Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.08.2012, Az.: 10 UF 158/12

Notwendigkeit eines Tätigkwerdens im Kindesinteresse für das Entstehen eines Vergütungsanspruchs des Verfahrensbeistandes nach § 158 Abs. 7 S. 2, 3 FamFG im Beschwerdeverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.08.2012
Aktenzeichen
10 UF 158/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 21105
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:0807.10UF158.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 01.03.2012 - AZ: 625 F 531/10

Fundstellen

  • FF 2012, 423
  • FPR 2012, 6
  • FamRZ 2013, 573
  • JurBüro 2012, 600-601
  • ZKJ 2012, 489-491

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Auch im Beschwerdeverfahren entsteht ein Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistandes nach § 158 Abs. 7 S. 2, 3 FamFG erst durch ein konkretes Tätigwerden im Kindesinteresse. Die bloße Entgegennahme und das Lesen der eine Begründung noch nicht enthaltenden Beschwerdeschrift durch den Verfahrensbeistand reicht hierfür nicht aus.

  2. 2.

    Die Kostenprivilegierung nach § 158 Abs. 8 FamFG erstreckt sich nicht auch auf ein Beschwerdeverfahren, das allein den Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistandes zum Gegenstand hat.

In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für die beteiligten Kinder
1. J. F., geb. am 2001,
2. M. F., geb. am 1997,
Verfahrensbeistand: R. P.,
Beschwerdeführer,
weitere Beteiligte:
1. M. K. F. F.,
Antragsteller und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro B. K.,
2. K. A. I. F.,
Antragsgegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin I. K.-B.,
3. Landeshauptstadt Hannover, Kommunaler Sozialdienst,
4. Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht Hannover,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W. und die Richter am Oberlandesgericht H. und G. am 7. August 2012
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Verfahrensbeistandes vom 8. März 2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 1. März 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Mit Beschluss vom 2. März 2010 hatte das Amtsgericht den Beschwerdeführer den Kindern M. und J .für das Verfahren auf Übertragung der elterlichen Sorge und Regelung des Umgangs zur Wahrnehmung ihrer Interessen als Verfahrensbeistand bestellt. Zugleich hat es dem Verfahrensbeistand gemäß § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG die zusätzliche Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern zu führen sowie am Zustandekommen einer einverständlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Es hat festgestellt, dass die Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig geführt wird. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht sodann, dem Vorschlag der Sachverständigen folgend, die gemeinsame elterliche Sorge der Kindeseltern aufgehoben und die elterliche Sorge für den beim Kindesvater lebenden Sohn M. dem Kindesvater, die elterliche Sorge für den von der Kindesmutter betreuten Sohn J. dieser allein übertragen. Die weitergehenden Anträge beider Elternteile, ihnen auch die elterliche Sorge für das jeweils beim anderen Elternteil lebende Kind zu übertragen, hat es zurückgewiesen.

2

Gegen diese Entscheidung legte der Kindesvater mit Schriftsatz vom 22. August 2011 Beschwerde ein; eine Begründung enthielt dieser Schriftsatz noch nicht. Die Beschwerdeschrift wurde dem Verfahrensbeistand am 7. September 2011 zugestellt.

3

Mit Schriftsatz vom 26. September 2011 erfolgte sodann innerhalb einer dem Kindesvater gesetzten Frist die Begründung der Beschwerde. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2012 wies der Senat sodann die Beschwerde des Kindesvaters - gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne Wiederholung der erstinstanzlich bereits erfolgten mündlichen Anhörung - zurück. Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbeistand zusammen mit der Beschwerdebegründung vom 26. September 2011 am 20. Oktober 2011 zugestellt. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2011 beantragte der Verfahrensbeistand, die ihm aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung für das Beschwerdeverfahren auf (350 € x 2 =) 700 € festzusetzen. Zur Begründung führte er aus, er habe seine erste Tätigkeit am 7. September 2011 ausgeführt.

