Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 14.07.2005, Az.: 6 A 205/05

Dauer; Ermessen; Ermittlungsaufwand; Ersatzfahrzeug; Fahrerfeststellung; Fahrtenbuch; Fahrtenbuchanordnung; Fahrtenbuchauflage; Unmöglichkeit; Verhältnismäßigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
14.07.2005
Aktenzeichen
6 A 205/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51014
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur "Unmöglichkeit" im Sinne des § 31a StVZO.

2. Eine Überschreitung der von der Rechtsprechung entwickelten Anhörungsfrist von grundsätzlich 14 Tagen nach einem Verkehrsverstoß hindert die Annahme der Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung im Sinne des § 31a StVZO auch dann nicht, wenn die im Ordnungswidrigkeitsverfahren ermittelnde Behörde diese Fristüberschreitung beispielsweise wegen einer verspäteten Information durch den Anzeigeerstatter nicht zu vertreten hat.

2. Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchanordnung für die Dauer von 15 Monaten nach einem Verkehrsverstoß (gefährdender Rotlichtverstoß), der zu einer Eintragung im Verkehrszentralregister von 3 Punkten geführt hätte.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung, für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch zu führen.

2

Der Kläger ist Halter eines Personenkraftwagens der Marke VW mit dem amtlichen Kennzeichen GF-B.. Am 04.01.2005 teilte Frau U. C. dem 2. Polizeikommissariat in Braunschweig unter Vorlage ihrer schriftlichen Schilderung im Wesentlichen mit, dass sie am 23.12.2004 zusammen mit ihrer Tochter D. gegen Mittag (12.30 Uhr) in Braunschweig auf der zu diesem Zeitpunkt viel befahrenen Celler Straße stadteinwärts Zeugin eines Vorfalls geworden sei, bei dem die Person, die den PKW mit dem genannten Kennzeichen gefahren habe, das Rotlicht der Fußgängerampel an der Einmündung des Petritorwall überfahren und eine den Fußweg überquerende junge Frau, die gerade auf ihr Rad mit Kinderanhänger gestiegen und losgefahren sei, veranlasst habe, geistesgegenwärtig anzuhalten, um nicht überfahren zu werden. Weil der genannte PKW an der nachfolgenden Ampel am Radeklint habe anhalten müssen, hätte ihre Tochter dessen Kennzeichen ablesen und sie es sich notieren können. An „den Fahrer“ könnten sie sich nicht erinnern.

3

Die Polizei leitete diese Anzeige an die Bußgeldabteilung der Stadt Braunschweig weiter, die den Vorgang am 12.01.2005 erhielt. Sie schrieb alsbald die Tochter der Anzeigeerstatterin an, die im Wesentlichen die Angaben ihrer Mutter bestätigte. Mit Zeugenfragebogen vom 19.01.2005 forderte die Stadt Braunschweig auch den Kläger auf, nähere Angaben zu der Person zu machen, die das Fahrzeug zum genannten Zeitpunkt gefahren habe.

4

Unter dem 18.02.2005 ließ der Kläger daraufhin mitteilen, er habe das Fahrzeug einer seiner Töchter zur Verfügung gestellt, die zu der fraglichen Zeit die andere Tochter in Braunschweig besucht habe. Beide Töchter hätten das Fahrzeug „wechselweise“ gefahren. Trotz seiner Befragung sei nicht mehr aufzuklären gewesen, wer an dem angegebenen Vorfallstag das Fahrzeug gefahren habe; seinen Töchtern sei der geschilderte Vorfall nicht aufgefallen. Selbst wenn der Vorfall durch Zeugen erhärtet werden könnte, würden die Familienangehörigen sich nicht untereinander belasten und insoweit von ihrem gesetzlichen Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.

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Die Bußgeldstelle folgte der Anregung des Klägers und stellte das Verfahren unter dem 03.03.2005 ein. Zugleich legte sie den Vorgang dem Beklagten mit der Anregung vor, dem Kläger die Führung eines Fahrtenbuches aufzuerlegen.

