Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.07.2005, Az.: 6 B 370/05
Erteilung von einstweiligen Erlaubnissen für Linienverkehrsgenehmigungen; Beurteilungsspielraum der Genehmigungsbehörde bei der Bewertung der Verkehrsbedürfnisse und ihrer befriedigenden Bedienung sowie hinsichtlich der Gewichtung der öffentlichen Verkehrsinteressen; Erfordernis einer Entscheidung über den Antrag auf Linienverkehrsgenehmigung innerhalb von drei Monaten; Möglichkeit der Verlängerung o.g. Frist um weitere drei Monate mittels eines Zweitbescheides; Eigenständige Abgabe der Angebote der Anbieter ohne Kenntnis des Angebots der übrigen Bewerber als kennzeichnend für einen rechtmäßigen Wettbewerb um eine Genehmigung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 08.07.2005
- Aktenzeichen
- 6 B 370/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 32636
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2005:0708.6B370.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- NULL
Rechtsgrundlagen
- § 13 PBefG
- § 15 PBefG
- § 20 PBefG
- § 42 PBefG
- § 42 Abs. 2 VwGO
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 80a Abs. 3 VwGO
- § 123 VwGO
Verfahrensgegenstand
Linienverkehrsgenehmigungen
- hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 VwGO-
Redaktioneller Leitsatz
Der Genehmigungsbehörde für die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung steht bei der Bewertung der Verkehrsbedürfnisse und ihrer befriedigenden Bedienung sowie hinsichtlich der Gewichtung der öffentlichen Verkehrsinteressen ein Beurteilungsspielraum zu, da diese Entscheidung nicht nur prognostische, sondern auch verkehrs- und raumordnungspolitische Wertungen voraussetzt.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 6. Kammer -
am 8. Juli 2005
beschlossen:
Tenor:
Die Anträge werden abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 80.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Erteilung von einstweiligen Erlaubnissen für acht Linienverkehrsgenehmigungen im Landkreis Gifhorn an die Beigeladene und beansprucht die einstweiligen Erlaubnisse für sich.
Der Linienverkehr auf den Linien 120, 121, 125, 140 bis 143 war in der Vergangenheit bis zu der am 31. Dezember 2004 ausgelaufenen Geltungsdauer der früheren Beförderungsgenehmigungen von der Antragstellerin wahrgenommen worden. Unter dem 1. November 2004 beantragte die Antragstellerin für diese Linien die Wiedererteilung der Beförderungsgenehmigungen sowie die Neuerteilung einer Genehmigung für die Linie 144. Die Bezirksregierung Braunschweig als Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin machte daraufhin die Bewerbung der Antragstellerin öffentlich bekannt und leitete ein Anhörungsverfahren bei den zu beteiligenden Stellen ein. Als die Beigeladene mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 der Bezirksregierung Braunschweig mitteilte, dass sie sich ebenfalls um eine Genehmigung für den Linienverkehr auf diesen Strecken bewerben wolle und um eine Verlängerung der Antragsfrist ersuchte, verlängerte die Genehmigungsbehörde mit Zwischenbescheid vom 13. Dezember 2004 die Entscheidungsfrist des § 15 Abs. 1 PBefG bis zum 1. Mai 2005 und erteilte der Antragstellerin als dem bisherigen Beförderungsunternehmer auf den Strecken bis zum 31. März 2005 eine einstweilige Erlaubnis für den Linienverkehr.
Am 4. März 2005 reichte die Beigeladene der seit dem 1. Januar 2005 für die Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen zuständig gewordenen Antragsgegnerin Genehmigungsanträge für die Linien 120, 121, 125 und 140 bis 143 ein und ergänzte in Bezug auf die Linie 144 diesen Antrag am 18. März 2005. Diese Bewerbung um Linienverkehrsgenehmigungen wurde von der Antragsgegnerin ebenfalls öffentlich bekannt gemacht und ein Anhörungsverfahren bei den zu beteiligenden Stellen durchgeführt.
