Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 20.07.2005, Az.: 6 A 101/04

Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Ausländer; Einbürgerung; Erlöschen; Familienangehöriger; Familienasyl; Flüchtling; Montenegro; politische Verfolgung; Serbien; Ungarn; Vojvodina; Volkszugehöriger; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
20.07.2005
Aktenzeichen
6 A 101/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51012
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Mit der Einbürgerung des Asylberechtigten erlischt für einen Familienangehörigen das diesem nach § 26 AsylVfG gewährte Asylrecht.

2. Ungarische Volkszugehörige aus der Vojvodina in Serbien und Montenegro sind der Gefahr einer politischen Verfolgung auch in Anbetracht der Vorfälle des Jahres 2004 in ihrer Heimat nicht ausgesetzt.

Tenor:

Der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Januar 2004 wird aufgehoben, soweit darin unter Nr. 2 eine im Bescheid vom 11. Januar 2000 nicht getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, widerrufen wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann eine Vollstreckung durch den Vollstreckungsgläubiger gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der im Jahr 1979 geborene Kläger ist serbisch-montenegrinische Staatsangehöriger mit ungarischer Volkszugehörigkeit aus der Vojvodina (B.). Er reiste im Jahr 1991 mit seinen Eltern und der Schwester in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ein Antrag der Familie auf Anerkennung als Asylberechtigte, mit dem eine politische Verfolgungsgefahr wegen der Wehrdienstentziehung des Vaters geltend gemacht wurde, blieb zunächst ohne Erfolg; der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) als unbegründet abgelehnt. In dem dagegen gerichteten Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg, das auf die Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf die Feststellung gerichtet war, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG gegeben seien, verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg bei einer Klageabweisung im Übrigen die Beklagte, alle Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und lediglich in Bezug auf den Vater des Klägers außerdem festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (4 A 2310/94). Ein Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten auf Zulassung der Berufung wurde vom OVG Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 21. Dezember 1999 (A 3 S 18/97) abgelehnt. Mit Bescheid vom 11. Januar 2000 wurden daraufhin alle Familienmitglieder, darunter der Kläger, als Asylberechtigte anerkannt sowie zusätzlich in Bezug auf den Vater des Klägers festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die Eltern des Klägers erhielten am 5. September 2002 auf ihren Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit.

2

Mit Verfügung des Vizepräsidenten des Bundesamtes vom 13. Oktober 2003 wurde ein Verfahren zum Widerruf der Asylanerkennung eingeleitet und dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger machte geltend, im Falle einer Rückkehr müsse er damit rechnen, in seinem Heimatland keine Beschäftigung zu finden und seine Existenz dort nicht sichern zu können. Mit Bescheid vom 21. Januar 2004 widerrief das Bundesamt in Bezug auf den Kläger die Anerkennung als Asylberechtigter (Nr. 1) sowie „die mit Bescheid vom 11.01.2000 (Az.: 1250524-138) getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen“ (Nr. 2), und stellte außerdem fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen (Nr. 3).

3

Gegen den am 25. Januar 2004 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 4. Februar 2004 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor:

4

Maßgeblich für seine Anerkennung als Asylberechtigter sei nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 12. Dezember 1996 gewesen, dass seinem Vater wegen dessen Wehrdienstentziehung politische Verfolgung gedroht habe. Infolgedessen sei auch ihm gemäß § 26 AsylVfG Asyl gewährt worden. Die Voraussetzungen für einen Widerruf dieser Berechtigung lägen nicht vor. Es sei bereits nicht ersichtlich, dass die Asylanerkennung des Vaters erloschen sei. Zudem müsse er ausweislich der aktuellen Erkenntnismittel als ungarischer Volkszugehöriger in der Vojvodina mit Übergriffen rechnen. Dort sei es im Jahre 2004 zu Zusammenstößen zwischen jungen Serben und Ungarn gekommen. Hierbei habe es auch Verletzte gegeben. Außerdem seien Kirchen und Geschäfte der Minderheitszugehörigen mit rassistischen Schmierereien verunstaltet worden. Es gebe Entweihungen ungarischer Friedhöfe, Angriffe auf Zivilpersonen und Todesdrohungen gegen Lokalpolitiker. Bis September 2004 habe es eine Vielzahl von Überfällen und Gewalttaten gegeben, was von den serbischen Behörden allerdings heruntergespielt oder verschwiegen worden sei. Das Ergebnis der Wahlen vom 19. September 2004, bei denen die Serbische Radikale Partei 19 Sitze erhalten habe, zeige, dass die Popularität der Radikalen gestiegen sei.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Bescheid des Bundesamtes vom 21. Januar 2004 aufzuheben, hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 - 5 und 7 AufenthG vorliegen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

9

Sie entgegnet.

