Landgericht Braunschweig
Urt. v. 21.09.2010, Az.: 6 S 113/10 (041)

Wohnungseigentümer darf weitere Wohnung hinzukaufen und seine Miteigentumsanteile von 33,43% auf 41,68% erhöhen; Zulässigkeit des Kaufs einer weiteren Wohnung durch einen Wohnungseigentümer und Erhöhung seiner Miteigentumsanteile; Zulässigkeit der Versagung der Zustimmung zum Verkauf einer Wohnung an einen anderen Wohnungseigentümer wegen der Gefahr der Majorisierung

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
21.09.2010
Aktenzeichen
6 S 113/10 (041)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 38849
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2010:0921.6S113.10.041.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 22.02.2010 - AZ: 27 C 13/09

Fundstelle

  • ZMR 2011, 158-159

In dem Rechtsstreit ..., Klägerin und Berufungsklägerin Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. gegen ..., Beklagte und Berufungsbeklagte Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 07.09.2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und die Richterin am Landgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts vom 22.02.2010 teilweise abgeändert.

Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 20.04.2009 zu den Tagesordnungspunkten 1 a) und 1 b) und die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 09.06.2009 zu den Tagesordnungspunkten 7 a) und 7 b) sind nichtig.

Der Streitwert für die Tagesordnungspunkte 1 a) und 1b) (Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 20.04.2009) und die Tagesordnungspunkte 7 a) und 7 b) (Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 09.06.2009) wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 76% und die Beklagten zu 24%.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert für die Berufungsinstanz: 5.000 EUR.

Gründe

1

(Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäߧ§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen)

2

Die zulässige Berufung ist begründet.

3

1.

Die Klägerin hat auch hinsichtlich der Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1 a) und 1 b), die in der außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlung vom 20.04.2009 gefasst worden sind, ein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung der Nichtigkeit bzw. Ungültigkeit, da die Beschlüsse, die in der Wohnungseigentümerversammlung vom 06.09.2009 zu den Tagesordnungspunkten 7 a) und 7 b) gefasst worden sind und die mit den Beschlüssen aus der Wohnungseigentümerversammlung zu den Tagesordnungspunkten 1 a) und 1 b) in der Wohnungseigentümerversammlung vom 20.04.2009 inhaltsgleich sind (betreffend dem Verwalter zu untersagen, die Zustimmung zur Veräußerung der Wohnung Nr. 2 an die Klägerin zu erteilen und Ablehnung der Genehmigung zum Erwerb der Wohnung Nr. 2) noch nicht bestandskräftig sind, da diese auch mit der Klage angefochten worden sind. Ist die Gültigkeit des Zweitbeschlusses noch in der Schwebe, besteht das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Erstbeschlusses fort (Bay. OLG, Beschluss vom 24.01.2001, Az: 2 ZBR 112/00; BGH NJW 1989, 1087/1088 [BGH 01.12.1988 - V ZB 6/88]). So liegt der Fall auch hier. Da sich die Anfechtungsklage auch auf die in der Wohnungseigentümerversammlung vom 06.09.2009 zu den Tagesordnungspunkten 7 a) und 7 b) gefassten Beschlüsse bezieht, sind diese Zweitbeschlüsse noch nicht bestandkräftig und das Rechtsschutzbedürfnis besteht auch für die Anfechtung der Erstbeschlüsse, die in der Wohnungseigentümerversammlung vom 20.04.2009 zu den Tagesordnungspunkten 1 a) und 1 b) gefasst worden sind, fort.

4

2.

Die streitgegenständlichen Beschlüsse, in denen es inhaltlich um die Versagung der Erteilung der Zustimmung zur Veräußerung der Wohnung Nr. 2 und die Ablehnung der Genehmigung zum Erwerb der Nr. 2 durch die Klägerin geht, sind nichtig, weil ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung nicht vorliegt.

5

In § 8 der Teilungserklärung vom 26.07.1990 ist bezüglich der Übertragung von Einheiten u.a. geregelt, dass jeder Wohnungseigentümer zur Veräußerung der Zustimmung des Verwalters bedarf, ausgenommen jedoch die erstmalige Veräußerung des Wohnungseigentümers durch den Eigentümer und dass die Zustimmung nur versagt werden darf, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

6

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der die Versagung der Zustimmung rechtfertigt, ist von den Beklagten nicht dargelegt worden.

7

Nach § 12 Abs. 2 WEG darf die Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums nur verweigert werden, wenn die Übertragung des Wohnungseigentums auf den Erwerber für die übrigen Miteigentümer eine gemeinschaftswidrige Gefahr mit sich bringt. Diese Gefahr muss ihre Ursache in der Person des Erwerbers haben, ohne dass es auf ein Verschulden dieser Person ankommt. Da jeder Eigentümer aber grundsätzlich in der Verfügung über sein Eigentum frei ist und die Versagung der Zustimmung zu einer bestimmten Veräußerung ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Veräußerers bedeutet, ist eine Versagung der Zustimmung nur gerechtfertigt, wenn wichtige Gründe in der Person des Erwerbers vorliegen, die befürchten lassen, er werde die Rechte der anderen Wohnungseigentümer nicht beachten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.07.2005, 20 W 493/04, 1. Leitsatz). Ausgehend von diesem maßgeblichen Grundsatz ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu verneinen.

