Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 11.07.2023, Az.: 9 U 8/23
Kündigung; stille Beteiligung; haftendes Eigenkapital; Phase-Out
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 11.07.2023
- Aktenzeichen
- 9 U 8/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 34891
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2023:0711.9U8.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 14.12.2022 - AZ: 1 O 152/21
Rechtsgrundlagen
- BGB § 314 Abs. 3
- KWG § 10 Abs. 4 und 5
- SolvV § 31
Fundstelle
- GWR 2024, 79
Amtlicher Leitsatz
Zur Kündbarkeit eines Vertrags über eine stille Beteiligung, der der Aufbringung haftenden Eigenkapitals einer Bank nach § 10 Abs. 4 KWG zu dienen bestimmt war.
Ein stiller Gesellschaftsvertrag, der zum Zweck der Aufbringung permanent haftenden Eigenkapitals eines Kreditinstituts abgeschlossen ist, kann von der Geschäftsherrin (bei Vorliegen der vertraglichen Voraussetzungen im Übrigen) gekündigt werden, wenn aufgrund der Umsetzung unionsrechtlicher Verschärfungen die rechtliche Qualifikation der Einlage als hartes Kernkapital (sukzessive) wegfällt. Eine derartige Kündigung ist auch zum Ende der gesetzlichen Übergangsphase (sog. Phase-Out) noch zulässig.
Tenor:
- 1.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerinnen zu 1 und 4 gegen das am 14. Dezember 2022 verkündete und mit Beschluss vom 6. Februar 2023 gemäß §§ 319, 320 ZPO berichtigte Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerinnen zu 1 und 4 erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses.
- 2.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf die Wertstufe bis 12.000.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerinnen gehen gegen die Beklagten aus von den Beklagten zu 1 bis 3 ausgegebenen Anleihen vor. Die Beklagten zu 1 bis 3 sind von der Beklagten zu 4 gegründete Gesellschaften und stille Gesellschafter der Beklagten zu 4 gemäß diverser Beteiligungsverträge von 2005 gewesen. Zum Zweck der Aufbringung des Kapitals für ihre stillen Beteiligungen haben die Beklagten zu 1 bis 3 die streitgegenständlichen Anleihen ausgegeben. Die Klägerinnen behaupten, Inhaber der Anleihen zu sein.
Die Klägerinnen begehren Feststellung, dass von der Beklagten zu 4 am 25. November 2020 ausgesprochene Kündigungen der zwischen den Beklagten zu 1 bis 3 auf der einen Seite und der Beklagten zu 4 auf der anderen Seite abgeschlossenen Verträge über die Errichtung der stillen Gesellschaften unwirksam sind. Hilfsweise begehren die Klägerinnen, die Beklagten zu 1 bis 3 zu verpflichten, ihrerseits die Beklagte zu 4 auf Feststellung der Unwirksamkeit der genannten Kündigungen in Anspruch zu nehmen. Für den Fall, dass die Beklagten zu 1 bis 3 dieser Verpflichtung nicht nachkommen, verfolgen die Klägerinnen einen Anspruch auf Feststellung des Bestehens von Schadensersatzansprüchen (vgl. insoweit klarstellend Bd. III, Bl. 496 d. A.).
Das Landgericht, auf dessen Urteil (Bd. III, Bl. 667 ff. d. A.) wegen der näheren Einzelheiten der tatbestandlichen Feststellungen, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Zwar sei ein Feststellungsinteresse der Klägerinnen zu bejahen. Dem Begehren der Klägerinnen stehe aber entgegen, dass es zwischen ihnen und der (die Kündigung der stillen Beteiligungen aussprechenden) Beklagten zu 4 kein Rechtsverhältnis gebe. Die Klägerinnen seien schlichte Anleihegläubigerinnen der Beklagten zu 1 bis 3, die zu den Klägerinnen auch nicht etwa in einem Auftragsverhältnis stünden.