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Mit Bescheid vom 09.03.2005 gab der Beklagte dem Kläger auf, für die Dauer von 15 Monaten für das o.g. Fahrzeug - auch für ein Ersatzfahrzeug - ein Fahrtenbuch zu führen.

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Mit gesondertem Kostenbescheid vom selben Tag forderte der Beklagte vom Kläger, ihm für den vorgenannten Bescheid eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 80,00 Euro zuzüglich Portokosten für die Zustellung in Höhe von 5,60 Euro zu zahlen.

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Der Kläger hat gegen beide Bescheide am 11.04.2005 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend macht:

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Auch seine Töchter hätten nach Ablauf von rund einem Monat nicht mehr nachvollziehen können, welche von ihnen zum genannten Zeitpunkt gefahren sei. In der Zeit vom 22. bis 24.12.2004 hätten sie das Fahrzeug entweder je einzeln oder auch gemeinsam genutzt, wobei entweder die eine oder die andere gefahren sei. Hätte die Stadt Braunschweig die Namen der Töchter wissen wollen, hätte er sie auch angegeben. Die Stadt habe jedoch nicht das geringste unternommen, um die Angelegenheit aufzuklären. Nach wie vor bestünden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Zeugin, die ausdrücklich angemerkt habe, dass sie (und ihre Tochter) sich nicht an „den Fahrer“ erinnern könnten, obgleich das Fahrzeug doch von einer Fahrerin gefahren worden sein müsse. Möglicherweise habe auch die Stadt Zweifel an der Richtigkeit der Angaben gehabt, die wahrscheinlich auch bei Kenntnis des Fahrers nicht geeignet gewesen wären, einen Bußgeldbescheid zu erlassen.

10

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

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den Fahrtenbuchbescheid des Beklagten vom 09.03.2005 aufzuheben.

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Der Beklagte verteidigt seinen Bescheid und beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 09.03.2005 ist rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

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I. Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger als Fahrzeughalter getroffene Fahrtenbuchanordnung ist § 31a Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Das ist hier der Fall.

17

1. Eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften in dem genannten Sinne ist nach der Überzeugung des Gerichts darin zu sehen, dass die Person, die am 27.12.2004 gegen 12:30 Uhr den genannten PKW des Klägers in Braunschweig auf der Celler Straße stadteinwärts gefahren hat, das Rotlicht der dort im Bereich der Einmündung der Straße Petritorwall (noch vor der nachfolgenden Anlage am Radeklint) betriebenen Lichtzeichenanlage missachtet und dabei eine Frau gefährdet hat, die während der für Fußgänger geltenden Grünphase die Celler Straße überqueren wollte. Dies steht fest aufgrund der vorliegenden schriftlichen Angaben der Anzeigeerstatterin sowie ihrer Tochter. Frau E. C. hat in ihrer Anzeige nachvollziehbar geschildert, wo, wann und wie sie Zeugin des Rotlichtverstoßes geworden ist. Zweifelsfrei sind auch ihre Angaben zum benutzten Fahrzeug. Die Zeugin hat nicht nur das Kennzeichen, sondern auch Typ und Farbe des Personenkraftwagen beschrieben. Ein fehlerhaftes Ablesen des alsbald danach notierten Kraftfahrzeugkennzeichens kann mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist. Die Zeugin D. F. hat auf dem ihr von der Bußgeldstelle der Stadt Braunschweig übersandten Zeugenfragebogen die Angaben ihrer Mutter bestätigt. Der Umstand, dass beide Zeuginnen von der fahrenden Person als „dem Fahrer“ sprechen, lässt nicht den Schluss zu, dass sie meinen, zum Vorfallszeitpunkt habe ein Mann das Fahrzeug des Klägers geführt; was im Übrigen auch mit Rücksicht auf die Angaben des Klägers nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Ebenso wie beispielsweise der Verfasser des Zeugenfragebogens (Frage 3.4: „Können Sie den Fahrer beschreiben...“) wählen nach wie vor viele Menschen (im vorliegenden Zusammenhang selbst der Gesetzgeber und nachfolgend das Gericht) die männliche Bezeichnung auch dann, wenn sie zum Geschlecht dieser Person keine Angaben machen können (oder wollen). Entscheidend ist, dass beide Zeuginnen übereinstimmend angegeben haben, weitere Angaben zur Identifikation der fahrenden Person nicht machen zu können. Dies lässt nach den Umständen keinen Rückschluss darauf zu, dass ihre sonstigen Angaben nicht hinreichend zuverlässig oder ausreichend für den Erlass eines Bußgeldbescheides seien. Entgegen der Auffassung des Klägers kann aus dem Verhalten der Bußgeldabteilung der Stadt Braunschweig nicht gefolgert werden, dass selbst bei Kenntnis der Person, die zum Vorfallzeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hat, ein Bußgeldbescheid nicht ergangen wäre.

