Landgericht Verden
Urt. v. 19.01.2018, Az.: 9 O 20/16

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
19.01.2018
Aktenzeichen
9 O 20/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74001
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - AZ: 11 U 36/18

Tenor:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 11.832,58 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.12.2015 sowie errechnete Zinsen für den Zeitraum von 25.04.2015 bis 17.12.2015 in Höhe von 625,64 € sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 7,50 € und 805,20 € vorgerichtliche Inkassokosten zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtstreits tragen die Klägerin 20% und die Beklagten als Gesamtschuldner 80%.

Von den Kosten der Nebenintervenientin zu 1) und 2) tragen die Klägerin 20 % und die Nebenintervenientinnen die weiteren 80 % selbst.

Die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten der Nebenintervenientin zu 3. trägt diese selbst.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 14.832,58 € festgesetzt. Abweichend hiervon wird der Streitwert der Nebenintervention der Nebenintervenientin zu 3) auf 10.252,80 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schadenersatz aus einem Transportvertrag in Anspruch.

Die Klägerin beliefert unter anderem die Firma L. mit elektronischen und elektrischen Geräten. Unter dem 24. September 2014 bestellte die Firma L. bei der Klägerin für Läden in Deutschland 39.150, in Italien 8.568, in Großbritannien 11.394, in den Niederlanden 8.004, in Österreich 3.120, in Griechenland 4.464, in Irland 3.096 und in Polen 6.588 Rauchmelder, je Stück für 5,40 €.

Ebenfalls unter dem 24. September 2014 bestellte die Firma L. zum Preis von 14 € je Stück 7.596 Kohlenmonoxidalarme für Großbritannien sowie 8.000 für die Niederlande und 2.064 für Irland.

Weiter bestellte die Firma L. 8-fach Powerfixgeräteschutzleisten zum Preis von 4,45 €  für Deutschland 59.656, Frankreich 93.000, Großbritannien 10.768, Belgien 3.664, Portugal 5.456, Niederlande 12.000, für Griechenland 4.464, für Irland 8.456, Polen 10.984, Fürstentum Liechtenstein 3.776, Tschechien 9.400, Slowakei 2.864, Ungarn 4.080, Dänemark 4.032, Slowenien 1.656, Zypern 1.680, Bulgarien 1.248 und für Rumänien 5.920 Stück.

Für die Lieferung wurde als Liefertermin „Entladung Rampe beim Käufer“ in der Kalenderwoche 01/2015 vereinbart.

Die Klägerin fragte bei der Beklagten zu 1., deren persönlich haftende Kommanditistin die Beklagte zu 2. ist, wegen eines entsprechenden Transportvertrages an. Unter dem 19. November 2014 teilte die Beklagte zu 1. der Klägerin unter anderem Folgendes mit

Betreff: AW: Frachtanfrage L. KW 01-2014 - 5 Aufträge Komplett-Frachtangebote

„ ...

Wir bedanken uns für Ihre Anfrage an L. Trockenläger mit KW 01-2014 5 Aufträge und möchten ihnen Folgendes hierfür anbieten:

Übernahme der Container ab CFR Hamburg (exkl. THC, ISPS, etc.) bis frei angeliefert Empfangsläger gem. ihrer Aufstellung (exkl. Zoll und EUST)

Pauschal EUR 38.241.-  all in

In diesem Pauschalbetrag sind folgende Leistungen enthalten:

·Verzollung der Container
·Trucking zum Lager
·Entladung
·Palettierung und Folierung der Kartons gem. Verteilerplan
·Handlings Kosten (Ein- und Auslagerung)
·Lagergeld
·Termingerechte Zustellung gem. Vorgaben

Mit Email vom 19. November 2014, 14.10 Uhr, erteilte die Klägerin den Beklagten den Zuschlag für den genannten Frachtauftrag L., unter anderem mit dem Zusatz „es gelten hierzu unsere bekannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen“.

Der Ansprechpartner der Beklagten antwortete um 16.35 Uhr mit Email und teilte mit, er bestätige wie soeben telefonisch besprochen die Kosten.