In der Sache jedenfalls seien die streitgegenständlichen Kündigungserklärungen der Beklagten zu 4 gegenüber den Beklagten zu 1 bis 3 nicht unwirksam, sondern nach § 7 (4) des jeweiligen Gesellschaftsvertrags rechtmäßig. Dass die von den Beklagten zu 1 bis 3 erbrachten Einlagen infolge der seit 2014 wirksamen Änderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften bereits über Jahre hinweg sukzessive ihre mit dem Vertrag gerade beabsichtigte Qualität als Kernkapital der Beklagten zu 4 verloren hätten und auch noch weiter verlören, stelle eine die außerordentliche Kündigung rechtfertigende nachteilige Veränderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften im Sinne der genannten Vertragsbestimmung dar. Dass diese Veränderung bereits seit 2014 Wirkungen entfaltet habe und sogar noch früher bekannt gewesen sei, sei unerheblich, weil die Vertragsbestimmung der Beklagten zu 4 insoweit das Recht einräume, "jederzeit" zu kündigen. Die in § 12 des Gesellschaftsvertrags für den Fall einer wesentlichen Veränderung in der aufsichtsrechtlichen Behandlung der Einlagen vorgesehene Aufnahme von Verhandlungen stelle keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung dar. Die Beklagte zu 4 habe ihr Kündigungsrecht nicht verwirkt; die Kündigung sei auch nicht zur Unzeit erfolgt. Darüber hinaus hätten die Klägerinnen nicht in geeigneter Form nachgewiesen, überhaupt noch Inhaberinnen der Anleihen zu sein.
Aus letztlich den gleichen Erwägungen seien auch die Hilfsanträge der Klägerinnen unbegründet.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerinnen zu 1 und 4, die ihr erstinstanzliches Prozessziel weiterverfolgen; jedenfalls sei auch für den Fall, dass ihr Rechtsmittel erfolglos bleibe, die Kostengrundentscheidung des angefochtenen Urteils zu ändern.
In der Sache machen die Berufungsklägerinnen geltend, das Landgericht habe, soweit es einen zureichenden Nachweis der fortbestehenden Inhaberschaft der Klägerinnen hinsichtlich der Anleihen vermisst habe, verkannt, dass die in den Anleihebedingungen vorgesehenen Nachweisvoraussetzungen unwirksam, weil unerfüllbar seien. Erforderlichenfalls hätte das Landgericht hierzu den angebotenen Zeugenbeweis erheben müssen. Entgegen der Annahme des Landgerichts habe die Beklagte zu 4 ihr Kündigungsrecht verwirkt, insbesondere, weil sie von anderen Anleihegläubigern bereits in den Jahren 2012 und 2013 Anleihen wie die streitgegenständlichen zurückgekauft habe. Ebenso habe das Landgericht schlüssigen und unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerinnen dazu, dass die Kündigung zur Unzeit erfolgt sei, übergangen. Auch wenn die Klägerinnen in keiner unmittelbaren rechtlichen Beziehung zur Beklagten zu 4 gestanden hätten, sei die erhobene Klage als (Dritt-) Feststellungsklage statthaft und begründet. Ohnehin seien die stillen Gesellschaftsverträge zwischen den Beklagten zu 1 bis 3 und der Beklagten zu 4 als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (nämlich der Klägerinnen als Anleihegläubiger) anzusehen, diese Schutzwirkung könne nicht wirksam ausgeschlossen werden.
Ausgehend vom Wortlaut, der Systematik und den verwendeten Zeitformen der stillen Gesellschaftsverträge habe die Beklagte zu 4, weil die Änderungen der aufsichtsrechtlichen Vorschriften bereits im Jahre 2014 eingetreten seien, die Beteiligungen nicht mehr im Jahre 2020 kündigen dürfen. Zudem seien die Kündigungen auch deswegen unwirksam, weil es an der vertraglich zwingend vorgesehenen und vorgeschalteten Aufnahme einvernehmlicher Verhandlungen im Sinne von § 12 der Gesellschaftsverträge gefehlt habe. Ohnehin gingen Unklarheiten insoweit zulasten der Beklagten als Verwender der Anleihebedingungen, §§ 305c Abs. 2, 242 BGB.
Das Verhältnis zwischen den Berufungsklägerinnen und den Beklagten zu 1 und 2 stelle eine fremdnützige Treuhand mit entsprechenden Verpflichtungen der Beklagten gegenüber den Anleihegläubigern dar, weshalb sich die Beklagten zu 1 und 2 gegen die von der Beklagten zu 4 ausgesprochene Kündigung zur Wehr hätten setzen müssen und die Hilfsanträge begründet seien.
Jedenfalls aber sei die Kostengrundentscheidung in dem angegriffenen Urteil falsch: Die Kosten der Beklagten zu 3, die weder von der Klägerin zu 1 noch der Klägerin zu 4 in Anspruch genommen worden sei, seien auf keinen Fall von diesen (allein die Berufung führenden) Klägerinnen zu tragen.
