Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.08.2012, Az.: 10 UF 139/12
Zulässigkeit der Vereinbarung der Verrechnung von Beamtenversorgungsanrechten beider Ehegatten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.08.2012
- Aktenzeichen
- 10 UF 139/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 22393
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0810.10UF139.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 25.04.2012
Rechtsgrundlage
- § 8 Abs. 2 VersAusglG
Fundstellen
- FF 2012, 376
- FF 2012, 422
- FK 2013, 8-9
- FPR 2012, 6
- FPR 2013, 343-344
- FamRB 2013, 42-43
- FamRZ 2012, 1722-1723
- MittBayNot 2013, 138-140
- NJW 2013, 241-243
- NJW-Spezial 2012, 677
- NotBZ 2012, 388-390
Amtlicher Leitsatz
Eine Vereinbarung über die Verrechnung des Anrechts eines Ehegatten auf Beamtenversorgung mit einem Anrecht des anderen Ehegatten verstößt nicht gegen § 8 Abs. 2 VersAusglG (gegen OLG Schleswig FamRZ 2012, 1144).
Tenor:
Auf die Beschwerde der Oberfinanzdirektion Niedersachsen wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 25. April 2012 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (II des Tenors) geändert und wie folgt gefasst:
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei dem Land Niedersachsen, vertreten durch die Oberfinanzdirektion Niedersachsen, zugunsten der Ehefrau auf deren Versicherungskonto Nr. ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Anrecht in Höhe von monatlich 634,48 €, bezogen auf den 30. April 2011, begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Im Übrigen findet ein Versorgungsausgleich hinsichtlich der Anrechte des Ehemannes bei dem Land Niedersachsen sowie der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Emder Zusatzversorgungskasse für Sparkassen, der Neue Leben Pensionsverwaltung AG und dem Deka Investmentfonds nicht statt.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Beschwerdewert: Gebührenstufe bis 4.000 €.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die beteiligten Eheleute heirateten am 19. Juni 1992 und wurden auf den am 30. Mai 2011 zugestellten Antrag des Ehemannes durch den angefochtenen Beschluss geschieden. Zugleich hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es unter Berücksichtigung einer Verrechnungsvereinbarung, die die Eheleute im Rahmen eines in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2012 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs getroffen haben, nur die Differenz der Ausgleichswerte der von beiden Eheleuten in der Ehezeit (1. Juni 1992 bis 30. April 2011; § 3 Abs. 1 VersAusglG) insgesamt erworbenen Anrechte ausgeglichen. Soweit Bezugsgröße der auszugleichenden Anrechte kein Kapitalwert war, haben die Eheleute die Saldierung auf Basis der von den Versorgungsträgern angegebenen korrespondierenden Kapitalwerte i. S. des § 47 VersAusglG vorgenommen. In Höhe der Gesamtausgleichswertdifferenz hat das Amtsgericht das beamtenrechtliche Anrecht des Ehemannes gemäß § 16 Abs. 1 VersAusglG extern geteilt. Der zugunsten der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung begründete Ausgleichswert wurde dabei entsprechend der von den Ehegatten getroffenen Vereinbarung als Kapitalwert (140.502,33 €) ausgedrückt. Ferner hat das Amtsgericht festgestellt, dass hinsichtlich der von der Ehefrau erworbenen Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung, bei der Zusatzversorgungskasse der Sparkassen, bei der Neue Leben Pensionsverwaltung AG und bei dem Deka Investmentfonds ein "Wertausgleich bei der Scheidung" nicht stattfindet.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, die von den Eheleuten geschlossene Vereinbarung bedürfe gemäß § 8 VersAusglG ihrer Zustimmung. Diese Zustimmung werde "insoweit verweigert als bei der Umsetzung vom Kapitalwert und nicht vom Ausgleichswert ausgegangen wird". Die OFD beantragt, im Tenor den Ausgleichswert zu benennen.
Die Ehegatten haben sich dem Begehren der OFD angeschlossen.
II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der OFD Niedersachsen ist begründet.
