Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.07.2023, Az.: 1 U 76/22

Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus übergegangenem wegen ärztlicher Behandlungsfehler und fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit der Geburt ihres unmitelbar nach der Behandlung verstorbenen Kindes; Verabreichung einer falschen medikamentösen Dosis; Einhaltung der allgemeinen medizinischen Standards

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.07.2023
Aktenzeichen
1 U 76/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 56143
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 12.10.2022 - AZ: 2 O 392/18
nachfolgend
BGH - AZ: VI ZR 240/23

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2023 durch die Richterin am Oberlandesgericht E., die Richterin am Oberlandesgericht W. und die Richterin am Oberlandesgericht K. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 12. Oktober 2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Kläger machen gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus übergegangenem und eigenem Recht wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler und fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit der Geburt ihres - am 12.07.2015 verstorbenen - Kindes im Hause der Beklagten zu 1 zwischen dem 05.07.2015 ab ca. 1.30 Uhr und dem 06.07.2015 um ca. 7.30 Uhr sowie der anschließenden Behandlung des Neugeborenen im Hause der Beklagten zu 2 bis zum 11.07.2015 um ca. 14.00 Uhr geltend.

Vorausgegangen ist ein selbständiges Beweisverfahren der Kläger gegen die Beklagten (LG Lüneburg 2 OH 14/15) zur Klärung der Todesursache ihres Kindes ... . Das Verfahren war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. In vorgenanntem Verfahren wurde ein pathologisch-anatomisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. (MHH) eingeholt (Bl. 71 ff. BA LG Lüneburg 2 OH 14/15). Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Lüneburg im Ermittlungsverfahren 5105 Js 20156/15 ein forensisch-neuropathologisches Gutachten der Rechtsmediziner Prof. Dr. P. und Prof. Dr. S., UKE Hamburg, eingeholt (als Kopie bei den Akten).

Wegen vermeintlicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler während der Geburt verfolgt die Klägerin zu 1 in einem gesonderten Verfahren (LG Lüneburg 2 O 288/18 = OLG Celle 1 U 75/22) eigene Schmerzensgeld- und Feststellungsansprüche gegen die Beklagte zu 1.

Hinsichtlich der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen und der gestellten Anträge wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 12.10.2022 (Bl. 915 ff. d. A.).

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens und mündlicher Anhörung des neonatologisch-pädiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. K. sowie Verwertung des im Verfahren LG Lüneburg 2 O 288/18 (im Folgenden als Parallelverfahren bezeichnet) eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. L. gemäß § 411a ZPO nebst mündlicher Anhörung die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die Kläger das Vorliegen eines Behandlungsfehlers nicht bewiesen hätten. Die Kammer sei auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Behandlung der Klägerin zu 1 im Hause der Beklagten zu 1 oder die Behandlung des Kindes der Kläger im Hause beider Beklagten nicht dem medizinischen Facharztstandard entsprochen hätte. Hinsichtlich der Behandlung der Klägerin zu 1 sei im Rahmen des Geburtsverlaufs vom 05.07.2015 bis 06.07.2015 im Hause der Beklagten zu 1 kein Behandlungsfehler festzustellen. Die Kammer folgt insoweit den im Parallelverfahren getroffenen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. L., die sie sich nach eigener kritischer Würdigung zu eigen macht. Sodann zitiert das Landgericht aus dem im Parallelverfahren ergangenen Urteil vom 12.10.2022 (siehe Seite 14 - 19 Mitte des im hiesigen Berufungsverfahren angefochtenen Urteils) und erklärt, dass diese Ausführungen uneingeschränkt auch im vorliegenden Verfahren für die Feststellung und die Beurteilung eines Behandlungsfehlers durch die Beklagte zu 1 gelten. Eine Fehlbehandlung im Hause der Beklagten zu 1 ergebe sich auch nicht hinsichtlich der Erstversorgung des Neugeborenen. Unstreitig habe die Beklagte zu 1 nach der Geburt des Kindes der Kläger aufgrund dessen festgestellten pathologischen Zustands eine Kinderärztin der Beklagten zu 2 hinzugezogen. Vor diesem Hintergrund sei eine unzureichende Versorgung durch die Beklagte zu 1 weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Trennung des Neugeborenen von der Klägerin zu 1 sowie der Umstand, dass die Klägerin zu 1 infolge der Verlegung in das Klinikum der Beklagten zu 2 ihr Kind nicht gestillt habe, sich negativ auf das Kind ausgewirkt hätten, bestünden nicht.

Weiter stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch hinsichtlich der Behandlung des Neugeborenen im Zeitraum vom 06.07.2015 bis 11.07.2015 im Hause der Beklagten zu 2 ein Behandlungsfehler nicht fest. Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K., die sie sich nach eigener kritischer Würdigung zu eigen macht. Ein Behandlungsfehler ergebe sich nicht aufgrund der Behandlung des Kindes der Kläger mit Antibiotika. Aufgrund der festgestellten respiratorischen Anpassungsstörung sowie der bei der Klägerin zu 1 vorhandenen Risikofaktoren der B-Streptokokken-Besiedelung und des vorzeitigen Blasensprungs ca. 30 Stunden vor der Geburt habe der dringende Verdacht einer Neugeboreneninfektion bzw. -sepsis bestanden. Bei einem solchen Befund entspräche es dem richtigen medizinischen Vorgehen und anerkannten und gesicherten Stand der ärztlichen Wissenschaft, unverzüglich nach der Geburt eine antibiotische Therapie zu beginnen und das Neugeborene zur weiteren Versorgung in eine Kinderklinik zu verlegen. Die Behandlung mit Ampicillin und Gentamicin sei indiziert gewesen. Auch ohne konkreten Nachweis eines bestimmten Keims hätte aufgrund des Vorliegens einer Tachydyspnoe, der respiratorischen Anpassungsstörung und des grauen Munddreiecks unter Berücksichtigung der vorgenannten Risikofaktoren der Mutter alternativlos frühzeitig die Antibiotikatherapie begonnen werden müssen. Der Zeitfaktor sei ganz entscheidend; es zähle jede Minute, um zu verhindern, dass das Kind schwer krank werde. Dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Beweis für eine Infektion nicht erbracht werden konnte, sei keine Seltenheit und bedeute nicht, dass die Antibiotikabehandlung frühzeitiger hätte beendet werden müssen. Die klinischen Anzeichen für eine Infektion hätten ausgereicht, um die Antibiotikabehandlung fortzusetzen. Soweit in den Leitlinien stehe, dass die prophylaktische Gabe von Antibiotika unter der Geburt ausreiche, betreffe dies nur Neugeborene, die, wie hier nicht, ohne klinische Anzeichen für eine Infektion zur Welt kämen. Daher regele die anwendbare Leitlinie ausdrücklich, dass bei Kindern mit Hinweisen auf eine bakterielle Infektion in jedem Fall unverzüglich die Therapie mit Antibiotika einzuleiten sei, und zwar unabhängig davon, ob unter der Geburt an die Mutter bereits Antibiotika verabreicht worden seien oder nicht.

Die Wahl der Antibiotika Ampicillin und Gentamicin, die eine weltweite Standardtherapie zur Behandlung der frühen Neugeboreneninfektion darstelle, sei ebenso wenig behandlungsfehlerhaft wie die verabreichte Dosis. Die Dosierung habe den offiziellen Empfehlungen für reife Neugeborene entsprochen. Eine Überdosierung sei nicht erfolgt, insbesondere habe sich die Dosierung nicht in einem toxischen Bereich befunden. Bei Gentamicin schwankten die Empfehlungen von 4 mg bis 7 mg je Kilogramm Körpergewicht pro Dosis, Ampicillin werde in einer Dosis von 100 mg/kg dreimal am Tag verabreicht. Die Dauer der Behandlung habe den Vorgaben entsprochen. Auch bei einem blanden Infektionsverlauf werde in der damals gültigen Leitlinie eine Dauer von fünf bis sieben Tagen empfohlen.

Ein Ersatzanspruch der Kläger ergebe sich auch nicht auf der Grundlage eines Aufklärungsfehlers. Zum einen habe es keiner besonderen Aufklärung bedurft, weil die Maßnahme alternativlos und unaufschiebbar war. Sie sei ohne medizinische Alternative absolut notwendig gewesen und hätte sofort beginnen müssen. Daher habe es einer Einwilligung der Eltern nicht bedurft, sondern wäre es behandlungsfehlerhaft gewesen, zunächst abzuwarten oder mit den Eltern zu sprechen und nicht unmittelbar die Antibiotikatherapie vorzunehmen. Zum anderen fehle es auch an einem kausal auf einem hypothetischen Aufklärungsfehler beruhenden Schaden. Schließlich ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für eine unzureichende Aufklärung der Kläger im Rahmen der Entlassung des Kindes aus der Klinik der Beklagten zu 2. Der Behandlungsverlauf habe sich problemlos gestaltet. Zu Beginn habe das Kind noch eine Tachypnoe und Einziehungen gezeigt und die initiale Blutgasanalyse habe eine leichte metabolische Azidose gezeigt. Die weiteren Kontrollen hätten jedoch Normalbefunde ergeben. Sämtliche Vitalparameter seien unauffällig gewesen ebenso wie das Trinkverhalten des Kindes. Daher habe das Kind nach sechs Tagen in einem guten Allgemeinzustand entlassen werden können. Besondere Verhaltensmaßregeln, insbesondere im Hinblick auf mögliche gesundheitliche Risiken, hätten den Eltern bei der Entlassung nicht mitgeteilt werden müssen. Zudem könnten konkrete Anhaltspunkte, dass die Antibiotika (mit-) ursächlich für das plötzliche Versterben des Kindes gewesen wären, weder durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. K. noch durch den im selbständigen Beweisverfahren bestellten Sachverständigen festgestellt werden. Ein weiteres Gutachten eines Sachverständigen mit Spezialkenntnissen der Perinatalmedizin sei nicht erforderlich. Der Sachverständige Prof. Dr. K. besitze hinsichtlich der für diesen Rechtsstreit zu beantwortenden Fragen die erforderliche Qualifikation. Als auf dem Fachgebiet für Neonatologie tätiger Arzt im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin befasse er sich mit den typischen Erkrankungen von Neugeborenen. Auch im Übrigen bestehe keine Veranlassung, ein neues Gutachten durch einen anderen Sachverständigen einzuholen.

Die Kläger haben einen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt (Bl. 956 ff. d.A.), der mit Beschluss des Landgerichts vom 18.11.2022 (Bl. 982 ff. d.A.) zurückgewiesen worden ist.

Mit der vollumfänglichen Berufung werfen die Kläger dem Landgericht zunächst vor, die Vorschriften der §§ 630a Abs. 1, 630a Abs. 2, 630d, 630e, 630h, 630f, 831 Abs. 1 S. 1 BGB übersehen zu haben. Auch sei das durch die stationäre Aufnahme rechtskräftig gewordene Rechtsgeschäft übersehen worden, die Anfechtung des vertragsrechtlichen Anspruchs der Kläger sei danach ausgeschlossen. Weiter weisen die Kläger darauf hin, dass in dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. festgestellt worden sei, dass das Kind wegen der überlangen Geburtsdauer eine Gehirnblutung im Großhirn und mehrere hypoxische Gehirnschäden und während des Aufenthalts im Hause der Beklagten zu 2 eine Lungenblutung erlitten habe. Außerdem seien während der U2- Untersuchung eine vergrößerte Niere und ein vergrößertes Hirn festgestellt worden. Die Kläger rügen, dass die Beklagte zu 2 diese "Behandlungsfälle" weder weiter untersucht noch behandelt, sondern dem Kind eine Überdosis mit toxischen Medikamenten verabreicht habe. Sie behaupten, dass laut Leitlinien und Fachliteratur eine Antibiotikatherapie des Kindes selbst bei vorzeitigem Blasensprung, Geburtsdauer über 18 Stunden und Streptokokken-B-positiv-Nachweis nicht notwendig gewesen sei, weil bei der Geburt prophylaktisch ein Antibiotikum verabreicht wurde, was eine Verhinderung der Infektion bedeute. Auch bleibe die Behandlung hinter dem Facharztstandard zurück, weil sich im Laufe der Untersuchungen im Hause der Beklagten zu 2 der Verdacht einer durch Streptokokken-B verursachten Infektion nicht bestätigt habe, die Behandlung mit toxischem Antibiotikum in Überdosis aber nicht abgesetzt worden sei. Unstreitig habe das Kind gar keine Infektion, ob Pneumonie oder andere, gehabt.

Insbesondere die respiratorische Anpassungsstörung, Verdacht einer Pneumonie oder Infektion, die unter der Geburt erlittenen Gehirnblutungen und hypoxischen Hirnschäden im Hause der Beklagten zu 1, die Lungenblutungen während des stationären Aufenthalts des Kindes im Hause der Beklagten zu 2 und die Behandlung mit toxischem Antibiotikum in Überdosis seien nicht ausreichend dokumentiert. Folge der Dokumentationsfehler sei, dass solche Maßnahmen nicht durchgeführt worden seien, was auch die Antibiotikatherapie betreffe. Zudem fehlten in der Patientenakte der Beklagten zu 2 gesetzespflichtige Dokumentationen.

Nach Auffassung der Kläger haften die Beklagten auch deliktisch, die Anfechtung des deliktischen Arzthaftungsrechts sei ausgeschlossen. Hinsichtlich der dargestellten Sachverhalte aus dem selbständigen Beweisverfahren fehle eine Beweiswürdigung. Diese hätte einen allgemeinen und groben Behandlungsfehler ergeben. Die Kläger beantragen deswegen, anhand des Sachverständigengutachtens aus dem Verfahren 2 OH 14/15 bezüglich der Behandlung des Fötus im Hause der Beklagten zu 1 und des Neugeborenen nach seiner Geburt im Hause der Beklagten zu 2 eine Beweiswürdigung nach § 287 ZPO vorzunehmen.

Die Kläger rügen die gemäß § 411a ZPO erfolgte Verwertung des Gutachtens aus dem Parallelverfahren. Das Gesetz sehe die Verwertung eines bereits vorhandenen Gutachtens vor, nicht die eines Gutachtens, das noch nicht erstellt worden sei. Das Gericht habe die Verwertung erst am 22.10.2021 bestätigt. Eine Verwertungsanordnung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme und eine Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gutachten aus dem Parallelverfahren seien im vorliegenden Fall unterblieben. Außerdem habe jenes Gutachten keine Fragen zum Sachverhalt des Fötus und Neugeborenen beantwortet.

Hinsichtlich des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. wenden die Kläger ein, dass dieser kein Arzt der Geburtsmedizin sei und die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Behandlung des Babys "mit giftigen Medikamenten in Überdosis" durch ein Gutachten der Geburtsmedizin und Pädiatrie ergänzt werden müsse. Das Gutachten befasse sich nicht mit allen entscheidungserheblichen Punkten und sei auch deshalb mangelhaft, weil es nicht die Anforderungen der AWMF-Leitlinie Nr. 094/001 "Leitlinie allgemeine Grundlagen der medizinischen Begutachtung" erfülle. Danach müsse der Gerichtsgutachter seinem Gutachten voranstellen, welche Patientenakten ihm vorgelegen hätten und welche fehlten, sodann müsse er den Sachverhalt umfassend darstellen und im Anschluss die einzelnen Beweisthemen konkret beantworten. Dem Gerichtsgutachter Prof. Dr. K. hätten sämtliche Patienten- und Verfahrensakten vorgelegen. Ob andere Unterlagen zur Verfügung standen, gehe aus dem Gutachten nicht hervor. Ein erheblicher Fehler sei, dass der Sachverhalt über die stationäre Behandlung des Sohnes der Kläger im Hause der Beklagten zu 2 nicht minutiös und detailliert dargestellt worden sei. Vielmehr stelle der Sachverständige den Sachverhalt und die Bewertung ohne Trennung in einem Fließtext dar, wobei die Ausführungen auf Seite 8 unten unzumutbar seien. Unklar sei, wann und mit welchem Inhalt die dort aufgelisteten Untersuchungen vorgenommen, ob die Kläger aufgeklärt oder informiert worden und wo die Maßnahmen dokumentiert seien. Auch seien die Beweisthemen nicht vorangestellt. Der Sachverständige habe sich mit dem Sachverhalt nicht sorgfältig auseinandergesetzt und nicht dargelegt, was während der 5,5 Tage im Krankenhaus der Beklagten zu 2 getan worden sei. Daher könne er nicht feststellen, ob die stationäre Behandlung dem Mindeststandard entsprochen habe.

Im unrichtigen Gutachten werde auf Seite 6 von einem Verdacht einer Neugeboreneninfektion bzw. -sepsis ausgegangen. Das Kind sei aber wegen einer respiratorischen Anpassungsstörung und Verdacht einer Pneumonie in die Klinik der Beklagten zu 2 gebracht worden. Untersuchung, Behandlung mit Antibiotika und Anfertigung einer Röntgenaufnahme seien wegen des Verdachts einer Pneumonie erfolgt. In den Patientenakten sei eine Neugeboreneninfektion bzw. -sepsis nicht erwähnt, sondern eine Pneumonie eingetragen. Zudem habe der Sachverständige Prof. Dr. K. erklärt, dass es keine festgestellten Krankheiten gegeben habe, sodass nicht nur eine Neugeboreneninfektion, sondern auch das Vorhandensein sonstiger Krankheiten wie respiratorische Anpassungsstörung, Verdacht einer Pneumonie oder Pneumothorax zweifelhaft sei. Insbesondere betreffe dies auch die Antibiotikatherapie, weil gar keine Krankheit festgestellt worden sei. Im Gegensatz zur Antibiotikaprophylaxe diene die Antibiotikatherapie der Bekämpfung einer bereits vorhandenen Infektion. Zudem solle das Kind vor Beginn einer Antibiotikatherapie 48 Stunden beobachtet werden. Die Antibiotikatherapie sei auch wegen der durchgeführten Antibiotikaprophylaxe nicht indiziert gewesen. Zudem sei der Sachverständige Prof. Dr. K. kein Geburtsmediziner und könne die Antibiotikaprophylaxe während der Geburt, die eine Infektion des Kindes durch Streptokokken-B-Keime verhindere, nicht begutachten. Das Erstgericht übersehe, dass das Neugeborene aufgrund der langen Geburtsdauer erschöpft und labil gewesen sei, der Fötus während der Geburt eine Gehirnblutung und hypoxische Hirnveränderungen erlitten habe, jedoch die Apgar-Werte über 70 % betrugen, um 7.30 Uhr eine normale Atmung bestand sowie 98 % Sauerstoff-Sättigung. Deswegen habe die Annahme einer respiratorischen Anpassungsstörung oder der Verdacht einer Infektion oder Pneumonie nicht den tatsächlichen Beobachtungen entsprochen.

Die Kläger rügen einen Befunderhebungsfehler, weil entgegen der AWMF-Leitlinie 024-008 "Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen" kein Schnelltest zum Nachweis von Erregern durchgeführt wurde. Sie halten die Annahme des Sachverständigen Prof. Dr. K. für unrichtig, wonach es aufgrund der respiratorischen Anpassungsstörung richtig gewesen sei, unverzüglich nach der Geburt eine antibiotische Therapie zu beginnen. Denn die Antibiotikaprophylaxe während der Entbindung verhindere eine Infektion. Eine Neugeboreneninfektion bzw. -sepsis sei nicht dokumentiert, sodass davon auszugehen sei, dass keine Maßnahmen hierzu erfolgt seien. Außerdem sei nach der Leitlinie die Diagnose einer klinischen Sepsis nur erfüllt, wenn alle Kriterien (Störungen der Atmung, des Kreislaufs, Veränderungen des Hautkolorits, neurologische Symptome, intestinale Symptome und Temperaturinstabilität) sowie zwei der dort aufgeführten klinischen/laborchemischen Kriterien erfüllt seien (siehe Berufungsbegründung Seite 50 f., Bl. 1059 f. d.A.). Die zuerst genannten Symptome seien nicht vorhanden gewesen. Daher habe es sich um keine Neugeboreneninfektion bzw. -sepsis handeln können.