II.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich, eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Berufung hat nach einstimmiger vorläufiger Beurteilung auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Das Landgericht, auf dessen auch gegenüber dem (neue und weiterführende Gesichtspunkte nicht aufzeigenden) Berufungsvorbringen zutreffende Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat die Klage zu Recht abgewiesen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist Folgendes anzumerken:
1. Insbesondere ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Feststellungsbegehren der Klägerinnen, soweit es gegen die Beklagte zu 4 gerichtet ist, schon deswegen unbegründet ist, weil die Klägerinnen mit der Beklagten zu 4 gerade kein Rechtsverhältnis verbindet.
Die Anleihen haben die (im Berufungsrechtszug noch beteiligten) Klägerinnen nicht bei der Beklagten zu 4, sondern allein bei den Beklagten zu 1 und 2 gezeichnet. Auch wenn diese Beklagten Tochtergesellschaften der Beklagten zu 4 sind, mit deren Gründung die Aufbringung von Kernkapital für die Beklagte zu 4 durch Begebung von Anleihen seitens der Beklagten zu 1 bis 3 (die ihrerseits stille Gesellschafterinnen der Beklagten zu 4 waren) ermöglicht werden sollte, begründet dies keine eigenen vertraglichen Ansprüche der Klägerinnen gegen die Beklagte zu 4.
Insofern enthält die vom Landgericht herausgestellte Vertragsbestimmung in § 5 (2) der Anleihebedingungen (Bestandteil etwa der Anl. K 13 im gesonderten Anlagenordner), wonach "durch den Beteiligungsvertrag ... keine Rechte der Emissionsgläubiger gegenüber der Bank begründet werden" entgegen der Auffassung der Berufung keinen formularmäßigen Ausschluss von Ansprüchen der Klägerinnen, sondern stellt die Konsequenzen der rechtlichen Selbstständigkeit der verschiedenen Beklagten lediglich klarstellend dar.
Auch stellen die zwischen den Beklagten zu 1 bis 3 und der Beklagten zu 4 abgeschlossenen stillen Beteiligungsverträge im Streitfall keine Verträge mit Schutzwirkung für Dritte, hier die Klägerinnen, dar. Abgesehen davon, dass eine Schutzbedürftigkeit der Klägerinnen, die ihrerseits institutionelle Anlegerinnen sind, nicht ersichtlich ist, dient das Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte deren Einbeziehung in vertragliche Sorgfalts- und Obhutspflichten, nicht hingegen der Einräumung primärer Leistungsansprüche; die geschuldete vertragliche Hauptleistung steht allein dem Gläubiger zu (vgl. nur Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, Rn. 13 zu § 328 m. w. N.). Das Begehren der Klägerinnen, nämlich Feststellung der Unwirksamkeit von der Beklagten zu 4 ausgesprochener außerordentlicher Kündigungen der stillen Beteiligungsverträge, ist aber gerade auf die Hauptpflicht dieser Verträge, nämlich im Ergebnis den Fortbestand der stillen Beteiligungen, gerichtet.
2. Ebenso zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten zu 4 gegenüber den Beklagten zu 1 bis 3 ausgesprochenen Kündigungen nicht unwirksam, sondern nach § 7 (4) der stillen Gesellschaftsverträge (ebenfalls Bestandteil etwa der Anl. K 13 im gesonderten Anlagenordner) berechtigt gewesen sind.
a) Unstreitig ist im Streitfall eine "nachteilige Veränderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften" im Sinne der genannten Vertragsbestimmung als Voraussetzung des dort normierten außerordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten zu 4 eingetreten, und zwar durch die ab dem 1. Januar 2014 geltende Änderung von § 10 Abs. 4 KWG unter Bezugnahme auf die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR-Verordnung). Der nach der Präambel der Gesellschaftsverträge mit den stillen Beteiligungen verfolgte Zweck, das von den Beklagten zu 1 bis 3 im Wege entsprechender Einlagen eingebrachte Kapital "auf Dauer als haftendes Eigenkapital (Kernkapital)" dienen zu lassen, ist durch diese Gesetzesänderung jährlich ab 2014 zu immer größeren Teilen unmöglich geworden, weil die Einlagen der Beklagten zu 1 bis 3 diesem Ziel ab 2014 teilweise und ab 2022 gar nicht mehr gerecht werden konnten (sog. Phase-Out-Regelung).
aa) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach die Beklagte zu 4 angesichts dieser, die dauerhafte Verwirklichung des mit den Gesellschaftsverträgen Gewollten mittelfristig unmöglich machenden Änderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften berechtigt war, die stillen Beteiligungen der Beklagten zu 1 bis 3 durch die Erklärungen vom 25. November 2020 außerordentlich zu kündigen.