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2. Die Feststellung des Fahrzeugführers, der bei dem Verkehrsverstoß das Fahrzeug gefahren hat, war der zuständigen Ordnungsbehörde darüber hinaus i.S.d. § 31a StVZO nicht möglich. Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich insoweit danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei kann sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab oder erklärt er, dazu nicht im Stande zu sein, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urt. vom 17.12.1982 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 11 m. w. Nw.; Beschl. vom 21.10.1987 - Buchholz, a.a.O., Nr. 18 m. w. N.; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96; Nds. OVG, Beschl. vom 17.02.1999 - 12 L 669/99, Beschl. vom 08.11.2004 - 12 LA 72/04).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Ermittlungsaufwand der Bußgeldabteilung der Stadt Braunschweig, die sich entgegen der Darstellung des Klägers durchaus um eine Aufklärung durch schriftliche Befragung der ihr bekannt gegebenen zweiten Zeugin bemüht hat, ausreichend. Mit seiner Berufung auf das ihm zustehende Recht zur Zeugnisverweigerung hat der Kläger unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er wie auch seine (von ihm namentlich zunächst nicht genannten) Töchter bei weiteren Ermittlungen zur Fahrerfeststellung nicht mitzuwirken bereit waren. Vor diesem Hintergrund brauchte die Behörde insbesondere auch nicht nach den Namen der Töchter zu fragen. Da sich sonstige Ermittlungsansätze insbesondere mangels Täterbeschreibung nicht ergeben hatten, wären weitere Ermittlungen zum Scheitern verurteilt gewesen.

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Soweit der Kläger sich darauf beruft, erst mit dem Schreiben vom 19.01.2005 von dem Ereignis am 23.12.2004 erfahren zu haben, kann das nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Zwar gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem als Voraussetzung für die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage zu fordernden angemessenen Ermittlungsaufwand grundsätzlich die unverzügliche, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgende Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung. Verzögerte Ermittlungshandlungen der Behörde schließen gleichwohl die Fahrtenbuchanordnung nicht aus, wenn feststeht, dass die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht auf die Verzögerung zurückzuführen ist (vgl. nur: BVerwG, Beschlüsse vom 13.10.1978 - 7 C 77.74 - und vom 25.06.1987 - 7 B 139.87 -, Buchholz 442.16, Nrn. 5 und 17 zu § 31a StVZO). Das ist hier der Fall.

21

Zunächst kann ein wesentlicher Teil der Zeitspanne zwischen dem Vorfall und der Benachrichtigung des Klägers (die Zeit vom 27.12.2004 bis zum 12.01.2005) nicht der ermittelnden Behörde angelastet werden, die den Kläger binnen einer Woche angeschrieben hat, nachdem sie selbst informiert worden war. Nur eine behördlich zu verantwortende Nichtfeststellung des Fahrers schließt jedoch nach dem Vorstehenden die „Unmöglichkeit“ im Sinne des § 31a StVZO aus (vgl. dazu bereits - für eine Vorgängervorschrift - BVerwG, Urt. vom 23.04.1971 - 7 C 66.70 -, Buchholz 442.15 § 7 StVO Nr. 7).