8

Soweit als wichtiger Grund genannt wird, dass beim Kauf der Wohnung durch die Klägerin die Gefahr der Majorisierung bestehe, weil die Miteigentumsanteile der Klägerin von 33,43% auf 41,68 anwachsen würden, stellt dieses keinen wichtigen Grund dar. Denn der bloße Umstand, dass die Miteigentumsanteile anwachsen, geben keinen Anlass zu der Annahme, dass infolge dessen die Rechte der anderen Wohnungseigentümer nicht beachtet werden und der Wohnungseigentümergemeinschaft Schaden zugefügt wird. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihr Stimmrecht sachlich nicht gerechtfertigt und gesetzeswidrig ausüben wird. Außerdem könnte der Gefahr der Majorisierung dadurch begegnet werden, dass die anderen Wohnungseigentümer gegen Beschlüsse, die zustande gekommen sind mit Hilfe erheblichen Stimmanteils der Klägerin, gerichtlich vorgehen, falls sie der Auffassung sind, dass sie nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Annahme eines wichtigen Grundes bei der bloßen Gefahr einer Majorisierung nicht in Einklang zu bringen wäre mit dem in Artikel 14 GG verankerten Eigentumsrecht der Klägerin.

9

Auch die in dem Schriftsatz der Beklagten vom 29.10.2009 genannten Vorfälle stellen keinen wichtigen Grund für die Versagung der Zustimmung dar. Zum einen beziehen sich die meisten der behaupteten Vorfälle nicht auf das Verhalten der Klägerin, sondern auf das Verhalten ihres Ehemannes. Schließlich lägen insoweit keine gewichtigen Gründe in der Person der Klägerin, mithin der Erwerberin vor. Von daher scheiden diese behaupteten Vorfälle für die Frage, ob ein wichtiger Grund zur Versagung der Zustimmung vorliegen könnte, bereits aus. Im Übrigen sind die behaupteten Vorkommnisse (Bedrohung und eine "Beinahe-Kopfverletzung" sowie das Verhalten gegenüber der Geschäftsführerin der Verwaltung bei dem Besuch am 10.06.2009) nicht von derartigem Gewicht, dass ein wichtiger Grund bejaht werden könnte.

10

Soweit von Beklagtenseite behauptet wird, dass die Klägerin eine Miteigentümerin, Frau ..., am 27.06.2009 bei einem Zusammentreffen beleidigt habe, macht dieses deutlich, dass es Probleme in dem Umgang mit Miteigentümern gibt. Dies allein rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines wichtigen Grundes für die Versagung der Zustimmung.

11

Die Ablehnung eines wichtigen Grundes hat zur Folge, dass die streitgegenständlichen Beschlüsse nichtig sind (vgl. Bärmann, WEG-Kom., 10. Aufl. § 12, Randnr. 47, § 23 Randnr. 132; OLG Hamm, Beschluss vom 29.09.1992, 15 W 199/92; BayObLGZ, 1980, 29).

12

3.

Aufgrund der Nichtigkeit der Beschlüsse, kann die Frage, ob die Beschlüsse wegen formeller Fehler (nicht erfolgte Einladung der Klägerin zu der Wohnungseigentümerversammlung vom 20.04.2009, Verlassen des Raumes durch die Klägerin auf Aufforderung vor der Behandlung des Tagesordnungspunktes 7 bei der Wohnungseigentümerversammlung am 09.06.2009) ungültig sind, dahinstehen.

13

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

14

In Abänderung der Streitwertfestsetzung durch das Amtsgericht für die streitgegenständlichen Beschlüsse hat die Kammer den Streitwert auf 5.000 EUR festgesetzt gem. § 49a GKG. Die Kammer hat das Interesse der Klägerin an der Anfechtung der Beschlüsse hinsichtlich der Versagung der Zustimmung zur Veräußerung der Wohnung Nr. 2 mit etwas über 20 % des Kaufpreises (22.000 EUR) mit 5000 EUR bemessen im Einklang mit der Rechtsprechung, die in diesen Fällen 10 bis 20 % des Kaufpreises ansetzt (KG Berlin, Beschluss vom 12.01.2007; 11 W 15/06; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08.11.2005, 3 W 142/05; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.07.2005, 20 W 493/04). Da die Beschlüsse inhaltsgleich waren bedarf es keiner Erhöhung dieses Streitwertes.