Dem steht, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung die in der Gesetzesänderung angelegte Aberkennung der Qualität des per Einlage eingebrachten Kapitals als haftendes Eigenkapital der Beklagten zu 4 überwiegend bereits eingetreten war und dass die Beklagte zu 4 von ihrem außerordentlichen Kündigungsrecht bereits früher hätte Gebrauch machen dürfen. Vielmehr zeigt gerade die in § 7 (4) der Gesellschaftsverträge enthaltene Regelung, wonach eine außerordentliche Kündigung der in 2005 abgeschlossenen Verträge frühestens zum 31. Dezember 2010 erfolgen durfte, dass zwischen dem Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen (Inkrafttreten oder Bekanntwerden geänderter gesetzlicher Regelungen) und dem Ausspruch der Kündigung gerade kein fester zeitlicher Zusammenhang bestehen sollte.
Dafür spricht auch, wie die Kammer zutreffend ausgeführt hat, dass die Beklagte zu 4 ausweislich der Gesellschaftsverträge berechtigt war, ihr außerordentliches Kündigungsrecht "jederzeit" auszuüben. Die Parteien der Beteiligungsverträge haben in dieser Hinsicht ausdrücklich und zulässigerweise vereinbart, dass die Beklagte zu 4 als Kündigungsberechtigte nicht nur innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem sie (wie im Zweifel auch die weiteren Parteien) vom in einer Gesetzesänderung liegenden Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hatte, kündigen durfte. Sie haben also eine Regelung, wie sie § 314 Abs. 3 BGB (in der heute geltenden Fassung von § 10 Abs. 5 KWG ist sogar explizit geregelt, dass die Bestimmung nicht anwendbar ist) enthält, nicht nur nicht vereinbart, sondern gerade abbedungen.
bb) Die Auffassung der Berufung, ein derartiges Verständnis der Regelung des § 7 (4) der Gesellschaftsverträge werde den Voraussetzungen der dort geregelten außerordentlichen Kündigung (nach deren Wortlaut, Systematik und den verwendeten Zeitformen) nicht gerecht, vermag der Senat nicht zu teilen. Insbesondere stehen vertraglich geregelte Ansprüche der stillen Gesellschafter - und erst recht der Klägerinnen als Anleihegläubiger - nicht entgegen, denn diese konnten die Beteiligungsverträge ohnehin nicht kündigen (vgl. dort § 7 (2)).
Vielmehr würde die von den Klägerinnen vertretene Auffassung, wonach die Beklagte zu 4 so bald wie möglich nach dem Wirksamwerden der gesetzlichen Regelungen, zufolge derer die Einlagen der Beklagten zu 1 bis 3 jährlich fortschreitend ihre Qualifikation als haftendes Kernkapital der Beklagten zu 4 verloren, die stille Gesellschaft hätte kündigen müssen, den Zweck der vom europäischen Verordnungsgeber und vom Bundesgesetzgeber vorgesehenen graduellen Auslaufphase (Phase-Out) gerade konterkarieren. Das Phase-Out sollte es schließlich den von der CRR-Verordnung betroffenen Banken ermöglichen, die nach der neuen Rechtslage aus der Berechnung herausfallenden Mittel zur Kapitalausstattung in zumutbarer Weise, namentlich unter Inanspruchnahme entsprechender Fristen, zu ersetzen. Konsequenz der Auffassung der Klägerinnen wäre es aber, dass die Beklagte zu 4 ihre nicht mehr zweckerfüllenden stillen Einlagen sogleich hätte kündigen und entsprechend ersetzen müssen.
cc) Ob die Beklagte zu 4, wie sie geltend macht, mangels Vorliegens einer gemäß § 7 (6) der Gesellschaftsverträge (und § 10 Abs. 4 Nr. 3 KWG a. F.) einzuholenden Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde ohnehin nicht früher hätte kündigen können oder ob, wie die Klägerinnen unter Hinweis auf bereits in den Jahren 2012 und 2013 erfolgte Rückkäufe von Anleihen geltend machen, eine frühere Kündigung der Beteiligungen der Beklagten zu 1 bis 3 möglich gewesen wäre, erscheint demzufolge unerheblich.