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Aus Berichten über einzelne Übergriffe auf Minderheitenangehörige in der Vojvodina könne nicht geschlossen werden, dass ungarische Volkszugehörige in Serbien und Montenegro auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit mit Einzel- oder Gruppenverfolgung zu rechnen hätten. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger eine eigene Verfolgung drohe, weil er zum Wehrdienst einberufen worden sei, während er sich in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe und deshalb der Einberufung nicht gefolgt sei, seien nicht ersichtlich. Selbst wenn sich der Kläger einer Einberufung zum Wehrdienst entzogen haben sollte, was von ihm allerdings nicht substanziiert dargelegt worden sei, sei eine solche Straftat durch ein am 5. März 2001 in Kraft getretenes Amnestiegesetz amnestiert. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass dieses Amnestiegesetz nicht eingehalten werde, seien nach einer Auskunft von amnesty international vom 13. März 2003 an das VG München nicht vorhanden. Darauf, ob die Asylberechtigung des Stammberechtigten, von dem das „Familienasyl“ nach § 26 AsylVfG abgeleitet werde, erloschen oder widerrufen worden sei, komme es nicht maßgeblich an. Maßgeblich sei auch in solchen Fällen die Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, sodass wegen der geänderten Verhältnisse in der Vojvodina der Bescheid vom 21. Januar 2004 zu Recht ergangen sei. Eigene Asylgründe des Klägers seien nicht ersichtlich.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage hat lediglich in dem aus der Urteilsformel zu ersehenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, weil sich der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Januar 2004 hinsichtlich der dort unter Nr. 1 und 3 getroffenen Entscheidungen als rechtmäßig erweist.

13

Soweit in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes die Feststellung widerrufen worden ist, „dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen“, ist der Bescheid vom 21. Januar 2004 fehlerhaft. Denn eine solche Feststellung ist in dem Bescheid des Bundesamtes vom 11. Januar 2000, der auf einem entsprechenden Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg beruht, nicht getroffen worden. In dem Urteil vom 12. Dezember 1996 ist ausgeführt worden, dass dem seinerzeit noch minderjährigen Kläger gemäß § 26 AsylVfG „Familienasyl“ zu gewähren, eine Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG jedoch zu versagen sei (Seite 9 des Urteilsabdrucks). Infolgedessen wurde die Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg, soweit sie auf eine solche Feststellung gerichtet war, abgewiesen. In Bezug auf den Kläger ist diese Entscheidung vom Bundesamt mit einer Anerkennung als Asylberechtigter im Bescheid vom 11. Januar 2000 umgesetzt worden. Der Widerruf einer Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG war demnach nicht möglich. Indem der Bescheid des Bundesamtes vom 21. Januar 2004 insoweit eine gegenteilige Regelung trifft, gilt es in diesem Verfahren, den damit verbundenen Rechtschein des Widerrufs einer tatsächlich nicht vorliegenden Feststellungsentscheidung zu § 51 Abs. 1 AuslG zu beseitigen.

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Im Übrigen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig.

15

Rechtsgrundlage für den im Bescheid vom 21. Januar 2004 ausgesprochenen Widerruf ist die Regelung in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG. Danach ist die Anerkennung als Asylberechtigter unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. In den Fällen des § 26 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter ferner zu widerrufen, wenn - wie es hier der Fall ist - die Anerkennung des Asylberechtigten, von dem die Anerkennung abgeleitet worden ist, erlischt, widerrufen oder zurückgenommen wird und der Ausländer aus anderen Gründen nicht als Asylberechtigter anerkannt werden könnte. Von einem Widerruf ist allerdings abzusehen, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Diese Voraussetzungen für einen Widerruf liegen hier vor.

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Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Asylberechtigung des Klägers nach § 73 Abs. 1 AsylVfG liegen schon deshalb vor, weil die Anerkennung des Asylberechtigten, von dem in Bezug auf den Kläger die Anerkennung abgeleitet worden ist, gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erloschen ist. Neben der Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG ist jedoch auch dann, wenn die zu widerrufende Anerkennung als Asylberechtigter - wie hier - allein auf die Vorschriften über das Familienasyl nach § 26 AsylVfG gestützt war, die Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG anzuwenden. § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG enthält für einen solchen Fall keine speziellere Regelung, die die Anwendung anderer Vorschriften verdrängt (VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 10.08.2000 - 12 S 129/00 - <juris>; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 73 Rn 7; a.A. Marx, AsylVfG, 5. Aufl., § 73 Rn 126). Bereits der Wortlaut des Satzes 2 deutet darauf hin, dass mit dieser Regelung nur ein weiterer Widerrufsgrund für die Fälle des Familienasyls bestimmt werden soll („ferner“), die im Übrigen der Grundsatzregelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG unterfallen. Diese Auslegung findet ihre Bestätigung auch in den Gesetzesmaterialien (dazu im Einzelnen: VGH Baden-Württemberg, aaO.).

