Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.07.2023, Az.: 21 WF 78/23
Gegenstandswert eines Vergleichs zum Sorge- und Umgangsrecht; Höhe der Anwaltsvergütung bei Abschluss eines einheitlichen Vergleichs in zwei gesonderten Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.07.2023
- Aktenzeichen
- 21 WF 78/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 29469
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2023:0710.21WF78.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Tostedt - 10.07.2023 - AZ: 23 F 111/22
Rechtsgrundlagen
- § 2 RVG
- § 33 RVG
- § 49 RVG
- § 56 RVG
- RVG-VV Nr. 1000
- RVG-VV Nr. 1003
- § 45 FamGKG
Fundstellen
- FK 2024, 41-42
- FamRB 2023, 408-409
- FamRZ 2023, 1900
- JurBüro 2023, 471-474
- MDR 2023, 1416
- NZFam 2023, 910
Amtlicher Leitsatz
Schließen die Beteiligten in einem Termin einen Vergleich zum Sorge- und Umgangsrecht, so bemisst sich die Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 i.V.m. Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG aus den zusammengerechneten Werten beider Verfahren. Die Vergütung ist in dem Verfahren festzusetzen, in dem der Vergleich geschlossen wird (im Anschluss an OLG Celle vom 24.04.2014 - 17 WF 79/14, NdsRpfl 2014, 254; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen AGS 2017, 268; LSG Baden-Württemberg AGS 2019, 402 [LSG Baden-Württemberg 27.06.2019 - L 10 SF 4412/18 E-B] [LSG Baden-Württemberg 27.06.2019 - L 10 SF 4412/18 E-B]). Bei einem Gesamtvergleich ist nach dem ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Willen der Vertragsparteien - auch bei gegensätzlicher Äußerung der Verfahrensbevollmächtigten - regelmäßig von einem (einheitlichen) Vertrag i.S.d. Nr. 1000 VV RVG auszugehen, wobei neben der einheitlichen Form auf den engen objektiven sachlichen Zusammenhang sowie auf die einheitliche Erörterung abzustellen ist, sodass davon ausgegangen werden kann, die eine Vereinbarung wäre nicht ohne die andere zustande gekommen.
In der Familiensache
betreffend den Umgang mit
1. R. K., geb. am ##.04.2017,
2. S. K., geb. am ##.08.2018,
3. Verfahrensbeistand:
##
Weitere Beteiligte:
4. Mutter:
M. K., ##
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
##
5. Vater:
S. K.,
Verfahrensbevollmächtigte:
##
Erinnerungs- und Beschwerdeführerin,
6. ##
hat der 21. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwonberg, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Clodius sowie den Richter am Amtsgericht Dr. Ahnefeld am 10. Juli 2023 beschlossen:
Tenor:
- I.
Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Vaters vom 19. Juni 2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tostedt vom 1. Juni 2023 wird zurückgewiesen.
- II.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beteiligten haben vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Tostedt das vorliegende Verfahren 23 F 111/22 UG betreffend das Umgangsrecht für die Kinder R. K., geboren am ##. April 2017, und S. K., geboren am ##. August 2018, sowie das Verfahren 23 F 101/22 SO (21 WF 77/23) betreffend die elterliche Sorge für die beiden Kinder geführt. Den Eltern war Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden.
Am 15. März 2023 wurden die beiden Verfahren vor dem Amtsgericht zusammen verhandelt. Die Beteiligten schlossen eine gemeinsame Vereinbarung zu beiden Verfahrensgegenständen, in der u.a. folgendes geregelt wurde:
1. Die Kindeseltern sind sich darüber einig, dass die elterliche Sorge sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder [...] fortan weiter gemeinschaftlich ausgeübt werden soll. Der Lebensmittelpunkt der Kinder soll beim Kindesvater bleiben.
2. Die Kindesmutter erhält wöchentlich begleiteten Umgang. [...]
In einem im Anschluss protokollierten Beschluss erstreckte das Amtsgericht die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf die Vereinbarung und unter Ziff. 4 des Beschlusses setzte es den Verfahrenswert je Verfahren auf 4.000 € fest, wobei es ergänzte, dass "je Verfahren eine Einigungsgebühr anfallen soll, so wie dies bei einer getrennten Verhandlung von Umgangs- und Sorgerecht der Fall wäre."