4

Das Amtsgericht hat den geltend gemachten Betrag zunächst antragsgemäß festgesetzt. Auf die Erinnerung des Kindesvaters vom 2. Dezember 2011 und nach Anhörung des Bezirksrevisors sowie Gewährung rechtlichen Gehörs für den Verfahrensbeistand, der ergänzend erklärte, bereits konkret tätig geworden zu sein durch Entgegennahme der Beschwerde, Anlegen einer neuen Akte und Lesen sowie Verarbeiten der Beschwerdebegründung und des Beschlusses, hat das Amtsgericht sodann mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 1. März 2012 die Festsetzung vom 24. November 2011 wieder aufgehoben und festgestellt, dass dem Verfahrensbeistand die für das Beschwerdeverfahren geltend gemachte Fallpauschalen von insgesamt 700 € nicht zustünden; zugleich hat es die Rückzahlung des bereits ausgezahlten Betrages angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, allein die Kenntnisnahme von der Beschwerdeeinlegung durch den Verfahrensbeistand stelle noch keine Tätigkeit im Sinne der Wahrnehmung der Kindesinteressen dar; eine derartige Tätigkeit setze vielmehr die Kenntnis auch der Gründe der Beschwerde voraus. Diese habe der Verfahrensbeistand hier jedoch erst mit dem die Instanz bereits beendenden Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2012 erlangt, als ein Handeln im Kindesinteresse überhaupt nicht mehr möglich gewesen sei.

5

Dagegen wendet sich der Verfahrensbeistand mit seiner Beschwerde, die er unter anderem darauf stützt, dass der Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistandes - vergleichbar dem Gebührenanspruch eines Rechtsanwalts - bereits nach Aufnahme irgendeiner Tätigkeit entstanden sei. Die vom Gesetzgeber als Rechtfertigung für die Einführung einer Pauschalgebühr angeführte Mischkalkulation könne nur wirksam werden, wenn es auch Fälle gebe, die vom Aufwand her einen Ausgleich für diejenigen Fälle schafften, die wegen hoher Fahrtkosten, langer Verfahrensdauer oder hoher Nebenkosten zu Verlusten führten.

6

II.

Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 61 Abs. 1 FamFG zulässige befristete Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

7

1.

Zutreffend hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen, auf die zulässige Erinnerung des Kindesvaters als Kostenschuldner ergangenen Beschluss festgestellt, dass dem Verfahrensbeistand für das Beschwerdeverfahren vorliegend eine aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung - entgegen der ursprünglichen Festsetzung vom 24. November 2011 - nicht zusteht.

8

Gemäß § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG erhält der Verfahrensbeistand für die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 158 Abs. 4 FamFG bei berufsmäßiger Führung der Verfahrensbeistandschaft - wie im vorliegenden Fall - in jedem Rechtszug eine einmalige Vergütung in Höhe von 350,- €, die sich gemäß § 158 Abs. 7 S. 3 FamFG im Falle der Übertragung von Aufgaben nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG - wie im vorliegenden Fall - auf 550,- € erhöht. Die Gebühr ist, wie zwischenzeitlich höchstrichterlich anerkannt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 268/10, FamRZ 2010, 1896f.), für jedes vom Verfahrensbeistand vertretene Kind zu zahlen.

9

Weil es sich hierbei um eine pauschalierte Vergütung handelt, setzt der Anspruch auf sie nicht voraus, dass der jeweilige Rechtszug bereits seinen Abschluss gefunden hat. Vielmehr reicht es aus, dass der Verfahrensbeistand in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist, wobei es auf den konkreten Umfang seiner Tätigkeit nicht ankommt (BGH, a.a.O., Rn. 30; bestätigt durch Beschluss vom 19. Januar 2011 - XII ZB 400/10, FamRZ 2011, 558, Rn. 7).

10

Hierdurch wird dem durch den Gesetzgeber berücksichtigten Gedanken der Sicherung einer auskömmlichen Vergütung des Verfahrensbeistandes (BT-Drucks. 16/9733, S. 294) ebenso Rechnung getragen wie durch den Umstand, dass die durch den Bundesrat seinerzeit aus fiskalischen Gründen vorgeschlagene Begrenzung der Vergütung der Höhe nach durch Einführung einer Höchstgrenze nicht Eingang in das Gesetz gefunden hat. Weiter dient es der wirtschaftlichen Absicherung des Verfahrensbeistandes, dass die Pauschalvergütung, wie höchstrichterlich entschieden (BGH, Beschluss vom 15. September 2010, a.a.O., Rn. 22 f.), für jedes Kind, für das der Verfahrensbeistand tätig geworden ist, gesondert anfällt. Darüber hinaus entsteht der Vergütungsanspruch kraft ausdrücklicher Regelung in § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG für jeden Rechtszug erneut, solange das Beschwerdegericht die Bestellung nicht aufhebt (OLG München, Beschluss vom24. November 2011 - 11 WF 2054/11, FamRZ 2012, 728 f.).

