Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.07.2005, Az.: 6 B 398/05

Anordnung der sofortigen Vollziehung; aufschiebende Wirkung; Ausschluss vom Unterricht; Bewertungsspielraum; Bildungs- und Erziehungsauftrag; Bildungsauftrag; Eilfall; Eilmaßnahme; Ermessen; Ermessensfehler; Ermessensreduzierung; Erziehungsauftrag; Fehlverhalten; Grad des Verschuldens; grobe Pflichtverletzung; individuelles Fehlverhalten; Klassenkonferenz; Ordnungsmaßnahme; Pflichtverletzung; pädagogischer Bewertungsspielraum; Schulleitung; Schulleitung; sofortige Vollziehung; Unterricht; Unterrichtsausschluss; Verschulden; vorläufiger Rechtsschutz

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.07.2005
Aktenzeichen
6 B 398/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50721
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Schulleiterin oder der Schulleiter darf eine Ordnungsmaßnahme nur dann im Wege der Eilentscheidung anordnen, wenn der Zweck der Maßnahme effektiv allein durch die sofortige Entscheidung erreicht und die Beschlussfassung der Klassenkonferenz daher nicht abgewartet werden kann. Ein Unterrichtsausschluss durch die Schulleitung setzt demnach voraus, dass von dem Schüler konkrete Gefahren für die Sicherheit seiner Mitschüler oder der Mitarbeiter der Schule ausgehen oder dass andere vergleichbar gravierende Gefahren für den Unterrichtsbetrieb zu befürchten sind, falls der Schüler bis zur Klassenkonferenz weiterhin am Unterricht teilnimmt.

2. Die Schule handelt ermessensfehlerhaft, wenn sie die Ordnungsmaßnahme maßgeblich auf einen Vorfall stützt, der eine dem Schüler zuzurechnende grobe Pflichtverletzung in der Form eines individuellen Fehlverhaltens nicht erkennen lässt.

Gründe

1

I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine von der Schulleiterin des Antragsgegners nach dem Niedersächsischen Schulgesetz angeordnete Ordnungsmaßnahme.

2

Am 30. Juni 2005 verließ die Mathematiklehrerin der Klasse 7.2 an der Hauptschule des Antragsgegners 10 Minuten vor Unterrichtsende den Klassenraum, um einen Zahnarzttermin wahrzunehmen. Als sie den Raum verlassen hatte, wurde dort Papier entzündet; der Antragsteller warf das Papier aus dem Klassenraum. Die Einzelheiten des Vorfalls sind zwischen den Beteiligten umstritten.

3

Der Antragsgegner fertigte ein handschriftliches Protokoll über den Vorfall an, in dem es unter anderem heißt, der Antragsteller sei zusammen mit zwei weiteren Schülern „beteiligt“ gewesen. Das Protokoll wurde von diesen Schülern sowie von drei weiteren Schülern, die als Zeugen bezeichnet werden, unterschrieben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Protokolls wird auf die vorliegende Kopie verwiesen (Bl. 8 Gerichtsakte).

4

Mit Bescheid vom 4. Juli 2005 verfügte die Schulleiterin der Hauptschule des Antragsgegners gegen den Antragsteller einen bis zur Klassenkonferenz am 11. Juli 2005 befristeten Ausschluss vom Unterricht. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Antragsteller habe zum wiederholten Male massiv gegen die Schulordnung verstoßen. Er habe zusammen mit zwei Mitschülern im Klassenraum mit Feuer gezündelt und das brennende Papier aus dem Fenster geworfen. Dadurch habe er die Sicherheit der Schule aufs Gröbste gefährdet. Aus Sicherheitsgründen sei er bis zur Klassenkonferenz vom Unterricht ausgeschlossen. Außerdem ordnete die Schulleiterin die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an.

5

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 6. Juli 2005 Widerspruch. Außerdem hat er bei Gericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Er macht im Wesentlichen geltend, er habe ein Papierstück zu einer Zigarette geformt, um so seinen Nachbarn zu veralbern. Dieser habe das Papier plötzlich angezündet. Er - der Antragsteller - habe nicht gewusst, wohin er mit dem brennenden Papier solle, und habe es daher aus dem Fenster geworfen; anschließend sei er nach draußen gegangen, um sich zu vergewissern, dass nichts passiere. In der Zwischenzeit hätten zwei Mitschüler begonnen, brennendes Papier aus dem Klassenfenster zu werfen.