In der Folgezeit modifizierten sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene ihre Genehmigungsanträge und ergänzten auf entsprechende Anforderungen durch die Antragsgegnerin die eingereichten Unterlagen um weitere Nachweise. Aus diesem Grunde verlängerte die Antragsgegnerin mit einem weiteren Bescheid vom 24. März 2005 die der Antragstellerin erteilten einstweiligen Erlaubnisse für die in das Genehmigungsverfahren einbezogenen Linien vom 1. April 2005 bis zum 30. Juni 2005.
Mit Bescheid vom 27. April 2005 erteilte schließlich die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Genehmigung für die Durchführung des Linienverkehrs auf den acht Linien für die Dauer vom 14. Juli 2005 bis zum 13. Juli 2013 und lehnte mit Bescheid vom selben Tage den Antrag der Antragstellerin auf die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigungen ab. Gegen die Genehmigungserteilung an die Beigeladene sowie gegen die Versagung der von ihr beantragten Linienverkehrsgenehmigung erhob die Antragstellerin am 17. Mai 2005 Widerspruch, über den - soweit ersichtlich ist - noch nicht entschieden worden ist.
Mit weiteren Bescheiden vom 10. Juni 2005 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen auf ihren Antrag für den Zeitraum vom 14. Juli 2005 bis zum 13. Januar 2006 in Bezug auf die genehmigten Linien einstweilige Beförderungserlaubnisse und lehnte einen gleichlautenden Antrag der Antragstellerin ab. Für die Zeit vom 1. Juli bis zum Fahrplanwechsel (13. Juli 2005) verlängerte die Antragsgegnerin die mit Bescheid vom 24. März 2005 der Antragstellerin erteilten einstweiligen Erlaubnisse auf den Linien. Außerdem ordnete die Antragsgegnerin sowohl für die Erteilung einstweiliger Erlaubnisse an die Antragstellerin bis zum 13. Juli 2005 als auch in Bezug auf die mit Bescheid vom 10. Juni 2005 der Beigeladenen erteilten einstweiligen Erlaubnisse für den Zeitraum ab dem 14. Juli 2005 die sofortige Vollziehung an. Gegen die Bescheide vom 10. Juni 2005, soweit darin für den Zeitraum ab dem 14. Juli 2005 der Beigeladenen für die fraglichen Linien einstweilige Erlaubnisse erteilt und die von ihr beantragten einstweiligen Erlaubnisse abgelehnt worden sind, erhob die Antragstellerin am 20. Juni 2005 Widerspruch, über den ebenfalls noch nicht entschieden worden ist.
Am 23. Juni 2005 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung trägt sie vor:
Die der Beigeladenen erteilten einstweiligen Erlaubnisse für die Linien 120, 121, 125, 140 bis 144 seien rechtswidrig. Für die Entscheidung der Antragsgegnerin nach § 20 PBefG sei bedeutsam, ob die nach § 13 PBefG getroffene Auswahlentscheidung in den Bescheiden vom 27. April 2005 rechtmäßig und die Beigeladene eher als die bisherige Erlaubnisinhaberin in der Lage sei, ohne Nachteile für die Fahrgäste den Linienverkehr durchzuführen. Rechtswidrig sei der Bescheid der Antragsgegnerin schon deshalb, weil die von ihr am 1. November 2004 beantragten Genehmigungen nach Ablauf von drei Monaten als erteilt angesehen werden müssten. Zwar sei die in § 15 PBefG vorgesehene Entscheidungsfrist mit Bescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 13. Dezember 2004 um drei weitere Monate verlängert worden; für eine rechtswirksame Fristverlängerung hätten jedoch die Voraussetzungen nicht vorgelegen. Gründe dafür, dass die Genehmigungsbehörde die Prüfung des Antrags nicht zeitgerecht habe vornehmen können, seien weder angegeben worden noch erkennbar gewesen. Allein die Tatsache, dass ein anderes Verkehrsunternehmen ebenfalls einen Antrag angekündigt habe, sei kein Grund für eine Fristverlängerung gewesen. Den Antrag habe die Beigeladene erst am 3. März 2005 eingereicht. Zudem sei die getroffene Auswahl rechtswidrig. Die Antragsgegnerin hätte vorher dem konkurrierenden Antragsteller sämtliche Kriterien für die Auswahlentscheidung offen legen müssen. Mit Verfügung vom 19. April 2005 habe die Antragsgegnerin den Beteiligten mitgeteilt, welche Unterlagen ihr für die Entscheidung über die Genehmigungsanträge vorgelegen hätten. Erst am 25. April 2005 habe ihr dann eine Antragsmodifizierung der Beigeladenen vorgelegen, die sie wegen der darin enthaltenen Bedingungen für