Am 16. März 2023 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte des Vaters (im Folgenden: Beschwerdeführerin) in beiden Verfahren jeweils die Festsetzung ihrer Vergütung als beigeordnete Rechtsanwältin. Wegen der Vereinbarung begehrte sie jeweils die Festsetzung eines Betrages von 330,82 € (278 € Einigungsgebühr zzgl. 52,82 € Umsatzsteuer).
Am 22. März 2023 wurde die aus der Landeskasse noch zu zahlende Verfahrenskostenhilfevergütung für das Sorgerechtsverfahren auf 377,23 € (317 € Einigungsgebühr zzgl. 60,23 € Umsatzsteuer) und für das vorliegende Umgangsverfahren auf 0 € festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine einheitliche Einigung immer zu einer Einigungsgebühr nach den addierten Verfahrenswerten führe. Die Einigungsgebühr sei in dem Verfahren 23 F 101/22 SO nach den zusammengerechneten Werten von je 4.000 € (8.000 €) in Höhe von 317 € festgesetzt worden und könne in dem Verfahren 23 F 111/22 UG keine Berücksichtigung mehr finden.
Gegen die Festsetzung wendete sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Erinnerung vom 22. März 2023, der sich die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter mit Schriftsatz vom 20. April 2023 angeschlossen hat. Zur Begründung führte sie aus, das Gericht habe im Hinblick auf die Anhörung insbesondere des Sachverständigen sowie des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin ein einheitliches, gleichlautendes Protokoll fertigen wollen, was selbstverständlich durchaus sinnvoll sei. Es sei ausdrücklich vor der Protokollierung der Vereinbarung darauf hingewiesen worden, dass die Einigung zum Sorgerecht und die Einigung zum Umgangsrecht zwei verschiedene Angelegenheiten und die Vereinbarung jeweils getrennt zu protokollieren seien, da andernfalls "der Kostenbeamte" geltend machen werde, dass nicht zwei Einigungsgebühren, sondern lediglich eine aus dem zusammengerechneten Wert beider Angelegenheiten anfallen würde. Es sei deshalb auch die Klarstellung im Beschluss erfolgt. Wenn das Familiengericht es als sinnvoll und sachgerecht erachte, ein einheitliches Protokoll über die Verhandlung aufzunehmen und entsprechend eine einheitliche Vereinbarung zu diktieren, um dadurch die Dinge abzukürzen und zu rationalisieren, so könne im Rahmen der Vergütungsfestsetzung dies nicht einfach zum Anlass genommen werden, die Verfahrenskostenhilfevergütung zu kürzen. Wegen des weiteren Inhalts wird auf das Erinnerungsschreiben vom 22. März 2023 Bezug genommen.
Durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tostedt vom 1. Juni 2023 wurde die Erinnerung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, bei gemeinsamer Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Partei entstehe nur eine Einigungsgebühr, die nach den zusammengerechneten Werten der Einigungsgegenstände zu berechnen sei. Dabei spiele es keine Rolle, ob in der Einigung Gegenstände mitgeregelt werden, die im Übrigen zu unterschiedlichen Angelegenheiten gehören. Es sei weiter unerheblich, ob die Gegenstände in verschiedenen gerichtlichen Verfahren anhängig sind. Die Beteiligten brächten durch die Einbeziehung in die Einigung zum Ausdruck, dass sie hinsichtlich der Einigungsgebühr alles als eine Angelegenheit behandeln wollen. Dies gelte auch dann, wenn zuvor keine förmliche Verbindung der Verfahren erfolgt ist oder gar unzulässig war. Auch wenn die Angelegenheiten jeweils getrennt in einem Beschluss protokolliert seien, entstehe weiterhin nur eine Einigungsgebühr aus dem zusammengerechneten Wert. Die durch die Einigungstätigkeit hervorgerufenen Gebühren entstünden dabei nur in dem Verfahren, in dem die Bemühungen erfolgen, nicht jedoch bei Einbeziehung anderweitiger anhängiger Ansprüche in dem Verfahren, in dem der miteinbezogene Anspruch anhängig ist. Dies entspräche der einhelligen Rechtsprechung, die das Gericht bei Niederlegung des Sitzungsprotokolls verkannt habe.
Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer "sofortigen Beschwerde" vom 19. Juni 2023. Zur Begründung führt sie aus, die zuständige Richterin ignoriere ihren Beschluss zu Ziff. 4 aus der Sitzung vom 15. März 2023, dessen Hintergrund gewesen sei, dass in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erläutert und geltend gemacht worden sei, dass es sich um zwei Verfahren handele und die jeweiligen Vereinbarungen getrennt zu protokollieren seien, da anderenfalls eine Einigungsgebühr nur aus dem zusammengerechneten Wert statt jeweils aus 4.000 € berechnet werde und dies zu nicht sachgerechten Gebühreneinbußen der Rechtsanwälte führen würde. Das Amtsgericht habe sich in der mündlichen Verhandlung durch den Beschluss zu Ziff. 4 im Sinne einer "Selbstbindung der Verwaltung" festgelegt. Dass es auf das Vorliegen eines förmlichen Verbindungsbeschlusses und mithin auf die fortbestehende verfahrensrechtliche Selbstständigkeit nicht ankomme, da es sich um ein als Beispiel zu nennendes "Mitvergleichen" von Gegenständen weiterer, bereits anhängiger Verfahren anlässlich der vergleichsweisen Beilegung eines Verfahrens handele, sei unzutreffend. Es treffe auch nicht zu, dass etwa auch bei getrennter Protokollierung die Einigungsgebühr nur einmal anfallen würde. Es gehe zudem nicht nur um Fälle wie den vorliegenden. Das Problem bezüglich der Einigungsgebühr entstehe regelmäßig insbesondere auch bei von den Familiengerichten auf denselben Tag terminierten Scheidungsverbund- und Trennungsunterhaltsverfahren.
Die Einigungsgebühr sei eine Erfolgsgebühr, die gerade dazu diene, die Mehrarbeit des Anwalts im Hinblick auf die Erzielung einer Einigung zu honorieren und damit unter prozessökonomischen Gründen das Gericht von einer streitigen Entscheidung zu entlasten. Wenn die Einigungsgebühr infolge zusammengefasster Protokollierung gekürzt werde, so werde es diese gemeinsamen Verhandlungen und Vereinbarungen im Rahmen einer einheitlichen Protokollierung nicht mehr geben. Vielmehr werde das Gericht gebeten, sowohl in dem einen als auch in dem anderen Verfahren einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung zu unterbreiten oder aber die Verfahrensbevollmächtigten ließen in beiden Verfahren getrennt jeweils im schriftlichen Verfahren den Vergleichsabschluss feststellen. Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens nimmt der Senat auf die Beschwerdebegründung vom 19. Juni 2023 Bezug.
II.
Die als Beschwerde nach den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 bis 8 RVG auszulegende "sofortige Beschwerde" der Beschwerdeführerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1.
Die vorliegend maßgebliche Vergütungsvorschrift der Nr. 1003 i. V. m. Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG regelt, dass die Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, 1,0 beträgt, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. In Kindschaftssachen entsteht die Gebühr auch für die Mitwirkung am Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs (§ 156 Abs. 2 FamFG) und an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, wenn hierdurch eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder wenn die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt.
Nach § 2 Abs. 1 RVG werden die Gebühren, soweit im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nichts anderes bestimmt ist, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat. "Gegenstand" der Tätigkeit ist das Recht oder das Rechtsverhältnis, auf das sich die jeweilige anwaltliche Tätigkeit und nicht nur der jeweilige Auftrag tatsächlich bezieht (Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl. 2023, § 7 RVG Rn. 19; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 2 Rn. 16). Der Begriff des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit ist vom Begriff der Angelegenheit abzugrenzen. Bei letzterem handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff, zur Unterscheidung desjenigen anwaltlichen Tätigkeitsbereichs, den eine Pauschgebühr abgelten soll (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 25. Aufl. 2021, § 15 Rn. 5). Aus den §§ 16 ff. RVG folgt, dass unterschiedliche Gerichtsverfahren gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten darstellen (s. auch BGH NJW-RR 2010, 1697 [BGH 10.05.2010 - II ZB 14/09] [Rn. 13] noch zu § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG a.F.). Das bedeutet, dass für die Verfahrensbevollmächtigten die Anwaltsgebühren für jedes Verfahren gesondert anfallen, und zwar auch dann, wenn die Angelegenheiten in demselben Gerichtstermin verhandelt werden. Eine Zusammenrechnung nach § 22 Abs. 1 RVG findet nicht statt (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2008, 1969).