Allerdings trifft die Auffassung der OFD, die von den Eheleuten getroffene Vereinbarung sei von der Zustimmung des Versorgungsträgers abhängig, nicht zu. Ebenso wenig teilt der Senat die Ansicht des OLG Schleswig (Beschluss vom 18.11.2011, 13 UF 72/11, FamRZ 2012, 1148 = NJW 2012, 1891 mit abl. Anm. von Borth FamRZ 2012, 1146 und Bergner FamFR 2012, 208; zust. dagegen Eichenhofer NJW 2012, 2078), wonach Vereinbarungen unwirksam sein sollen, nach denen der Ausgleichswert eines Anrechts auf Beamtenversorgung mit dem (geringeren) Ausgleichswert eines Anrechts des anderen Ehegatten verrechnet werden und das beamtenrechtliche Anrecht nur in Höhe der Ausgleichswertdifferenz geteilt werden soll. § 8 Abs. 2 VersAusglG steht einer solchen Vereinbarung nicht entgegen (ohne dass es dabei darauf ankommt, ob es sich bei dem verrechneten Anrecht des anderen Ehegatten - wie in dem vom OLG Schleswig entschiedenen Fall - ebenfalls um ein beamtenrechtliches oder um ein anderes Anrecht handelt). Diese Vorschrift - mit der die auf gesetzliche Rentenanwartschaften beschränkte Regelung des § 1587 o Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. in verallgemeinerter Form in das neue Recht übernommen wurde - bestimmt lediglich, dass die Ehegatten ohne Zustimmung der Versorgungsträger nicht durch Vereinbarung Versorgungsanrechte unmittelbar übertragen oder begründen dürfen. Sie hindert die Ehegatten dagegen - wie schon nach früherem Recht - nicht daran, Vereinbarungen über Anrechte - auch in den öffentlich-rechtlichen Sicherungssystemen - zu treffen, die sodann durch gerichtliche Entscheidungen vollzogen werden müssen. Das Familiengericht hat im Rahmen der ihm obliegenden Inhalts- und Ausübungskontrolle ( § 8 Abs. 1 VersAusglG) lediglich zu prüfen, ob die Vereinbarung gegen systemimmanente Schranken des auszugleichenden Anrechts verstößt. § 8 Abs. 2 VersAusglG verbietet (vorbehaltlich einer Zustimmung des Versorgungsträgers) den Vollzug von Vereinbarungen, nach denen ein Anrecht in weitergehendem Umfang geteilt werden soll als dies gesetzlich oder nach den maßgeblichen untergesetzlichen Versorgungsregelungen vorgesehen ist (vgl. Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 907; Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 872; Wick in Fachanwaltskommentar Familienrecht 4. Aufl. § 8 Rn. 16). Dagegen ist es zulässig, das auszugleichende Anrecht aufgrund einer Vereinbarung in geringerem Umfang zu kürzen als dies dem Ausgleichswert dieses Anrechts entspricht. Eine Vereinbarung, nach der Ausgleichswerte auf Basis ihrer Kapitalwerte oder korrespondierenden Kapitalwerte miteinander verrechnet werden mit der Folge, dass sich der Ausgleichswert eines Anrechts verringert und ein verrechnetes Anrecht des anderen Ehegatten gar nicht geteilt wird, ist daher zulässig (ebenso Borth aaO. Rn. 923 f. und FamRZ 2012, 1146; Bergner FamFR 2012, 208).
Nach Ansicht des OLG Schleswig (aaO.) soll eine solche Verrechnungsvereinbarung deshalb zu beanstanden sein, weil das auszugleichende Anrecht des Beamten in geringerem Umfang gekürzt wird als es nach den gesetzlichen Bestimmungen der Fall wäre und dem Beamten damit gegenüber dem Versorgungsträger eine höhere als die nach dem VersAusglG vorgesehene Versorgung "verschafft" würde, womit sich die Vereinbarung zu Lasten des Versorgungsträgers auswirke. Damit wird jedoch verkannt, dass die Ehegatten bis zur Höhe des Ausgleichswerts eines Anrechts grundsätzlich dispositionsbefugt sind. Wie sich aus § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VersAusglG ergibt, können die Ehegatten den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise vertraglich ausschließen. Damit sind sie auch befugt, den Ausgleichswert eines Anrechts - sei es aufgrund einer vorgenommenen Verrechnung von Anrechten, sei es aus anderen Gründen - zu kürzen. Nichts anderes haben die Ehegatten im vorliegenden Fall getan. Das frühere Recht sah sogar eine Verrechnung sämtlicher Anrechte im Rahmen des nach § 1587 a Abs. 1 BGB a.F. vorzunehmenden Gesamtausgleichs ausdrücklich vor. Der mit dem neuen Recht vollzogene Systemwechsel zu einem internen Ausgleich jedes einzelnen Anrechts zwingt die Ehegatten keineswegs dazu, den Hin- und Her-Ausgleich hinzunehmen. Vielmehr ist es ihnen vom Gesetzgeber ausdrücklich freigestellt, mittels Vereinbarungen eine Verrechnung von Anrechten vorzunehmen und damit eine Zersplitterung ihrer Altersversorgung zu vermeiden.