Die Kläger behaupten weiter eine Überdosierung der verabreichten Antibiotika. In der Leitlinie sei die Dosis mit jeweils 4 mg pro Kilo (d.h. 12,88 mg) jeden Tag Gentamicin und 25 mg pro Kilo (d.h. 80,5 mg) Ampicillin zweimal am Tag angegeben. Damit sei eine Mehrdosis von 4,62 mg Gentamicin und 139 mg Ampicillin an den ersten beiden Tagen verabreicht worden. Hinsichtlich der Dauer der Antibiotikatherapie empfehle die AWMF-Leitlinie 0024-008, dass diese bei negativen Blutkulturen und negativen klinischen und laborchemischen Infektionszeichen nach 36 bis 48 Stunden beendet werden könne.

Im Übrigen sei fraglich, inwiefern der Gerichtsgutachter Prof. Dr. K. als Neonatologie in der Lage sei, die geburtsmedizinischen Sachverhalte im Hause der Beklagten zu 1 zu begutachten. Die Kläger beantragen erneut die Einholung eines Sachverständigengutachtens der Neonatologie gemäß § 412 ZPO. Weiter beantragen sie ein neues Ergänzungsgutachten der Pädiatrie, weil es sich nicht um einen neonatologischen Fall handele. Denn das Neugeborene habe keine festgestellte Krankheit gehabt. Die Sachverständigengutachten genügten ferner nicht der Anforderung des "§ 404a ZPO Rn 12". Das Landgericht habe sich nicht kritisch mit den Gutachten auseinandergesetzt und Tatsachengrundlage und Befundstellen nicht offengelegt.

Weiter rügen die Kläger, dass ein Befunderhebungsfehler darin liege, dass die Beklagte zu 2 trotz Auffälligkeiten auf der Röntgenaufnahme vom 06.07.2015 keine Anschlussdiagnostik vorgenommen, insbesondere keinen Lungenfacharzt einbezogen und kein CT angefertigt habe. Bei ordnungsgemäßer Befunderhebung wären Auffälligkeiten im Bereich der Lunge festgestellt worden, die hätten behandelt werden müssen. Das Landgericht übersehe, dass der Sachverständige Prof. Dr. K. in dem Verfahren 2 OH 14/15 eine Lungenblutung festgestellt habe, die primäre Ursache des Todes des Kindes gewesen sei. Da diese erst während der stationären Behandlung des Kindes nach dem 06.07.2015 entstanden sei, sei die Beklagte zu 2 dafür verantwortlich. Auch hätte das Kind am 11.07.2015 wegen der vorhandenen Lungenblutungen und wegen der Antibiotikatherapie, bei der das Kind am 11.07.2015 die letzte Dosis erhalten habe, nicht entlassen werden dürfen. Nach einer Antibiotikatherapie sei das Kind für 24 Stunden zu beobachten. Außerdem habe die U2-Befunderhebung eine Entlassung nicht empfohlen, weil eine Nieren- und Hirnvergrößerung des Kindes vorgelegen habe. Weiter machen die Kläger geltend, dass die Entlassung ohne ausführliche therapeutische Sicherungsaufklärung erfolgt sei.

Beweisangebote und schriftsätzliches Vorbringen der Kläger seien nicht berücksichtigt worden. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass die Kläger am 30.03.2022 einen Gegenbeweis zur Behauptung des Sachverständigen aus mehreren unterschiedlichen medizinischen Artikeln, Leitlinien und Fachliteratur vorgebracht hätten. Auch habe das Landgericht ihre Ergänzungsfragen vom 22.12.2020 nicht an den Sachverständigen mit dem Hinweis, sich hierauf vorzubereiten, weitergeleitet. Hierin sehen sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Ferner habe das Landgericht trotz beantragter Schriftsatzfrist die eingereichte Stellungnahme der Kläger vom 31.05.2022 nicht im Tatbestand oder den Entscheidungsgründen des Urteils berücksichtigt. Im vorliegenden Verfahren habe das Gericht verfahrensfehlerhaft kein Sachverständigengutachten der Geburtsmedizin zur Behandlung des Fötus im Hause der Beklagten zu 1 und des Neugeborenen nach seiner Geburt im Hause der Beklagten zu 2 eingeholt. Insofern beantragen die Kläger ein neues Gutachten. Im Parallelverfahren seien dem dort bestellten Sachverständigen keine Beweisfragen aus diesem Verfahren gestellt worden. Das Erstgericht habe fehlerhaft den medizinischen und gesundheitlichen Sachverhalt ohne medizinische Begutachtung durch einen Sachverständigen selbst beantwortet. Außerdem beantragen die Kläger ein Ergänzungsgutachten der Pädiatrie zur Behandlung des Kindes zwischen dem 06.07.2015 ab 6.15 Uhr und dem 11.07.2015 um 14.00 Uhr, hilfsweise die Patientenakte der Klägerin zu 1 aus dem Hause der Beklagten zu 2 anzufordern und einzubeziehen, sowie ihre Anhörung.

Die Kläger meinen, das Landgericht habe gegen ihr Justizgrundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, weil es in seinem überraschenden Urteil den Klägervortrag als nicht substantiiert ansehe, ohne einen gerichtlichen Hinweis nach § 139 ZPO zu geben, und der Tatbestand unrichtig sei. Das Landgericht habe Sachverhalte berücksichtigt, die nicht von den Parteien vorgetragen wurden, und den Tatbestand des Urteils fehlerhaft gegliedert.

Weiter tragen die Kläger ihre Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung hinsichtlich der Behandlung im Krankenhaus der Beklagten zu 1 vor. Die tatsächliche Dauer der Geburt habe bei ca. 30 Stunden gelegen. Das Landgericht habe übersehen, dass bis 13.00 Uhr keine regelmäßige Wehentätigkeit, also eine Wehenschwäche (keine Wehen), vorgelegen habe, wie um 1.35 Uhr des 05.07.2015 dokumentiert sei, ebenso während der CTG-Schreibung von 13.11 Uhr bis 13.43 Uhr. Nicht zutreffend sei, wenn im Gerichtsgutachten auf Seite 14 behauptet werde, dass es am frühen Morgen des 05.07.2015 in der Zeit von 1.38 Uhr bis 2.18 Uhr Uteruskontraktionen ca. alle drei bis vier Minuten gegeben habe. Aus dem CTG ergebe sich dies gerade nicht. Es sei lediglich einmalig um 2.17 Uhr dokumentiert "WTK 2-4 Min.", nicht jedoch, dass eine regelmäßige Wehentätigkeit über 40 Minuten vorgelegen hätte. Die Kläger regen an, dass der Gerichtsgutachter die CTG-Streifen konkret erläutere. Sie bestreiten auch die Behauptung auf Seite 14 des Gerichtsgutachtens, wonach in der Zeit von 7.05 Uhr bis 7.46 Uhr Uteruskontraktionen etwa alle vier bis fünf Minuten vorgelegen hätten. Das Erstgericht verkenne, dass auch um 16.55 Uhr und 17.10 Uhr nur das Vorhandensein einer leichten Wehentätigkeit und um 19.00 Uhr noch unkoordinierte Wehen dokumentiert seien. Es sei von einer Wehenschwäche auszugehen, weil zu berücksichtigen sei, dass der vorzeitige Blasensprung bereits um 0.30 Uhr stattgefunden und die Klägerin zu 1 bereits um 13.25 Uhr einen Wehencocktail erhalten hatte. Zudem rügen die Kläger wiederholt eine "unzulässige Beweisantizipation" durch das Landgericht.

Die Kläger werfen dem Landgericht vor, zu verkennen, dass erst durch die um 17.25 Uhr erfolgte verspätete vaginale Untersuchung eine Muttermundöffnung von 2 cm festgestellt worden sei, der Muttermund um 19.30 Uhr um 4 cm, um 23.00 Uhr um 6 cm und um 1.10 Uhr des Folgetags vollständig geöffnet gewesen sei. Mit vollständiger Eröffnung des Muttermunds beginne die Austreibungsperiode. Diese sei durch das Tiefertreten des Kindskopfes in das Becken gekennzeichnet. Der Gerichtsgutachter sei diesbezüglich von einem falschen Beginn ausgegangen. Es sei nicht zu einem Geburtsfortschritt gekommen, was das Erstgericht ebenso verkenne, wie den Umstand, dass trotz hoher Wehenfrequenz spätestens seit 0.20 Uhr der kindliche Kopf fest auf dem Beckeneingang der Klägerin geblieben sei, Letzteres seit mindestens 17.35 Uhr des Vortages. Daher sei tatsächlich von einer protrahierten Geburt auszugehen, d.h. es spreche mehr dafür als dagegen. Ab 17.35 Uhr hätte ein Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe hinzugezogen werden müssen, um das Nicht-Tiefertreten des kindlichen Kopfes, eine Einstellungs- oder Beckenanomalie, abzuklären. Mindeststandard sei nicht der Standard eines Assistenzarztes in Ausbildung gewesen. Bereits am 05.07.2015 sei um 19.30 Uhr dokumentiert "Kopf fest auf BE, PN nicht eruierbar, deutliche Geburtsgeschwulst", d.h. der kindliche Kopf sei gegen den Beckeneingang gepresst worden, aber nicht ins Becken eingetreten. Zwischen 3.10 Uhr und 5.30 Uhr sei der Kindskopf keinen Millimeter ins Becken eingetreten. Ab 3.10 Uhr des 06.07.2015 hätte daher entgegen der Annahme des Gerichtsgutachters mit einer zeitnahen vaginalen Geburt auf natürlichem Weg nicht gerechnet werden können. Dies hätte Anlass zu einer Schwangerschaftsbeendigung bereits ab 17.35 Uhr des Vortages durch Kaiserschnitt sein müssen. Insgesamt spreche mehr dafür als dagegen, dass der Grund für das Fehlen des Geburtsfortschritts eine Anomalie dergestalt gewesen sei, dass der Kopf fest auf dem Beckeneingang war. In diesem Zusammenhang rügt die Klägerin die Dokumentation der Beklagten als nicht ordnungsgemäß, weil mindestens die Aufzeichnung des Kopfes mit der Pfeilnaht sowie Maßnahmen bezüglich der Anomalie erforderlich gewesen wären.

Die Kläger halten die Ausführungen des Gerichtsgutachters zur CTG-Interpretation auf den Seiten 14-17 seines Gutachtens für nicht überzeugend. Seien zwei der vier Parameter (vitale Herzfrequenz, Bandbreite, Dezeleration, Fehlen von Akzelerationen) suspekt, sei das CTG nach der DGGG-Leitlinie "Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt" insgesamt pathologisch. Am 05.07.2015 sei das CTG ab 23.00 Uhr bzw. 23.15 Uhr pathologisch gewesen, es habe eine Dezeleration aufgewiesen und die Bandbreite sei kleiner als fünf Schläge pro Minute gewesen, sodass ab 23.00 Uhr ein Facharzt hätte hinzugezogen werden müssen. Dies sei bis 5.30 Uhr nicht geschehen. In der Zeit von 0.12 Uhr bis 0.55 Uhr habe das CTG eine hohe Herzfrequenz und eingeengte Bandbreite aufgewiesen, um 2.00 Uhr eine erhöhte Herzfrequenz, Dezeleration und eingeschränkte Oszillation (Bandbreite). Im Übrigen habe ab 1.40 Uhr wegen der erhöhten Temperatur der Klägerin (38 Grad) ein beginnendes Amnioninfektionssyndrom (AIS) vorgelegen, sodass eine sekundäre Sectio geboten gewesen wäre. Hierzu zitieren die Kläger einen Auszug aus dem Lehrbuch "Die Geburtshilfe", wonach ein abwartendes Management nach vorzeitigem Blasensprung am Termin in Einzelfällen möglich sei, wenn keine Zeichen eines Amnioninfektionssyndroms oder andere Risikofaktoren wie Restriktion oder Streptokokkenbesiedlung vorlägen. Da nach Aussage des Gerichtssachverständigen von einem beginnenden Infektionsgeschehen ab 0.00 Uhr auszugehen sei, sei die Feststellung des Landgerichts zweifelhaft, dass es sich um normale Vorgänge bei der Entbindung der Klägerin gehandelt habe. Bereits um 4.00 Uhr am 06.07.2015 habe die Klägerin zu 1 eine Temperatur von 37 Grad gehabt. In diesem Zusammenhang beantragen die Kläger die Einholung eines mikrobiologischen Ergänzungsgutachtens zum Infektionsgeschehen sowie hilfsweise, die Patientenakte der Klägerin zu 1 aus dem Hause der Beklagten zu 2 anzufordern und in die Verhandlung einzubeziehen. Auch aus der vorgenannten Patientenakte könnten Rückschlüsse auf eine mögliche Infektion gezogen werden.

Die Kläger rügen, dass sie nicht über die Behandlung mit toxischem Antibiotikum in Überdosis aufgeklärt worden seien. Erstmals in der Berufungsbegründung rügen sie ferner, auch nicht über Auffälligkeiten auf der Röntgenaufnahme vom 06.07.2015 aufgeklärt worden zu sein. Andernfalls hätten sie weitere ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Zudem habe das Landgericht verkannt, dass kein ordnungsgemäßes Aufklärungsgespräch stattgefunden habe. Dies wäre in Bezug auf die "Behandlung mit toxischem Antibiotikum in Überdosis" und dem Verdacht einer Pneumonie oder Infektion obligat gewesen. Eine Gefahr in Verzug habe nicht vorgelegen, weil keine Infektion vorhanden gewesen sei.

Auch habe das erstinstanzliche Gericht die erleichterte Kausalitäts- und Schadensermittlung im Arzthaftungsrecht rechtsfehlerhaft nicht vorgenommen. Unstrittig seien die erlittenen Gehirnblutungen, hypoxischen Hirnschäden und Lungenblutungen durch die Behandlung der Beklagten verursacht worden. Insofern verkenne das Gericht, dass die Kläger im selbständigen Beweisverfahren die Einholung eines pathologischen und toxikologischen Gutachtens beantragt hätten. Die Behandlung in der Klinik der Beklagten zu 2 sei für die Lungenblutung als Primärschaden kausal geworden. Folglich finde eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerseite statt. Wegen der zweifelhaften Antibiotikatherapie, den fehlenden Befunderhebungen, der fehlenden Aufklärung und der Behandlung ohne Einwilligung, der Dokumentationsfehler und der vorzeitigen Entlassung des Kindes ergebe sich insgesamt ein grober Behandlungsfehler mit der Folge der Beweislastumkehr.

Weiter meinen die Kläger, dass es für die Beklagte zu 2 vollbeherrschbar gewesen wäre, durch das Einbeziehen der fachmedizinischen Dienste die respiratorische Anpassungsstörung, den Verdacht einer Pneumonie oder Infektion, die unter der Geburt erlittenen Gehirnblutungen und hypoxischen Hirnschäden und Lungenblutungen während des stationären Aufenthalts im Hause der Beklagten zu 2 zu untersuchen und zu behandeln. Stattdessen habe die Beklagte zu 2 eine nicht bestätigte Infektion oder Pneumonie mit toxischen Antibiotika in Überdosis behandelt, was einen groben Behandlungsfehler darstelle.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 06.01.2023 (Bl. 1010 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Kläger und Berufungskläger beantragen:

Unter Aufhebung und Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Lüneburg werden die Beklagte zu 1) und 2) wie folgt verurteilt:

  1. 1.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, aus übergegangenem Recht, ein angemessenes Schmerzensgeld an die Kläger wegen der fehlerhaften ärztlichen Behandlung des verstorbenen J. A. S. H. zwischen dem 05.07.2015 und 11.07.2015, insbesondere für die zugefügten Schäden an seiner Gesundheit, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 20.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  2. 2.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld wegen des Erlebnisses des qualvollen Todes ihres Sohnes, der einen Tag nach der fehlerhaften ärztlichen Behandlung ihres Sohnes zwischen dem 05.07 2015 und 11.07.2015 eintrat, insbesondere für die erlittenen seelischen Schmerzen und psychologischen Schock, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  3. 3.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger für bereits entstandene Schwangerschaftskosten, Babyzimmer, Möbel und Babysachen, Akteneinsicht, Erwerbsminderung einen Betrag in Höhe von 2.284,83 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  4. 4.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger für den Transport des Leichnams, Beerdigungskosten, Grabkosten und Friedhofskosten einen Betrag in Höhe von 2.528,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  5. 5.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger die Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche privatrechtliche Vertretung der Kläger seit dem Tod von J. A. in Höhe von 2.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  6. 6.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger die Gutachterkosten aus dem selbständigen Beweisverfahren mit Aktenzeichen 2 OH 14/15 in Höhe von 4.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssalz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  7. 7.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger die Anwaltskosten der Kläger aus dem selbständigen Beweisverfahren mit Aktenzeichen 2 OH 14/15 in Höhe von 3.419,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  8. 8.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger die eigenen Anwaltskosten aus dem selbständigen Beweisverfahren mit Aktenzeichen 2 OH 14/15 in Höhe von 6.115,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  9. 9.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Kläger die Rechtsanwaltskosten für die strafrechtliche Vertretung der Kläger seit dem Tod von J. A. in Höhe von 1.380,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  10. 10.

    Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 2) ein angemessenes Schmerzensgeld wegen des Erlebnisses des qualvollen Todes seines Sohnes, der einen Tag nach der fehlerhaften ärztlichen Behandlung seines Sohnes zwischen dem 05.07.2015 und 11.07.2015 eintrat, insbesondere für die erlittenen seelischen Schmerzen und psychologischen Schock, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise beantragen sie

die Zulassung der Revision.

Die Beklagten beantragten,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

Die Beklagte zu 1 trägt vor, das Landgericht habe das Vorbringen und die Vorwürfe der Kläger mithilfe des Sachverständigen Prof. Dr. L. verfahrensfehlerfrei aufgeklärt, sodass der Senat hieran gebunden sei. Der Sachverständige habe in jeder Hinsicht Behandlungsfehler verneint und das Verhalten der Hebammen, Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus der Beklagten nicht beanstandet. Die Berufungsbegründung enthalte zu den gerügten fehlenden richterlichen Hinweisen kein Vorbringen mit Substanz. Gleiches gelte für den Vorwurf, das Landgericht habe Sachvortrag und Beweisanträge der Kläger übergangen. Der Sachverständige Prof. Dr. K. habe jedenfalls nicht festgestellt, dass Behandlungsfehler der Beklagten den Tod des Kindes verursacht hätten. Das Landgericht habe zu Recht das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. aus dem Parallelverfahren 2 O 288/18 verwertet. Aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich klar und eindeutig, dass die Kläger Gelegenheit hatten, den Sachverständigen zu befragen. Vorsorglich bestreitet die Beklagte zu 1 die Vorwürfe gegen den Sachverständigen Prof. Dr. K.. Eine fehlerhafte Anwendung von § 411a ZPO lasse sich nicht erkennen. Unabhängig davon dürfte ein etwaiger Verfahrensfehler geheilt worden sein. Es bestehe kein Anlass, ein neues Gutachten einzuholen. Die Berufungsbegründung enthalte keinen konkreten Hinweis darauf, dass und welche konkreten Tatsachen der Sachverständige nicht berücksichtigt habe. Die Beklagte zu 1 bestreitet das pauschale Vorbringen der Kläger hierzu. Zu keinem Zeitpunkt sei es erforderlich gewesen, einen Oberarzt hinzuzuziehen. Der Facharztstandard sei zu keinem Zeitpunkt unterschritten worden. Allein darauf komme es an. Die Hebammen hätten im richtigen Zeitpunkt jeweils einen Arzt hinzugezogen. Dies sei ausreichend gewesen, zumal bei der Klägerin zu 1 zwar eine Risikoschwangerschaft, jedoch keine Risikogeburt bestanden habe. Da die Geburt ein natürlicher Vorgang und grundsätzlich kein pathologischer Zustand sei, müsse nicht in jedem Fall und sofort ein Arzt hinzugezogen werden. Dementsprechend sehe § 4 Abs. 1 S. 1 Hebammengesetz (HebG) vor, dass zur Leistung von Geburtshilfe außer Ärztinnen und Ärzten nur Personen mit einer Erlaubnis nach Hebammengesetz berechtigt seien. Nach § 4 Ab. 3 HebG seien Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Geburt eine Hebamme zugezogen werde. Diese Vorgabe zeige eindrucksvoll, dass gerade Hebammen geeignet seien, Geburtshilfe zu leisten. Die Beklagte zu 1 bestreitet, dass, wie von den Klägern ins Blaue hinein behauptet werde, die damals tätigen Hebammen nicht für die Geburtshilfe geeignet gewesen wären. Eine Geburt sei ein natürlicher Vorgang, der von vielen Faktoren beeinflusst und nicht voll beherrschbar sei. § 630h Abs. 1 BGB sei nicht anwendbar.