Teilweise wird dementsprechend vertreten, dass nach dem Wortlaut der Nr. 1003 Satz 1 VV RVG davon auszugehen sei, dass in jedem gerichtlich anhängigen Verfahren mit Ausnahme eines selbständigen Beweisverfahrens, das durch einen Vergleich in einem anderen Verfahren erledigt wird, eine Einigungsgebühr von 1,0 anfalle (so etwa LSG Niedersachsen-Bremen AGS 2017, 268 [Rn. 24]; LSG Baden-Württemberg AGS 2019, 402 [LSG Baden-Württemberg 27.06.2019 - L 10 SF 4412/18 E-B] [Rn. 30 ff.]).
Demgegenüber wird überwiegend vertreten, dass eine Zusammenrechnung stattzufinden hat, wenn mehrere Verfahren durch einen gemeinsamen Vergleich beendet werden. Die Beteiligten brächten durch die Einbeziehung in eine Einigung zum Ausdruck, dass sie hinsichtlich der Einigungsgebühr alles als eine Angelegenheit behandeln wollen (s. etwa Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl. 2021, VV 1003 Rn. 71 m.w.N.; Keske, in: Hdb.FamR, 12. Aufl., Kap. 17 Rn. 338; OLG Celle vom 24.04.2014 - 17 WF 79/14, NdsRpfl 2014, 254 [Rn. 15]).
Für diese Auffassung, die im Ergebnis auch vom Senat geteilt wird, spricht insbesondere, dass bei einem Gesamtvergleich regelmäßig von einem (einheitlichen) Vertrag i.S.d. Nr. 1000 VV RVG - auch ein Vergleich ist ein Vertrag, § 779 Abs. 1 BGB - auszugehen ist und dass bei einem solchen einheitlichen Vergleich die Annahme mehrerer nebeneinander stehender Einigungsgebühren nicht sachgerecht erscheint. Die Beurteilung, ob ein einheitlicher Vertrag anzunehmen ist (und nicht mehrere selbstständige Verträge), ist durch Auslegung des (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Willens der Vertragsparteien zu ermitteln. Indiz für einen einheitlichen Vergleich kann neben einer einheitlichen Form insbesondere auch ein enger objektiver sachlicher Zusammenhang sein. Insoweit besteht bei Vereinbarungen zum Sorge- und Umgangsrecht häufig ein solch enger Sachzusammenhang, dass davon ausgegangen werden kann, die eine Vereinbarung wäre nicht ohne die andere zustande gekommen (s. auch OLG Celle a.a.O. [Rn. 16]). Für eine einheitliche Regelung spricht darüber hinaus, dass der Vereinbarung i.d.R. eine gemeinsame Erörterung der jeweiligen Verfahrensgegenstände vorausgeht und die Regelungen gerade nicht isoliert voneinander ausgehandelt werden. Vielmehr steht gerade in Kindschaftssachen eine gemeinsame Lösung im Vordergrund.
2.
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend von einem einheitlichen Gesamtvergleich auszugehen, der eine Einigungsgebühr zu einem Wert von 8.000 € entstehen lässt. So handelt es sich bei der Vereinbarung vom 15. März 2023 schon der Form nach um einen einheitlichen Vergleich, bei dem die fortdauernde gemeinsame elterliche Sorge (unter Ziffer 1), ein wöchentlich begleiteter Umgang (unter Ziffer 2), regelmäßige Beratungsgespräche (unter Ziffer 3) sowie eine Vollmachtserteilung seitens der Mutter (unter Ziffer 4) geregelt wurden. Auch besteht ein enger objektiver sachlicher Zusammenhang. Die Beteiligten haben sich insbesondere zum Aufenthalt bzw. Lebensmittelpunkt der Kinder sowie zum Umgangsrecht vereinbart und damit letztlich dazu, wann die Kinder beim Vater und wann sie bei der (umgangsberechtigten) Mutter sind. Bei diesen Regelungsgegenständen ist davon auszugehen, dass die eine Vereinbarung nicht ohne die andere zustande gekommen wäre. Die enge Verknüpfung gerade von Aufenthaltsbestimmungsrecht und Umgang zeigt sich auch in der aktuellen Diskussion etwa zu den Möglichkeiten der Regelung eines Wechselmodells.