unzulässig angesehen habe. Dies habe sie der Antragsgegnerin zu verstehen gegeben. Mit der abschließenden Entscheidung vom 27. April 2005 habe die Antragsgegnerin ihr eine Stellungnahme der Beigeladenen zugeleitet, mit der die Beigeladene klargestellt habe, dass der Änderungsantrag unbedingt gestellt worden sei. Hierauf habe sie nicht mehr reagieren können. Für sie sei nicht erkennbar gewesen, dass die Antragsgegnerin ihre Auswahlentscheidung an diesem Änderungsantrag ausrichten werde. Die Antragsgegnerin habe deshalb einen unzulässigen Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt. Wäre die Auswahlentscheidung auf der Grundlage der mit Verfügung vom 19. April 2005 aufgelisteten Unterlagen getroffen worden, hätte die Entscheidung zu ihren Gunsten ausfallen müssen, weil sie im Vergleich zur Beigeladenen ein besseres oder zumindest gleichgutes Verkehrsangebot gemacht habe. In Anbetracht dieser Sachlage könne ihr nicht zugemutet werden, auf eine Klärung im Hauptsacheverfahren zu warten, ohne den Linienverkehr einstweiligen weiterzuführen. Überdies sei keineswegs sichergestellt, dass die Beigeladene den Linienverkehr rechtzeitig aufnehmen könne. Hierzu bedürfe es unterschiedlicher Vorarbeiten und Abstimmungen mit anderen Verkehrsteilnehmern.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Juni 2005 über die der Beigeladenen erteilten einstweiligen Erlaubnisse für die Wahrnehmung des Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen auf den Linien 120, 121, 125 und 140 bis 144 wiederherzustellen,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, gemäß § 20 PBefG die einstweiligen Erlaubnisse zur Verkehrsdurchführung auf den genannten Linien ihr zu erteilen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Sie entgegnet:
Die Auswahlentscheidung sei zu Gunsten der Beigeladenen getroffen worden, weil die Beigeladene das wesentlich bessere Verkehrsangebot vorgestellt habe. Soweit die Antragstellerin beanstande, dass vor der Entscheidung vom 27. April 2005 die Bewertungskriterien für die zu treffende Auswahl nicht benannt worden seien, habe diese Forderung keine rechtliche Grundlage in den Verfahrensregeln. Die nach dem Personenbeförderungsgesetz zu berücksichtigenden Kriterien seien in den Bescheiden über die Genehmigungsanträge dargelegt worden. Der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen sei der der letzten Verwaltungsentscheidung. Bis zu diesem Zeitpunkt seien alle von den Bewerbern vorgelegten Schriftsätze berücksichtigt worden. Es sei außerdem darauf geachtet worden, die jeweilige Mitteilung eines Bewerbers dem anderen zeitnah zugänglich zu machen. Ziel des Auswahlverfahrens sei es nicht, mögliche Nachbesserungen abzuschneiden. Eine von der Antragstellerin für sich beanspruchte Genehmigungsfiktion nach § 15 Abs. 1 PBefG sei nicht eingetreten. Die Bearbeitungszeit für den Antrag der Antragstellerin sei von der seinerzeit zuständigen Bezirksregierung Braunschweig bis zum 30. April 2005 rechtswirksam verlängert worden. Aus der Begründung für diese Zwischenentscheidung ergebe sich, dass die Verlängerung im Hinblick auf das Hinzutreten eines weiteren Genehmigungsbewerbers erfolgt sei. Außerdem sei es wegen der behördlichen Umstrukturierung der Genehmigungsbehörde erforderlich gewesen, einen längeren Zeitraum für das Genehmigungsverfahren vorzusehen. Dies habe die Bezirksregierung Braunschweig berücksichtigt und die Fristverlängerung außerdem mit Blick darauf vorgenommen, dass ab dem 1. Januar 2005 die Antragsgegnerin für die Genehmigungsverfahren im gesamten Land Niedersachsen zuständig sei. Da die Beigeladene nach dem Ergebnis des Auswahlverfahrens die deutlich bessere Verkehrskonzeption biete, seien ihr auch ab dem 14. Juli 2005 die einstweiligen Erlaubnisse für die Personenbeförderung auf den Linien erteilt worden. Das insoweit bestehende Ermessen sei nicht reduziert gewesen. Die in diesem Verfahren vorzunehmende Interessenabwägung müsse deshalb schon im Hinblick auf den voraussichtlichen Ausgang im Hauptsacheverfahren zur Ablehnung der Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes führen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
den Antrag abzulehnen.