17

Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG liegen vor, wenn sich die für die Beurteilung der Verfolgungsmaßnahme maßgeblichen Verhältnisse erheblich verändert haben und die Anerkennung als Asylberechtigter deshalb nunmehr ausgeschlossen ist (BVerwG, Urt. vom 19.09.2000, NVWZ 2001, 335 m.w.N.). Hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in eigener Verantwortung einen Bescheid über die Asylberechtigung erlassen, muss die Änderung der für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach dem Ergehen des Bescheides eingetreten sein (BVerwG, Urt. vom 19.09.2000, aaO.). Ist dagegen das Bundesamt durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil zum Erlass eines solchen Bescheides verpflichtet worden, kommt es darauf an, ob sich die für die Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse nach dem Erlass des Verpflichtungsurteils erheblich verändert haben (BVerwG, Urt. vom 18.09.2001, NVwZ 2002, 355; Nds. OVG, Beschl. vom 03.05.2001 - 13 A 1619/01 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 23.11.1999, DVBl 2000, 435). Das ist hier der Fall.

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Die der widerrufenen Entscheidung zugrundeliegende Sachlage hat sich nach den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 12. Dezember 1996 und des OVG Sachsen-Anhalt vom 21. Dezember 1999 wesentlich geändert. Nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die für die Schutzansprüche aus Art. 16a Abs. 1 GG erforderliche Gefahr politischer Verfolgung für ungarische Volkszugehörige aus der Vojvodina weder gegeben noch zu erwarten ist. Die neue politische Führung Serbiens und Montenegros, die am 5. Oktober 2000 bzw. nach den serbischen Parlamentswahlen von Dezember 2000 die Macht übernommen hat, hat sich den Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und der Beachtung der Menschenrechte verschrieben. Erste konkrete Schritte zur Einführung der Rechtsstaatlichkeit und zum Minderheitenschutz wurden bereits unternommen; es wurden diskriminierende Gesetze geändert bzw. abgeschafft und Führungspositionen in wichtigen Bereichen (z.B. Justiz und Geheimdienst) neu besetzt. Die ernsthafte Bemühung um die Einbeziehung der Minderheiten wird darin deutlich dass ein Sandzak-Muslim zum Minderheitenminister berufen und ein ungarischer Volkszugehöriger zum stellvertretenden Premierminister der neuen serbischen Regierung ernannt wurde. Der Entwurf für ein neues Minderheitengesetz wurde unter intensiver Beteiligung der Minderheiten und der internationalen Gemeinschaft vom Minderheitenminister erarbeitet; dieses Gesetz ist am 7. März 2002 in Kraft getreten. Auf dieser Basis wurden bereits konkrete Schritte zur Stärkung der Rechte der Minderheiten unternommen, was darin deutlich wird, dass seit dem 21. Dezember 2000 die Personenstandsurkunden in der Vojvodina zweisprachig ausgestellt werden. Staatliche Repressionen haben seit dem Regierungswechsel nicht mehr stattgefunden. Auch amnesty international hatte in dem Jahresbericht 2002 festgestellt, dass zwar weiterhin ein Handlungsbedarf in Bezug auf die Verwirklichung der Menschenrechte bestehe, andererseits aber auch der serbischen Regierung bescheinigt, dass im Verlauf des Berichtsjahres Maßnahmen getroffen worden seien, um Lösungen für die noch offenen Menschenrechtsprobleme zu finden. Objektive Anhaltspunkte, die eine erneute Verfolgung von Angehörigen der ungarischen Minderheit durch serbische Kräfte als reale Möglichkeit erscheinen lassen und damit die Annahme einer hinreichenden Verfolgungssicherheit dieser Volkszugehörigen ausschließen, sind nicht ersichtlich (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 16.10.2000 - 5 A 4791/95.A -). Auch in der Praxis hat sich die Lage der Menschenrechte deutlich verbessert, sodass der von der UN eingesetzte Sonderbeobachter für Menschenrechtsfragen im März 2003 gegenüber der serbisch-montenegrinischen Regierung erklärte, dass er eine Fortsetzung der Beobachtung nicht mehr für erforderlich halte. In Verwaltung, Justiz und Polizei wird der Unterrepräsentierung von Minderheiten inzwischen aktiv entgegengearbeitet. In acht ungarisch dominierten Gemeinden in der Vojvodina ist der Polizeichef ein ethnischer Ungar, und im Sandzak wurden bei Neubesetzungen in der Justiz verstärkt Bosniaken berücksichtigt. Zwar ist es seit den Unruhen im Kosovo vom März 2004 in der Vojvodina vermehrt zu Übergriffen auf Angehörige oder Einrichtungen insbesondere der ungarischen und der kroatischen Minderheit gekommen; gleichwohl ist die Lage der Minderheiten in dieser Provinz auf Grund des vergleichsweise hohen Entwicklungsstands dieser Region und der langen Tradition interethnischer Koexistenz weniger problematisch als in anderen Landesteilen (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom Januar 2005, vom 24.02.2004 und vom 28.07.2003). Nach einem Bericht einer Delegation des Europäischen Parlaments über eine Untersuchungsmission in der Vojvodina und in Belgrad, die in der Zeit vom 28. bis 31. Januar 2005 aus Anlass der ethnisch motivierten Zwischenfälle stattgefunden hat, sind die Vorfälle nicht das Ergebnis eines von bestimmten Kreisen bewusst ausgeführten Plans zur Destabilisierung der Provinz. Diese Zwischenfälle, die insbesondere in dem Zeitraum von Ende 2003 bis Oktober 2004 stattgefunden haben, waren nach den Feststellungen der Parlamentsdelegation vielfach das Ergebnis der Aktionen von Jugendlichen, die auf Grund ihrer schwierigen Lebensbedingungen frustriert waren und mit den Vorfällen ihren Ärger abreagiert haben. Als ungünstiger Faktor hat sich bei den ethnisch motivierten Zwischenfällen in der Vojvodina die Kosovokrise vom März 2004 ausgewirkt. Dass es zu solchen Vorkommnissen kommen konnte, führt die Parlamentskommission der Europäischen Union auf eine anfängliche Untätigkeit der Behörden, auf eine Ineffizienz der Ordnungskräfte und des Gerichtswesens wegen ihrer fehlenden regionalen Verwurzelung sowie darauf zurück, dass von bestimmten politischen Kräften die Lage zu Wahlkampfzwecken ausgenutzt wurde und einige Medien mit ihrer Berichterstattung hierzu beigetragen hätten. Inzwischen gibt es, nachdem die Wahlen beendet sind und wegen des internationalen Drucks die Behörden solchen Zwischenfällen entschlossen entgegentreten, nur noch vereinzelte Vorkommnisse (vgl. hierzu: Bericht der AD-HOC-Delegation des Europäischen Parlaments vom 2. März 2005 in der Dokumentation vom 31. Mai 2005 des Bundesministeriums der Justiz).