Die Beklagte zu 1 vertritt die Auffassung, dass ein Geburtshelfer grundsätzlich die Schwangere nicht unter dem Gesichtspunkt einer Risiko- bzw. Eingriffsaufklärung aufklären müsse. Die Geburtshilfe sei in erster Linie keine medizinische Behandlung und schon gar kein diagnostischer oder therapeutischer medizinischer Eingriff. In besonderen Situationen müsse eine therapeutische Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittentbindung erfolgen. Dies setze besondere Umstände voraus, die eine Schnittentbindung als relativ indiziert erscheinen ließe. Diese Umstände hätten nicht bereits bei der Aufnahme der Klägerin zu 1 im Krankenhaus der Beklagten vorgelegen. Vor dem 06.07.2015 gegen 5.15 Uhr habe keine Indikation bestanden. Deshalb habe der Klägerin zu 1 nicht früher eine Sectio angeboten oder gar empfohlen werden müssen. Der Sachverständige Prof. Dr. L. habe nicht festgestellt, dass die Geburt zu lange gedauert habe und protrahiert gewesen sei. Eine pathologische Wehenschwäche habe nicht vorgelegen. Die Dauer der Geburt sei weder Ursache für eine Azidose noch für Gehirn- und Lungenblutungen noch für hypoxische Hirnschäden. Diese Erkrankungen bzw. Symptome seien nicht aufgetreten. Unabhängig davon habe keine Anomalie bestanden, die eine Geburt auf natürlichem Wege von vornherein verhindert hätte. Dass der Kopf des Kindes fest auf dem Beckeneingang gestanden hätte, sei keine Anomalie und damals kein reaktionspflichtiger Befund gewesen. Insoweit bestreitet die Beklagte zu 1 auch Befunderhebungs- und Dokumentationsfehler.

Die Ärztinnen und Ärzte der Beklagten zu 1 hätten die Klägerin zu 1 nicht vor der Übergabe und Überweisung des Kindes an das Krankenhaus der Beklagten zu 2 aufklären müssen. Die Verlegung sei absolut indiziert gewesen. Die Kläger hätten einer Verlegung ohnehin zugestimmt, wenn sie aufgeklärt worden wären. Vorsorglich erhebt die Beklagte zu 1 den Einwand der hypothetischen Einwilligung.

Weiter trägt die Beklagte zu 1 vor, dass das CTG nicht suspekt gewesen und es indiziert gewesen sei, der Klägerin zu 1 einen Wehencocktail zu verabreichen. Sie bestreitet, der Klägerin zu 1 keine Medikamente, sondern lediglich Kräuter verabreicht zu haben. Das Vorbringen sei ohnehin unbeachtlich, weil perplex. Einerseits werfen die Kläger den Hebammen und Ärztinnen/Ärzten der Beklagten zu 1 vor, sie hätten keine Medikamente verabreichen dürfen, um die Geburt zu fördern, andererseits beanstanden sie, die Klägerin zu 1 habe keine entsprechenden Medikamente erhalten. Kräuter könnten auch nicht, wofür die Kläger den Wehencocktail verantwortlich machten, die von den Klägern behaupteten Folgen "u.a. Kopf fest auf BE, unkontrollierte Wehen, protrahierte Geburt, pathologisches CTG, Geburtsdauer über 16 Stunden, Hirnblutungen und respiratorische Anpassungsstörung" verursacht haben. Weiter bestreitet die Beklagte zu 1, dass während der Geburt und als Folge von Behandlungsfehlern bei dem Sohn der Kläger Hirnblutungen und hypoxische Hirnschäden oder Lungenblutungen aufgetreten seien. Jedenfalls hätten die Hebammen und Ärztinnen/Ärzte der Beklagten zu 1 keine Behandlungsfehler begangen, die diese Gesundheitsbeeinträchtigungen verursacht hätten. Die respiratorische Anpassungsstörung sei ebenso wenig Folge etwaiger Behandlungsfehler. Die Beklagte zu 1 weist darauf hin, dass der Sachverständige nicht festgestellt habe, dass bei der Klägerin zu 1 tatsächlich ein Amnioninfektionssyndrom bestanden habe. Zudem hätten weder die Hebammen noch die Ärztinnen und Ärzte während der Geburt Untersuchungen unterlassen, insbesondere nicht sogleich bei Aufnahme eine vaginale Untersuchung. Diese wäre sogar kontraindiziert gewesen.

Vorsorglich bestreitet die Beklagte zu 1 den von den Klägern behaupteten Ursachenzusammenhang zwischen etwaigen Pflichtverletzungen und behaupteten Folgen sowie, dass die Geburt bzw. alle von den Klägern beanstandeten Maßnahmen bzw. Unterlassungen im Zusammenhang mit der Geburt bei ihrem Sohn zu zahlreichen Verletzungen und Beeinträchtigungen bis hin zum Tod geführt hätten. Das Vorgehen der Hebammen und der Ärztinnen/Ärzte der Beklagten zu 1 sei nicht ursächlich für den Tod des Kindes der Kläger gewesen. Unabhängig davon habe bei dem Kind nach der Geburt weder eine Azidose noch eine hypoxische Hirnschädigung oder gar eine Hirnblutung bzw. Lungenblutung bestanden. Die Beklagte zu 1 bestreitet, dass eine frühere Schnittentbindung den Tod des Sohnes verhindert hätte. Sie trägt vor, dass der Sohn der Kläger unter der Geburt weder Hirnblutungen noch hypoxische Hirnschäden erlitten habe, ebenso wenig Lungenblutungen.

Zudem meint die Beklagte zu 1, es begründe keine Haftung, dass die behaupteten Gesundheitsschäden nicht dokumentiert worden seien. Die Hebammen und Ärztinnen/Ärzte der Beklagten zu 1 hätten auch postpartal weder Hirnblutungen noch hypoxische Hirnschäden noch Lungenblutungen festgestellt. Dies hätten sie auch nicht gekonnt, weil sie nicht vorgelegen hätten.

Die Beklagte zu 2 hält die Klaganträge zu Ziffer 6 bis 8 bereits aus prozessualen Gründen für unbegründet, weil über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens im Rahmen der Kostenentscheidung des Hauptverfahrens zu entscheiden sei und daneben kein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht werden könne. Außerdem fehle es - auch hinsichtlich des Klagantrags zu Ziffer 5 - an einer Darlegung der notwendigen Kosten und es sei nicht zu erkennen, weshalb die Beklagten diese übernehmen sollten. Die Beklagte zu 2 bestreitet zudem die mit dem Klagantrag zu Ziffer 3 geltend gemachten Kosten dem Grunde und der Höhe nach. Unabhängig davon bestehe ein Erstattungsanspruch bereits deshalb nicht, weil die Klage in der Sache unbegründet sei.

Die Beklagte zu 2 bestreitet eine "toxische Antibiose", eine Hirnblutung oder Lungenblutung bereits während des stationären Aufenthalts in ihrem Hause. Hierzu trägt sie vor, bereits im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, dass Anhaltspunkte für eine toxische Schädigung des Kindes der Kläger nicht vorhanden seien. Zudem könne Ampicillin in keiner Dosierung zu einer Schädigung der Niere führen. Auch Gentamycin könne nicht für den Tod des Kindes der Kläger ursächlich geworden sein. Anhaltspunkte für eine durch Medikamente verursachte Gerinnungsstörung fehlten. In dem pathologisch-anatomischen Gutachten von Prof. Dr. K. sei als Hauptbefund eine unmittelbar vor dem Tod eingetretene akute Lungenblutung festgestellt worden, deren Ursache jedoch nicht zu klären sei. Ursache könne auch ein Herzversagen aufgrund einer Herzrhythmusstörung gewesen sein. Das Versterben sei auf eine natürliche Ursache zurückzuführen. Eine akute Nierenschädigung sei ebenso wenig wie ein Kausalzusammenhang zwischen einer solchen und dem Tod des Kindes der Kläger festzustellen.

Die Beklagte zu 2 weist darauf hin, dass in keinem der bisher fünf eingeholten unterschiedlichen Gutachten ein Behandlungsfehler festgestellt wurde, auch nicht, dass eine durchgeführte oder unterlassene Behandlungsmaßnahme zum Tod des Kindes der Kläger geführt hätte. Die AWMF-Leitlinie "Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen" werde von den Klägern zum Teil unzutreffend und lückenhaft dargestellt. Ziffer 5.1., Ziffer 3 und Ziffer 7 bestätigten die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K.. Die Dosierung von Antibiotika sei von zahleichen Variablen abhängig. Zutreffend sei, dass ausweislich Ziffer 5.2. die Antibiotikatherapie bei negativen Blutkulturen und negativen klinischen und laborchemischen Infektionszeichen nach 36 bis 48 Stunden beendet werden "kann". Dies sei aber nicht zwingend. Zudem seien die klinischen Infektionszeichen nicht negativ gewesen. Außerdem heiße es in der Erläuterung der Leitlinie, dass Abweichungen von den Vorschlägen zur Therapiedauer nicht als falsch zu bewerten seien. Dass eine Infektion nicht bestätigt wurde, ändere nichts. Da bei dem Kind aufgrund der Klinik und Risikofaktoren der dringende Verdacht auf Neugeboreneninfektion bzw. -sepsis bestanden habe, sei die Indikation zur unverzüglichen Einleitung der Antibiotikatherapie gegeben gewesen. Die verabreichten Medikamente stellten die weltweite Standardtherapie für diesen Fall dar und seien nicht überdosiert. Die Dauer sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte zu 2 bestreitet, dass am 11.07.2015 eine weitere Dosis der Antibiotika verabreicht worden sei. Darauf komme es aber auch nicht an, weil die Antibiotikatherapie in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Kindstod stehe.

Der Vortrag der Kläger zu Dokumentationsfehlern sei nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich. Die gestellten Diagnosen ergäben sich aus dem Arztbrief der Beklagten zu 2 vom 10.07.2015. Da sich die Neugeboreneninfektion bzw. -sepsis nicht bestätigt hat, sei diese nicht aufgeführt worden. Soweit in der Röntgenaufnahme vom 06.07.2015 ein Pneumothorax nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen war, die Entzündungsparameter im Verlauf der stationären Behandlung jedoch rückläufig gewesen und rasch eine klinische Erholung erfolgt sei, sei nicht zu beanstanden, dass auf eine erneute Röntgenkontrolle verzichtet wurde. Zudem habe der diesbezügliche Vorwurf keine Relevanz. Eine Pneumonie habe unstreitig nicht vorgelegen. Unzutreffend sei, dass eine Antibiotikaprophylaxe während der Entbindung eine Infektion des Kindes allein verhindere. Auch bei einer negativen Laboruntersuchung könne eine Infektion des Kindes nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Lungenblutungen hätten nicht dokumentiert werden können, weil solche während des stationären Aufenthalts im Hause der Beklagten zu 2 nicht aufgetreten seien. Die zum Tode führende Lungenblutung sei "akut", d.h. nach der Entlassung des Kindes aus der stationären Behandlung unmittelbar vor dem Tod eingetreten.

Die Aufklärungsrüge sei unbegründet. Die Beklagte zu 2 trägt vor, die Kläger seien noch in der Geburtsklinik von der Oberärztin Dr. B. über die Verdachtsdiagnose, die notwendige Verlegung und die eingeleitete Therapie informiert worden, und behauptet, sie hätten sich mündlich mit der Behandlung einverstanden erklärt. Auf die Verwendung eines schriftlichen Aufklärungsbogens sei aufgrund der Eilbedürftigkeit bei Einleitung der Antibiose und der Tatsache, dass die eingeleiteten Maßnahmen alternativlos und unaufschiebbar waren, verzichtet worden. Auch im Laufe des stationären Aufenthalts seien die Kläger fortlaufend über die Diagnose und die eingeleitete Therapie regelmäßig ärztlich informiert worden. Mit Nebenwirkungen der Medikamente sei nicht zu rechnen gewesen, sodass darüber nicht hätte aufgeklärt werden müssen. Unabhängig davon fehle es an einem kausal auf einem hypothetischen Aufklärungsfehler beruhenden Schaden. Die Antibiotikabehandlung habe zu keinen nachteiligen Wirkungen geführt. Vorsorglich beruft sich die Beklagte zu 2 auf die hypothetische Einwilligung. Über eine angeblich "toxische Wirkung" der eingesetzten Antibiotika sei nicht aufzuklären gewesen, weil eine solche nicht bestanden habe.

Im Übrigen verweisen die Beklagten auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

In ihren Schriftsätzen mit Datum vom "02.06.2023" (Eingang bei Gericht am 31.05.2023) und 12.06.2023 beantragen die Kläger ausdrücklich ihre Anhörung zu "den Anknüpfungstatsachen und zum Sachverhalt der Aufklärung" und wiederholen weitere bereits in der Berufungsbegründung gestellte Anträge. Sie monieren, die Berufungsbeklagten hätten sich nicht substantiiert zu Berufungsbegründung geäußert, die Berufungsbeklagte zu 2 habe sich nicht an die zivilprozessualen Vorgaben gehalten. Sodann referieren sie unstreitigen Sachverhalt, weisen erneut darauf hin, dass ab 20.40 Uhr eine Assistenzärztin in die Behandlung eingestiegen sei und bis zum Kaiserschnitt keine weiteren Ärzte beteiligt gewesen seien, wiederholen ihre Vorwürfe gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. L., werfen ihm Falschaussagen vor und weisen auf ihre mehrfache Geltendmachung von Mängeln und Ablehnung des Gutachtens hin. Weiter verweisen sie auf erstinstanzliches Vorbringen sowie auf Vorbringen in ihrer Berufungsbegründung und halten aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der Feststellungen des Erstgerichts eine erneute Beweiserhebung für geboten. Sie wiederholen ihre Auffassung, dass das Landgericht seine Hinweispflicht verletzt, Rechtsnormen nicht bzw. fehlerhaft angewandt und Verfahrensfehler begangen habe. Die Beweiserhebung sei unvollständig gewesen, Schriftsätze der Kläger unberücksichtigt geblieben. Das neue Vorbringen der Berufungsbeklagten sei nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Sie bestreiten, dass die Klägerin zu 1 eine natürliche Geburt gehabt habe, auf die sich die Beklagte zu 1 berufe. Denn es habe ein vorzeitiger Blasensprung und eine Wehenschwäche vorgelegen, ein Geburtsstillstand und weitere Komplikationen seien eingetreten und die Geburt sei schließlich per Kaiserschnitt erfolgt. Die Kläger wiederholen ihre Auffassung, dass eine Aufklärung und die Hinzuziehung eines Oberarztes notwendig gewesen wären. Sie weisen darauf hin, dass die protrahierte Geburt, Geburtsstillstand, vorzeitiger Blasensprung, B-Streptokokken und anormale Blutwerte in der Patientenakte dokumentiert und hypoxische Hirnschäden und Hirnblutung gutachterlich festgestellt worden seien. Sie halten die Aufklärung für verharmlosend und ungenügend, weil sie nicht über die möglichen Folgen einer langen Geburtsdauer von ca. 29 Stunden, "VT fest auf BE", eines vorzeitigen Blasensprungs, einer Wehenschwäche, pathologischer CTGs, B-Streptokokkenbesiedelung, AIS-Infektion u.a. aufgeklärt worden seien.

Weiter tragen sie vor, dass entgegen dem neuen, ihrer Auffassung nach nicht zulässigen Beklagtenvortrag der Wehencocktail ein Naturheilmittel und keine Medizin sei. Entgegen der Behauptung der Beklagten zu 2 seien ältere Lungenblutungen festgestellt worden, die dem Aufenthalt des Neugeborenen im Hause der Beklagten zu 2 zuzuordnen seien. Die Behandlung von Herzfehler, Pneumothorax, vergrößertem Gehirn, Gehirnblutung, Azidose, Lungenblutung und Lungenversagen sei unterlassen worden. Die Neugeborenensepsis sei von der Berufungsbeklagten zu 2 in ihrer Berufungserwiderung neu und unzulässig vorgetragen und nicht dokumentiert, also nicht behandelt worden. Die Kläger wiederholen ihren Vorwurf, dass aufgrund der prophylaktischen Behandlung der Klägerin zu 1 auf eine Antibiotikatherapie hätte verzichtet werden sollen, und legen hierzu einen Ausschnitt aus einem Lehrbuch Mylonas/Friese "Infektionen in der Schwangerschaft und bei der Geburt" vor (Anlagenhefter zum Schriftsatz d. Klägervertr. vom 31. Mai 2023 und Anlagenhefter zum Schriftsatz d. Klägervertr. vom 2. Juni 2023). Sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen zu Dosierung und Dauer der Antibiotikagabe. Die Kläger verweisen erneut darauf, dass eine Aufklärung vor der Übergabe und Behandlung des Kindes nicht stattgefunden habe. Hierzu nehmen sie Bezug auf eine eingereichte CD, auf der sie die Gespräche der Kinderärztin der Beklagten zu 2 mit der Klägerin zu 1 aufgezeichnet hätten, und beantragen, "die aufgezeichneten Gespräche zwischen der Beklagten zu 2 und der Klägerin zu 1 durch die Gerichtsschreiberin zu Papier zu bringen und dem Verfahren beizuziehen". Hinsichtlich der hypothetischen Einwilligung vertreten die Kläger die Auffassung, dass Voraussetzung eine Aufklärung sei, und behaupten, sie hätten bei einer Aufklärung ihre Einwilligung zu der Behandlung des Neugeborenen mit toxischen Antibiotika in Überdosis nicht gegeben. Außerdem reichen die Kläger die ihren Klaganträgen zugrunde liegenden Rechnungspositionen als Rechnungskopien erneut ein.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die Berufung ist zulässig.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Ansprüche wegen Behandlungsfehlern und nicht ordnungsgemäßer Aufklärung durch die Behandelnden des Kindes der Kläger (im Folgenden als Kind bezeichnet) in der Klinik der Beklagten zu 2 sowie ein auf die Kläger übergegangener Schmerzensgeldanspruch des Kindes und ein eigener Schmerzensgeldanspruch der Kläger aufgrund des Todes des Kindes infolge Behandlungsfehlern und einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung im Krankenhaus der Beklagten zu 1. Hingegen sind eigene Ansprüche der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte zu 1 wegen ihrer Behandlung und den bis zum Tod des Kindes verursachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Schäden der Klägerin zu 1 Gegenstand des Parallelverfahrens (LG Lüneburg 2 O 288/18 = OLG Celle 1 U 75/22).