Sie führt aus:
Die Antragstellerin verkenne, dass sie aus den früheren Linienverkehrsgenehmigungen, nachdem die Geltungsdauer abgelaufen sei, keinen Anspruch auf eine Fortsetzung der Verkehrsbedienung habe. Soweit die Antragstellerin darauf verweise, dass sie ab dem 14. Juli 2005 von der Durchführung des von ihr bisher betriebenen Linienverkehrs ausgeschlossen sei und deshalb personelle und sächliche Kapazitäten abbauen müssen, treffe dies nicht zu, weil sie die Linien in der Vergangenheit vollständig durch Subunternehmer habe betreiben lassen. Nach der Durchführung des Genehmigungsverfahrens sei eine Auswahlentscheidung getroffen worden, die rechtlich nicht zu beanstanden sei. Hieran habe sich auch die Entscheidung über die Erteilung der einstweiligen Erlaubnisse ausgerichtet. Insoweit sei von der Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei darauf abgestellt worden, wer letztlich die Genehmigungen erhalten solle. Die Entscheidung über die von ihr beantragten einstweiligen Erlaubnisse sei weder offensichtlich rechtswidrig noch rechtsmissbräuchlich erfolgt. Es sei auch keine Genehmigungsfiktion nach § 15 PBefG eingetreten. Ein ordnungsgemäßes Genehmigungsverfahren habe nur durchgeführt werden können, weil die Frist des § 15 Abs. 1 PBefG verlängert worden sei. Andernfalls hätte für sie der Zeitraum bis Ende Januar 2005 nicht ausgereicht, den Antragserfordernissen sachgerecht zu entsprechen. Die Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens seien in § 13 PBefG geregelt. Diese Bestimmungen sähen nicht vor, dass die Behörde ihre Bewertungskriterien vor der Auswahlentscheidung bekannt gebe. Die Genehmigung sei demjenigen Bewerber zu erteilen, der das bessere Angebot vorlege. Modifizierungen des Angebotes während des Genehmigungsverfahrens seien nicht ausgeschlossen. Die Antragstellerin habe selbst ihre Angebote mehrfach in teilweise erheblicher Weise geändert. Soweit die Antragstellerin Zweifel erhoben habe, ob die Linienverkehre von der Beigeladenen überhaupt würden aufgenommen werden können, sei ein solches Vorbringen nicht nur unzulässig, sondern auch nicht begründet. Der Linienverkehr werde zeitgerecht mit einer Einbindung in den Verbund aufgenommen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (3 Bände) Bezug genommen.
II.
Die Anträge der Antragstellerin haben keinen Erfolg.
Der nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die mit Bescheid vom 10. Juni 2005 der Beigeladenen erteilten einstweiligen Erlaubnisse zur Einrichtung der Linienverkehre 120, 121, 125 und 140 bis 144 ist nicht begründet. Infolgedessen ist der außerdem gestellte Antrag, die Antragsgegnerin gemäß § 123 VwGO einstweilen zu verpflichten, der Antragstellerin für die genannten Linien einstweilige Erlaubnisse zu erteilen, ebenfalls abzulehnen. Denn eine weitere Linienverkehrsgenehmigung auf Strecken, die bereits von einem anderen Unternehmer bedient werden, ist grundsätzlich nicht zulässig (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. vom 06.04.2000, DVBl 2000, 1614 m.w.N.).
Nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in Fällen, in denen die Behörde die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet hat, auf Antrag eines Dritten die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn der Dritte in seinen Rechten betroffen sein kann und die Prüfung ergibt, dass den Interessen des Dritten an einer Aussetzung des Sofortvollzugs der Vorzug einzuräumen ist vor dem öffentlichen Interesse und den Interessen des von der Maßnahme Begünstigten an einer unverzüglichen Durchsetzung der Maßnahme. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zwar handelt es sich bei einer einstweiligen Erlaubnis nach § 20 PBefG um einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung (BVerwG, Urt. vom 25.10.1968, BVerwGE 30, 347; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. vom 15.10.1993 - 4 M 9/93 - <juris>; OVG Hamburg, Beschl. vom 20.09.2004 - 1 Bs 303/04 - <juris>), der den Adressatem der einstweiligen Erlaubnis begünstigt und einen Mitbewerber beschweren kann. Infolgedessen ist ein konkurrierender Linienverkehrsunternehmer in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, wenn einem Mitbewerber eine einstweilige Erlaubnis nach § 20 PBefG zur sofortigen Linienbedienung auf einer Strecke erteilt wird, für die sich beide Konkurrenten beworben haben. Die Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt jedoch, dass die angefochtenen Maßnahmen von der Antragsgegnerin ohne erkennbaren Rechtsfehler veranlasst worden sind.
Wegen des erheblichen öffentlichen Interesses an der Fortsetzung des Personennahverkehrs i.S.d. § 42 PBefG auf den in das Genehmigungsverfahren einbezogenen Linien über den 13. Juli 2005 hinaus hat die Antragsgegnerin zu Recht einstweilige Erlaubnisse nach § 20 PBefG erteilt. Sie hat außerdem in nicht zu beanstandender Weise die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen angeordnet, um eine Verzögerung in der Aufrechterhaltung des Linienverkehrs, die im Falle der Einlegung eines Rechtsbehelfs durch den Mitbewerber eintreten könnte, auszuschließen, und dies im Einzelnen begründet (§ 80a Abs.3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).
Da die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis nach § 20 PBefG im pflichtgemäßen Ermessen der Genehmigungsbehörde steht, begegnet es schließlich auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Antragsgegnerin nunmehr der Beigeladenen diese Erlaubnisse erteilt hat, obgleich sie nach dem Ablauf der früheren Genehmigungen während des noch nicht abgeschlossenen Genehmigungsverfahrens die Antragstellerin als "Altunternehmerin" mit dieser Aufgabe betraut hatte. Es ist sachgerecht und nicht ermessensfehlerhaft, wenn dem Unternehmer, dem die endgültige Linienverkehrsgenehmigung erteilt worden ist, auch die einstweilige Erlaubnis nach § 20 PBefG bis zur Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung erteilt wird. Denn im Verfahren nach § 20 PBefG besteht für die Genehmigungsbehörde kein Anlass zu einer erneuten Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen, wenn bereits eine positive Entscheidung nach § 15 PBefGüber den Betrieb einer Linie getroffen wurde (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. vom 25.10.1968, a.a.O..; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. vom 15.10.1993, a.a.O..). Lediglich im Fall einer inzwischen eingetretenen Änderung der Sach- und Rechtslage oder einer offensichtlich falschen rechtlichen Bewertung bei der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nach den §§ 13 und 15 PBefG bestünde für die Genehmigungsbehörde ein Anlass, in eine erneute Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen einzutreten. Es ist jedoch weder eine wesentliche Änderung der Sachlage seit der Entscheidung vom 10. Juni 2005 ersichtlich noch liegt eine offensichtlich falsche Rechtsanwendung vor. Die Ausführungen der Antragsgegnerin in den Bescheiden vom 27. April 2005, in denen die Antragsgegnerin sich in Bezug auf die einzelnen Linien mit den vorliegenden Angeboten auseinandergesetzt und der Beigeladenen als Anbieterin des im Ganzen wesentlich besseren Verkehrsangebots mit gebündelten Genehmigungen den Zuschlag erteilt hat, lassen offenbare Rechtsfehler nicht erkennen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Genehmigungsbehörde bei der Bewertung der Verkehrsbedürfnisse und ihrer befriedigenden Bedienung sowie hinsichtlich der Gewichtung der öffentlichen Verkehrsinteressen ein Beurteilungsspielraum zusteht, da diese Entscheidung nicht nur prognostische, sondern auch verkehrs- und raumordnungspolitische Wertungen voraussetzt (BVerwG, Urt. vom 26.07.1989, BVerwGE 82, 260; Nds. OVG, Urt. vom 16.09.2004, NVwZ-RR 2005, 105).