Die Emails der Beklagten enthalten am Ende der jeweiligen Meldung u.a. den Zusatz, dass die Beklagte ausschließlich auf der Grundlage der ADSp. arbeitet.

Die von der Klägerin bestellten Waren wurden auf dem Seeweg in mehreren Containern in den Hamburger Hafen geliefert.

Mit Email vom 19. November 2014 teilte die Klägerin dem die Verschiffung übernehmenden Unternehmen die Spedition des Beklagten zu 1. als „Frachtführer“ mit und bat um Freistellung. Im Anhang der Email befanden sich u.a. die Schiffsdokumente, die bill of lading (die den Zusatz „said to contain“ enthält), die dazugehörige Rechnung mit der Nummer 103041 sowie die Packing List mit den nach den Ländern, in die auszuliefern war, geordneten Auslieferungsangaben sowie den Angaben, in welchen Containern sich die Gegenstände befanden. Die Beklagte erhielt die Email in cc. Mit Email vom 10. Dezember 2014 übersandte die Klägerin der Beklagten die gesamten Dokumente nochmals. Ebenfalls erhielt die Beklagte eine Feinverteilerliste, nach deren Inhalt die Waren je Auslieferungsland auf unterschiedliche Lager aufzuteilen waren. Zum Inhalt dieser Listen wird auf die jeweiligen Anlagen verwiesen („Rauchmelder 1 Jahr“ Anlage „K 34“, „Rauchmelder 10 Jahre“ Anlage „K 36“, „Kohlenmonoxidalarm“ Anlage „K 38“, „Steckdoesensortiment mit Dimmer und Dämmerungssensors 2 fach sort.“ Anlage „K 41“, „Geräteschutzleiste 8-fach“ Anlage „K 44“).

Die Übernahme der Waren wurde von der Beklagten am 16.12.2014 bestätigt. Die Beklagte zu 1. teilte mit, dass die zuvor mitgeteilten Palettenmaße nicht korrekt seien und daher mehr Paletten als geplant auszuliefern seien.

Die aus den Containern übernommenen Waren wurden - auch nach dem eigenen Vortrag der Beklagten - von der Beklagten zu 1. entsprechend den übersandten Verteilerlisten kommissioniert und zur Auslieferung gebracht.

Mit der Entgegennahme der Container, der Umverteilung nach Verteilerlisten und der Auslieferung beauftragte die Beklagte die Nebenintervenientin zu 1), die ihrerseits weitere Spediteure mit der Auslieferung beauftragte. So beauftragte sie mit der Anlieferung der Geräteschutzleisten an die französische Tochtergesellschaft von L. die Nebenintervenientin zu 2, die Ware sollte an der Ladestelle der weiteren Subunternehmerin, der Fa. E. GmbH in Hamburg abgeholt werden.

Mehrere L.-Lager zeigten nach der Auslieferung Fehlmengen an und erstellten Belastungsanzeigen. Die Klägerin wurde von der Firma L. entsprechend belastet.

Die Klägerin nimmt aufgrund dieser Belastungen durch L. ihrerseits die Beklagten mit der vorliegenden Klage wegen folgender Fehlmengen in Anspruch:

geordertgeliefertFehlmengeEPGesamt

Rauchmelder, 10 Jahre Art. Nr. 103046

Anzahl pro Karton: 6 Stück

Le.9908821085,394582,55
M. (Österreich)1.6561.638185,40  97,20

Geräteschutzleiste 8-fach Art. Nr. 102654

Anzahl pro Karton: 8 Stück

N. (Irland)1.3921.320724,40320,40
W.2.2162.20884,40  42,26

Steckdosensortiment mit Dimmer Art. Nr. 103041

Anzahl pro Karton: 12 Stück

C. (Tschechien)1.6321.598*362,67   96,12

*folgt aus Umrechnung Rechnungsbetrag 4.357,44 € : EP 2,67

Kohlenmonoxidalarm Art. Nr. 103049

Anzahl pro Karton: 4 Stück

Ch. (Irland)5645521214,00168,00
Li. (UK)9689482014,00280,00
Gesamt:1.586,53 €

Ferner wurden an das Lager L.- S. 2 Paletten Steckdosenleisten (120 Kartons mit 960 Stück) nicht fristgerecht angeliefert. Eine spätere Anlieferung wurde durch L. abgelehnt. Mit Email vom 28.01.2015 teilte die Beklagte der Klägerin hierzu mit, dass 2 Paletten (140 Karton) vom Fahrer des Subunternehmers nicht angeliefert worden seien und dieser nun den Verbleib der Ware prüfe. Mit Email vom selben Tag antwortete die Klägerin der Beklagten, dass die Anlieferung der Ware storniert worden sei.

Schließlich zeigte das Lager L. L. in Frankreich an, dass dort 288 Kartons mit insgesamt 2.304 Geräteschutzleisten nicht ausgeliefert worden seien mit einem Gesamtwert von 10.252,80 €. Auch mit diesem Betrag wurde die Klägerin belastet.

Die Klägerin berechnet ihre Forderung wie folgt:

a) Nicht an das Lager L. ausgelieferte 288 Kartons (2.304 Stück) Geräteschutzleisten: 10.252,80 €

b) Zu spät ausgelieferte 960 Stück Steckdosenleisten an L.

N. = 4.261,44 € abzgl. Verlust nach Umarbeitung:  3.000,00 €

c) Belastung durch L. für alle weiteren Mindermengen:  1.579,78 €

Forderung:  14.832,58 €

Die Forderung wurde trotz mindestens dreifacher Aufforderung von den Beklagten nicht ausgeglichen. Die Klägerin beauftragte das Inkassobüro R. GmbH mit der außergerichtlichen Beitreibung der Forderung, welches für seine Leistungen 865,00 € abrechnete.

Die Klägerin ist der Ansicht, zwischen den Parteien sei ein Frachtvertrag geschlossen worden. Die Klägerin behauptet, dass die ihr von L. belasteten Waren verloren gegangen seien, nachdem die Beklagte die Obhut hierüber erlangt habe. Die Beklagten seien daher zum Schadenersatz verpflichtet, da sie die ordnungsgemäße Übergabe an die L.-Lager durch entsprechende Empfangsquittungen nicht nachweisen könnte.

Die Beklagten seien auch zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der sich aus der Verweigerung der Annahme der erst nach Ablauf der Lieferungsfrist dem Lager L.- S. angebotenen Steckdosenleisten ergebe. Diese müssten nunmehr durch L. neu deklariert und anderweitig veräußert werden. Die hieraus folgende Belastung von 3.000 € durch L. hätten die Beklagten ebenfalls zu ersetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 14.832,58 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.12.2015 sowie errechnete Zinsen für den Zeitraum von 25.04.2015 bis 17.12.2015 in Höhe von 784,31 € sowie 20 € vorgerichtliche Mahnkosten und 865 € vorgerichtliche Inkassokosten zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, zwischen den Parteien sei ein Speditionsvertrag und kein Frachtvertrag geschlossen worden. Vertragsgrundlage sei die ADSp geworden. Den Speditionsvertrag habe die Beklagte zu 1. auch vertragsgemäß erfüllt, indem sie geeignete Frachtführer mit der Beförderung des Gutes beauftragt habe. Sollte es zu Verlusten oder Schäden in der Obhut der beauftragten Frachtführer gekommen sei, sei sie als Spediteurin hierfür nicht verantwortlich.

Die Beklagten bestreiten weiter, dass die Beklagte zu 1. die Geräte in ausreichender Anzahl von der Klägerin übernommen habe. Soweit es Fehlmengen überhaupt gegeben habe, seien die bereits bei der Übernahme vorhanden gewesen. Eine Kontrolle des Inhaltes der Kartons sei nicht möglich gewesen. Ferner bestreiten die Beklagten mit Nichtwissen, dass es überhaupt Fehlmengen bei der Ablieferung gegeben habe. Zudem sei die Versendung der Waren nicht fristgebunden gewesen.