Die Berufung ist aber nicht begründet.

Die Voraussetzungen der §§ 630a, 630d, 630e, 280 Abs. 1, 278 BGB bzw. §§ 823 Abs. 1, 831, 31 BGB, jeweils in Verbindung mit §§ 249, 253 Abs. 2 BGB, § 1922 BGB, liegen nicht vor. Den Klägern stehen keine Ansprüche aus einer Haftung der Beklagten zu 1 (nachfolgen Ziffer I) oder der Beklagten zu 2 (nachfolgend Ziffer II) für Behandlungsfehler zu. Auch ihre Aufklärungsrüge hat keinen Erfolg.

I.

Die Kläger haben den Beweis für Behandlungsfehler im Hause der Beklagten zu 1 im Rahmen der Geburt (nachfolgend Ziffer 1) oder der Erstversorgung ihres Kindes (nachfolgend Ziffer 2) nicht erbracht.

1. Das Landgericht hat zu Recht keine Behandlungs-, Befunderhebungs- und Organisationsfehler im Zusammenhang mit der Entbindung der Klägerin zu 1 festgestellt. Das Vorbringen der Kläger begründet keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen. Solche konkreten Zweifel sind auch sonst nicht ersichtlich, sodass der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an diese gebunden ist.

a) Maßstab für die Prüfung, ob ein juristisch relevanter Behandlungsfehler vorliegt, ist der zum Zeitpunkt der Behandlung bestehende, allgemein anerkannte medizinische Standard, § 630a Abs. 2 BGB. Die Ermittlung des Standards ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, der sich dabei auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch einen Sachverständigen aus dem betroffenen medizinischen Fachgebiet stützen muss (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2014 - VI ZR 382/12 -, juris Rn. 12 f.). Gemäß diesen Grundsätzen hat das Landgericht im vorliegenden Fall fehlerfrei unter Zugrundelegung einer sachverständigen medizinischen Begutachtung das Vorliegen eines Behandlungsfehlers nicht festgestellt.

b) Darin, dass die Klägerin zu 1 im Krankenhaus der Beklagten zu 1 überwiegend von Hebammen und nicht durchgehend von einem (Ober-) Arzt betreut worden ist, liegt kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen.

aa) Ausweislich der überzeugenden Ausführungen des geburtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. L. entsprach die Versorgung der Klägerin zu 1 durch Hebammen dem fachmedizinischen Standard. Am 05.07.2015 um 17.25 Uhr wurde nach Auftreten von Dezelerationen im CTG die Ärztin Dr. K. informiert. Dies hat der Sachverständige als ausreichende Maßnahme angesehen. Er hat auch in der Gesamtbewertung verneint, dass ein Arzt nicht rechtzeitig hinzugezogen worden wäre (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 21). Bei seiner Begutachtung des vorliegenden konkreten Einzelfalls hat der Sachverständige den vorzeitigen Blasensprung, das Alter der Klägerin zu 1, den Streptokokken-B-Nachweis sowie das Fehlen von Wehen berücksichtigt. Dies ergibt sich klar aus seinen Ausführungen - er hat seiner Bewertung den zu beurteilenden Sachverhalt so vorangestellt, wie er den Behandlungsunterlagen und Akten zu entnehmen ist (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 3). Auf dieser Grundlage hat das Landgericht zutreffend eine Unterschreitung des medizinischen Standards i.S.v. § 630a Abs. 2 BGB nicht feststellen können. Damit haben die Kläger den ihnen obliegenden Beweis eines Behandlungsfehlers nicht geführt.

bb) Soweit die Kläger es für einen Verstoß gegen den Facharztstandard halten, dass die Klägerin zu 1 für ca. 29 Stunden nur durch Hebammen und eine Assistenzärztin "in Weiterbildung" behandelt worden sei, hat das Landgericht zu Recht ebenfalls keinen Behandlungsfehler feststellen können.

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. L. hat klar und überzeugend ausgeführt, dass die Hinzuziehung des Oberarztes im konkreten Fall nicht erforderlich war, sondern die Betreuung durch Hebamme und Assistenzärztin bei einem Facharzt im Hintergrunddienst ausreichte (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 5, Bl. 749 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg). Dabei hat der Sachverständige seine Bewertung in Kenntnis aller relevanten Umstände, u.a. auch der Auffälligkeiten (Dezelerationen) im CTG, getroffen. Die Hebammen und die Assistenzärztin waren somit zur vorgenommenen Behandlung befähigt, die Vermutungsregelung des § 630h Abs. 4 BGB greift nicht. Dass die von den Klägern zitierte DGGG-Leitlinie "Zusammenarbeit von Arzt und Hebamme in der Geburtshilfe" für den vorliegenden Fall einer Entbindung in einer Geburtsklinik keine unmittelbare Betreuung durch einen Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe verlangt, hat der Sachverständige erstinstanzlich auf Vorhalt der Kläger hinreichend und gut nachvollziehbar erläutert (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 5, Bl. 749 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg). Neue Gesichtspunkte tragen die Kläger hierzu nicht vor. Die von ihnen zitierte Entscheidung des OLG Rostock (Urteil vom 5. November 2021 - 5 U 119/13 -, juris betreffend eine unter der Geburt aufgetretene Blutung) steht dem nicht entgegen. Da nach den Ausführungen des Sachverständigen ein Oberarzt hier nicht hinzugezogen werden musste, ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht es hat dahinstehen lassen, ob - wie von der Beklagten zu 1 unter Benennung des Arztes dargelegt - ein Facharzt im Hintergrunddienst zur Verfügung stand.

cc) Mithin kommt es nicht darauf an, wem welches in der Behandlungsdokumentation verwendete Namenskürzel zuzuordnen ist. Bereits deshalb ist dem Beweisantrag der Kläger auf Einholung eines graphologischen Gutachtens - unabhängig von dessen Geeignetheit - nicht nachzukommen.

dd) Soweit die Kläger sich "hinsichtlich des gesamten Beweisthemas bezüglich des Hinzuziehens eines Facharztes in der Zeit zwischen dem 05.07.2015 ab ca. 1.30 Uhr bis 06.07.2015 um ca. 8.30 Uhr" auf ihre Anhörung berufen, ist nicht ersichtlich, dass es der Klärung streitiger Tatsachen bedarf, die in der Wahrnehmung der Kläger stehen. Vielmehr konnte das Landgericht die Frage, ob ein Facharzt hinzugezogen werden musste, mithilfe des geburtsmedizinischen Sachverständigen anhand der Behandlungsdokumentation unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags sachgerecht und ausreichend beantworten. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts war hierzu nicht erforderlich.

ee) Dass die Betreuung der Klägerin zu 1 durch die Hebammen und die Assistenzärztin nicht standardgerecht gewesen sei, haben die Kläger nicht bewiesen. Auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L. kann insoweit ein Behandlungsfehler nicht festgestellt werden. Dieser hat in Kenntnis aller für die Beurteilung relevanter Tatsachen nach ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Geschehen und den Nachfragen und Vorhalten der Kläger hinsichtlich des gesamten Geburtsverlaufs keine Fehler erkennen können und sogar ausdrücklich erklärt, dass die Geburt lege artis erfolgt sei (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 7, Bl. 751 d.A. d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg). Dass die Betreuung der Klägerin zu 1 (zunächst nur) durch Hebammen erfolgte, hat der Sachverständige nicht als fehlerhaft angesehen; ein Organisations- oder Koordinierungsverschulden der Beklagten zu 1 ist nicht ersichtlich. Der Vorwurf der Kläger, dass Hebammen "die Komplexität der Entbindung mit dem vorzeitigen Blasensprung und der fehlenden Wehen nicht richtig beherrschten und gar außer Acht gelassen" hätten, ist haltlos und vom Sachverständigen nicht bestätigt worden.

ff) Bis zur Indikation der Sectio am 06.07.2015 um 5.25 Uhr handelte es sich um einen Geburtsverlauf, bei dem aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht davon ausgegangen werden durfte, dass eine natürliche, vaginale Geburt erfolgen könne, ohne dass es der früheren Hinzuziehung eines Arztes oder sogar Facharztes bedurft hätte. Dass die Klägerin zu 1 ihr Kind schließlich mittels Kaiserschnitt (Sectio) und nicht im Wege der natürlichen Geburt zur Welt gebracht hat, ist unstreitig und wird entgegen dem Klägervortrag auch von der Beklagten zu 1 in ihrer Berufungserwiderung nicht bestritten. Wenn sich die Kläger darauf berufen, dass ab Beginn der Eröffnungsphase nicht davon habe ausgegangen werden können, dass die natürliche Geburt zeitnah erfolge, und dies damit begründen, dass die Geburt 17 Stunden nach der Geburtseinleitung mit Kaiserschnitt beendet wurde, handelt es sich um eine unzulässige Betrachtung im Nachhinein (ex post).

c) Der Vorwurf eines Befunderhebungsfehlers ist nicht gerechtfertigt. Der Sachverständige Prof. Dr. L. hat in seiner mündlichen Anhörung die Befunderhebungen während des Geburtsvorgangs insgesamt als ausreichend angesehen (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 3, Bl. 747 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg). Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen.

aa) Auf Nachfrage der Kläger hat der Sachverständige klar verneint, dass die erstmalige Untersuchung des Muttermundes um 17.25 Uhr zu spät erfolgt sei, und dies überzeugend damit begründet, dass es dem medizinischen Standard entspreche, nach einem Blasensprung keine unnötigen vaginalen Untersuchungen durchzuführen, weil jeder vaginale Eingriff ein zusätzliches Infektionsrisiko begründe (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 3, Bl. 747 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg).

bb) Der gerichtliche Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass die Situation keinen Anlass zu weiteren Untersuchungen über das hinausgehend, was gemacht worden ist, gegeben habe (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 4, Bl. 748 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg). Damit ist geklärt, dass auch ein Bishop-Score, ein weiterer Zervixbefund, ein (wiederholter) Ultraschall und eine Spekulum-Untersuchung sowie weitergehende Untersuchungen des Zustands der Fruchtblase, der Art und des Höhenstands des vorangehenden Kindsteils, der Haltung und Einstellung des Schädels, der Besonderheiten des Geburtskanals und des Beckenapparats, die die Kläger nunmehr in der Berufungsbegründung fordern, im konkreten Fall nicht fehlerhaft unterlassen wurden. Konkrete Nachfragen haben die Kläger bei der mündlichen Anhörung des Sachverständigen diesbezüglich nicht gestellt; seitens des Gerichts bestand mangels Anhaltspunkten dafür, dass weitere Untersuchungen erforderlich gewesen wären, und der dies eindeutig verneinenden Erklärungen des Sachverständigen kein weiterer Aufklärungsbedarf.

d) Das Landgericht hat fehlerfrei einen Behandlungsfehler aufgrund einer verzögerten oder verspäteten Durchführung des Kaiserschnitts (Sectio caesarea) nicht festgestellt. Auf die zutreffende, ausführliche Begründung im angefochtenen Urteil (dort Seite 15 ff.) wird Bezug genommen. Aus den vom Landgericht zugrunde gelegten überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L. ergibt sich, dass ein Kaiserschnitt weder bereits bei Aufnahme noch zu einem Zeitpunkt vor der Indikationsstellung um 5.25 Uhr hätte vorgenommen werden müssen. Zweifel an der Richtigkeit dieses Beweisergebnisses hat der Senat nicht.

aa) Das Landgericht und der Sachverständige haben die Geburtsdauer von ca. 30 Stunden berücksichtigt und mit gut nachvollziehbarer Begründung einen Behandlungsfehler aufgrund der Zeitspanne zwischen Blasensprung und Geburt verneint. Es handele sich um keinen ungewöhnlich langen Zeitraum für eine Erstgebärende (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 9).

bb) Das Infektionsrisiko nach dem vorzeitigen Blasensprung der Klägerin zu 1 ist vom Landgericht und Sachverständigen beachtet worden. So ist im angefochtenen Urteil z.B. ausdrücklich berücksichtigt, dass aufgrund des Infektionsrisikos keine zusätzliche Muttermunduntersuchung vorzunehmen war. Der Sachverständige hat seiner Begutachtung zugrunde gelegt, dass um 0.30 Uhr ein Blasensprung erfolgt war und zwischen diesem und der Geburt des Kindes knapp 30 Stunden lagen (siehe Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 9). Nach einem vorzeitigen Blasensprung sei es üblich und korrekt, auf den Eintritt der Spontanwehen zu warten und zunächst keine aktiven Maßnahmen zu ergreifen. Zur Verdeutlichung seiner Einschätzung hat der Sachverständige die wissenschaftliche Literatur ausgewertet und u.a. Studien herangezogen, nach denen die fetale und maternale Infektionsrate nicht signifikant erhöht sei, wenn ein zuwartendes Verhalten eingeschlagen werde (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 9 f.).

Soweit die Kläger mit der Berufung erneut einen Auszug aus Schneider et al. "Die Geburtshilfe" der Auflage des Jahres 2016 vorlegen (Reisenberger/Kiss, Vorzeitiger Blasensprung am Termin, Bl. 1068 ff. d.A.), ergibt sich - abgesehen davon, dass bei der Beurteilung des vorliegenden Geburtsverlaufs im Jahr 2015 nicht auf erst 2016 veröffentlichte Erkenntnisse abgestellt werden kann - aus diesen rein abstrakten Empfehlungen keine im vorliegenden Fall nicht beachtete Vorgabe, deren Unterlassen behandlungsfehlerhaft wäre. Dies ist bereits den Formulierungen "wird empfohlen" und "sollte" zu entnehmen. Soweit in bestimmten Fällen eine Antibiotikaprophylaxe durchgeführt werden müsse, ist dies hier geschehen. Allein, dass in dem Lehrbuch dem abwartenden Management (aufgrund neuerer Studien) Vorteile einer Geburtseinleitung gegenübergestellt werden, bedeutet nicht, dass im vorliegenden Fall die - schließlich durchgeführte - Geburtseinleitung zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen musste und das zunächst erfolgte Abwarten behandlungsfehlerhaft war. Nachfragen und Vorhalte der Kläger, die sie im Berufungsverfahren vorbringen, ohne hierzu neue Umstände vorzutragen, hat der Sachverständige bereits erstinstanzlich überzeugend beantwortet. Somit ergeben sich aus dem Vorbringen der Kläger in ihrer Berufungsbegründung einschließlich des vorgelegten Literaturauszugs keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der auf der Grundlage der sachverständigen Bewertung getroffenen Feststellungen des Landgerichts.

Zudem ist dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. zu entnehmen, dass dieser das von den Klägern zitierte Lehrbuch "Die Geburtshilfe" (in der maßgeblichen im Zeitpunkt des Behandlungsgeschehens bereits vorliegenden Fassung, der 2. Auflage) bei seiner sachkundigen Begutachtung des konkreten Einzelfalls berücksichtigt hat. So hat er daraus zitiert, dass, wenn ein AIS (Amnioninfektionssyndrom) während einer spontanen vaginalen Entbindung auftrete, der Geburtsmodus beibehalten werden könne, falls sich keine zusätzliche kindliche oder mütterliche Indikation zur sofortigen Geburtsbeendigung ergebe (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 19). Letzteres hat er verneint. Die Anzeichen einer beginnenden AIS gegen Nachmittag/Abend hat er dargestellt, dabei Körpertemperatur und Laborwerte berücksichtigt, und die Fortführung der Antibiotikagabe und den Versuch der Förderung der Geburt als richtiges Vorgehen angesehen. Die zu beachtende Zeitspanne von zwölf Stunden bis zur Geburt sei nicht überschritten worden (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 19, 20).

Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung auf Nachfrage erklärt, dass eine frühzeitigere Sectio nicht angezeigt gewesen wäre, und klar verneint, dass im konkreten Fall eine Sectio früher hätte in Erwägung gezogen werden müssen (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 3, Bl. 747 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg). Insofern hat er seine Ausführungen im schriftlichen Gutachten, dass "keine eindeutige, d.h. unzweifelhafte und zwingende," Indikation zu einer früheren Durchführung der Kaiserschnittoperation vorgelegen habe (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 20, siehe auch Seite 19) konkretisiert und klargestellt. Weiteren Klärungsbedarf haben auch die Kläger erstinstanzlich nicht gehabt und diesbezüglich keine weiteren Nachfragen an den Sachverständigen gestellt. In ihrem Schriftsatz vom 05.07.2023 (Bl. 1230 d.A.) beziehen sie sich nunmehr allein auf das schriftliche Gutachten, ohne dessen mündliche Erläuterung zu berücksichtigen.

cc) Die Zeitspanne von ca. 30 Stunden zwischen Blasensprung und Geburt begründet nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen keine behandlungsbedürftige "Wehenschwäche". Die Beweiserhebung des Landgerichts ist weder fehlerhaft noch unvollständig. Das Gericht und der Sachverständige haben nicht etwa übersehen, dass die Klägerin zu 1 bis zur Verabreichung des sogenannten Wehencocktails keine Wehen verspürt hat, sondern haben ihrer Bewertung des Geschehens die Behandlungsdokumentation zugrunde gelegt, in der mehrfach vermerkt ist, dass (auch wenn im CTG von 2.17 Uhr Wehen aufgezeichnet waren) die Klägerin zu 1 keine Wehen verspürt hat. So hat der Sachverständige Prof. Dr. L. ausdrücklich erklärt, dass um 13.00 Uhr bzw. 13.25 Uhr eine neuerliche CTG-Kontrolle durchgeführt und notiert worden sei, dass die Patientin weiterhin keine eigene Wehentätigkeit verspürte, sodass ein Geburtscocktail/Wehencocktail verabreicht wurde (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 4). Dies entspricht dem Vortrag der Kläger in ihrer Berufungsbegründung. Soweit die Kläger aus dem angefochtenen Urteil zitieren, dass nach Verabreichung des Wehencocktails eine CTG-Aufnahme eine leichte Wehentätigkeit mit nicht ausreichender Schwingung ergeben habe, hat das Landgericht den Umstand der nur leichten Wehentätigkeit, so wie er der Patientenakte zu entnehmen ist, also berücksichtigt.

Mit dem klägerischen Vorwurf der fehlerhaften Behandlung einer vorliegenden "Wehenschwäche" hat sich das Landgericht umfassend auseinandergesetzt und diesen nach ausführlicher Beweiswürdigung mit sorgfältiger Begründung verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (dort Seite 14 f.) verwiesen. Der Sachverständige hat bei seiner Bewertung des Sachverhalts die Behandlungsdokumentation sorgfältig ausgewertet und dabei auch berücksichtigt, dass um 19.00 Uhr noch unkoordinierte Wehen dokumentiert sind (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 5), sowie dass der Blasensprung am 05.07.2015 um 0.30 Uhr erfolgt ist, die Klägerin zu 1 um 13.25 Uhr einen Wehencocktail erhalten hat und am 06.07.2015 um 0.20 Uhr eine Wehenfrequenz alle zwei bis drei Minuten dokumentiert ist (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 6, Bl. 403 d.A.). Er hat weder eine (behandlungsbedürftige) Wehenschwäche noch ein diesbezüglich fehlerhaftes geburtsmedizinisches Vorgehen der Behandelnden festgestellt (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 10, Bl. 407 d.A.).

dd) Die Einwendungen gegen die Auswertung der CTG-Untersuchungen durch den Sachverständigen greifen nicht durch. Die Kläger zweifeln in ihrer Berufungsbegründung an, dass sich aus den CTG-Untersuchungen von 1.38 Uhr bis 2.18 Uhr und 7.05 Uhr bis 7.46 Uhr die vom Sachverständigen festgestellten Kontraktionen ergäben und verlangen eine konkrete Erläuterung der CTG-Streifen durch den Gerichtsgutachter.