dd) Darüber hinaus durfte die Beklagte zu 4 die stillen Gesellschaftsverhältnisse mit den Beklagten zu 1 bis 3 auch deswegen wie geschehen kündigen, weil die Auswirkungen der oben geschilderten Änderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften auch zum Zeitpunkt der (gegen Ende des Phase-Out, also der stufenweisen Außerkraftsetzung der früheren Regelungen erfolgten) Kündigungserklärung noch eintraten. Die Beteiligungen der Beklagten zu 1 bis 3 verloren seit dem Jahr 2014 und zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung fortschreitend ihre Qualität als haftendes Eigenkapital der Beklagten (vgl. § 31 Solvabilitätsverordnung - SolvV). Davon waren in 2014 20 % und danach jeweils 10 % der Einlage pro Jahr betroffen. Dieser jährliche "Schwund" stellt jeweils eine wesentliche Änderung in der aufsichtsrechtlichen Behandlung der Einlagen dar, wobei für die Frage der Wesentlichkeit der Änderung auf den Gegenstand der konkreten, die jeweiligen Parteien verbindenden Beteiligungsverträge und nicht auf die Höhe des gesamten Eigenkapitals der Beklagten zu 4 abzustellen ist.
b) Der Senat teilt auch die Auffassung des Landgerichts, wonach der in § 12 der Gesellschaftsverträge vorgesehene "Eintritt in einvernehmliche Verhandlungen im Falle wesentlicher Änderungen in der aufsichtsrechtlichen Behandlung der Einlagen" keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigungserklärung nach § 7 (4) der Verträge über eine stille Beteiligung darstellt.
Abgesehen davon, dass § 12 angesichts seiner Formulierung ("die Parteien werden ... eintreten") lediglich als beiderseitige Absichtserklärung, nicht als bindende Verpflichtung zu verstehen ist, mangelt es der Regelung an jeglicher Bestimmtheit, um als in irgendeiner Weise subsummierbare Voraussetzung einer Kündigungserklärung dienen zu können. Schon der Begriff "einvernehmliche Verhandlungen" ist unverständlich, denn es bedarf keiner Verhandlungen, wenn zwischen zwei Parteien Einvernehmen besteht. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass mit der Wendung die Erzielung eines bestimmten Ergebnisses gemeint sein sollte, denn es waren lediglich Verhandlungen beabsichtigt.
§ 12 der Gesellschaftsverträge wird in § 7 (4) lediglich zur Begriffsbestimmung u. a. der "nachteiligen Veränderung steuerlicher oder aufsichtsrechtlicher Vorschriften" herangezogen, nicht aber zu einer Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung erklärt.
Schließlich ist, wie die Beklagte zu 4 mit Recht einwendet und erläutert (S. 52 f. der Klagerwiderung vom 3. Februar 2022, Bd. I, Bl. 213 Rs. d. A.), nicht ersichtlich, welche wie gestaltete Anpassung "dieses Beteiligungsvertrages an die veränderte Rechtslage" durch Gespräche überhaupt hätte erreicht werden können.
c) Angesichts dessen, dass die Kündigungserklärungen vom 25. November 2020 - auch im Hinblick auf den Zeitpunkt ihres Ausspruchs - vertragsgemäß gewesen sind, hat die Beklagte zu 4 ihr Kündigungsrecht (schon mangels Vorliegens des dafür erforderlichen Zeitmoments) auch nicht verwirkt.
Im Übrigen ist im Streitfall nicht ersichtlich, worin angesichts des jegliche Handlungsoption der Beklagten zu 1 bis 3 (und erst recht der vertraglich mit der Beklagten zu 4 nicht verbundenen Klägerinnen) im Hinblick auf den Bestand der Beteiligungen ausschließenden § 7 (2) der Gesellschaftsverträge ein (für die Bejahung einer Verwirkung ebenfalls erforderliches) Umstandsmoment zu erblicken sein soll. Die Klägerinnen tragen weder vor noch ist sonst ersichtlich, dass, wann und wodurch sich die Beklagten zu 1 bis 3 (oder auch nur die Klägerinnen, auch wenn diese an den gekündigten stillen Beteiligungsverträgen nicht beteiligt waren) tatsächlich und für die Beklagte zu 4 erkennbar darauf eingerichtet haben wollen, die Beklagte zu 4 werde von ihrem Kündigungsrecht hinsichtlich der stillen Gesellschaften auch in Zukunft nicht mehr Gebrauch machen.
