der Klägerin im nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20. Juli 2023) und 2 der Vortrag der Klägerin bislang unzureichend und zu Punkt 1 kein Beweis angetreten sei. Auf den genauen Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
II. Zwar hält der Senat nach erneuter Durchsicht der zu den Akten gereichten Schriftsätze der Klägerin nicht daran fest, dass diese hinsichtlich des obigen Punktes 1 unzureichend vorgetragen hätte. Es bleibt aber dabei, dass das Vorbringen zu Punkt 2 nicht hinreichend substantiiert ist.
1. Es kommt zu Punkt 1 entgegen dem Vortrag der Klägerin in der Stellungnahme vom 19. Juni 2023 nicht darauf, dass der Beklagte mit der Erstellung einer Grundschuldbestellung beauftragt gewesen war, weil in der von der Klägerin vorgefertigten Zweckerklärung Streichungen vorgenommen und Nachforschungen beim Grundbuchamt angestellt worden seien. Denn der Entwurf der konkreten Grundschuldurkunde nebst Verlesen und Belehrung hätte weitere und mehr Zeit in Anspruch genommen (vgl. §§ 8, 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG) als die von der Klägerin aufgezeigten Arbeiten des Beklagten. Da die vom Zeugen M. S. dem
Beklagten ausgehändigte, von der Klägerin vorbereitete Erklärung für eine Grundschuldbestellung unzureichend war, kann auch nicht unterstellt werden, der Beklagte hätte allein deswegen ausreichend Zeit für den Entwurf und die Beurkundung der konkret erforderlichen Grundschuld gehabt, weil er ohnehin mit einer Grundschuldbestellung beauftragt war. Der Hinweis der Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20. Juli 2023 auf das Vorbringen des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 12. Oktober 2021, in dem er auch auf seine Berufungserwiderung Bezug nimmt, ist unerheblich, weil sich dieses, das "Dazwischenschieben" des Zeugen S., auf die Unterschriftsbeglaubigung und nicht eine Grundschuldbestellung bezog. Abgesehen davon hat sich die Klägerin dieses Vorbringen auch nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (hilfsweise) zu Eigen gemacht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23. Juni 1989, V ZR 125/88, Rn. 16 - juris).
Der Senat hat aber bei erneuter Durchsicht der Schriftsätze der Klägerin festgestellt, dass diese im Schriftsatz vom 19. Oktober 2021 vorgetragen hat, "es hätte also auch bei dem behaupteten Gerichtstermin vor dem Arbeitsgericht Hannover noch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, um eine Grundschuldbestellung vorzunehmen". Dieser Vortrag ist hinreichend konkret, weil der Klägerin ein genaueres Vorbringen mangels Kenntnis der Terminlage des Beklagten nicht möglich ist (s.a. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2020, VI ZR 97/19, Rn. 8 - juris). Es wäre demnach an dem Beklagten, im Wege der ihn sodann treffenden sekundären Darlegungslast (BGH, Versäumnisurteil vom 4. Februar 2021, III ZR 7/20, Rn. 19 - juris) näher zu seiner Terminlage vorzutragen. Diesem ist er bislang nur unzureichend nachgekommen. Denn er hat vorgetragen, er habe am 10. November 2017 um 9.00 Uhr eine Telefonkonferenz und um 11.30 Uhr einen Termin beim Arbeitsgericht Hannover wahrzunehmen gehabt. Zu den konkreten Zeitpunkten der Beendigung dieser Termine und zum restlichen Tagesablauf hat sich der Beklagte nicht erklärt. Dies wäre aber ungeachtet des Umstands, dass es sich beim 10. November 2017 - insoweit allgemeinkundig - um einen Freitag gehandelt hat, erforderlich gewesen. Da ein unzureichender Vortrag im Rahmen der sekundären Darlegungslast zur Folge hat, dass die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt (BGH, a.a.O.), kann der Klägerin nicht
vorgeworfen werden, sie hätte für ihre Behauptung, der Beklagte hätte am 10. November 2017 ausreichend Zeit für die Beurkundung einer Grundschuldbestellung gehabt, keinen Beweis angetreten.