Die Nebenintervenientin zu 2. bestreitet zudem die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie unterstellt hierzu, dass die Klägerin den Schaden ihrem Transportversicherer gemeldet und damit die Aktivlegitimation verloren habe. Weiter ist die Nebenintervenientin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu IV ZR 74/14 der Ansicht, die Klägerin treffe vorliegend die volle Beweislast dafür, welche Waren in dem Container vorhanden und von der Beklagten übernommen worden sind. Schließlich stehe der Klägerin auch allenfalls ein Anspruch in Höhe der Wiederbeschaffungskosten zu. Zudem sei die Haftung des Spediteurs gemäß ADSp 2003 auf 5,00 € je transportiertem Kilo beschränkt. Letztlich sei der gesamte Anspruch verjährt.

Hinsichtlich der Inkasso- und Mahnkosten sind die Beklagten und Nebenintervenienten der Ansicht, dass die Haftung durch § 461 Abs. 1 i.V.m. § 432 Satz 2 HGB insoweit begrenzt sei.

Schließlich wenden die Beklagten hinsichtlich des beim Lager S. eingetretenen Schadens das Erlöschen etwaiger Ansprüche der Klägerin ein, da es sich insoweit um einen Verspätungsschaden handele und die entsprechende Schadenanzeige entgegen § 438 Abs. 3 HGB nicht innerhalb von 21 Tagen eingegangen sei.

Die Nebenintervenientin zu 1) trägt weiter vor, nach dem Inhalt der bezüglich des Auftrages A. vorgelegten CMR-Frachtbriefes habe der Empfänger dort eingetragen, dass die Annahme der Ware mit der Anmerkung verweigert worden sei, dass die Ware im Anhänger liege. Der weitere Verbleib der nicht abgenommenen Ware sei ungeklärt. Die Ware sei folglich im Verantwortungsbereich der Nebenintervenientin zu 3) verloren gegangen.

Die Nebenintervenientin zu 1) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Nebenintervenientin zu 2).erklärt, ihr Fahrer habe entgegen dem zuvor von der Nebenintervenientin zu 1) erteilten Auftrag an der Ladestelle der Fa. E. nicht 12 sondern nur 6 Paletten ausgeliefert bekommen. Auch nur diese Teilmenge sei quittiert worden. Der Transportauftrag enthält ferner den Zusatz „ABSOLUTER FIX TERMIN“.

Die 6 Paletten seien an die Nebenintervenientin zu 3) übergeben worden, die die Auslieferung nach Frankreich durchgeführt habe.

Die Nebenintervenientin zu 2. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Nebenintervenientin zu 3. erklärt, ihr Fahrer habe von der Nebenintervenientin zu 2) nur 6 Paletten für die Tour nach A. übernommen und diese dort auch abgeliefert. Es sei auch nur der Transport für diese 6 Paletten bezahlt worden.

Die Nebenintervenientin beschränkt ihren Beitritt auf den sie betreffenden Teil bezüglich der Anlieferung an das L.-Lager A., die der Forderung der Klägerin in Höhe von 10.252,89 € zugrunde liegt, und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der  zwischen den Parteien und den Nebenintervenienten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin die Beklagten wegen Fehlmengen in Anspruch nimmt. Demgegenüber ist die Klage nicht begründet, soweit die Klägerin von den Beklagten Schadenersatz für die nicht fristgerechte Lieferung an das L.-Lager S. verlangt.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten wegen der Fehlmengen einen Zahlungsanspruch aus §§ 425 Abs. 1, 428, 429 HGB bzw. Art. 17 Abs. 1, 20 Abs. 1, 29 Abs. 1 u. 3 CMR.