Der geburtsmedizinische Sachverständige hat indes die Cardiotokogramm (CTG)-Aufzeichnungen des Geburtsverlaufs im Original ausgewertet und auf dem CTG-Streifen von 1.38 Uhr bis 2.18 Uhr Uteruskontraktionen ca. alle drei bis vier Minuten sowie in der CTG-Aufzeichnung von 7.05 Uhr bis 7.46 Uhr Uteruskontraktionen etwa alle vier bis fünf Minuten festgestellt (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 14). Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen bestehen nicht. Die Kläger "bestreiten" die festgestellten Kontraktionen erstmals im Berufungsverfahren ohne nähere Begründung. Dabei handelt es sich um neues Vorbringen, das nicht zuzulassen ist, weil die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Denn die erstmals mit der Berufung vorgebrachten Einwendungen und Ergänzungsfragen zum Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. zählen zu den Angriffs- und Verteidigungsmitteln, die vollständig im ersten Rechtszug vorzubringen sind (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 20. August 2007 - 12 U 11/07, juris Rn. 31; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 25. September 2002 - 1 U 273/02, juris Rn. 15 - 16; Zöller-Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 531 Rn. 21). Die fehlende Geltendmachung in erster Instanz beruht auf einer Nachlässigkeit der Kläger. Diese hätten Einwendungen und Ergänzungsfragen betreffend die in den CTG-Untersuchungen zu erkennenden Uteruskontraktionen spätestens in der mündlichen Anhörung des Sachverständigen am 27.04.2022 vorbringen können. Dies ist nicht geschehen. Anhaltspunkte, die konkrete Zweifel an der Auswertung der CTG-Aufzeichnungen durch den Sachverständigen Prof. Dr. L. ergeben, sind zudem weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Soweit nach der AWMF-S1-Leitlinie Nr. 015/036 von August 2013 "Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt" ein CTG als pathologisch gilt, wenn mindestens zwei der vier Beurteilungskriterien der fetalen Herzfrequenz (Grundfrequenz, Bandbreite, Akzelerationen, Dezelerationen) suspekt sind (vorgenannte Leitlinie Seite 11 f.), hat der Sachverständige dies berücksichtigt und erläutert, dass sich die Parameter der fetalen Herzfrequenz in der Nacht vom 05.07.auf den 06.07. zu suspekten oder pathologischen Parametern insbesondere hinsichtlich des Auftretens wiederholter Dezelerationen verändert hätten. Die für diesen Fall empfohlene fetale Blutanalyse, die sogenannte Mikroblutanalyse, sei durchgeführt worden und habe einen Normalwert angezeigt, sodass ein abwartendes und den Geburtsvorgang nicht beendendes Vorgehen richtig gewesen sei (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 16 f.). Der Sachverständige hat eine erhöhte Herzfrequenz festgestellt (wobei er ausdrücklich die Frequenz von 150 bis 165 spm als "leicht erhöhte Frequenz" bezeichnet hat, zuvor und danach aber auch höhere Frequenzen beschrieben hat, siehe Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 15). Auch das Landgericht ist von "suspekten bzw. pathologischen Parametern" ausgegangen, wie die Kläger selbst in ihrer Berufungsbegründung zitieren, sodass der Vorwurf, das Gericht hätte fehlerhaft geschlussfolgert, es habe kein pathologisches CTG vorgelegen, nicht nachvollziehbar ist. Entgegen der Auffassung der Kläger ist mit dem Vorliegen eines pathologischen CTG jedoch nicht zugleich eine Indikation zur Sectio verbunden. Dies ist auch der von ihnen zitierten Leitlinie nicht zu entnehmen.

ee) Der Vorwurf der Kläger zur Thematik der "protrahierten Geburt", der Gerichtsgutachter sei von einem falschen Beginn der Austreibungsperiode ausgegangen, ist nicht gerechtfertigt. Vielmehr hat der Sachverständige Prof. Dr. L. in seinem schriftlichen Gutachten den Geburtsverlauf, insbesondere die Eröffnung des Muttermunds so wiedergegeben, wie er in den Behandlungsunterlagen der Beklagten zu 1 dokumentiert ist. Er hat seiner Begutachtung zugrunde gelegt, dass um 1.10 Uhr eine Eröffnung auf 9 cm vermerkt und um 3.10 Uhr der Muttermund als vollständig eröffnet dokumentiert ist. Dies bedeute, dass bei der vaginalen Untersuchung nur noch der führende Teil des Kindes (hier der Kopf) und keine Anteile der Gebärmutter mehr getastet wurden. Damit beginne die sogenannte Austreibungsphase (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 13). Dass die Untersuchung des Muttermunds um 1.10 Uhr eine vollständige Öffnung bis auf einen weichen Saum (ca. 9 cm Eröffnung) ergeben hatte, hat er dabei berücksichtigt (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 6). Dies entspricht der Dokumentation in den Behandlungsunterlagen der Beklagten zu 1. Dort ist auf Seite III des Geburtsverlaufs unter der Uhrzeit 1.10 Uhr u.a. vermerkt: "MM bis auf weichen Saum vorne li vollst (9 cm)" und um 3.10 Uhr: "VU: MM jetzt vollst". Die Kläger verkennen, dass der Muttermund um 1.10 Uhr auf 9 cm geöffnet war und noch einen weichen Saum aufwies und um 3.10 Uhr nicht lediglich wiederholt wird, der Muttermund sei vollständig eröffnet, sondern festgehalten wird, dass der Muttermund jetzt vollständig geöffnet ist. Daher bestehen keine Zweifel an der zutreffenden Auswertung der Dokumentation durch den fachkundigen Sachverständigen und der Richtigkeit des von diesem ermittelten Beginns der Austreibungsphase. In der mündlichen Anhörung des Sachverständigen sind auch keine entsprechenden Nachfragen seitens der Kläger gestellt worden.

Soweit die Kläger eine "protrahierte Austreibungsphase" annehmen, weil der Kindskopf von 3.10 Uhr bis 5.30 Uhr nicht tiefer in das Becken eingetreten sei, hat der Sachverständige die Austreibungsphase bis zur Indikation einer Kaiserschnittentbindung im konkreten Fall nicht als zu lang angesehen. Er hat keinen Zeitpunkt festgestellt, in welchem vor 5.25 Uhr ein sogenannter Geburtsstillstand hätte festgestellt werden müssen, der andere Maßnahmen als erfolgt erfordert hätte.

Der Sachverständige und das Landgericht haben bei ihrer Bewertung des Sachverhalts berücksichtigt, dass es um 5.25 Uhr trotz der vollständigen Muttermunderöffnung nicht zu einem weiteren Geburtsfortschritt gekommen war - dies war schließlich der Grund für die Sectio. Dass der kindliche Kopf fest auf dem Beckeneingang lag, ergibt sich aus der vom Sachverständigen ausgewerteten Behandlungsdokumentation. In seiner mündlichen Anhörung hat er hierzu auf Nachfrage der Kläger ausdrücklich erklärt, dass vorliegend die Muttermundweite, die Konsistenz des Muttermunds sowie die Größe und Stellung und der Druck des kindlichen Kopfes nicht gegen den Versuch einer vaginalen Geburt gesprochen habe und auch nicht dafür, zu einem früheren Zeitpunkt einen Kaiserschnitt vorzunehmen (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 6, Bl. 750 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg). Er hat also beachtet, dass der Kopf fest auf dem Beckeneingang war. Dass der Sachverständige bei seiner Einschätzung auch die Wehenstärke und Wehenfrequenz wie dokumentiert berücksichtigt hat, ergibt sich ebenfalls aus seinen Ausführungen (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 10, siehe auch Seite 6; Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 6, Bl. 750 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg). Selbst die Annahme einer "Einstellungsanomalie" und "protrahierten Geburt" begründete aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen keinen Behandlungsfehler. Denn dieser hat seiner Bewertung des Behandlungsgeschehens sowohl die Dauer der Geburt als auch die Lage des Kindskopfs "fest auf Beckeneingang" zugrunde gelegt (siehe Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 6). Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände hat er indes keinen Behandlungsfehler, auch nicht in Form eines Befunderhebungsfehlers, festgestellt. So musste um 17.35 Uhr bzw. 19.30 Uhr auch kein Facharzt für Gynäkologie hinzugezogen werden.

ff) Die Behauptung der Kläger, dass, weil der kindliche Kopf ab 17.35 Uhr des 05.07.2015 fest auf dem Beckeneingang gewesen sei, die vaginale Geburt auf natürlichem Wege bereits um diese Zeit nicht mehr möglich gewesen sei, wird durch die Ausführungen des Sachverständigen nicht gestützt; dass im vorliegenden Fall eine frühzeitigere Sectio als erfolgt geboten gewesen wäre, haben die Kläger nicht nachgewiesen. Soweit sie meinen, dass "mehr dafür spricht als dagegen", dass der Grund für das Fehlen des Geburtsfortschritts in der Austreibungsperiode gewesen sei, dass sich der Kopf fest auf dem Beckeneingang befand, was sie als Anomalie bezeichnen, ist damit kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen dargelegt. Ein solches wäre jedoch Voraussetzung einer Haftung der Beklagten zu 1. Damit kommt es nicht auf die Frage an, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit die Lage des kindlichen Kopfes Ursache des Geburtsstillstands war. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich nämlich nicht, dass die Behandelnden weitere Maßnahmen hätten ergreifen müssen. Daher kann auch die Regelung des § 630h Abs. 3 BGB, nach der vermutet wird, dass eine dokumentationspflichtige Maßnahme, die nicht dokumentiert wurde, nicht getroffen wurde, vorliegend nicht zum Beweis eines Behandlungsfehlers herangezogen werden.

gg) Soweit die Kläger sich darauf berufen, dass die "protrahierte" Geburt, der Geburtsstillstand (Wehenschwäche), der vorzeitige Blasensprung und B-Streptokokken in den Patientenunterlagen dokumentiert seien, hat das Landgericht die Dokumentation, aus der sich die Geburtsdauer, die Wehentätigkeit, der vorzeitige Blasensprung und der B-Streptokokken-Nachweis ergeben, seinen Feststellungen zugrunde gelegt. Wie ausgeführt war die Dauer der Geburt aber nicht derart lang und die Wehentätigkeit bzw. der um 5.25 Uhr eingetretene Geburtsstillstand aus fachmedizinischer Sicht ex ante nicht so zu bewerten, dass frühzeitiger geburtsbeendende Maßnahmen wie eine Sectio hätten ergriffen werden müssen.

hh) Da bei der Bewertung der Frage, ob eine Sectio frühzeitiger hätte durchgeführt werden müssen, auf die Sicht eines geburtsmedizinischen Behandlers abzustellen ist, es also nach dem Grundsatz der fachgleichen Begutachtung auf die Sachkunde eines geburtsmedizinischen Sachverständigen ankommt, bedarf es keiner Einholung eines mikrobiologischen Ergänzungsgutachtens. Eine weitergehende Aufklärung des Infektionsgeschehens ist ebenfalls zu der hier allein relevanten Frage, ob Behandlungsfehler der Geburtshelfer festgestellt werden können, nicht erforderlich, sodass auch die Patientenakte aus dem Klinikum L. im vorliegenden Verfahren nicht ergänzend auszuwerten war.

e) Die Verabreichung des sogenannten Wehencocktails am 05.07.2015 um 13.25 Uhr war nicht behandlungsfehlerhaft.

aa) Der Sachverständige Prof. Dr. L. hat die Förderung der Wehentätigkeit durch Gabe eines sogenannten Geburts- oder Wehencocktails zwölf Stunden nach Kreißsaalaufnahme als normalen geburtsmedizinischen Verlauf angesehen, wie er in jeder deutschen Geburtsklinik tagtäglich stattfinde und ablaufe, und diesen als übliches und richtiges Vorgehen bewertet (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 10, Seite 12). Damit ist der Vorwurf der Kläger, es handele sich um ein ungeeignetes (Naturheil-) Mittel, entkräftet. Der Sachverständige hat sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls berücksichtigt, also auch das Alter der Klägerin zu 1 (und die allein deshalb im Mutterpass eingetragene Risikoschwangerschaft; eine Risikogeburt lag in diesem Zeitpunkt nicht vor, wie der Sachverständige überzeugend erläutert hat, siehe Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 4, Bl. 748 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg), den Blasensprung, die Stellung des Kindskopfs, die zunächst fehlende Wehentätigkeit sowie den Streptokokken-B-Nachweis, und hat keine Kontraindikation erkannt.

Auch hat er weder die Geburtseinleitung noch die erfolgte Verabreichung von Oxytocin über den Wehentropf als verspätet bewertet. Aus dem Umstand, dass der Muttermund vier Stunden nach der Verabreichung des Wehencocktails um 17.25 Uhr 2 cm eröffnet war, hat der Sachverständige unter Auswertung auch des weiteren Befunds der vaginalen Untersuchung, wonach die Portio verstrichen und die Konsistenz des verstrichenen Muttermunds dünnsäumig war, auf eine vorausgehende längere muttermundwirksame Wehentätigkeit geschlossen und den Befund als sehr reifen geburtsmedizinischen Muttermundbefund bezeichnet. Für eine Erstgebärende hat er diese Gesamtkonstellation als deutlichen Geburtsfortschritt angesehen (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 12). Damit ist die Einschätzung der Kläger, es habe kein eindeutiger Geburtsfortschritt vorgelegen, widerlegt.

bb) Weitere Befunderhebungen hat der Sachverständige auch vor der Geburtseinleitung nicht für erforderlich gehalten, auch keine Vaginaluntersuchung oder vorherige ärztliche Konsultation. Der Vortrag der Kläger im Berufungsverfahren vermag hieran keine Zweifel zu wecken. Insbesondere ist den von ihnen dafür, dass vor Einleitung der Geburt eine Vaginaluntersuchung durchzuführen sei, zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nichts Gegenteiliges zu entnehmen - sie betreffen die Kausalität einer unterlassenen Verlaufskontrolle für Primär- und Sekundärschaden nach erlittener Hirnvenenthrombose (BGH, Urteil vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12 -, juris) bzw. die Beweislastumkehr bei einem Befunderhebungsfehler im Fall eines nicht erkanntem Thalamusinfarkts (BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 87/10 -, juris). Da vorliegend jedoch bereits ein Befunderhebungsfehler nicht festgestellt werden kann, kommt es auf Kausalitätsfragen nicht mehr an. Zum Erfordernis einer Vaginaluntersuchung vor der Verabreichung eines Wehencocktails ist den Entscheidungen, die sich nicht einmal mit Geburten befassen, nichts zu entnehmen. Die Entscheidung für die Geburtseinleitung durch Verabreichung eines Wehencocktails musste auch nicht etwa von einem Facharzt getroffen werden (siehe Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 21, auch Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 2, 5, Bl. 746, 749 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg).

cc) Für die Behauptung der Kläger, dass der Wehencocktail für die Lage des Kindskopfs, die unkontrollierten Wehen, die Dauer der Geburt, das pathologische CTG, Hirnblutungen und die respiratorische Anpassungsstörung ursächlich wäre, gibt es keine Anhaltspunkte, weder aus der von den Klägern zum Beweis angebotenen Patientenakte noch aus dem Gutachten des Prof. Dr. K. vom 26.11.2015 (Bl. 71 ff. BA LG Lüneburg 2 OH 14/15).

f) Soweit die Kläger meinen, das Landgericht habe die Dokumentationspflicht des § 630f BGB verkannt, bildet eine unterlassene oder nur lückenhaft vorgenommene Dokumentation keine eigenständige Anspruchsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1988 - VI ZR 217/87 - juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 14. Februar 1995 - VI ZR 272/93 -, juris Rn. 13). Auch ergäben sich aus den von den Klägern gerügten angeblichen Dokumentationsmängeln keine relevanten Beweiserleichterungen. Nicht ersichtlich ist, weshalb zusätzlich zu den in der Dokumentation enthaltenen Aufzeichnungen betreffend die Pfeilnaht (PN), die die Beklagte zu 1 in ihrer Klageerwiderung für 1.10 Uhr am 06.07.2015 als "Pfeilnaht (PN) im zweiten schrägen Geburtsgeschwulst zu tasten" und für 3.10 Uhr mit "PN im zweiten schrägen" beschrieben hat (Bl. 279, 280 d.A.), eine weitergehende Aufzeichnung des Kopfes mit der Pfeilnaht erforderlich gewesen wäre. Jedenfalls hätte sich ein Unterlassen einer zusätzlichen Aufzeichnung nicht erkennbar ausgewirkt. Soweit zuvor am 05.07.2015 um 19.30 Uhr eine Pfeilnaht nicht eruierbar war, worauf die Kläger in der Berufungsverhandlung hingewiesen haben, hat der Sachverständige in Kenntnis des gesamten dokumentierten Geburtsverlaufs die Hinzuziehung eines Facharztes für Geburtshilfe nicht als erforderlich angesehen; im weiteren Verlauf der Geburt konnte schließlich die Pfeilnaht ertastet werden.

g) Mangels festgestellten Behandlungsfehlers ist über Fragen betreffend Kausalität und Schaden (einschließlich der von den Klägern angeführten Beweiserleichterungen zur Kausalität) nicht zu entscheiden. Da bereits ein einfacher Behandlungsfehler nicht nachgewiesen ist, kommt es auf die Ausführungen der Kläger zum groben Behandlungsfehler ebenfalls nicht mehr an.

Mithin hat das Landgericht auch die Vorschriften der § 278 BGB und § 831 BGB nicht etwa fehlerhaft "übersehen". Da kein standardunterschreitendes Vorgehen der Behandelnden, seien es Hebammen, die Assistenzärztin oder andere Ärztinnen und Ärzte, festgestellt werden kann, kommt es nicht darauf an, dass der Beklagten zu 1 etwaige Behandlungsfehler ihrer Mitarbeitenden - die hier nicht festgestellt werden können - zuzurechnen wären.

2. Zu Recht hat das Landgericht keine Behandlungsfehler hinsichtlich der Erstversorgung des Kindes der Kläger im Krankenhaus der Beklagten zu 1 festgestellt. Auch insoweit begründet das Vorbringen der Kläger keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen. Solche konkreten Zweifel sind auch sonst nicht ersichtlich, sodass der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an diese gebunden ist.

Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat insofern ausgeführt, dass es dem anerkannten gesicherten medizinischen Standard entsprochen habe, unverzüglich mit einer antibiotischen Therapie zu beginnen und das Neugeborene zur weiteren Versorgung in eine Kinderklinik zu verlegen (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 6, Bl. 425 d.A.). Daher bestehen keine Zweifel daran, dass die Versorgung des Neugeborenen im Krankenhaus der Beklagten zu 1, die im Wesentlichen in der Übergabe an die Kinderärztin bestand, dem medizinischen Standard entsprach. Dafür, dass vor der Übergabe an die Kinderärztin Behandlungsfehler der Mitarbeitenden der Beklagten zu 1 vorlagen, werden von den Klägern keine Anhaltspunkte dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. So hat der Sachverständige Prof. Dr. L. in seinem geburtsmedizinischen Gutachten die Dokumentation der Erstversorgung im Krankenhaus der Beklagten zu 1 bis zur Übernahme des Kindes durch die Kinderärztin wiedergegeben (Gutachten Prof. Dr. L. vom 20.08.2019 Seite 8, Bl. 405 d.A.), also berücksichtigt, und ausgeführt, hinsichtlich des gesamten Geburtsverlaufs keine Fehler zu erkennen (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 7, Bl. 751 d.A. 2 O 288/18 LG Lüneburg). Zwar ist er nicht konkret auf die Erstversorgung vor Übergabe an die Kinderärztin eingegangen. Aus der Begutachtung, den Behandlungsunterlagen und dem Parteivortrag ergeben sich aber, wie das Landgericht zutreffend ausführt, keine Anhaltspunkte für eine unzureichende Versorgung bzw. für Behandlungsfehler bei der Erstversorgung. Daher musste das Landgericht den Sachverständigen nicht etwa von Amts wegen hierzu befragen. Auch die Kläger haben den Sachverständigen Prof. Dr. L. im Rahmen seiner mündlichen Anhörung insoweit nicht befragt, obwohl sie wussten, dass das geburtsmedizinische Gutachten auch im vorliegenden Verfahren verwertet wurde, sich die Anhörung also auch auf den Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens bezog. Ein ergänzendes oder neues geburtsmedizinisches Sachverständigengutachten hierzu ist nicht einzuholen. Dass die vom Sachverständigen als geboten angesehene unverzügliche kinderärztliche Versorgung und Verlegung des Kindes dazu führte, dass ein Stillen des Neugeborenen zunächst nicht möglich war, kann den Behandelnden nicht zum Vorwurf gemacht werden. Das Landgericht hat auch nicht etwa verkannt, dass das Baby direkt nach der Geburt ungestillt an die Kinderärztin übergeben worden sei, wie die Kläger vortragen. Vielmehr ist dieser Umstand im Tatbestand des angefochtenen Urteils dargestellt. Ein Behandlungsfehler ist hierin jedoch nicht zu erkennen und auch von den Klägern nicht dargelegt.

Die im Hause der Beklagten zu 1 erfolgte kinderärztliche Versorgung des Neugeborenen sowie die Verlegung in die Klinik der Beklagten zu 2 sind vom Sachverständigen Prof. Dr. K. ausreichend begutachtet worden, ohne dass Behandlungsfehler festgestellt werden konnten. Auch aus dem Gutachten des im selbständigen Beweisverfahren eingeholten pathologisch-anatomischen Gutachten des Prof. Dr. K. vom 23.07.2015 (BA LG Lüneburg 2 OH 14/15, Bl. 71 ff.) ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Behandlung im Hause der Beklagten. Ein Ergänzungsgutachten eines pädiatrischen Sachverständigen ist zudem auch deshalb nicht zur Begutachtung der Erstversorgung bis zur Übergabe an die Kinderärztin einzuholen, weil dies gemäß dem Grundsatz der fachgleichen Begutachtung durch einen geburtsmedizinischen Sachverständigen zu bewerten war.

Der hilfsweise Antrag der Kläger, die Patientenakte der Klägerin zu 1 aus dem Hause der Beklagten zu 2 anzufordern, ist nicht nachvollziehbar, weil diese nur Begleitperson und nicht Patientin der Kinderklinik war und die allein maßgeblichen Unterlagen betreffend die Behandlung des Kindes vorliegen.

II.

Den Klägern stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 zu.

1.

Das Landgericht hat keinen für die Beeinträchtigungen der Kläger bzw. für den Tod ihres Kindes kausalen Behandlungsfehler der Mitarbeitenden der Beklagten zu 2 feststellen können.

Das Vorbringen der Kläger begründet keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen. Solche konkreten Zweifel sind auch sonst nicht ersichtlich, sodass der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Landgerichts gebunden ist.

a) Das Landgericht hat unter Zugrundelegung der medizinischen Bewertung des Behandlungsgeschehens durch einen Sachverständigen aus dem betroffenen medizinischen Fachgebiet fehlerfrei aus juristischer Sicht keinen Verstoß gegen den allgemein anerkannten medizinischen Standard gemäß § 630a Abs. 2 BGB festgestellt.

b) Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat das medizinische Vorgehen unmittelbar nach der Geburt vollumfänglich nachvollziehen können. Dieses habe dem anerkannten und gesicherten Stand der ärztlichen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung entsprochen (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 7, Bl. 426 d.A.).

Die Antibiotikatherapie (auch Antibiose genannt) war indiziert. Medikation, Dosierung und Dauer waren nicht standardunterschreitend.

aa) Entgegen der Auffassung der Kläger kann nicht festgestellt werden, dass die Verabreichung der Antibiotika nach der Geburt des Kindes nicht indiziert war, weil bereits während der Geburt eine Antibiotikaprophylaxe durchgeführt worden war. Vielmehr hat der Sachverständige Prof. Dr. K. klar und überzeugend erklärt, dass eine Antibiotikaprophylaxe der Mutter ein Übergreifen der Streptokokken zwar vermindern könne, dies aber keinesfalls unmöglich mache und keine Kontraindikation zur Antibiotikabehandlung des Neugeborenen darstelle; bei Neugeborenen mit Zeichen einer bakteriellen Infektion sei in jedem Fall, d.h. unabhängig von der Durchführung der subpartalen - also unter der Geburt durchgeführten - Antibiotikaprophylaxe unverzüglich die antibiotische Therapie zu beginnen. Eine Antibiotikagabe an die Mutter verhindere eine Infektion beim Neugeborenen nicht zuverlässig (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 8, Bl. 427 d.A., Seite 6, Bl. 425 d.A.). Auf Nachfrage hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung nochmals klar verneint, dass die Antibiotikaprophylaxe unter der Geburt ausreiche, eine Neugeborenensepsis zu verhindern (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 3, Bl. 795 d.A.). Dies entspricht der AWMF-Leitlinie 024/020 "Prophylaxe der Neugeborenensepsis - frühe Form - durch Streptokokken der Gruppe B" in der Fassung 07/2008, in der es heißt, dass bei Kindern mit Zeichen einer bakteriellen Infektion - hier die respiratorische Anpassungsstörung und das in den Behandlungsunterlagen dokumentierte graue Munddreieck - mit der Antibiotikatherapie unabhängig von der Durchführung der Antibiotikaprophylaxe während der Geburt unverzüglich zu beginnen sei (siehe Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 2, Bl. 420 d.A.). Insofern hat der Sachverständige auf Vorhalt der Kläger in seiner Anhörung plausibel erläutert, dass sich, wenn unter Ziffer 4.2 der Leitlinie stehe, dass die prophylaktische oder präventive Gabe von Antibiotika unter der Geburt ausreichend und eine spezielle Behandlung des Neugeborenen mit Antibiotika nicht erforderlich sei, dies nur für Neugeborene gelte, die - wie hier nicht - ohne klinische Anzeichen für eine Infektion zur Welt kommen (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 4, Bl. 796 d.A.). Dies ist für den Senat auch deshalb gut nachvollziehbar, weil die Leitlinie dementsprechend gegliedert ist in die Abschnitte "4.1. Kinder mit Zeichen einer bakteriellen Infektion" und "4.2 Kinder ohne klinische Zeichen einer Infektion". Die von den Klägern erwähnte Beobachtung des Kindes für 48 Stunden (vor eventueller Einleitung einer Antibiotikatherapie) betrifft danach nur Fälle, in denen die Kinder zunächst ohne klinische Zeichen einer Infektion sind, also nicht den vorliegenden.

Soweit die Kläger rügen, dass das Landgericht den Sachverhalt der Antibiotikaprophylaxe nicht richtig und vollständig aufgeklärt habe, betrifft die Frage einer etwaigen Behandlungsfehlerhaftigkeit der während der Entbindung der Klägerin zu 1 verabreichten Prophylaxe nicht den Gegenstand des hiesigen Verfahrens, sondern das Parallelverfahren. Die Auswirkung dieser Antibiotikaprophylaxe auf die Behandlung des Neugeborenen ist hingegen vom Sachverständigen Prof. Dr. K. - wie ausgeführt - dahingehend fachkundig beurteilt worden, dass eine präventive Antibiotikaverabreichung an die Mutter eine Infektion des Kindes nicht zuverlässig verhindern kann. Die Prävention, mit der das Risiko einer Infektion verringert werden soll, ist also nicht mit der Verhinderung der Infektion gleichzusetzen.

bb) Dass beim Kind im Verlauf der Behandlung tatsächlich keine Infektion, Pneumonie oder andere Krankheit nachgewiesen worden ist, steht der Annahme einer absoluten Indikation der Antibiotikatherapie nicht entgegen.

Zum einen ist die Frage der Behandlungsfehlerhaftigkeit aus der ex-ante-Sicht zu beurteilen, also aus der Sicht im Zeitpunkt der Behandlung mit den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Kenntnissen. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Therapiebeginns bestand hier ein begründeter Verdacht einer Infektion. So hat der Sachverständige Prof. Dr. K. aufgrund der Atemstörung des Kindes und der vorhandenen Risikofaktoren der B-Streptokokkenbesiedelung sowie des vorzeitigen Blasensprungs einen dringenden Verdacht auf eine Neugeboreneninfektion bzw. -sepsis zweifelsfrei bejaht (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 6, Bl. 425 d.A., Seite 8, Bl. 427 d.A.). Damit musste unverzüglich die Antibiotikabehandlung eingeleitet werden. Dies ergibt sich auch aus den AWMF-Leitlinien 024/20 und 024/008 (in Letzterer heißt es in der Fassung von 2/2006 unter Ziffer 5.1., dass entscheidend für eine erfolgreiche Antibiotikatherapie der frühzeitige Beginn beim ersten klinischen Verdacht sei). Dass das Kind mit Knörren, Tachypnoe und inspiratorischen Einziehungen Symptome einer respiratorischen Anpassungsstörung zeigte, ergibt sich aus der Dokumentation und ist vom Landgericht als unstreitig im Tatbestand dargestellt. Hieran ist der Senat gebunden. Auch die Kläger legen diese Tatsache zugrunde, wie sich aus ihrem Tatbestandsberichtigungsantrag vom 31.10.2022 (Bl. 960 d.A.) ergibt. Zum anderen hat der Sachverständige ausführlich dargelegt, dass bei Neugeborenen der Nachweis einer Infektion nur selten gelingt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil hierzu verwiesen. Der Umstand, dass hier eine Infektion nicht nachgewiesen werden konnte, bedeutet also nicht, dass nicht tatsächlich eine Infektion vorgelegen haben kann, die die unstreitig vorhandenen Symptome hervorgerufen hat.

Dagegen ergeben sich aus der Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. K., dass keine Krankheiten festgestellt wurden, keine Zweifel daran, dass eine respiratorische Anpassungsstörung vorlag. Der Sachverständige hat, wie sich aus seinen Ausführungen ergibt, in diesem Zusammenhang die respiratorische Anpassungsstörung als Symptom, nicht als Krankheit, angesehen und dessen Vorliegen nicht in Zweifel gezogen. Die Kläger verkennen, dass die Antibiotikatherapie bereits aufgrund des Verdachts einer Infektion indiziert war und nicht die Feststellung bzw. Diagnose einer solchen oder anderen Erkrankung voraussetzte.

cc) Der Vorwurf, der Sachverständige sei unrichtigerweise vom Verdacht einer Neugeboreneninfektion bzw. -sepsis ausgegangen, ist nicht gerechtfertigt. In den Behandlungsunterlagen der Beklagten zu 2 ist als Aufnahmediagnose der Verdacht auf eine konnatale, also angeborene, Pneumonie festgehalten. Ebenso enthält der Entlassungsbrief die Diagnose des Verdachts auf eine angeborene Pneumonie. Weiter ist darin angegeben, dass die stationäre Aufnahme auf die neonatologische Station bei respiratorischer Anpassungsstörung und Verdacht auf Infektion erfolgte (Entlassungsbrief vom 10.07.2015 Seite 3, Heftstreifen Behandlungsunterlagen). Die Kläger selbst tragen im Übrigen auch vor, dass das Kind wegen einer respiratorischen Anpassungsstörung und dem Verdacht einer Pneumonie in die Klinik der Beklagten zu 2 verlegt wurde.

Mithin war es korrekt, dass der Sachverständige seiner Begutachtung zugrunde gelegt hat, dass aus der ex-ante-Sicht die Behandelnden im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung vom Verdacht einer Infektion des Neugeborenen ausgegangen sind. Insoweit hat er aufgrund der Einwendungen der Kläger in ihrem Befangenheitsgesuch vom 23.11.2020 (Bl. 446 ff. d.A.) klargestellt, dass eine Pneumonie eine Infektion sei, und hierzu erläutert, dass die frühe Pneumonie (lokale Infektion) häufig als Begleiterscheinung einer generalisierten Infektion bzw. Sepsis bei Geburt (Neugeboreneninfektion bzw.-sepsis) auftrete und bei Neugeborenen mit klinischen Zeichen einer bakteriellen Infektion einschließlich einer Pneumonie unverzüglich eine antibiotische Therapie begonnen werden müsse, ohne dass eine laborchemische Bestätigung notwendig sei (Stellungnahme Prof. Dr. K. vom 03.12.2020, Bl. 474 d.A.). Soweit die Kläger in ihrem auf den 02.06.2023 datierten Schriftsatz die Behandlung einer Neugeborenensepsis in Abrede nehmen, ist die Antibiotikatherapie zur Verhinderung einer solchen unstreitig durchgeführt worden.

dd) Dem Senat erschließt sich nicht, weshalb die von den Klägern auf Seite 48 unten ihrer Berufungsbegründung aufgeführten Punkte der Indikation der Antibiotikagabe entgegenstünden. Der Sachverständige hat bei seiner Begutachtung die Dauer der Geburt und den Zustand des Kindes, wie er dokumentiert ist, berücksichtigt (siehe auch Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 6, Bl. 425 d.A.). Dass später bei der Obduktion eine Hirnblutung und hypoxische Hirnveränderungen festgestellt wurden, spielt bei der Bewertung der Behandlung aus der maßgeblichen ex-ante-Betrachtung keine Rolle.

ee) Auch war nicht behandlungsfehlerhaft, dass die Antibiotikatherapie nach Erhalt des Befundes, dass eine Streptokokken-B-verursachte Infektion nicht nachgewiesen wurde, nicht sofort beendet wurde. Zwar kann nach den Ausführungen des Sachverständigen dann, wenn sich die Infektion zurückentwickelt oder nicht weiterentwickelt, im Einzelfall die Therapie auch früher beendet werden. In der Regel werde sie jedoch für fünf Tage beibehalten, um in jedem Fall sicher zu gehen. Auch in den Leitlinien werde bei einem blanden Infektionsverlauf eine Gabe von fünf bis sieben Tagen empfohlen (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 3, Bl. 795 d.A.). Dieser Zeitraum ist nicht überschritten worden. Darauf, ob das Kind am 11.07.2015 eine letzte Dosis Antibiotika erhalten hat oder nicht, kommt es mithin nicht an. Da nur einer geringen Anzahl von Blutkulturen tatsächlich ein positiver Befund entnommen werden könne, reichten die klinischen Anzeichen einer Infektion aus, um die Antibiotikabehandlung fortzusetzen (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 4, Bl. 796 d.A.).

Die von den Klägern genannte AWMF-Leitlinie 024-008 "Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen" steht den Ausführungen des Sachverständigen nicht entgegen. Vielmehr hat dieser die Leitlinie im Rahmen seiner Begutachtung in der im Zeitpunkt der Behandlung gültigen Fassung von 2006 herangezogen (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 7 unten, Bl. 426 d.A.) und kein der Leitlinie nicht entsprechendes Vorgehen festgestellt. Die gebotenen Laboruntersuchungen wurden durchgeführt und dokumentiert. Abgesehen davon, dass die von den Klägern vorgelegte Leitlinie in der Fassung vom 30.03.2021 (Bl. 681 ff. d.A.) im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht galt (in Bezug auf die Symptome unter Ziffer 3 und die Dauer der Behandlung haben sich allerdings durch die Neufassung keine Änderungen ergeben, siehe Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 5, Bl. 797 d.A.), betreffen die von den Klägern auf den Seiten 50 f. ihrer Berufungsbegründung zitierten Kriterien ausweislich Seite 3 der Leitlinie speziell die nosokomiale Sepsis, d.h. eine Sepsis, die später als 72 Stunden nach Aufnahme in der Klinik entsteht (so die Definition auf Seite 2 der von den Klägern vorgelegten Fassung der Leitlinie, Bl. 682 d.A.), also nicht den vorliegenden Fall. Denn hier ging es nicht um die Diagnose einer nosokamialen Sepsis später als 72 Stunden nach Aufnahme in der Klinik, sondern um die Indikation einer Antibiotikatherapie bei Verdacht einer Infektion oder Sepsis eines Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt.

ff) Die Dosierung der Antibiotika entsprach dem medizinischen Standard. Im Aufnahmebogen ist dokumentiert, dass dem Kind, das ein Geburtsgewicht von 3.220 g aufwies und in der 39. + 1 Schwangerschaftswoche geboren war, am 06.07.2015 eine Dosierung von 100 mg Ampicillin und 17,5 mg Gentamicin verabreicht wurde. Weiter ist in der Kinderkurve als Dosis für Ampicillin 3 x 110 mg und für Gentamicin an den ersten beiden Tagen 1 x 16 mg und sodann 1 x 8 mg vermerkt. Diese Dosierung hat der Sachverständige als den vielen offiziellen Empfehlungen für reife Neugeborene entsprechend und nicht überdosiert angesehen (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 7, Bl. 426 d.A.). Auf den Seiten 3 bis 6 des schriftlichen Gutachtens zitiert er diverse Dosierungsempfehlungen aus der einschlägigen Literatur, u.a. berücksichtigt er die AWMF-Leitlinie 024-008 in der auf vorliegenden Fall anwendbaren Fassung. In seiner mündlichen Anhörung hat er erläutert, dass hier sowohl Ampicillin als auch Gentamicin in der empfohlenen Dosis verabreicht worden seien. Bei Gentamicin schwankten die Empfehlungen von 4 mg/kg Körpergewicht pro Dosis bis 7 mg/kg Körpergewicht pro Dosis. Die verabreichte Menge befinde sich in jedem Fall nicht in einem toxischen Bereich (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 5, Bl. 797 d.A.). Dies ist für den Senat nach eigener Überprüfung der jeweiligen Mengenberechnung gut nachvollziehbar.

Die von den Klägern zitierte AWMF-Leitlinie 024-008 in der Fassung vom 30.03.2021 bzw. 4/2018 (Bl. 681 ff d.A.) steht dem nicht entgegen. Abgesehen davon, dass die Behandlung im Jahr 2015 stattfand, als die Leitlinie in dieser Fassung noch nicht galt und die anwendbare Leitlinie Stand 2/2006 (Kopie der Akte beiliegend) keine Dosierungsempfehlungen enthielt, verkennen die Kläger, dass es auf Seite 13 f. der Leitlinie von 2018 heißt: "In der Neonatologie ist die Dosierung von Antibiotika von zahlreichen Variablen abhängig. [...]. Aktuell ist es nicht möglich, anhand der Literatur ein allgemeingültiges Dosierungs- und Verabreichungsschema für Antibiotika herzuleiten. Die Tabellen 6 bis 9 im Anhang berücksichtigen die aktuellen Publikationen zur Pharmakakinetik von Antibiotika bei Früh- und Reifgeborenen; sie können[Hervorhebung durch den Senat] als Unterstützung bei der Überprüfung abteilungsinterner Standards verwendet werden." Ein medizinischer Standard lässt sich daher den von den Klägern herangezogenen Tabellen nicht entnehmen. Zudem haben die Kläger der Tabelle 6 (Bl. 706 d.A.) hinsichtlich Ampicillin fehlerhaft eine Dosierung von "25 mg/kg" statt "25-50 mg/kg" entnommen, sodass sich auch bei Anwendung der Empfehlung aus der Tabelle auf den vorliegenden Fall bezogen keine fehlerhafte Dosierung ergibt.

c) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die stationäre Behandlung des Kindes im Übrigen fehlerhaft gewesen wäre, bestehen nicht und werden auch von den Klägern nicht dargelegt.

aa) Vielmehr hat der Sachverständige Prof. Dr. K. hinsichtlich der gesamten Behandlung in der Klinik der Beklagten zu 2 die Behandlungsunterlagen ausgewertet und einen problemlosen Verlauf festgestellt sowie die wesentlichen Befunde und Maßnahmen schriftlich dargelegt. Das medizinische Vorgehen hat er vollumfänglich nachvollzogen und als dem anerkannten und gesicherten Stand der ärztlichen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung entsprechend angesehen (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 7 und 8, Bl. 426, 427 d.A.).

bb) Der Sachverständige hat nicht verlangt, dass aufgrund der respiratorischen Anpassungsstörung und dem Verdacht einer Pneumonie des Neugeborenen bereits bei Aufnahme des Kindes im Krankenhaus der Beklagten zu 2 ein Lungenfacharzt hätte hinzugezogen werden müssen.