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Der Antragsteller beantragt,

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die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 4. Juli 2005 verfügte Ordnungsmaßnahme wiederherzustellen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er trägt vor, schon vor dem 30. Juni 2005 habe der Antragsteller sich in einer Reihe von Fällen fehlerhaft verhalten. Insbesondere habe die Schule ihm Anfang Juni 2005 einen Tadel erteilt, weil er aus den Unterlagen seiner Deutschlehrerin ein Arbeitsblatt gestohlen habe. Der Antragsgegner legt dazu eine Übersicht zu den Klassenbucheinträgen des Antragstellers vor. Darüber hinaus macht er geltend, der Vortrag des Antragstellers zum Vorfall vom 30. Juni 2005 sei nicht glaubhaft. Dieser habe seine Beteiligung letztlich eingeräumt und im Protokoll durch seine Unterschrift bestätigt.

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II. Der Antrag ist zulässig und begründet.

12

Hat die Schulleitung die sofortige Vollziehung eines Bescheides über eine Ordnungsmaßnahme nach dem Niedersächsischen Schulgesetz (NSchG) angeordnet, so kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines gegen den Bescheid gerichteten Widerspruchs mit der Folge wiederherstellen, dass der Bescheid vorerst nicht vollzogen werden darf. Der Antrag hat nur dann Erfolg, wenn die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Schülers an einem Aufschub der Maßnahme das öffentliche Interesse am alsbaldigen Vollzug des Bescheids überwiegt. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der schnellen Durchsetzung der Maßnahme besteht insbesondere dann nicht, wenn die Maßnahme voraussichtlich rechtswidrig ist. So ist es hier.

13

Nach der in dem vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sachlage begegnet die von der Schulleiterin des Antragsgegners verfügte Ordnungsmaßnahme durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

14

Rechtsgrundlage für die angegriffene Ordnungsmaßnahme sind die Regelungen in § 61 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 4 NSchG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 Nr. 6 NSchG. Danach ist der Ausschluss eines Schülers vom Unterricht nur zulässig, wenn dieser seine Pflichten grob verletzt. Die Entscheidung, ob eine Ordnungsmaßnahme angeordnet und welche Maßnahme gewählt wird, steht im Ermessen der Schule. Das Gesetz räumt der Schule damit einen pädagogischen Bewertungsspielraum ein, den das Gericht nur eingeschränkt überprüfen kann: Rechtswidrig ist die Ermessensentscheidung nur, wenn sie die gesetzlichen Grenzen überschreitet oder dem Zweck des § 61 NSchG widerspricht (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Die Schulleiterin oder der Schulleiter darf die Ordnungsmaßnahme nur dann anstelle der an sich zuständigen Klassenkonferenz anordnen, wenn dies notwendig ist und ein Eilfall vorliegt, in dem die vorherige Entscheidung der Konferenz nicht eingeholt werden kann (§ 43 Abs. 2 Nr. 6 NSchG). Nach den vorliegenden Unterlagen bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass die Schulleiterin ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat (1.) und die Voraussetzungen für eine Eilmaßnahme der Schulleitung erfüllt waren (2.).

15

1. Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Unterlagen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Schulleiterin die Ordnungsmaßnahme ohne Ermessensfehler angeordnet hat.

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Das ihr bei der Anordnung von Ordnungsmaßnahmen nach § 61 NSchG eingeräumte Ermessen übt die Schule nur dann rechtmäßig aus, wenn die Maßnahme dem Zweck des Gesetzes entspricht (vgl. § 40 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG). Insoweit unterliegt ihre Entscheidung der Überprüfung durch das Verwaltungsgericht (vgl. § 114 Abs. 1 VwGO). Zweck einer Ordnungsmaßnahme nach § 61 NSchG ist es, die geordnete Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule zu sichern und damit zu gewährleisten, dass die Schule ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen kann. Dieses Ziel kann die Ordnungsmaßnahme nur erreichen, wenn sie durch die grobe Pflichtverletzung eines Schülers veranlasst ist (vgl. § 61 Abs. 2 NSchG). Die Schule handelt daher ermessensfehlerhaft, wenn sie die Ordnungsmaßnahme maßgeblich auf einen Vorfall stützt, der eine dem Schüler zuzurechnende grobe Pflichtverletzung nicht erkennen lässt.