Die Parteien haben einen Frachtvertrag geschlossen. Die Klägerin, die selbst keine Spedition betreibt, hat an die Beklagte zu 1. mit den gewechselten Emails eine „Frachtanfrage“ gerichtet sowie um Abgabe eines „Komplett-Frachtangebotes“ gebeten. Gegenstand des Vertrages war dabei nicht nur die termingerechte Verbringung der Ware zum Kunden. Vielmehr sollte die Beklagte zu 1. auch umfassend die Entgegennahme, Palettierung und aufwendige Feinverteilung gemäß den Verteilerlisten übernehmen. Zudem übernahm die Beklagte zu 1. mit dem Vertrag die Verpflichtung zur termingerechten Übernahme. Sowohl aus der Wortwahl des Vertragsinhaltes (Frachtangebot) wie auch aus den übernommenen Pflichten folgt daher, dass die Beklagte zu 1. die Verpflichtungen eines Frachtführers übernommen hat. Soweit die Beklagten einwenden, es sei ein Speditionsvertrag geschlossen worden, obliegt ihnen hierfür die Beweislast (vgl. Koller, Transportrecht, 9. Aufl. § 453 HGB Rn. 18). Hierzu ist festzuhalten, dass die Klägerin selbst nicht im Speditionsgewerbe tätig ist und mit dem Vertrag eine umfassende Vertragsabwicklung durch die Beklagte zu 1. vereinbart wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in Kenntnis etwaiger eingeschränkter Haftungseinschränkungen einen Speditionsauftrag abschließen wollte, haben die Beklagten hingegen nicht vorgetragen. Auch bei der weiteren Vertragsabwicklung war ausschließlich die Beklagte zu 1. Ansprechpartner der Klägerin.

Die Beklagte hat gemäß § 425 Abs. 1 HGB der Klägerin Schadenersatz für den Verlust von zu transportierendem Gut zu zahlen.

Für die Klägerin streitet im vorliegenden Fall der Anscheinsbeweis, dass die von den L.-Lagern angezeigten Fehlmengen in der Obhut der Beklagten abhandengekommen sind. Soweit die Beklagte Subunternehmer beauftragte, hat sie für diese im Übrigen gemäß § 428 HGB einzustehen. Die Klägerin kann im Ergebnis daher auch nicht darauf verwiesen werden, sie müsse klären, wo die Waren verloren gegangen sind, beispielsweise hinsichtlich der Auslieferung A., ob die Waren im Verantwortungsbereich der Nebenintervenientin zu 1. oder 2. verloren worden sind. Als Frachtführer hat die Beklagte insoweit das Nachweisrisiko zu tragen, welcher Subunternehmer welche Mengen übernommen und an den Schnittstellen abgeliefert hat. Entsprechende Nachweise wurden jedoch nicht vorgelegt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Nebenintervenienten ist die Klägerin im vorliegenden Fall als Ersatzberechtigte ausnahmsweise nicht verpflichtet, zunächst den gesamten konkreten Inhalt aller von der Beklagten übernommenen Container darzulegen und nachzuweisen. Die Beklagten können ebenfalls auch nicht mit ihrem Einwand durchdringen, die Verteilerlisten würden hinsichtlich der Produktanzahl nicht mit der bill of lading übereinstimmen.

Denn die Beklagte zu 1. hat sich im vorliegenden Fall vertraglich nicht nur verpflichtet, die Container in Abwesenheit der Klägerin zu öffnen, sondern auch, die entnommenen Waren entsprechend der zuvor übersandten Packing List paketweise auf die Zielabnehmer zu kommissionieren. Mit dieser vertraglich übernommenen Verpflichtung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es eine Hauptpflicht der Beklagten war, die alleinigen Zugriff auf die Kommissionierung hatte, für eine korrekte Verteilung zu sorgen. Soweit die Beklagte jedoch diese Verpflichtung ordnungsgemäß übernommen hätte, wären nur folgende Alternativen möglich:

·Die Container enthielten nicht die angekündigten Karton-Mengen. In diesem Fall wäre die Karton-Fehlmenge jedoch spätestens bei der Kommissionierung aufgefallen, da nicht alle Frachtaufträge hätten kommissioniert werden können. In diesem Fall wäre die Beklagte jedoch verpflichtet gewesen, der Klägerin entsprechende Fehlmengen mitzuteilen.
·Die Container enthielten die angekündigten Karton-Mengen.
oEs erfolgte jedoch eine fehlerhafte Kommissionierung, wodurch bei einigen Abnehmern Fehlmengen entstanden sind. Auch in diesem Fall hätten die Fehlmengen bei der Kommissionierung auffallen müssen mit der Folge einer Mitteilungspflicht an die Klägerin.
oDie Kommissionierung erfolgte fehlerfrei.
§Auf dem Transportweg kamen Waren abhanden.
§Die Abnehmer rügen zu Unrecht Fehlmengen.

