Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 17.11.2010, Az.: 8 T 816/10

Bei Vorliegen eines Interessenkonflikts zwischen Betreuer und Betreutem wegen ungeklärter erbrechtlicher Pflichtteilsansprüche ist ein Ergänzungsbetreuer zu bestellen; Voraussetzungen für die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers im Falle eines erbrechtlichen Interessenkonflikts zwischen Betreutem und Betreuer

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
17.11.2010
Aktenzeichen
8 T 816/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 38095
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2010:1117.8T816.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 05.10.2010 - AZ: 6 XVII 7763

Fundstelle

  • FamRZ 2011, 675

In dem Beschwerdeverfahren
...
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
am 17.11.2010
durch
...
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde vom 18.10.2010 wird der Beschluss des Amtsgerichts Helmstedt vom 05.10.2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer an das Betreuungsgericht Helmstedt zurückverwiesen.

Gründe

1

I.

Die Betroffene, die an fortgeschrittener Demenz vom Alzheimer Typ leidet, steht seit 2008 unter Betreuung.

2

Mit Beschluss vom 5.9.2008 wurde die Betreuung eingerichtet und Frau xxx die Tochter der Betroffenen - als Betreuerin bestellt. Ihr Aufgabenkreis umfasste danach die Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Erbschafts- und Grundstücksangelegenheiten.

3

Mit Beschluss vom 23.4.2009 war xxx zur Ergänzungsbetreuerin bestellt worden zur Wahrnehmung der Rechte der Betroffenen in der Erbschaftsangelegenheit xxx. Der Ehemann der Betroffenen war am 22.6.2008 verstorben. Er hatte seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt, die Betreuerin machte Pflichtteilsansprüche geltend. Nachdem zwischen der Betreuerin und der Ergänzungsbetreuerin am 02.09.2009 geschlossen worden war, nach dem die Betreuerin 7.469,88 EUR erhalten sollte, wurde am 17.9.2009 die Bestellung der Ergänzungsbetreuerin aufgehoben.

4

Mit Beschluss vom 4.2.2010 wurde die Betreuung um den Aufgabenkreis der Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten erweitert.

5

Mit notariellem Vertrag vom 12.7.2010 (UR-Nr. 490/10 des Notars xxx ) veräußerte die Betroffene vertreten durch die Betreuerin ein Hausgrundstück, wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausfertigung der genannten notariellen Urkunde Bezug genommen.

6

Mit Beschluss vom 5.10.2010 hat die Rechtspflegerin des Betreuungsgerichts Helmstedt die betreuungsgerichtliche Genehmigung versagt, weil mangels Bestellung eines Ergänzungsbetreuers der Beschluss nicht wirksam zugestellt werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss Bezug genommen.

7

Gegen diesen Beschluss hat die Betreuerin Beschwerde eingelegt; wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Beschwerdeschrift vom 18.10.2010 Bezug genommen.

8

Die Kammer hat mit Beschluss vom 29.10.2010 xxx zur Ergänzungsbetreuerin bestellt für den Aufgabenkreis betreuungsgerichtliches Genehmigungsverfahren hinsichtlich der Verträge zu UR-Nr. xxx des Notars xxx einschließlich Zustellung und Rechtsmittelverfahren. Die Ergänzungsbetreuerin hat am 11.11.2010 Stellung genommen, alle anderen Verfahrensbeteiligten hatten rechtliches Gehör.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

10

II.

Die zulässige Beschwerde hatte in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

11

Der Beschluss der Rechtspflegerin vom 05.10.2010 war zu dem damaligen Verfahrensstand allerdings richtig und nicht zu beanstanden.

12

Der Betroffenen war - erneut - eine Ergänzungsbetreuerin zu bestellen.

13

Es besteht ein Interessenkonflikt zwischen der Betreuten und der Betreuerin aufgrund der Pflichtteilsansprüche.

14

Eine wirksame Zustellung der betreuungsgerichtlichen Entscheidung kann zudem nur an einen Ergänzungsbetreuer erfolgen, nicht aber an den Verfahrenspfleger - § 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG. Der Verfahrenspfleger ist kein gesetzlicher Vertreter. Der Verfahrenspfleger handelt vielmehr in eigenem Namen und hat nicht die Funktion, rechtliche Willenserklärungen für den Betreuten abzugeben oder entgegenzunehmen (vgl. Einzelbegründung § 158 FamFG, BT-Drs. 16/6308, S. 240). Da Zustellungen für nicht verfahrensfähige Personen an deren gesetzlichen Vertreter zu bewirken sind (§§ 41 Abs. 3, 15 Abs. 1, Abs. 2, § 9 Abs. 2 FamFG, § 170 Abs. 1 ZPO; vgl. auch Keidel/Engelhardt, FamFG [16. Aufl. 2009], § 158 Rn. 39), kann der Verfahrenspfleger insoweit den Ergänzungsbetreuer nicht ersetzen (im Ergebnis ebenso OLG Oldenburg, JAmt 2010, 34, 35 sowie Keidel/Engelhardt, FamFG [16. Aufl. 2009], § 158 Rn. 6; Zöller/Philippi, ZPO [28. Aufl. 2010], § 158 FamFG Rn. 1; Sonnenfeld, NotBZ 2009, 295, 299; Schürmann, FamFR 2009, 153ff.; Zorn, RPfleger 2009, 421, 426 und das Rechtsgutachten des Deutschen Notarinstituts e.V., Würzburg, DNotI-Report 2009, 145, 148 - vgl. auch Kammergericht Berlin Beschluss vom 04.03.2010 in NJW-RR 2010 1087 ff [KG Berlin 04.03.2010 - 17 UF 5/10]). Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung.

15

Es war seitens des Betreuungsgerichts grob rechtsfehlerhaft, keinen Ergänzungsbetreuer zu bestellen und auch keine rechtsmittelfähige Entscheidung über die Nichtbestellung zu treffen, so dass eine etwaige betreuungsgerichtliche Genehmigung nicht rechtskräftig werden konnte.

16

Die Bestellung einer Ergänzungsbetreuerin war daher im Beschwerdeverfahren nachzuholen.

17

Nachdem die Ergänzungsbetreuerin rechtliches Gehör erhalten hat und zu den notariellen Verträgen Stellung nehmen konnte, war über die Beschwerde zu entscheiden.

18

Die Sache war an das Betreuungsgericht Helmstedt zurückzuverweisen zur erneuten Prüfung und Entscheidung.

19

Die Prüfung, ob die betreuungsgerichtliche Entscheidung in der Sache ergeben kann, soll dem Betreuungsgericht vorbehalten bleiben.

20

Die Zustellung des Beschlusses kann nun wirksam erfolgen, da eine Ergänzungsbetreuerin bestellt worden ist.

21

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.