Einer etwaigen entsprechenden Auslegung des Willens beider Elternteile steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin im Termin geäußert hat, gerade keinen einheitlichen Vergleich zu wünschen. Damit hat die Beschwerdeführerin, die grundsätzlich zu einer sparsamen Verfahrensführung verpflichtet ist (s. dazu bereits OLG Celle a.a.O. [Rn. 16]), primär ihr eigenes Gebühreninteresse, wie dies auch aus der Beschwerdebegründung hervorgeht, zum Ausdruck gebracht, das dem Willen der beteiligten Eltern wegen der höheren Kosten ersichtlich entgegenläuft. Dabei verkennt der Senat nicht die unterschiedliche Gebührenhöhe und Progression für die Wahlanwaltsgebühren nach § 13 RVG auf der einen Seite sowie die Höhe der Wertgebühren für beigeordnete Anwälte im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe nach § 49 RVG auf der anderen Seite.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass in dem der Protokollierung der Vereinbarung nachfolgenden Beschluss eine Klarstellung dahingehend formuliert worden ist, dass je Verfahren eine Einigungsgebühr anfallen soll. Die Entstehung der gesetzlichen Gebühren unterliegt weder der Disposition der Beteiligten oder der Rechtsanwälte (s. auch LSG Baden-Württemberg a. a. O. [Rn. 31]) noch ist sie durch gerichtlichen Beschluss zu regeln. Sie ergibt sich vielmehr aus dem RVG und dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG. Somit konnte durch die Regelung zu Ziff. 4 des Beschlusses vom 15. März 2023 auch keine "Selbstbindung" des Gerichts eintreten.
3.
Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass es auch bei anderen Sachverhaltskonstellationen wie etwa bei auf denselben Tag terminierten Scheidungsverbund- und Trennungsunterhaltsverfahren letztlich darauf ankommt, ob ein einheitlicher Vergleich geschlossen worden ist. Dies ist anhand der vorstehend skizzierten Maßstäbe zu beurteilen (s. Ziff. II. 1.).
Schließlich sei ergänzend ausgeführt, dass ein einheitlicher Vergleich selbst dann vorliegen kann, wenn der Form nach zwei Vergleiche protokolliert oder durch Beschluss festgestellt worden sind - unabhängig davon, ob in einem oder in zwei Protokollen oder in mehreren Beschlüssen (a. A. OLG Düsseldorf FamRZ 2021, 1311 [Rn. 4 ff.]). Indiz für einen einheitlichen Gesamtvergleich kann dann neben einem engen objektiven sachlichen Zusammenhang insbesondere ein enger zeitlicher Zusammenhang sein.
4.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Amtsgericht den Verfahrenswert, den es vorliegend mit Beschluss vom 23. Juni 2022 auf 4.000 € festgesetzt hat, gemäß § 45 Abs. 3 FamGKG im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens nach den besonderen Umständen des Einzelfalls auch mit einem höheren Wert festsetzen kann. Dabei sind insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der Angelegenheit zu berücksichtigen, wie sie sich aus der Sachverhaltsaufklärung, einem umfangreichen Sachverständigengutachten, der Zahl bzw. Dauer von Anhörungsterminen sowie dem Konfliktpotenzial der Beteiligten ergeben können (Schulte-Bunert/Weinreich/Keske, FamFG, 7. Aufl., § 45 FamGKG Rn. 8 f. m. w. N.). Insoweit könnte vorliegend zu berücksichtigen sein, dass das Amtsgericht ein Gutachten eingeholt, den Sachverständigen angehört und der Termin am 15. März 2023 mehr als drei Stunden gedauert hat. Dabei könnte sich eine Heraufsetzung des Verfahrenswertes auf die Verfahrens- und Terminsgebühr beschränken.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG. Eine Verfahrenswertfestsetzung war angesichts der Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens nicht veranlasst.