Die Vereinbarung der Ehegatten hält sich im Rahmen der ihnen zustehenden Dispositionsbefugnis. Nach dem zwischen ihnen geschlossenen Vergleich wird das vom Ehemann erworbene Anrecht der Beamtenversorgung nicht über die Hälfte des Ehezeitanteils hinaus zugunsten der Ehefrau ausgeglichen. Die getroffene Verrechnungsvereinbarung führt vielmehr im Ergebnis lediglich dazu, dass der Ausgleich der Beamtenversorgung des Ehemannes teilweise und der Ausgleich der Anrechte der Ehefrau in vollem Umfang ausgeschlossen werden. Diese Vereinbarung bewirkt bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung auch keine höhere Versorgung des Ehemannes als dies bei Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den gesetzlichen Vorschriften der Fall wäre.
Unschädlich ist auch, dass sich die Ehegatten dahin geeinigt haben, das Anrecht für die Ehefrau solle im Wege der externen Teilung in Form eines Kapitalwerts begründet werden. Zwar ist der Ausgleichswert, der zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten im Wege interner Teilung zu übertragen oder im Wege externer Teilung zu begründen ist, nach neuem Recht in der Bezugsgröße des Versorgungssystems auszudrücken, in dem das auszugleichende Anrecht erworben worden ist (§§ 5 Abs. 1 und 3, 10 Abs. 1 und 16 Abs. 1 VersAusglG). Dem kann jedoch dadurch Rechnung getragen werden, dass der nach dem Willen der Ehegatten auszugleichende (korrespondierende) Kapitalwert der Ausgleichswertdifferenz in die Bezugsgröße des vorliegend auszugleichenden Anrechts des Ehemannes umgerechnet wird. Bezugsgröße der Beamtenversorgung ist ein monatlicher Ruhegehaltsbetrag. Die Umrechnung hat auf dem umgekehrten Rechenweg zu erfolgen, den die OFD Niedersachsen bei der Umrechnung des ermittelten Ausgleichswerts des Anrechts auf Beamtenversorgung in einen korrespondierenden Kapitalwert verwendet hat und der in § 47 Abs. 3 VersAusglG vorgegeben ist, nämlich mit Hilfe der (für das Ende der Ehezeit maßgeblichen) Rechengrößen der gesetzlichen Rentenversicherung zur Umrechnung von Kapitalwerten in einen Rentenbetrag (Bekanntmachung der Umrechnungsfaktoren für den Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung vom 3. Dezember 2010, BGBl. I S. 1764). Danach ergibt sich ein auf das Ehezeitende bezogener monatlicher Rentenbetrag von 634,48 € (140.502,33 € x 0,0001660211 = 23,3264 [Entgeltpunkte] x 27,20 [aktueller Rentenwert bei Ehezeitende]). In Höhe dieses monatlichen Betrages ist zu Lasten des beamtenrechtlichen Anrechts des Ehemannes für die Ehefrau eine gesetzliche Rentenanwartschaft zu begründen. Gemäß § 16 Abs. 3 S. 1 VersAusglG war ferner zu beschließen, dass dieser Ausgleichswert in Entgeltpunkte (als Bezugsgröße der Zielversorgung) umzurechnen ist.
Der Senat hat zur Klarstellung in den Tenor aufgenommen, dass neben dem Ausgleich der Anrechte der Ehefrau auch der weiter gehende Ausgleich des Anrechts des Ehemannes aufgrund der Vereinbarung der Ehegatten ausgeschlossen wird (§ 224 Abs. 3 FamFG). Ferner hat der Senat über die vom Amtsgericht anhand des Gesetzeswortlauts gewählte Formulierung, dass "der Wertausgleich bei der Scheidung" insoweit nicht stattfinde, hinaus ausdrücklich festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Denn der vertraglich vereinbarte Teil-Ausschluss erstreckt sich ersichtlich nicht nur auf den (öffentlich-rechtlichen) Wertausgleich, so dass auch eventuelle (schuldrechtliche) Ausgleichsansprüche nach der Scheidung nicht mehr in Betracht kommen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 20 Abs. 1 S. 1 FamGKG, 150 Abs. 1 und 3 FamFG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Der Senat lässt im Hinblick auf die divergierende Entscheidung des OLG Schleswig (aaO.) die Rechtsbeschwerde zu.