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Einen Unterrichtsausschluss darf die Schule - wie alle anderen Ordnungsmaßnahmen - nur als Reaktion auf ein individuelles Fehlverhalten des Schülers anordnen (VG Braunschweig, Beschl. vom 17.02.2002 - 6 B 830/02 -, teilw. abgedr. in SchulR 2003, 15 ff.). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 61 Abs. 2 NSchG. Im Übrigen wäre eine Sanktion, die an ein dem Schüler nicht zurechenbares Verhalten anknüpft, sinnlos, pädagogisch kontraproduktiv und daher mit der dem § 61 NSchG zu Grunde liegenden pädagogischen Zielrichtung nicht vereinbar. Ein individuelles Fehlverhalten des Schülers liegt vor, wenn der Schüler mit einer Handlung (oder Unterlassung) objektiv gegen die ihm obliegenden Pflichten grob verstößt und der dadurch herbeigeführte ordnungswidrige Zustand ihm zurechenbar ist (VG Braunschweig, aaO., m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich für die Anordnung einer Ordnungsmaßnahme nicht erforderlich, dass der Schüler schuldhaft gehandelt hat; das Verschulden und der Grad des Verschuldens (Vorsatz, einfache oder grobe Fahrlässigkeit) sind aber bei der Gewichtung des Fehlverhaltens und damit bei der Auswahl der Ordnungsmaßnahmen zu berücksichtigen (VG Braunschweig, aaO.).

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Das Erfordernis eines individuellen Fehlverhaltens hat besondere Bedeutung, wenn die Ordnungsmaßnahme wegen Vorfällen angeordnet werden soll, an denen Schüler mit unterschiedlichen Tatbeiträgen beteiligt waren. Von einem individuellen Fehlverhalten darf die Schule in diesen Fällen insbesondere ausgehen, soweit der Schüler als Mittäter, Gehilfe oder Anstifter anzusehen ist; für die Anordnung als solche genügt es aber auch, wenn der Schüler die Pflichtverletzung eines anderen in zurechenbarer Weise mitverursacht hat. „Kollektivmaßnahmen“ der Schule, die sich gegen Schülergruppen richten, sind rechtswidrig, soweit einzelnen Gruppenangehörigen ein individuelles Fehlverhalten nicht vorgeworfen werden kann: Ein Schüler darf nicht ohne eigenes Zutun für das Verhalten anderer verantwortlich gemacht werden. Dass ein individuelles Fehlverhalten des Schülers vorliegt, hat die Schule nachzuweisen; im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO genügt es, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt von der Schule glaubhaft gemacht wird, also überwiegend wahrscheinlich ist (VG Braunschweig, aaO., m.w.N).

19

Nach diesen Maßstäben kann das Gericht nicht davon ausgehen, dass die Schulleiterin ermessensfehlerfrei gehandelt hat, indem sie die Ordnungsmaßnahme auf das Verhalten des Antragstellers beim Vorfall vom 30. Juni 2005 gestützt hat. Der Antragsgegner hat nach den vorliegenden Unterlagen nicht glaubhaft gemacht, dass es bei dem Vorfall zu einem individuellen Fehlverhalten des Antragstellers gekommen ist, das es rechtfertigt, ihm eine grobe Verletzung seiner Pflichten vorzuwerfen.