Die gegen die Entscheidung nach § 20 PBefG von der Antragstellerin erhobenen Rügen führen zu keinem anderen Ergebnis. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die beantragten Genehmigungen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG zu ihren Gunsten als erteilt anzusehen seien, weil nicht innerhalb der Frist des § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG von der Antragsgegnerin eine ablehnende Entscheidung getroffen worden sei, folgt das Gericht dieser Rechtsauffassung nicht. Zwar ist über einen Antrag auf Linienverkehrsgenehmigung grundsätzlich innerhalb von drei Monaten zu entscheiden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG); kann jedoch die Prüfung des Antrags innerhalb dieser Frist nicht abgeschlossen werden, ist die Frist mit einem Zwischenbescheid um den Zeitraum - höchstens um drei Monate - zu verlängern, der notwendig ist, um die abschließende Entscheidung treffen zu können (§ 15 Abs. 1 Satz 3 und 4 PBefG). Erst wenn bis zum Ablauf der hiernach maßgeblichen Frist die Genehmigung nicht versagt worden ist, gilt sie als erteilt.
Die Antragsgegnerin hat mit der Entscheidung vom 27. April 2005 zeitgerecht über den Antrag der Antragstellerin (ablehnend) entschieden. Bis zum Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG (1. Februar 2005) war der Antragsgegnerin eine abschließende Entscheidung schon deshalb nicht möglich, weil die Beigeladene erst Mitte Dezember 2004 ihre Absicht zur Beteiligung an dem Genehmigungsverfahren mitgeteilt hat und ihr eine Verlängerung der Frist für das Einreichen der Antragsunterlagen gewährt worden ist. Dies hat die Antragsgegnerin in dem Zwischenbescheid vom 13. Dezember 2004, mit dem die Entscheidungsfrist des § 15 Abs. 1 PBefG bis zum 1. Mai 2005 verlängert worden ist, dargelegt. Erschwerend für die Durchführung der Antragsprüfung kam außerdem hinzu, dass innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG ein Wechsel in der Zuständigkeit der Genehmigungsbehörde stattgefunden hat, mit dem die Antragsgegnerin ab dem 1. Januar 2005 landesweit für die Linienverkehrsgenehmigungen zuständig geworden ist. Auch dies rechtfertigte es, die Dauer des Prüfungsverfahrens zu verlängern. Schließlich hatten auch die von der Antragstellerin und der Beigeladenen im Verlauf des Prüfungsverfahrens vorgenommenen Modifizierungen der Anträge und die Notwendigkeit, fehlende Unterlagen nachreichen zu müssen, Auswirkungen auf den Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung.
Vor der Entscheidung über die Genehmigungsanträge war die Antragsgegnerin nicht gehalten, den Beteiligten die Gesichtspunkte und Kriterien, nach denen sie ihre Entscheidung ausrichten würde, im Einzelnen aufzuzeigen. Eine solche Verfahrensweise sehen weder die Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes vor, noch ist sie unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten geboten. Die rechtlichen Anforderungen, nach denen die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung zu treffen ist, ergeben sich aus dem Personenbeförderungsgesetz und den auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen. Soweit es um die Genehmigung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen geht (§ 13a PBefG), sind außerdem die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Europäischen Union zu beachten (vgl. hierzu: BVerwG, EuGH-Vorlage vom 06.04.2000, NVwZ 2001, 320; EuGH, Urt. vom 24.07.2003, DVBl 2003, 1206).