In diesen Fällen wären durch die Beklagten die gegengezeichneten Übernahmepapiere durch den Endkunden vorzulegen. In allen anderen Fällen wären die Kartons in der Obhut der Beklagten abhandengekommen.

Diese Überlegungen können vorliegend jedoch sogar dahinstehen, da die Beklagten mit Schriftsatz vom 24.02.2017 unstreitig gestellt haben, dass die Waren entsprechend den übersandten Verteilerlisten kommissioniert und zur Auslieferung übergeben wurden. Damit steht im vorliegenden Fall bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt fest, dass die Beklagte die in den Verteilerlisten angegebene Anzahl an Paketen je Produkt tatsächlich in ihre Obhut übernommen hat. Vor diesem Hintergrund obliegt es nunmehr den Beklagten nachzuweisen, dass die entsprechende Anzahl an Paketen tatsächlich auch entsprechend der Verteilerlisten bei den Endabnehmern angekommen ist. Hierzu ist anzumerken, dass die angegebenen Fehlmengen der jeweiligen Waren umgerechnet immer eine volle Verpackungseinheit je Karton ergeben. Ein Öffnen der Pakete war danach überhaupt nicht nötig. Daher besteht vorliegend durchaus berechtigterweise die Annahme, dass vor Ort keine einzelnen Stücke, sondern immer volle Kartons fehlten.

Da damit feststeht, dass die Beklagte die den Packlisten entsprechende Anzahl an Kartons je Wareneinheit in ihrer Obhut hatte, obliegt ihr der Nachweis, dass die aus der Verteilerliste folgende Anzahl an Kartons auch tatsächlich vom Kunden übernommen worden ist. Entsprechende quittierte Nachweise bezüglich der Übergabe der Kartons an die L.-Lager konnte die Beklagte jedoch nicht beibringen, wodurch sie zudem ihrer vertraglichen Verpflichtung zum Nachweis der Schnittstellenübergaben nicht nachgekommen ist.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 26. Januar 2017 detailliert den Inhalt der Verteilerlisten vorgetragen und belegt. Eine Gegenüberstellung der Belastungsanzeigen der L.-Lager mit diesen Verteilerlisten zeigt, dass diese Lager tatsächlich Fehlmengen zu den Mengen in der Verteilerliste angezeigt haben:

VerteilerlisteDebit NoteWert
Soll /geliefertEPgesamt

Rauchmelder, 10 Jahre Art. Nr. 103046 (6 Stk./Karton)

Le.990990 / 8825,394  582,55
M. (Österreich)1.6561.656/1.6385,40    97,20

Geräteschutzleiste 8-fach Art. Nr. 102654 (8 Stk/Karton)

Northern Ireland (N.)1.3921.392/1.3204,40 320,40
W.2.2162.216/2.2084,40   42,26

Steckdosensortiment mit Dimmer Art. Nr. 103041 (12 Stk/Karton)

C. (Tschechien)1.6321.632/1.598*2,67   96,12

*folgt aus Umrechnung Rechnungsbetrag 4.357,44 € : EP 2,67

Kohlenmonoxidalarm Art. Nr. 103049 (4 Stk/Karton)

Ch. (Irland)564   564/55214,00168,00
Li. (UK)968   968/94814,00280,00
Gesamt:1.586,53 €

Hinzu kommt die auch nach dem Vortrag der Nebenintervenienten nicht erfolgte Anlieferung in L. (Frankreich) mit 2.304 Geräteschutzleisten mit einem Gesamtwert von 10.252,80 €, so dass sich der Gesamtschaden auf 11.839,33 € berechnet. Die von der Klägerin für den Verlust der Waren geltend gemachten 11.832,58 € sind somit begründet.

Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt. Der Schadenersatzanspruch der Klägerin für den Verlust von Waren verjährt gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB in einem Jahr. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem Gut hätte ausgeliefert werden müssen. Die Güter waren innerhalb der 1 KW/2015 auszuliefern. Der letzte Tag der 1 KW/2015 war der 04.01.2015. Der auf Veranlassung der Klägerin erlassene Mahnbescheid wurde der Beklagten am 21.12.2015 und damit vor Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt.

Der Wertersatz richtet sich gemäß § 429 Abs. 3 HGB nach dem Marktwert. Dabei kann zudem dahingestellt bleiben, ob vorliegend wie von der Nebenintervenientin zu 2) eingewandt, die Haftung nach den ADSp 2003 auf 5 €/kg beschränkt ist. So folgt aus den Ladepapieren z.B. betreffend der Lieferung an den französischen Abnehmer, dass 6 Paletten des Liefergutes ein Gewicht von 2500 KG hatten, so dass die Forderung der Klägerin selbst im Rahmen dieser Haftungsbegrenzung liegen würde. (Forderung 10.252,80 € / 2.500 Kg x 5 € = 12.500 €).

Entgegen der Auffassung der Beklagten umfasst die Schadenersatzforderung der Klägerin auch die Zinsforderung und die Inkassokosten, da diese Forderungen keine unmittelbare Folge des Ladungsverlustes sind, sondern erst aus dem Zahlungsverzug folgen (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2000 zu I ZR 80/98 und BGH, Urteil vom 17.09.2015 zu I R 212/13; jeweils zitiert nach juris).

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Frachtvertrag.

Die Klage ist demgegenüber nicht begründet, soweit die Klägerin von den Beklagten Schadenersatz in Höhe von 3.000,00 € für die verspätete Lieferung an das L.-Lager S. verlangt. Nach ihrem eigenen Vortrag sind die nicht gelieferten Waren nicht verschwunden. Sie wurden nur nicht fristgerecht in der ersten Kalenderwoche 2015 ausgeliefert. Die Annahme wurde vom Abnehmer anschließend abgelehnt. Folglich handelt es sich um einen Verspätungsschaden. Der Anspruch auf Ersatz von durch Verspätung entstandene Schäden erlöscht, wenn der Auftraggeber die verspätete Lieferung nicht innerhalb von drei Wochen anzeigt (§ 438 Abs. 3 HGB). Vereinbart war zwischen den Parteien die Lieferung in der 1. KW. Der letzte Tag der ersten KW/2015 war der 04.01.2015. Die Verspätung der Lieferung wurde der Beklagten nach dem Vortrag der Parteien erstmals mit Email vom 28.01.2015 und damit nach Ablauf dieser drei Wochen angezeigt. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten wegen dieses Verspätungsschadens wäre folglich erloschen. Eine weitere Prüfung des klägerischen Vortrages darauf, ob diese den Schaden schlüssig dargelegt hat, ist daher nicht erforderlich.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte mindestens dreimal zur Zahlung aufgefordert zu haben. Zum Umfang der Aufforderungen erfolgte kein weiterer Vortrag. Das Gericht hält in diesem Fall Mahnkosen von je 2,50 € für angemessen. Höhere Aufwendungen sind nicht begründet.

Die Berechnung der Zins- und Inkassoforderung durch die Klägerin ist an sich nicht zu beanstanden. Diese Nebenforderungen waren jedoch lediglich auf der Grundlage des begründeten Anteils des Anspruchs zuzusprechen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 101 ZPO.

Die Nebenintervenientin zu 3. hat seinen Beitritt auf den aus dem Frachtauftrag A. entfallenden Anteil beschränkt. In diesem Umfang unterliegen die Beklagten in vollem Umfang, mit der Folge, dass die Nebenintervenientin ihre eigenen Kosten selbst trägt. Der Streitwert zur Berechnung der Kosten der Nebenintervenientin zu 3. war jedoch auf die Höhe des Beitritts zu beschränken.