11

Indes genügt für ein Tätigwerden im Kindesinteresse im Sinne von § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG noch nicht die bloße Entgegennahme des Bestellungsbeschlusses (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010, a.a.O., Rn. 30). Entsprechendes gilt für das Beschwerdeverfahren: Die eine Begründung noch nicht enthaltende Beschwerdeschrift geht in ihrer Wirkung für den Verfahrensbeistand nicht über die eines Bestellungsbeschlusses hinaus: Der Beistand erfährt lediglich von der Existenz des (Beschwerde-) Verfahrens und seiner auf § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG beruhenden fortdauernden Bestellung. Demgemäß können auch der bloße Empfang und die Kenntnisnahme von der noch nicht begründeten Beschwerde nicht bereits einen Anspruch auf die Vergütung auslösen.

12

Erforderlich ist vielmehr - auch im Beschwerdeverfahren - ein Beginn der Wahrnehmung einer der Tätigkeiten des § 158 Abs. 4 FamFG. Dazu zählen - wie vorliegend - im Falle des erweiterten Aufgabenkreises des § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG etwa die erneute Kontaktaufnahme mit den Kindeseltern oder einem Elternteil oder weiteren Bezugspersonen des Kindes. Darüber hinaus liegt ein solches Tätigwerden im Kindesinteresse auch vor, wenn der Verfahrensbeistand seinerseits Beschwerde einlegt oder sich der Beschwerde eines anderen Beteiligten anschließt.

13

Dass der Verfahrensbeistand derartige Tätigkeiten im Kindesinteresse im vorliegenden Fall nach dem Erhalt der noch nicht begründeten Beschwerdeschrift bereits aufgenommen hätte, ist indes weder dargetan noch sonst aus dem Akteninhalt ersichtlich. Die hier angegebenen Tätigkeiten der Entgegennahme der Beschwerde und Lesen der Beschwerdeschrift (ein Lesen und Verarbeiten der - noch nicht vorliegenden - Beschwerdebegründung war nicht möglich) sowie Anlegen einer neuen Akte stellen ein Tätigwerden im Kindesinteresse noch nicht dar. Derartige lediglich interne Vorgänge erfüllen die Voraussetzungen des § 158 Abs. 4 FamFG nicht.

14

Der spätere Empfang der Beschwerdebegründung konnte vorliegend einen Vergütungsanspruch nicht mehr auslösen, da der Verfahrensbeistand diese erst zusammen mit dem das Beschwerdeverfahren bereits abschließenden Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2012 erhalten hat.

15

Dieses Ergebnis wird auch durch die Überlegung gestützt, dass bei Auslösung des Vergütungsanspruchs bereits durch bloße Entgegennahme der Beschwerde dem Beschwerdegericht die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit genommen würde, die gemäß § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG für das Beschwerdeverfahren erneut entstehende Bestellung vor einem Anfall dieser Kosten zu beenden.

16

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Diese ist hier auch erforderlich, weil für das vorliegende Beschwerdeverfahren Gerichtsgebühren nach Nr. 1912 KV FamGKG anfallen und außergerichtliche Kosten des Erinnerungsführers und Beschwerdegegners denkbar sind. Der Kostenauferlegung auf den Verfahrensbeistand steht auch nicht die Bestimmung des § 158 Abs. 8 FamFG entgegen, der eine Auferlegung von Verfahrenskosten auf den Verfahrensbeistand in Kindschaftssachen ausschließt. Diese Privilegierung gilt in dem im Interesse des Kindes geführten Kindschaftsverfahren. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist hingegen allein die Vergütung des Verfahrensbeistandes, womit dieses allein dessen Interesse dient.