20

In dem vom Antragsgegner vorgelegten Protokoll zum Vorfall vom 30. Juni 2005 wird zum Verhalten des Antragstellers lediglich ausgeführt, der Schüler A. habe im Klassenraum mit Streichhölzern gespielt; danach „wurde (Papier) angezündet und aus dem Fenster des Klassenraumes in den Schulgarten geworfen“; hieran seien außer A. auch der Antragsteller und ein weiterer Schüler „beteiligt“ gewesen. Welchen Tatbeitrag der Antragsteller insbesondere beim Anzünden des Papiers geleistet hat, bleibt offen. Dass er das Papier selbst angezündet, daran als Gehilfe, Anstifter oder in sonstiger vorwerfbarer Weise mitgewirkt hat, lässt sich den Angaben im Protokoll nicht hinreichend sicher entnehmen. Es würde nicht genügen, wenn der Antragsteller ohne einen individuellen, ihm vorwerfbaren Tatbeitrag an dem Vorfall beteiligt war. Weitere Angaben zur Erläuterung des Protokolls hat der Antragsgegner auch auf entsprechende telefonische Hinweise des Gerichts nicht gemacht. Zur abweichenden Darstellung des Vorfalls in der Antragsbegründung hat der Antragsgegner nicht substanziiert Stellung genommen.

21

Schon wegen der unklaren Angaben des Protokolls zum Tatbeitrag des Antragstellers kann der Antragsgegner auch nicht erfolgreich geltend machen, der Antragsteller habe das Protokoll unterschrieben. Darüber hinaus ist nach den Formulierungen des Protokolls zumindest zweifelhaft, was der Antragsteller mit seiner Unterschrift überhaupt erklärt haben soll. Unabhängig davon könnte auch einem schriftlichen Schuldeingeständnis des minderjährigen Antragstellers keine maßgebliche Bedeutung zukommen, da Minderjährige regelmäßig nicht in der Lage sind, die Tragweite derartiger Erklärungen zu erkennen.

22

Es ist zweifelhaft, ob die vom Antragsteller im gerichtlichen Verfahren gemachten Angaben zu der Frage, wie es zum Anzünden des Papiers gekommen ist, glaubhaft sind. Diese Zweifel genügen angesichts der unklaren Formulierungen im Protokoll jedoch nicht, um die Ordnungsmaßnahme der Schulleiterin als rechtmäßig zu bestätigen. Die Klassenkonferenz wird den Sachverhalt bei ihrer für den 11. Juli 2005 vorgesehenen Entscheidung über die Anordnung einer Ordnungsmaßnahme durch Anhörung der Zeugen und des Antragstellers weiter aufzuklären haben.

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Dass der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren eingeräumt hat, er habe das entzündete Papier aus dem Fenster geworfen, rechtfertigt die Ordnungsmaßnahme nach den vorliegenden Unterlagen nicht. Dazu hätte es weiterer Ermittlungen des Antragsgegners zum Motiv des Antragstellers und zur Gefahrensituation bedurft. Wenn das brennende Papier aus dem Fenster geworfen worden ist, um einen Brand im Klassenraum zu verhindern, und durch dieses Verhalten keine anderen gravierenden Gefahren entstanden sind, wird dem Antragsteller allein deswegen keine grobe Pflichtverletzung vorzuwerfen sein. Auch hierzu fehlen Angaben im vorliegenden Protokoll. Unabhängig davon hat die Schulleiterin die Ordnungsmaßnahme nicht allein auf das Hinauswerfen des Papiers, sondern auch auf das Zündeln mit Feuer gestützt; insoweit ist ein individuelles Fehlverhalten des Antragstellers aber jedenfalls nicht glaubhaft gemacht worden.