Auffälligkeiten der Lunge oder anderer Organe, die einer Abklärung bedurft hätten, sind nicht ersichtlich, auch nicht aufgrund der Röntgenuntersuchung vom 06.07.2015, nach der ein Pneumothorax nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen war; der Röntgenbefund lag dem Sachverständigen im Rahmen seiner Begutachtung vor. Die Klinik und sämtliche Vitalparameter waren während des stationären Aufenthalts unauffällig, wie der Sachverständige überzeugend festgestellt hat (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 7, Bl. 426 d.A.). Die Empfehlung im Entlassungsbrief der Beklagten zu 2 vom 10.07.2015 (dort Seite 2), eine Kontrolle je nach Klinik vorzunehmen, also bei eventuell später auftretenden konkreten Anhaltspunkten anhand des klinischen Zustands, hat er nicht beanstandet. Dass aufgrund des Röntgenbefunds bereits während des Krankenhausaufenthalts des Kindes, bei dem sich der Zustand des Kindes verbesserte und keine klinischen Auffälligkeiten vermerkt sind, weitere Befunderhebungen oder die Hinzuziehung eines Lungenfacharztes hätten erfolgen müssen, hat der Sachverständige aus der maßgeblichen Sicht der Behandelnden nicht festgestellt. Die erst nach dem Tod des Kindes festgestellte Fehlbildung des Herzens sowie die Veränderungen der Lunge und des Gehirns sind also, sofern sie im Zeitpunkt der stationären Behandlung im Hause der Beklagten zu 2 bereits vorhanden gewesen sein sollten, nicht vorwerfbar fehlerhaft nicht behandelt worden.

cc) Soweit die Kläger im Berufungsverfahren erstmals in der mündlichen Verhandlung rügen, dass sich der Sachverständige Prof. Dr. K. nicht mit dem behaupteten Nasenbluten des Kindes während seines Aufenthalts in der Klinik der Beklagten zu 2 befasst habe, ergeben sich aus ihrem Vorbringen - unabhängig davon, dass dieses gemäß §§ 530, 531 ZPO verspätet und damit unzulässig sein dürfte - keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Anhaltspunkte für einen Befunderhebungsfehler sind nicht erkennbar. Zum einen hat der pathologisch-anatomische Sachverständige Prof. Dr. K. nicht etwa ein Nasenbluten während des stationären Aufenthalts des Kindes festgestellt, wie die Kläger in ihrem - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 05.07.2023 behaupten. Er hat vielmehr der Antragsschrift der Kläger im selbständigen Beweisverfahren ("Unterlage Nr. 3") entnommen, dass es nach dem Vorbringen der Kläger während des Klinikaufenthalts zu Nasenbluten gekommen sei (Gutachten Prof. Dr. K. vom 26.11.2015 Seite 6 i.V.m. Seite 4, Bl. 73, 72 BA LG Lüneburg 2 OH 14/15) und ein solches zur Beantwortung der Beweisfragen der Kläger sodann unterstellt. Bei seiner Untersuchung hat er keinen Anhalt für wesentliche Blutanhaftungen im Bereich der Nase und des Mundes gefunden (Gutachten Prof. Dr. K. vom 26.11.2015 Seite 7, Bl. 73 R BA LG Lüneburg 2 OH 14/15). Zum anderen hat er, das behauptete Nasenbluten unterstellend, erklärt, dass sich weder beweisen noch ausschließen lasse, ob derartige Blutungen aus der Nase Ausdruck der kleineren Lungenblutungen gewesen seien (Gutachten Prof. Dr. K. vom 26.11.2015 Seite 15, Seite 19, Bl. 77 R, 79 R BA LG Lüneburg 2 OH 14/15). Dem Sachverständigen Prof. Dr. K. lag das selbständige Beweisverfahren mit dem Gutachten des Prof. Dr. K. vor, wie sich aus seinem schriftlichen Gutachten ergibt (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 1, Bl. 420 d.A.), er hat es also berücksichtigt. Befunderhebungsfehler hat er indes nicht festgestellt. Widersprüche zwischen den beiden Gutachten lagen nicht vor, sodass das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. K. auch keine Vorhalte machen musste; auch die Kläger haben in der mündlichen Anhörung des Sachverständigen hierzu keine Nachfragen gestellt.

dd) Hinsichtlich der initial festgestellten leichten metabolischen Azidose hatten die weiteren Kontrollen Normalbefunde ergeben (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 7, Bl. 426 d.A.). Der Sachverständige hat also die Blutwerte von 6.56 Uhr des 06.07.2015 (Bl. 34 der Patientenakte), auf die die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 12.06.2023 hinweisen, berücksichtigt und ist von einer zunächst vorliegenden leichten Azidose des Kindes ausgegangen. Da sich die Werte wieder normalisiert haben, ist es für den Senat gut nachvollziehbar, dass der Sachverständige es nicht als standardunterschreitend angesehen hat, zusätzlich zu den durchgeführten Kontrollen keine weitergehenden Maßnahmen zu treffen. Aus dem Umstand, dass die CRP-Werte aufgrund der Wirkung der Antibiotika zurückgegangen waren, die Antibiotikabehandlung also erfolgreich war, kann nicht etwa auf "verfälschte" Laborberichte geschlossen werden, worauf sich die Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung berufen haben (siehe auch Schriftsatz vom 05.07.2023 Seite 3, Bl. 1232 d.A.).

ee) Aus dem Befund der U2-Untersuchung am 10.07.2015 hinsichtlich Niere und Kopf des Kindes ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler. Im Untersuchungsheft und im Entlassungsbrief der Beklagten zu 2 vom 10.07.2015 werden (sonographische) Kontrollen der Nieren und des Schädels zur U3 empfohlen. Dass dies nicht ausreichend gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Der Sachverständige Prof. Dr. K., dem sämtliche Untersuchungsbefunde vorlagen, hat keine weitergehenden Befunderhebungen im Krankenhaus der Beklagten zu 2 für erforderlich gehalten, auch keine erneute Röntgenkontrolle, sondern erklärt, dass das Kind am 11.07.2015 in gutem Allgemeinzustand entlassen werden konnte (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 7, Bl. 426 d.A.).

d) Die Kläger haben nicht nachweisen können, dass die Entlassung des Kindes am 11.07.2015 fehlerhaft gewesen wäre. Vielmehr befand sich das Kind, wie sich aus vorgenannten Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. ergibt, im Zeitpunkt der Entlassung in gutem Zustand und konnte entlassen werden. Weitere Befunderhebungen mussten - wie ausgeführt - nicht durchgeführt werden. Auch ist nicht ersichtlich, dass und aus welchem Grund eine weitere stationäre Beobachtung aufgrund der Antibiotikagabe hätte erfolgen müssen.

Der Entlassung stehen auch keine Lungenblutungen entgegen. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund der erst im Rahmen der Obduktion im Nachhinein festgestellten vereinzelten Siderophagen als Hinweis auf ältere Mikroblutungen (so Gutachten Prof. Dr. K. vom 26.11.2015 Seite 7, Bl. 73 R BA LG Lüneburg 2 OH 14/15) entsprechende Auffälligkeiten während des stationären Aufenthalts des Kindes in der Klinik der Beklagten zu 2 hätten erkannt und behandelt werden können und müssen. Die Kläger nehmen diesbezüglich eine unzulässige ex-post-Betrachtung vor, berücksichtigen also Kenntnisse, die die Behandelnden im Zeitpunkt der Entlassung noch nicht hatten.

e) Ein Behandlungsfehler in Form einer unzureichenden therapeutischen Aufklärung, für den die Kläger darlegungs- und beweispflichtig sind, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat eindeutig erklärt, dass den Klägern bei der Entlassung keine besonderen Verhaltensmaßregeln auf mögliche gesundheitliche Risiken mitgeteilt werden mussten (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 9, Bl. 428 d.A.).

Zudem ist dem Vortrag der Kläger, ihnen wäre keine ausführliche Sicherungsaufklärung zugekommen, nicht zu entnehmen, über welche gebotenen Verhaltensweisen oder Maßnahmen sie in dem unstreitig stattgefundenen Entlassungsgespräch nicht informiert worden seien. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass sich eine unterlassene Sicherungsaufklärung vorliegend ausgewirkt hätte. Maßnahmen, die die Kläger hätten treffen können, um den plötzlichen Tod ihres Kindes zu verhindern, sind nicht erkennbar. Dies betrifft auch den in der mündlichen Berufungsverhandlung erhobenen Vorwurf, die Kläger wären über die im Entlassungsbrief der Beklagten zu 2 vom 10.07.2015 erwähnte Kontrolle nicht informiert worden. So enthielt der Entlassungsbrief nicht etwa die Empfehlung einer umgehenden Kontrolluntersuchung, wie die Kläger behaupten, sondern es wurde eine weitere Betreuung durch den Kinderarzt sowie hinsichtlich eines nicht mit letzter Sicherheit auszuschließenden Pneumothorax eine Kontrolle je nach Klinik empfohlen. Eine weitergehende Empfehlung hat der Sachverständige Prof. Dr. K. auch nicht für erforderlich gehalten. Der plötzliche Tod des Kindes noch vor der nächsten kinderärztlichen Untersuchung und ohne vorherige erkennbare Anzeichen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands wäre also durch eine Information der Kläger wie im Entlassungsbrief niedergelegt nicht verhindert worden. Zudem hat der Sachverständige Prof. Dr. K. einen Pneumothorax nicht feststellen können (Gutachten Prof. Dr. K. vom 26.11.2015 Seite 21, Bl. 80 R BA LG Lüneburg 2 OH 14/15).

Daher könnten die Kläger insoweit auch, ohne dass es mangels Behandlungsfehlers noch darauf ankäme, weder beweisen, dass eine umgehende Röntgenaufnahme den Befund eines Pneumothorax ergeben hätte, noch dass der Tod ihres Kindes überhaupt hiermit im Zusammenhang stand. Todesursache war ein respiratorisches Kreislaufversagen bei akuter diffuser aleolärer Hämorrhagie (Lungenblutung), deren Ursache unklar geblieben ist (Gutachten Prof. Dr. K. vom 26.11.2015 Seite 16, 17, Bl. 78, 78R BA LG Lüneburg 2 OH 14/15), in Betracht kommt z.B. auch eine Herzrhythmusstörung (so hat Prof. Dr. K. in seiner mündlichen Anhörung erklärt, dass der plötzliche Eintritt des Todes an eine Herzrhythmusstörung denken lasse und eine solche die unmittelbar vor dem Tod auftretende Lungenblutung verursacht haben könne, siehe Sitzungsprotokoll vom 02.05.2016 Seite 5, Bl. 169 BA LG Lüneburg 2 OH 14/15).

f) Soweit die Kläger meinen, das Landgericht habe die Dokumentationspflicht des § 630f BGB verkannt, bildet eine unterlassene oder nur lückenhaft vorgenommene Dokumentation keine eigenständige Anspruchsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1988 - VI ZR 217/87 - juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 14. Februar 1995 - VI ZR 272/93 -, juris Rn. 13). Die respiratorische Anpassungsstörung, der Verdacht auf eine angeborene Pneumonie bzw. Infektion sind in den Behandlungsunterlagen dokumentiert. Die Hirnblutungen und hypoxischen Hirnschäden sowie die Lungenblutungen sind erst nach dem Tod des Kindes im Rahmen der Obduktion festgestellt worden und konnten daher von den Beklagten nicht dokumentiert werden. Auch ergeben sich keine relevanten Beweiserleichterungen aus den von den Klägern gerügten angeblichen Dokumentationsmängeln. Soweit die Kläger den Vorwurf erheben, die Antibiotikabehandlung sei nicht ausreichend dokumentiert, wäre gemäß § 630h Abs. 3 BGB Folge einer entgegen § 630f BGB nicht dokumentierten Maßnahme, dass vermutet wird, dass diese Maßnahme unterblieben ist. Die Antibiotikatherapie ist aber unstreitig durchgeführt worden.

g) Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag der Kläger im Zusammenhang mit der Verneinung eines Behandlungsfehlers durch das Landgericht, die Behandlung des Kindes sei für die Beklagte zu 2 vollbeherrschbar gewesen. Die Kläger verkennen, dass hier ein Fall eines vollbeherrschbaren Risikos entsprechend der damit in der Rechtsprechung verbundenen Konstellation mit der Folge von Darlegungs- bzw. Beweiserleichterungen ersichtlich nicht vorliegt. Vielmehr bestanden hier Gefahren, die aus den Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus erwachsen und deshalb der Patientensphäre zuzurechnen sind. Denn die Vorgänge im lebenden Organismus können auch vom besten Arzt nicht immer so beherrscht werden, dass schon der ausbleibende Erfolg oder auch ein Fehlschlag auf eine fehlerhafte Behandlung hindeuten würden. Zudem hat sich im vorliegenden Fall der Zustand des Kindes in der Klinik der Beklagten zu 2 verbessert.

2. Die Aufklärungsrüge hat keinen Erfolg.

Da eine Aufklärung über die unverzüglich einzuleitende absolut notwendige und alternativlose Antibiotikatherapie nicht erforderlich war, scheidet eine Haftung der Beklagten zu 2 wegen unterlassener Aufklärung über diese Maßnahme aus. Ein Aufklärungsgespräch musste mit den Klägern nicht geführt werden. Mithin ist auch eine Anhörung der Kläger hierzu nicht geboten.

Gemäß § 630e Abs. 3 BGB bedarf es der Aufklärung des Patienten nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist. Dies war hier der Fall - wie der Sachverständige Prof. Dr. K. überzeugend ausgeführt hat. Mit der standardgemäßen Antibiotikatherapie musste unmittelbar nach der Geburt sofort begonnen werden, es gab keine medizinische Alternative (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 7, 8, 9, Bl. 426 ff. d.A.). Dies hat der Sachverständige unter Heranziehung der einschlägigen Leitlinien und Lehrbücher, aus denen er in seinem schriftlichen Gutachten zitiert hat (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 1 ff., Bl. 420 ff. d.A.), überzeugend dargelegt. Wie ausgeführt genügte für die Indikation der dringende Verdacht einer Infektion auch ohne Nachweis. Daher hat der Sachverständige aus seiner medizinischen Sicht eine Aufklärung oder Einwilligung der Eltern nicht für notwendig angesehen (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 7, 8, 9, Bl. 426 ff. d.A.). Auch aus juristischer Sicht bedurfte es wegen der vom Sachverständigen überzeugend dargelegten Unaufschiebbarkeit der Maßnahme ausnahmsweise keiner Aufklärung. Daher kommt es auf die von den Klägern aufgezeichneten Gespräche, aus denen sich nach ihrem Vortrag ergeben soll, dass die Klägerin zu 1 nur informiert, nicht aber aufgeklärt wurde, nicht an. Mangels Aufklärungsfehlers muss auch über den von der Beklagten zu 2 vorsorglich erhobenen Einwand der hypothetischen Einwilligung nicht entschieden werden.

Dass eine Infektion durch die Laboruntersuchungen nicht nachgewiesen werden konnte, führte auch nicht dazu, dass eine Aufklärung über die bloße Fortführung der bereits eingeleiteten Therapie hätte erfolgen müssen. Denn die Antibiotikatherapie wurde standardgemäß über einen Zeitraum von fünf bis sieben Tagen durchgeführt, sodass es sich nicht um eine gesondert aufklärungspflichtige neue oder erweiterte Maßnahme handelte, sondern um die standardgerecht noch nicht beendete notwendige Maßnahme.

III.

Da die Kläger einen Behandlungsfehler nicht nachweisen können und auch keine weitergehende Aufklärung erfolgen musste, kommt es auf Kausalitätsfragen nebst entsprechender eventueller Beweiserleichterungen und auf den erlittenen Schaden nicht mehr an. Auch die Todesursache des Kindes ist daher für die hier allein zu entscheidende Frage der Haftung der Beklagten ebenso wenig weiter aufzuklären wie die Ursache der Hirnblutung, hypoxischen Hirnschädigung und Lungenblutung. Denn vorliegend kann von den gesundheitlichen Schäden nicht auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass, selbst wenn kleinere Lungenblutungen bereits während des Aufenthalts des Kindes im Krankenhaus der Beklagten zu 2 entstanden wären, ausweislich des pathologisch-anatomischen Gutachtens des Prof. Dr. K. vom 23.07.2015 (Bl. 71 ff. BA LG Lüneburg 2 OH 14/15) die massive akute Lungenblutung, die zum Tod des Kindes der Kläger geführt hat, erst unmittelbar vor dem Tod eingetreten ist (Gutachten Prof. Dr. K. vom 23.07.2015 Seite 21, Bl. 80 R BA LG Lüneburg 2 OH 14/15). Als Todesursache ist - wie ausgeführt - ein respiratorisches Kreislaufversagen bei akuter diffuser aleolärer Hämorrhagie (Lungenblutung) anzusehen. Die Ursache der Lungenblutung konnte nicht geklärt werden; der pathologische Sachverständige Prof. Dr. K. hat es allerdings als wahrscheinlich angesehen, dass der Tod nicht durch eine verzögerte Geburt und eine unzureichende medizinische Versorgung nach der Geburt verursacht wurde (Gutachten Prof. Dr. K. vom 23.07.2015 Seite 19, Bl. 79 R BA LG Lüneburg 2 OH 14/15). Aus seiner Begutachtung ergeben sich mithin keine Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler in den Krankenhäusern der Beklagten, der für den - äußerst tragischen und bedauerlichen - plötzlichen Tod des Kindes der Kläger kausal geworden wäre.

Selbst wenn die bei der pathologischen Untersuchung festgestellten winzigen Residuen älterer Mikroblutungen bzw. einzelnen Siderophagen im Gehirn während des Geburtsvorgangs entstanden wären, waren diese nur sehr diskret ausgeprägt und sind vom pathologischen Sachverständigen Prof. Dr. K. (Gutachten vom 23.07.2015 Seite 16, siehe auch Befunde Seite 7, 8, Bl. 73 R, 74, 78 BA LG Lüneburg 2 OH 14/15) nur als Nebenbefund angesehen worden, sodass weder ein Befunderhebungsfehler noch eine Ursächlichkeit oder auch nur Mitursächlichkeit dieser älteren Mikroblutungen für den Tod des Kindes der Kläger festgestellt werden können.