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Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der unverfolgt aus dem Heimatland ausgereiste Kläger bei einer Rückkehr nach Serbien und Montenegro mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit individuell konkret bedroht sein könnte. Ob und zu welchem Zeitpunkt der Kläger eine Einberufung zum Wehrdienst erhalten hat, ist von ihm nicht in der gebotenen Weise substanziiert vorgetragen worden. Selbst wenn er jedoch nach dem Erreichen des wehrpflichtigen Alters, als er sich bereits in Deutschland aufhielt, eine Einberufung zum Wehrdienst zugeleitet bekommen und nicht befolgt haben sollte, müsste er nicht mit einer Ahndung rechnen, die als politische Verfolgung zu qualifizieren wäre. Die Beklagte hat bereits zutreffend auf das im Jahre 2003 in Kraft getretene Amnestiegesetz hingewiesen, mit dem u.a. insbesondere eine Wehrdienstentziehung bei Personen, die sich im Ausland aufgehalten und eine Einberufung nicht befolgt hatten, von einer strafrechtlichen Ahndung freigestellt wurden.

20

Mit dem Hilfsantrag hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 - 5 und 7 AufenthG. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes in dem angefochtenen Bescheid vom 21. Januar 2004, soweit sie zu § 53 AuslG a.F. ergangen sind, verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Ereignisse des Zeitraums von Ende 2003 bis Oktober 2004 in der Vojvodina für die ungarischen Volkszugehörigen keine extreme Gefahrenlage begründen, die dazu führen würde, dass der Kläger bei einer Rückkehr gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre. Gründe, von einem Widerruf der Asylanerkennung abzusehen, liegen deshalb nicht vor.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.