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2003 (BVerwGE 118, 270), aus der die Antragstellerin ihre diesbezügliche Rechtsansicht herleitet, stützt diese Forderung nicht. Mit dieser Entscheidung wurde aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 12 GG) einem potenziellen Neubewerber im Linienverkehrsgenehmigungsverfahren bereits vor dem Ablauf von Linienkonzessionen und der Einleitung eines Genehmigungsverfahrens ein Auskunfts- und Informationsanspruch hinsichtlich von Angaben zuerkannt, die der Neubewerber sich nicht aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann (Laufzeiten von Linienverkehrsgenehmigungen und Streckenverläufe). Ein Neubewerber, der sich gegenüber einem "Altkonzessionär" nur mit einem besseren Angebot durchsetzen kann (§ 13 Abs. 3 PBefG), hat in aller Regel keine Chance, sich sofort und unmittelbar auf einem bereits im Wesentlichen aufgeteilten Markt des Linienverkehrs betätigen zu können. Deshalb ist es für ihn unerlässlich, sich auf diejenigen Verkehrslinien zu konzentrieren, die in einer überschaubaren Zukunft ablaufen werden, und er nicht gezwungen ist, für sämtliche überhaupt denkbare Linien Bewerbungen abzugeben, die mit umfangreichen und u.U. erhebliche Kosten verursachenden Vorüberlegungen verbunden sind. Der auf einen solchen Vorklärungsprozess bezogene Informationsanspruch lässt sich auf die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht übertragen.
Schließlich hat die Antragsgegnerin sich nicht dadurch verfahrensfehlerhaft verhalten, dass sie der Antragstellerin erst mit der Entscheidung vom 27. April 2005 eine klarstellende Erklärung der Beigeladenen über das von der Beigeladenen abschließend gemachte Verkehrsangebot zugeleitet hat. Die Antragsgegnerin war insbesondere nicht gehalten, der Antragstellerin weitere Äußerungsfristen einzuräumen, zumal der Ablauf der Entscheidungsfrist des § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG unmittelbar bevorstand. Eine weitere Anhörungsfrist war auch nicht nach dem Wesen des Genehmigungsverfahrens geboten. Kennzeichnend für einen rechtmäßigen Wettbewerb um eine Genehmigung ist, dass die Wettbewerber zwar der Genehmigungsbehörde gegenüber die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel und ihre Absichten offenbaren müssen, nicht aber ihren Konkurrenten, denn Grundregel jedes Ausschreibungsverfahrens im weiteren Sinne und damit auch eines Wettbewerbsverfahrens um eine behördliche Konzession ist es, dass jeder Anbieter sein Angebot eigenständig und ohne Kenntnis des Angebots der übrigen Bewerber abzugeben hat (BVerwG, Urt. vom 02.07.2003, a.a.O..).
Da dem Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Juni 2005 nicht entsprochen werden kann, ist auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem die Antragstellerin für sich selbst die Erteilung einstweiliger Erlaubnisse für die bezeichneten Linien beansprucht, abzulehnen. Wegen des Verbots der Doppelbedienung kann während der Geltungsdauer der einem Unternehmen erteilten (einstweiligen) Liniengenehmigung einem anderen Bewerber in der Regel eine entsprechende Genehmigung nicht erteilt werden (BVerwG, Urt. vom 02.07.2003, a.a.O.., Urt. vom 06.04.2000, a.a.O..). Dies gilt zur Wahrung der öffentlichen Verkehrsinteressen gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 PBefG dann, wenn - wie es hier der Fall ist - davon auszugehen ist, dass eine annähernd kostendeckende Bedienung der Linien nur durch einen Unternehmer erfolgen kann und eine Konkurrenz zu einem ruinösen Wettbewerb führen würde (BVerwG, Urt. vom 06.04.2000, a.a.O..).
Die Anträge sind deshalb mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen. Im Hinblick darauf, dass die Beigeladene einen Antrag gestellt hat und damit das Kostenrisiko für den Fall des Unterliegens eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 80.000,00 Euro festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf dem § 53 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und beläuft sich auf die Hälfte des in einem Verfahren zur Hauptsache anzunehmenden Wertes (Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - NVwZ 2004, 1327, II Nr. 47.6: 1/2 von 20.000,00 Euro für jede Linie).
Wagner
Dr. Baumgarten