Aus den Gründen zu 2 war dem Beklagten aber keine Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu seiner Terminlage zu geben.
2. Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, dass die Klägerin zu o.a. Punkt 2 unzureichend vortragen hat. Zwar hat die Klägerin zutreffend vorgetragen, welche Aspekte die Belehrungspflicht des Beklagten abstrakt hätte erfassen müssen. Die Klägerin hat aber zum Inhalt dieser Aspekte nichts vorgetragen, obwohl dies erforderlich gewesen wäre.
Die Belehrung soll dem Betroffenen die Entscheidung für oder gegen das Geschäft in Kenntnis von dessen rechtlicher Trageweite und Folgen ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2023, III ZR 210/21, Rn. 29 a.E.). Hierzu gehört u.a. der Hinweis auf die Möglichkeit der Zwangsversteigerung.
Zum Inhalt der Grundschuldbestellungsurkunde gehört u.a. im Interesse der Gläubigerin, der hiesigen Klägerin, die Unterwerfung des Grundbesitzes unter die sofortige Zwangsvollstreckung (vgl. das Gesamtmuster "Grundgerüst Grundschuld (vollstreckbar), insbesondere für einen privaten Gläubiger" bei Everts in Beck'sches Notar-Handbuch, 7. Aufl., Rn. 167 - beck-online). Soweit die Klägerin an dieser Stelle moniert, ein Notar habe über die wirtschaftlichen Folgen eines rechtlichen Geschäfts nicht zu belehren, ist dies im Grundsatz richtig, trifft aber nicht den Kern. Denn es geht um die rechtliche Konsequenz für den Fall, dass die durch die Grundschuld gesicherte Forderung nicht regelmäßig bedient und erfüllt wird. Der Beklagte weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass es nicht um die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Rechtsgeschäfts geht.
Nur aufgrund des konkreten Inhalts der Urkunde und der erforderlichen Belehrung kann der Senat den Zeugen S. konkret fragen, ob er angesichts dessen die
Grundschuld bestellt hätte. Soweit die Klägerin offenbar meint, ein Eingehen auf die Möglichkeit einer Zwangsversteigerung hätte nicht Bestandteil des Inhalts der Grundschuldbestellung und der Belehrung sein müssen, ist dies aus den o.a. Gründen unzutreffend.
III. Die Einräumung einer - erneuten - Stellungnahmefrist gem. § 139 Abs. 5 ZPO oder einer anderen Vorschrift für die Klägerin zu den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung war nicht geboten. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung keine neuen Hinweise erteilt, sondern nur diejenigen aus dem Beschluss vom 31. Mai 2023 wiederholt und die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihr daraufhin erfolgter Vortrag unzureichend sei. Ein erneuter Hinweis ist ferner nicht geboten, weil sich dem schriftlichen Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen ließ, sie hätte den Hinweis des Senats zu Punkt 2 im Beschluss vom 31. Mai 2023 falsch verstanden. Dieser war deutlich und ausreichend.
In Bezug auf die erforderliche Belehrung des Zeugen M. S. hätte die Klägerin unproblematisch zu deren Inhalt vortragen oder sich die vom Beklagten im Schriftsatz vom 10. Mai 2023 vorgetragene Belehrung zu eigen machen können. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, er habe für die von ihm vorgetragenen Aspekte der Belehrung Erkundigungen bei einem Notar eingeholt, ist dies nicht entscheidend. Vielmehr kommt es nicht auf die abstrakten Aspekte der Belehrung an, sondern auf den Inhalt der konkreten Belehrung gegenüber dem direkt an der Beurkundung beteiligten Zeugen S.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision gen. § 543 Abs. 2. Satz 1 ZPO bot diese auf den konkreten Umständen des Einzelfalls beruhende Entscheidung nicht.