In dieser Hinsicht ist vielmehr anzumerken, dass allen Parteien (die Klägerinnen sind institutionelle Anlegerinnen) die die stillen Beteiligungen an der Beklagten zu 4 fundamental betreffende Änderung des KWG im Hinblick auf die genannte europarechtliche Verordnung bekannt sein musste. Angesichts dessen, dass die stille Beteiligung dadurch ihren zentralen, in den Präambeln der Beteiligungsverträge genannten Zweck verlieren musste, hätten weder die Klägerinnen noch die Beklagten zu 1 bis 3 sich auf einen Fortbestand ihrer Beteiligungen bzw. ihrer Anleihen einrichten dürfen, solange die stillen Beteiligungen ihren Charakter als auf Dauer haftendes Eigenkapital fortschreitend weiter verloren.
3. Aus den gleichen Erwägungen ist entgegen der Berufung auch nicht davon auszugehen, dass die Kündigungserklärung der Beklagten zu 4 "zur Unzeit" erfolgt sei.
Darüber hinaus kann von einer "Kündigung zur Unzeit" (ein Rechtsinstitut, welches in Analogie zu §§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2, 675 Abs. 1, 2. Halbs. BGB entwickelt worden ist) ohnehin nur dann ausgegangen werden, wenn eine an sich berechtigte Kündigung zu einem Zeitpunkt ausgesprochen wird, zu dem der Kündigungsempfänger noch keine Vorsorge, etwa in Form einer Ersatzbeschaffung der gekündigten Leistung, treffen konnte. Im Streitfall machen die Klägerinnen indes nicht geltend, die Kündigung sei zu früh ausgesprochen worden, sondern vielmehr (um etliche Jahre) zu spät. Es mag zutreffen, dass der Zeitpunkt der Kündigung der stillen Beteiligungen für die Klägerinnen als Anleger der stillen Gesellschafter angesichts der Wertentwicklung der Beteiligungen und der Anleihen ungünstig gewesen ist. Eine Kündigung "zur Unzeit" lag deswegen jedoch nicht vor.
Darüber hinaus sind die Klägerinnen auch nicht Adressaten der Kündigungserklärungen gewesen.
4. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass den Klägerinnen auch nicht der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf eine Verpflichtung der Beklagten zu 1 bis 3 dahingehend, die Beklagte zu 4 im Hinblick auf die ausgesprochenen Kündigungen - erforderlichenfalls gerichtlich - in Anspruch zu nehmen, und auch kein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung dieser vermeintlichen Verpflichtung zusteht. Dies schon deshalb, weil die Kündigungen der Beklagten zu 4 nach dem oben Gesagten nicht unwirksam sind, sondern den Vorgaben der stillen Beteiligungsverträge entsprochen haben.
Außerdem ist, wie die Kammer zutreffend ausgeführt hat, nicht davon auszugehen, dass die Beklagten zu 1 bis 3 den Klägerinnen kraft entsprechender Auftragsverhältnisse (etwa im Sinne einer von der Berufung angeführten fremdnützigen Treuhand) im Hinblick auf ein etwaiges Vorgehen betreffend die Vertragsgestaltung oder Kündigung der stillen Beteiligung weisungsunterworfen gewesen sind. Derartiges ist den Emissionsbedingungen nicht, auch nicht im Wege einer Auslegung, zu entnehmen.
5. Soweit die Berufung geltend macht, jedenfalls sei die Kostengrundentscheidung des Landgerichts insoweit fehlerhaft, als auch den (allein die Berufung führenden) Klägerinnen zu 1 und zu 4 die Kosten der Beklagten zu 3 auferlegt worden seien, obwohl diese Klägerinnen gegenüber der Beklagten zu 3 keinen Antrag gestellt hätten, trifft dies nicht zu. Die in der Klagschrift (Bd. I, Bl. 3 f. d. A.) angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. Oktober 2022 (Bd. III, Bl. 604 d. A.) gestellten Anträge differenzieren nicht danach, dass Anträge hinsichtlich einzelner Beklagter (namentlich der Beklagten zu 3) nur von bestimmten Klägerinnen gestellt werden sollten, auch wenn eine derartige Antragstellung angesichts dessen, dass bei der Beklagten zu 3 nur die am Berufungsverfahren nicht beteiligte Klägerin zu 5 Anleihen gezeichnet hatte (sh. Bd. I, Bl. 6 Rs. d. A.), tunlich gewesen wäre.
6. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass bei einer Rücknahme der (aussichtslosen) Berufung eine erhebliche Reduzierung der Gerichtskosten einträte.