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Aber auch wenn der Kläger früher informiert worden wäre, hätte dies nicht dazu beitragen können, die für ein Fahrtenbuch vorausgesetzte „Unmöglichkeit“ der Fahrerfeststellung zu verhindern. Der Kläger konnte keine (eigene) Erinnerung an die Person haben, die sein Fahrzeug zum Zeitpunkt des o. g. Vorfalls gefahren hat. Nicht seine mit der Zeit verblassende Erinnerung, sondern seine von vornherein bestehende Unkenntnis über den konkreten Gebrauch seines Fahrzeugs waren das entscheidende Hindernis für den Kläger, auf die ihm von der Bußgeldabteilung der Stadt Braunschweig gestellte Frage nach „dem Fahrer“ (ohne eigene Nachfragen) in einer Weise zu antworten, die unmittelbar zur Fahrerfeststellung hätte führen können. Nach seinen eigenen Angaben hatte er sein Fahrzeug verschiedenen Familienangehörigen zum abwechselnden Gebrauch auch ohne seine jeweils zuvor im Einzelfall erteilte Zustimmung überlassen.

23

Im übrigen hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er an einer weiteren Aufklärung nicht mitzuwirken bereit war. Auch dadurch hat er einen ihm zurechenbaren wesentlichen Beitrag zur Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung geleistet, der es ausschließt, dass eine durch Verzögerung bedingte Erinnerungsschwäche des Halters (nicht auch anderer Personen) ausschlaggebend geworden ist. Eine solche Mitwirkungsverweigerung ist bereits darin zu sehen, dass er die ihm fraglos noch erinnerlichen Namen seiner als Fahrerinnen in Betracht zu ziehenden Töchter gegenüber der Stadt Braunschweig nicht sogleich benannt hat. Der Kläger hat seine Mitwirkungsverweigerung im Scheiben vom 18.02.2005 ferner unter Berufung auf das ihm zustehende Zeugnisverweigerungsrecht manifestiert.

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Soweit der Kläger demgegenüber einwendet, er habe sich im Familienkreis erfolglos um weitere Aufklärung bemüht und auch seine beiden Töchter hätten keine Erinnerung an das von den Zeuginnen bekundete Geschehen, braucht das Gericht nicht aufzuklären, ob dies zutrifft. Dahingestellt bleiben kann deshalb auch, ob es den Töchtern insbesondere nicht möglich gewesen ist zu erinnern, wer von beiden zur fraglichen Zeit das Fahrzeug gefahren hat. Ob eine von ihnen den von den Zeuginnen geschilderten Vorfall wahrgenommen hat, ist ebenfalls nicht erheblich. Da der Kläger wesentlich dazu beigetragen hat, dass die (rechtzeitige) Feststellung des Fahrers im Sinne des § 31a StVZO „unmöglich“ war, braucht im Nachhinein nicht darüber spekuliert zu werden, welches Ergebnis das Ordnungswidrigkeitsverfahrens bei einer hinreichenden Mitwirkung des Klägers gehabt hätte. Die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung, die gerade Voraussetzung für die Fahrtenbuchanordnung ist, hat jedenfalls die ermittelnde Behörde nicht zu verantworten.

25

Für den Tatbestand des § 31a StVZO ist es nicht entscheidend, ob der Fahrzeughalter, der sein Fahrzeug auch anderen überlässt, subjektiv in der Lage gewesen ist, den verantwortlichen Fahrzeugführer zu benennen (vgl. dazu bereits VG Braunschweig, Urt. vom 11.02.2004 - 6 A 193/03 -; VD 2004, 165; Urt. vom 09.06.2005 - 6 A 191/05; Urt. vom 10.06.2005 - 202/05). Als Maßnahme der Gefahrenabwehr ergänzt die Fahrtenbuchanordnung die für das fragliche Fahrzeug bestehende Kennzeichnungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a StVG i.V.m. den §§ 18, 23 StVZO. Sie verfolgt den Zweck, die gebotene Überwachung der Fahrzeugbenutzung durchführen und den Fahrzeughalter zur zukünftigen Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anhalten zu können. In den Fällen, in denen das Kraftfahrzeug auch an Dritte weitergegeben wird, hilft das Fahrtenbuch auch dem Halter bei der Überwachung der Fahrzeugbenutzer bzw. der eigenen Erinnerung.