Dem Antrag der Kläger, eine weitergehende Beweiswürdigung auch hinsichtlich des im selbständigen Beweisverfahren LG Lüneburg 2 OH 14/15 erstatteten Sachverständigengutachtens vorzunehmen, ist nicht nachzukommen. Das dort beantragte pathologische und toxikologische Gutachten musste nicht eingeholt werden. Denn das Landgericht musste sich, da es zu Recht keinen Behandlungsfehler feststellen konnte, mit der Frage des Schadens und der Kausalität einschließlich der Ursache des Todes des Kindes im vorliegenden Verfahren und daher auch mit der im selbständigen Beweisverfahren durchgeführten Begutachtung nicht mehr befassen. Dass das Kind Antibiotika erhalten hat, ist unstreitig. Dem Sachverständigen Prof. Dr. K. lagen im Rahmen seiner Begutachtung die Akten des selbständigen Beweisverfahrens vollständig vor. Da die von ihm zu beurteilende Frage der Behandlungsfehlerhaftigkeit indes aus der maßgeblichen ex-ante-Betrachtung der Behandelnden zu beantworten ist, und er Behandlungsfehler verneint hat, musste er von sich aus - ohne Nachfrage der Kläger - zur Begutachtung des Prof. Dr. K. keine weiteren Ausführungen machen.

Mithin hat das Landgericht auch die Vorschrift des § 831 BGB nicht etwa fehlerhaft "übersehen". Da kein standardunterschreitendes Vorgehen der Behandelnden, seien es Hebammen, die Assistenzärztin oder andere Ärztinnen und Ärzte, festgestellt werden kann, kommt es nicht darauf an, dass den Beklagten etwaige Behandlungsfehler ihrer Mitarbeitenden - die hier nicht festgestellt werden können - zuzurechnen wären.

IV.

Das Landgericht und der Senat durften ihre Feststellungen auf die Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. K. und Prof. Dr. L. stützen.

1. An der Kompetenz, Qualifikation und Sachkunde der gerichtlich bestellten Sachverständigen bestehen keine Zweifel.

a) Der Sachverständige Prof. Dr. K. ist als am Katholischen Kinderkrankenhaus W. in H. tätiger Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neonatologie und Zusatzweiterbildung Pädiatrische Intensivmedizin für die Beurteilung des vorliegenden Falles aus kinderärztlicher, also pädiatrischer, und speziell neonatologischer Sicht kompetent und qualifiziert sowie klinisch erfahren.

b) Der Sachverständige Prof. Dr. L., Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, ist als Chefarzt der Frauenklinik des A. D. H., Gynäkologie und Geburtshilfe, für die Beurteilung des vorliegenden Falles aus geburtsmedizinischer Sicht kompetent und qualifiziert sowie klinisch erfahren.

2. Entgegen der Auffassung der Kläger besteht kein Anlass, ein weiteres Gutachten einzuholen. Die Einholung eines neuen Gutachtens kommt vielmehr nur in Betracht, wenn ein Gutachten im Sinne des § 412 ZPO ungenügend (unvollständig, widersprüchlich, nicht überzeugend) ist, von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, der Sachverständige erkennbar oder erklärtermaßen nicht die notwendige Sachkenntnis hat, die Anknüpfungstatsachen sich durch neuen Sachvortrag ändern oder ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel oder Erfahrung verfügt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 13 U 234/11 -, juris Rn. 59; Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl., § 412 Rn. 2, zitiert nach juris). Das ist hier nicht der Fall.

Die Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen sind weder mit Mängeln behaftet, noch sind die Sachverständigen von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen, sondern sie haben im Rahmen ihrer Begutachtung die sich aus der Behandlungsdokumentation ergebenden Befunde und die Gerichtsakten umfassend ausgewertet und das Behandlungsgeschehen fachkundig bewertet. Die Gutachten sind auch für einen medizinischen Laien nachvollziehbar und verständlich. Ihre Auffassungen haben die Sachverständigen Prof. Dr. K. und Prof. Dr. L. plausibel und in sich widerspruchsfrei erläutert. Auf Nachfragen und Einwände des Gerichts und der Kläger sind sie in ihrer erstinstanzlichen mündlichen Anhörung eingegangen und haben auch diese jeweils fachkundig beantwortet. An der Richtigkeit des Ergebnisses ihrer Begutachtungen hat der Senat keine Zweifel.

3. Das Landgericht und der Senat haben die Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen auch nicht etwa, wie die Kläger bezüglich des erstinstanzlichen Gerichts behaupten, ungeprüft übernommen, sondern diese nach eigener kritischer Prüfung und Würdigung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.

4. Das Landgericht durfte das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L. aus dem Parallelverfahren im hiesigen Verfahren gemäß § 411a ZPO verwerten. Ein Verfahrensfehler liegt nicht vor.

Bereits im Beschluss vom 08.06.2021 (Bl. 588 d.A.), in dem Termin zur Beweisaufnahme durch Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. L. und Prof. Dr. K. anberaumt wurde, heißt es, dass die Beweisaufnahme (Anhörung Prof. Dr. L.) zugleich Beweisaufnahme für das Parallelverfahren sein solle. Damit waren die Kläger darüber informiert, dass das Gutachten auch im hiesigen Verfahren verwertet werden sollte. Dass dies den Klägern bewusst war, ergibt sich aus ihrem Schriftsatz vom 26.07.2021, in dem sie um Mitteilung der konkreten Fragen bitten, die das Gericht dem Sachverständigen Prof. Dr. L. in diesem Verfahren stellen möchte (Bl. 610 d.A.), sowie vortragen, dass sie den Beschlüssen entnommen hätten, dass das Sachverständigengutachten aus dem Verfahren 2 O 288/18 in diesem Verfahren 2 O 392/18 verwendet werden solle (Bl. 611 d.A.). Dass ihnen das Gutachten (von dem sich eine Abschrift auch in den hiesigen Akten befindet, Bl. 251 ff. d.A.) nicht vorliege, wird nicht geltend gemacht. Sodann hat die Beklagte zu 1 in ihrem Schriftsatz vom 30.07.2021 ausdrücklich bemerkt, dass die Kläger keine Bedenken gegen die vom Gericht im Beschluss vom 02.04.2019 im Parallelverfahren geäußerte beabsichtigte Verwertung vorgebracht hätten (Bl. 617 d.A.). Auch hat das Landgericht im hiesigen Verfahren mit Beschluss vom 22.10.2021 explizit darauf hingewiesen, dass sich bereits aus dem im Parallelverfahren unter dem 28.03.2019 ergangenen Beweisbeschluss ergebe, dass eine Verwertung erwogen werde, der im hiesigen Verfahren ergangene Beweisbeschluss vom 20.11.2019 Bezug auf das gynäkologische Sachverständigengutachten aus dem Parallelverfahren nehme und sich schließlich aus dem Beschluss vom 08.06.2021 ergebe, dass sich die Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. L. auf beide Verfahren beziehen solle (Bl. 619 d.A.). Dementsprechend erklären auch die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 30.03.2022, dass das Gericht (erst) am 22.10.2021 die Verwertung gemäß § 411a ZPO bestätigt habe (Bl. 655 d.A.). Mithin hatten die Kläger bis zur Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. L. im Termin am 27.04.2022 ausreichend Zeit und Gelegenheit, zu der rechtzeitig angekündigten und sodann mit Beschluss vom 27.04.2022 (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 2 oben, Bl. 794 d.A.) vor der Anhörung des Sachverständigen angeordneten Verwertung Stellung zu nehmen, sich auf die Anhörung vorzubereiten und ergänzende Fragen zu stellen.

5. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. erfüllt die rechtlichen Anforderungen an ein gerichtlich verwertbares Gutachten in einem Arzthaftungsprozess. Die Begutachtung ist auf der Grundlage der Gerichtsakten einschließlich des selbständigen Beweisverfahrens und der Behandlungsdokumentation der Beklagten einschließlich Bildgebung erfolgt, was sich auch aus dem schriftlichen Gutachten ergibt. Dort hat der Sachverständige die ihm vorliegenden Dokumente vollständig aufgelistet (Gutachten Prof. Dr. K. vom 06.10.2020 Seite 1, Bl. 420 d.A.) und damit die tatsächlichen Grundlagen seiner Begutachtung offengelegt. Sämtliche Unterlagen waren als Aktenbestandteil dem Sachverständigen und den Parteien bekannt und zugänglich. Der Sachverständige hat nicht erklärt, dass ihm Unterlagen fehlten, die er für seine Begutachtung benötigt hätte. Soweit die Kläger nunmehr in ihrem - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 05.07.2023 bezweifeln, ob dem Sachverständigen sämtliche Unterlagen aus der Klinik der Beklagten zu 2 vorgelegen haben, hätten sie dies in erster Instanz nach Erhalt des schriftlichen Gutachtens oder spätestens in der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. K. klären können. Jedenfalls tragen die Kläger nicht vor, aus welchen dem Sachverständigen möglicherweise nicht vorliegenden Unterlagen sich Anhaltspunkte für Behandlungsfehler ergeben sollen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen liegen daher nicht vor.

Im Übrigen ergibt sich auch aus der von den Klägern zitierten AWMF-Leitlinie 094/001, einer Hilfestellung für medizinische Sachverständige, nicht, dass der Gerichtsgutachter den gesamten Sachverhalt umfassend darstellen müsste. Soweit dort eine Checkliste enthalten ist, die dem Gutachter als Leitlinie für den Gutachtenaufbau dienen kann, handelt es sich zum einen lediglich um eine Empfehlung, zum anderen betreffen die dort aufgeführten Punkte ersichtlich die Darstellung einer persönlichen medizinischen Begutachtung des Geschädigten durch den Sachverständigen, also nicht den vorliegenden Fall einer Begutachtung nach Aktenlage. Da sich hier für das Gericht und die Parteien der Sachverhalt bereits aus den Gerichtsakten und der Behandlungsdokumentation ergibt, musste der medizinische Sachverständige den Sachverhalt nicht selbst noch einmal umfassend darstellen. Die Kläger irren, wenn sie es als "Herzstück eines Gerichtsgutachtens" ansehen, für die Parteien und das Gericht den Sachverhalt minutiös und detailreich darzustellen. Aufgabe des Sachverständigen im Arzthaftungsprozess ist es vielmehr, dem Gericht die zur Entscheidung benötigte medizinische Sachkunde zu vermitteln, die Feststellung der Tatsachengrundlage gehört indes nicht dazu (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl., Vorbemerkungen zu §§ 402-414 Rn. 1, zitiert nach juris). Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige sein Gutachten inhaltlich nicht sorgfältig erstattet hätte, sind nicht ersichtlich.

Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat in seinem schriftlichen Gutachten den für seine Beurteilung wesentlichen Sachverhalt jeweils vor der mit Literaturhinweisen erfolgten Bewertung kurz zusammengefasst - auf Seite 6, 2. Absatz für die Behandlung unmittelbar nach der Geburt und auf Seite 7, 3. Absatz hinsichtlich des weiteren Verlaufs in der Klinik der Beklagten zu 2 - und die Beweisfragen aus dem Beweisbeschluss vom 20.11.2019 (Bl. 328 f. d.A.) mit anschließender Zusammenfassung beantwortet. Die vom Sachverständigen gewählte Form des Gutachtens, in dem nicht die Beweisthemen - die sich bereits aus dem Beweisbeschluss ergeben, der den Parteien zugestellt worden ist - vorangestellt und dann nicht zuerst der gesamte Sachverhalt und hiervon getrennt die gesamte Bewertung dargestellt werden, führt nicht zu einer Mangelhaftigkeit und Unverwertbarkeit des Gutachtens. Vielmehr sind die Ausführungen verständlich und ist die Bewertung nachvollziehbar dargelegt; der Sachverhalt einschließlich Befunden und Behandlungsverlauf ergibt sich aus den ausgewerteten Unterlagen. Etwaige entscheidungsrelevante Unklarheiten und Unvollständigkeiten im schriftlichen Gutachten sind durch Nachfragen in der mündlichen Anhörung beseitigt worden.

6. Gemäß dem Grundsatz der fachgleichen Beurteilung war der Sachverständige Prof. Dr. K. als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, also Pädiatrie, mit Schwerpunkt Neonatologie der richtige Sachverständige zur Beurteilung der Behandlung des neugeborenen Kindes der Kläger in den Kliniken der Beklagten auch mit Antibiotika. Denn die streitgegenständliche Antibiotikatherapie wurde nicht von den Geburtsmedizinern der Beklagten zu 1, sondern von den hinzugezogenen Kinderärzten angeordnet und durchgeführt. Die Frage, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann, bestimmt sich dabei aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachgebiets und nicht derjenigen anderer Fachbereiche (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2014 - VI ZR 382/12 -, juris Rn. 20). Entgegen der Auffassung der Kläger hat der Sachverständige als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neonatologie und Zusatzweiterbildung pädiatrische Intensivmedizin die erforderliche Fachkunde nicht nur für die Beurteilung der Versorgung frühgeborener und kranker Babys, sondern generell für die Behandlung eines neugeborenen Kindes. Weitere Gutachten waren daher nicht einzuholen. Inwieweit die beantragte Anhörung der Kläger der Aufklärung des medizinischen Sachverhalts dienen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Eine solche musste nicht erfolgen.

7. Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat u.a. die Schriftsätze der Kläger vom 30.03.2022 zur Vorbereitung auf die mündliche Anhörung erhalten (Bl. 637 R d.A.). Im Übrigen hatten die Kläger in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Anhörung des Sachverständigen ausreichend Gelegenheit, ihre Ergänzungsfragen zu stellen, soweit diese nicht bereits durch die Nachfragen des Gerichts beantwortet waren. Damit ist der Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör gewahrt.

V.

Auch die weiteren Einwendungen der Kläger begründen keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen.

1. Das Landgericht hat die gesetzlichen Vorschriften der §§ 630a ff. BGB sowie die obergerichtliche Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht beachtet und - wie ausgeführt - zutreffend angewandt. Auch sind die von den Klägern in ihrer Berufungsbegründung angeführten Vorschriften der Zivilprozessordnung nicht fehlerhaft nicht angewandt worden.

Das Vorliegen und die Wirksamkeit eines Behandlungsvertrags werden vorliegend nicht in Abrede genommen. Juristisch nicht nachvollziehbar ist daher, weshalb die Prozessbevollmächtigte der Kläger vorträgt, dass eine Anfechtung ausgeschlossen sei. Auch der Hinweis, dass "die Anfechtung des deliktischen Arzthaftungsrechts" gemäß § 831 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen sei, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.

2. Ebenfalls erschließt sich nicht, worin eine "unzulässige Beweisantizipation" durch das Landgericht liegen soll. Vielmehr hat das Landgericht seine Feststellungen erst nach Einholung der Sachverständigengutachten getroffen. Es ist dem Beweisangebot der Kläger nachgegangen und hat die Angaben der Sachverständigen nach Eingang der schriftlichen Gutachten und deren mündlicher Erläuterung umfassend gewürdigt - wie es die Zivilprozessordnung vorsieht.

3. Der Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör ist nicht etwa dadurch verletzt, dass eine Überraschungsentscheidung ergangen wäre. Das Landgericht hat Sachverständigengutachten eingeholt, also den Klägervortrag gerade nicht als unsubstantiiert angesehen. Nicht ersichtlich ist, worauf das Landgericht gemäß § 139 ZPO hätte hinweisen müssen.

Auch liegt keine verfahrensfehlerhafte Unrichtigkeit des Tatbestands vor, die den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzte. Dass der erstinstanzlichen Entscheidung ein Sachverhalt zugrunde läge, der von den Parteien nicht vorgetragen und unrichtig wäre, ist nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Kläger in der Berufungsbegründung. Die Zurückweisung des Tatbestandsberichtigungsantrags der Kläger durch Beschluss des Landgerichts vom 18.11.2022 (Bl. 982 ff. d.A.) ist aus berufungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass ein besonderer Aufbau des Tatbestands gar nicht vorgegeben ist (vgl. Zöller-Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 313 Rn. 12, zitiert nach juris), entspricht der Tatbestand des angefochtenen Urteils der üblichen Gliederung (Einleitung, unstreitige Tatsachen und streitiges Parteivorbringen mit den Anträgen sowie Prozessgeschichte). Eine eigene Bewertung des Gerichts mit Beweiswürdigung, die den rechtlichen Anforderungen entspricht und nicht zu beanstanden ist, findet sich sodann in den Entscheidungsgründen des Urteils.

4. Soweit die Kläger dem Landgericht vorwerfen, Beweisangebote nicht berücksichtigt zu haben, ist nicht ersichtlich, dass dies verfahrensfehlerhaft unter Verletzung des Zivilprozessrechts erfolgt wäre. Nicht zu beanstanden ist, dass nicht allen Beweisangeboten nachgekommen wurde, weil die Voraussetzungen für die jeweilige Beweiserhebung nicht vorlagen. Sachverständigengutachten wurden eingeholt bzw. verwertet und die Sachverständigen mündlich angehört.

Die Sachverständigen Prof. Dr. K. und Prof. Dr. L. sind auf Antrag der Kläger mündlich angehört worden. Die Kläger hatten ausreichend Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung ihre Ergänzungsfragen - insbesondere auch die im Schriftsatz vom 22.12.2020 vorformulierten - an die Sachverständigen zu stellen. Hiervon haben sie ausweislichen des Sitzungsprotokolls Gebrauch gemacht. Im Anschluss haben sie erklärt, dass sie keine weiteren Fragen an die Sachverständigen mehr zu stellen beabsichtigen (Sitzungsprotokoll vom 27.04.2022 Seite 7, Bl. 797 d.A.). Die Kläger hatten also ausreichend Gelegenheit, in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ihre Ergänzungsfragen an die Sachverständigen zu stellen, wie sich auch aus der dienstlichen Äußerung der Kammervorsitzenden vom 01.06.2022 (Bl. 872 d.A.) zu dem Befangenheitsgesuch der Kläger ergibt. Mithin ist - anders als in der von den Klägern zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, bei der von einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen abgesehen wurde (BGH, Beschluss vom 30. Mai 2017 - VI ZR 439/16) - der Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.

Einer weitergehenden Beweisaufnahme zur Aufklärung von Tatsachen, die zwischen den Parteien streitig sind, bedurfte es nicht. Die für die Beurteilung des hier streitgegenständlichen Sachverhalts relevanten Anknüpfungstatsachen ergeben sich aus der Behandlungsdokumentation und dem schriftlichen Parteivorbringen. Diese sind vom Sachverständigen umfassend ausgewertet worden. Eine weitergehende mündliche Anhörung der Kläger zu "den Anknüpfungstatsachen und zum Sachverhalt der Aufklärung" war nicht geboten.

5. Der Vorwurf der Kläger, ihre Schriftsätze, insbesondere vom 30.03.2022, 31.05.2022 und 22.12.2020, seien nicht berücksichtigt worden, ist haltlos. Das Landgericht und der Senat haben sich mit dem gesamten Vorbringen der Klägerseite befasst. Dass im angefochtenen Urteil nicht auf sämtliche Einzelheiten des Klägervorbringens, wie z.B. zu den als "Gegenbeweis" vorgelegten Literaturstellen, eingegangen wird, entspricht den Vorgaben der Zivilprozessordnung. So ist es im Urteil nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen, zumal nach § 313 Abs. 3 ZPO die Entscheidungsgründe nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten müssen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.1987 - IVb ZR 23/86 - juris-Rn. 12; Zöller-Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 313 ZPO, Rn. 19, zitiert nach juris). Dementsprechend mussten für die Entscheidung nicht relevante Ausführungen der Parteien - wie hier z.B. der Vortrag zu Schaden, Kausalität und Ursache - im Urteil nicht ausdrücklich erörtert werden. Hingegen hat das Landgericht, wie gesetzlich vorgeschrieben, die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung im Urteil dargelegt.

6. Im Übrigen wiederholen die Kläger ihre Vorwürfe und setzen lediglich ihre eigene Auffassung an die Stelle der fachkundigen Bewertung der Sachverständigen, auf deren Grundlage das Landgericht und der Senat ihre Entscheidungen stützen durften.

VI.

Des Weiteren wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

C.

Aufgrund des Schriftsatzes der Kläger vom 05.07.2023 (Bl. 1231 ff. d.A.) war eine Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO nicht geboten.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.