24

Das Gericht kann die Ordnungsmaßnahme in dem vorliegenden Verfahren auch nicht etwa deswegen als rechtmäßig ansehen, weil der Antragsteller nach dem Vortrag des Antragsgegners bereits vor dem Vorfall vom 30. Juni 2005 in vielfältiger Weise seine Pflichten als Schüler verletzt hat. Das Gericht darf die von der Schulleiterin getroffene Ermessensentscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die sie der Entscheidung tatsächlich zu Grunde gelegt hat. Tragen diese Erwägungen nicht, so ist die Entscheidung grundsätzlich rechtswidrig. So ist es nach den vorliegenden Unterlagen auch hier. Die Schulleiterin hat ihre Ermessensentscheidung im Bescheid vom 4. Juli 2005 maßgeblich auf den Vorfall vom 30. Juni 2005 gestützt; das ergibt sich auch daraus, dass weder die Schulleiterin noch die Klassenkonferenz das nach Ansicht des Antragsgegners umfangreiche vorherige Fehlverhalten des Antragstellers zum Anlass genommen hat, eine Ordnungsmaßnahme anzuordnen. Es liegt auch kein Fall der sog. Ermessensreduzierung auf Null vor, in dem nur eine einzige Ermessensentscheidung rechtmäßig wäre, sodass es auf die Ermessenerwägungen nicht mehr ankäme. Die Klassenkonferenz darf bei ihrer am 11. Juli 2005 vorgesehenen Entscheidung über die Art und das Ausmaß der Ordnungsmaßnahme ein früheres Fehlverhalten des Antragstellers berücksichtigen, soweit es unstreitig oder nach weiterer Sachverhaltsaufklärung - wenn notwendig durch Befragen von Zeugen - festgestellt ist.

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Das Gericht kann daher offen lassen, ob der Antragsteller durch sein gesamtes Verhalten den Unterricht nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat (vgl. § 61 Abs. 4 Satz 1 NSchG). Selbst wenn dies der Fall wäre, würde sich an der Entscheidung des Gerichts nichts ändern, weil der Eilantrag jedenfalls wegen des nach den vorliegenden Unterlagen anzunehmenden Ermessenfehlers der Schulleiterin Erfolg hat.

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2. Der Antragsgegner hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Eilanordnung der Schulleitung erfüllt waren.

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Die Schulleiterin oder der Schulleiter darf die Ordnungsmaßnahme nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Nr. 6 NSchG als Eilmaßnahme anstelle der Klassenkonferenz (§ 61 Abs. 5 Satz 1 NSchG) anordnen: Die Ordnungsmaßnahme muss in einem Eilfall, in dem die vorherige Entscheidung der Klassenkonferenz nicht eingeholt werden kann, notwendig sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist, weil der mit der Anordnung der Ordnungsmaßnahme verfolgte Zweck, die geordnete Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule zu sichern, effektiv allein durch eine sofortige Entscheidung erreicht und die Beschlussfassung der Klassenkonferenz unter Berücksichtigung der für diese geltenden Ladungsfristen daher nicht abgewartet werden kann (im Ergebnis ebenso Brockmann in: Seyderhelm/Nagel/Brockmann, NSchG, Stand Juni 2004, § 43 Anm. 2.2.3). Einen Unterrichtsausschluss darf die Schulleitung daher nur dann aufgrund der Eilkompetenz anordnen, wenn von dem Schüler konkrete Gefahren für die Sicherheit seiner Mitschüler oder der Mitarbeiter der Schule ausgehen oder wenn andere vergleichbar gravierende Gefahren für den Unterrichtsbetrieb zu befürchten sind, falls der Schüler bis zur Klassenkonferenz weiterhin am Unterricht teilnimmt. Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO hat die Schule diese Voraussetzungen glaubhaft zu machen. Dies ist dem Antragsgegner hier nicht gelungen.

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Er hat aus den dargelegten Gründen nicht glaubhaft gemacht, dass dem Antragsteller im Hinblick auf das In-Brand-Setzen von Papierstücken ein individuelles Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich auch nicht, dass erhebliche Gefahren entstanden sind, indem der Antragsteller - wie er selbst einräumt - das brennende Papier aus dem Fenster geworfen hat. Es genügt nicht, dass er sich nach dem Vorbringen des Antragsgegners zuvor bereits wiederholt fehlerhaft verhalten hat. Dieses Verhalten hat auch nach Auffassung der Schulleiterin ersichtlich nicht ausgereicht, um gegen ihn unter Inanspruchnahme der Eilkompetenz eine Ordnungsmaßnahme anzuordnen. Darüber hinaus kann das Gericht der vorgelegten Zusammenstellung der Klassenbucheinträge nicht entnehmen, dass aufgrund dieses früheren Verhaltens gravierende Gefahren von dem Antragsteller ausgehen, derentwegen es nicht verantwortet werden kann, die Entscheidung der Klassenkonferenz am 11. Juli 2005 abzuwarten.

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Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ergibt sich aus der Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO.

30

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.