26

3. Die Verhängung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 15 Monaten ist angesichts der konkreten Umstände dieses Einzelfalles, insbesondere wegen der Schwere der Anlasstat sowie der Mitwirkungsverweigerung des Klägers, auch nicht unverhältnismäßig.

27

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass sich die Bemessung der Fahrtenbuchdauer auch an der Bewertung des begangenen Verkehrsverstoßes orientieren kann, die der Gesetzgeber nach der Anlage 13 zu § 40 der Fahrerlaubnis-Verordnung zum Zwecke der „Punktebewertung nach dem Punktsystem“ vorgenommen hat. Wer trotz des für ihn geltenden Rotlichts einer Lichtzeichenanlage nicht an der Haltlinie (Zeichen 294 der StVO) gehalten und dadurch einen anderen gefährdet hat, hat eine Ordnungswidrigkeit begangen, die gemäß Nr. 5.18 der genannten Bewertung im Verkehrszentralregister zur Eintragung von drei Punkten führt.

28

Da der Beklagte nach seiner dem Gericht bekannten und von ihm gebilligten neueren Verwaltungspraxis in solchen Fällen die Dauer des Fahrtenbuches grundsätzlich mit 15 Monaten bemisst (vgl. etwa Urteil vom 09.06.2005 - 6 A 191/05 und Urteil vom 10.06.2005 - 202/05), ist der Kläger weder übermäßig noch gleichheitswidrig betroffen.

29

Die angegriffene Fahrtenbuchanordnung widerspricht auch nicht dem Zweck des § 31a StVZO. Die Fahrtenbuchanordnung soll nicht nur Verkehrszuwiderhandlungen durch den Fahrzeughalter vorbeugen, sondern hat eine umfassendere Aufgabe. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass bei künftigen Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug die Feststellung des Fahrers, anders als in dem Anlassfall, ohne Schwierigkeiten möglich ist. Sie richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Auch wenn von dem Fahrzeughalter selbst keine Verkehrszuwiderhandlungen zu befürchten sind, steht dies der Fahrtenbuchanordnung nicht entgegen.

30

Ein „doppeltes Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Straf- und/oder Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht (BVerwG, Beschl. vom 22.06.95, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 22 m. w. Nw.; Nds. OVG, Beschl. vom 10.12.1997 - 12 L 5612/97; st. Rspr. auch des VG Braunschweig, Urt. vom 05.11.1997 - 6 A 61210/97; Urt. vom 23.06.1999 - 6 A 103/99; Urteil vom 10.06.2005 - 202/05).

31

Frei von Ermessensfehlern ist die Fahrtenbuchanordnung auch, soweit sie sich auf ein Ersatzfahrzeug erstreckt. Die Anordnung eines Fahrtenbuchs für ein Ersatzfahrzeug, die ihre Rechtsgrundlage ebenfalls in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO findet, ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in aller Regel vereinbar. Nur so kann bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens sichergestellt werden, dass die Regelungen in § 31a StVZO nicht leer laufen und der Halter sich seiner Verpflichtung nicht durch den Verkauf des von der Fahrtenbuchanordnung unmittelbar erfassten Fahrzeugs entzieht. Anhaltspunkte, die für den vorliegenden Fall eine Ausnahme rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

32

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus der Anwendung der §§ 167 VwGO, 711 und 708 Nr. 11 ZPO.

33

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt für jeden Monat der Dauer der streitigen Anordnung einen Betrag in Höhe von 400,00 Euro (vgl. dazu die Empfehlungen im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung ab 01.07.2004, II. Nr. 46.13, NVwZ 2004, 1327).