Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 25.09.2015, Az.: 14 WF 101/15

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
25.09.2015
Aktenzeichen
14 WF 101/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 37447
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2015:0925.14WF101.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Delmenhorst - 12.05.2015 - AZ: 18 F 18/15 EAUB

Fundstellen

  • FamRB 2016, 141
  • FamRZ 2016, 1098
  • NJOZ 2016, 984
  • VersR 2016, 984

Amtlicher Leitsatz

Hat ein Verfahrensbeistand mit seiner Tätigkeit begonnen, hat er auch dann Anspruch auf eine Vergütung von 550 Euro, wenn er zwar für den erweiterten Aufgabenkreis bestellt worden ist, er aber später auf Wunsch des Gerichtes davon abgesehen hatte, Elterngespräche zu führen (aA. OLG Brandenburg 9 WF 15/11).

Tenor:

Auf die Beschwerde des Verfahrensbeistands wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 12. Mai 2015 geändert.

Der dem Verfahrensbeistand auf seinen Antrag vom 5. März 2015 für seine Tätigkeit aus der Staatskasse zu erstattende Anspruch wird auf 550,00 Euro festgesetzt.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 3.) und 4.) sind die Eltern des Beteiligten zu 1.). Mit Antrag vom 16. Januar 2015 beantragten sie die familiengerichtliche Genehmigung der Unterbringung des Beteiligten zu 1.). Der Beteiligte zu 2.), Rechtanwalt F ..., wurde zum Verfahrensbeistand des Kindes bestellt, und zwar mit dem um Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen zur einvernehmlichen Regelung des Verfahrensgegenstands erweiterten Aufgabenbereich (§ 158 Abs. IV Satz 3 FamFG).

Der Beteiligte zu 2.) nahm am 19. Januar 2015 an der richterlichen Anhörung des Kindes teil. Gespräche mit den Eltern oder anderen Bezugspersonen hat der Beteiligte zu 2.) nicht geführt.

Der Bezirksrevisor hat unter Berufung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (9 WF 15/11) die Auffassung vertreten, dass die erhöhte Pauschale nur dann zu zahlen sei, wenn der Verfahrensbeistand auch mit Tätigkeiten begonnen habe, die dem erweiterten Aufgabenkreis zuzurechnen seien.

Das Amtsgericht hat sich dieser Auffassung des Bezirksrevisors angeschlossen und mit Beschluss vom 12. Mai 2015 die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 350 Euro festgesetzt.

Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 2.) mit seiner vom Amtsgericht zugelassenen Beschwerde. Da er mit dem erweiterten Aufgabenkreis zum Verfahrensbeistand bestellt worden sei und auch seine Tätigkeit entfaltet habe, sei die erhöhte Pauschale zu zahlen. Insofern sei zu berücksichtigen, dass er ausschließlich aufgrund einer nach seiner Bestellung erfolgten Absprache mit der zuständigen Richterin von Elterngesprächen abgesehen habe.

Der Bezirksrevisor hält die Beschwerde für unbegründet und weist ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen darauf hin, dass nach der gesetzgeberischen Intention eine Annäherung an die Vergütung der Rechtanwälte erfolgen sollte, deren Gebühr auch erst dann anfalle, wenn mit der Tätigkeit begonnen wurde.

II.

Die aufgrund ihrer Zulassung durch das Amtsgericht zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Die aus der Staatskasse an den zum Verfahrensbeistand bestellten Rechtanwalt zu zahlende Vergütung war gemäß § 158 Abs. 7 Satz 3 und 5 FamFG auf den erhöhten Betrag von 550 Euro festzusetzen.

Der zum Verfahrensbeistand bestellte Rechtsanwalt hat Anspruch auf Zahlung der erhöhten Vergütung, weil ihm gemäß § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG auch die Aufgabe übertragen war, Gespräche mit den Eltern und anderen Bezugspersonen zur einvernehmlichen Regelung des Verfahrensgegenstandes zu führen, und er mit seiner Tätigkeit bereits begonnen hatte. Darauf, ob der Verfahrensbeistand auch schon mit Tätigkeiten des erweiterten Aufgabenkreises nach § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG begonnen hatte, kommt es für die Entstehung des erhöhten Vergütungsanspruchs nicht an.

1. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur entsteht der Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistands nicht bereits mit dessen Bestellung. Erforderlich ist darüber hinaus, dass der Verfahrensbeistand in irgendeiner Weise im Interesse des Kindes tätig geworden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 2010 - XII ZB 268/10 - und vom 19. Januar 2011 - XII ZB 400/10 -, zitiert nach juris; OLG Celle, Beschluss vom 7. August 2012 -10 UF 158/12 -, zitiert nach juris; OLG München, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 11 WF 570/10 -, zitiert nach juris; Keidel/Engelhardt, 18. Auflage, § 158, Rdnr. 47; Stößer in: Prütting/Helms, 2. Aufl., § 158, Rdnr. 32).

2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil der zum Verfahrensbeistand bestellte Beschwerdeführer durch seine Teilnahme an der gerichtlichen Anhörung des Kindes in dessen Interesse tätig geworden ist. Diese Tätigkeit ist ausreichend, um den Vergütungsanspruch in Höhe der Fallpauschale nach § 158 Abs. 7 Satz 3 FamFG in Höhe von 550 Euro entstehen zu lassen, weil der Beschwerdeführer für diesen erweiterten Aufgabenkreis bestellt worden ist (so ausdrücklich auch Stößer aaO.).

Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Brandenburg in seinem vom Bezirksrevisor zitierten Beschluss vom 14. März 2011 (9 WF 15/11, zitiert nach juris) ist es für die Entstehung des erhöhten Vergütungsanspruchs nicht erforderlich, dass auch mit den Aufgaben aus dem erweiterten Aufgabenkreis begonnen wurde.

Die Fallpauschalen gemäß § 158 Abs. 7 Satz 2 und Satz 3 FamFG sind vom Gesetzgeber unabhängig von dem konkreten Arbeitsaufwand bestimmt worden. Im Vergleich zu den Regelungen in dem bis zum 31. August 2009 geltenden FGG sollte die Fallpauschale einerseits dem Verfahrensbeistand die verfassungsrechtlich gebotene auskömmliche Vergütung gewähren und andererseits durch geringeren Abrechnungs- und Kontrollaufwand eine unaufwändige und unbürokratische Handhabung ermöglichen. Zudem sollte - worauf der Bezirksrevisor zutreffend hinweist - eine Angleichung an die gebührenorientierte Vergütung der Rechtanwälte erzielt werden (vgl. BTDrs. 16/9733, S. 294).

Da die Fallpauschalen bei den Verfahrensbeiständen zu einer Mischkalkulation aus einfach und komplex gelagerten Fällen führen und dadurch in ihrer Gesamtheit eine angemessenen Vergütung des Verfahrensbeistands sicherstellen sollen, kommt es entscheidend darauf an, dass die Fallpauschalen - ebenso wie die Gebühren des Rechtanwalts - unabhängig von dem konkreten Arbeitsaufwand gezahlt werden. Das erfordert es, irgendeine Tätigkeit im Kindesinteresse ausreichen zu lassen.

Darüber hinaus für das Entstehen des erhöhten Vergütungsanspruchs auch eine Tätigkeit aus dem erweiterten Aufgabenkreis zu verlangen, würde zum einen dazu führen, dass die Vergütung im Ergebnis doch vom getätigten Arbeitsaufwand abhängig ist, was der gesetzgeberischen Intention widerspricht. Zum anderen würde der Verfahrensbeistand, der bis zu einer evtl. anderweitigen Erledigung des Verfahrens ausschließlich mit den Eltern gesprochen hätte, die erhöhte Fallpauschale erhalten, derjenige hingegen, der bis dahin nur ein Gespräch mit dem Kind geführt hätte, jedoch lediglich die geringere Fallpauschale, obwohl sie denselben Arbeitsaufwand getätigten haben. Das könnte dazu führen, dass der Verfahrensbeistand sich aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus dazu entscheidet, regelmäßig zunächst das Elterngespräch zu führen. Das widerspräche dem Zweck der Verfahrensbeistandschaft, eine effektive, eigenständige Interessenvertretung des Kindes sicherzustellen, weil eine solche es erfordert, dass der Verfahrensbeistand sein Handeln in dem Verfahren ausschließlich nach den Kindesinteressen ausrichten kann.

Gegen diese Sichtweise des Senats spricht auch nicht die gewollte Angleichung an die gebührenorientierte Vergütung der Rechtanwälte. Im Gegenteil: Die Gebühr des Rechtsanwalts entsteht im Umfang der Beauftragung, sobald der Rechtanwalt mit der beauftragten Tätigkeit begonnen hat. Die Höhe der Gebühren wird daher nicht durch die Tätigkeit, sondern den Auftrag des Mandanten bestimmt. Dem entspricht es nach Auffassung des Senats, dass sich die Höhe der Vergütung nach dem Aufgabenkreis richtet, für den das Gericht den Verfahrensbeistand bestellt hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.

Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zuzulassen.