Landgericht Verden
Urt. v. 28.02.2018, Az.: 5 O 218/16

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
28.02.2018
Aktenzeichen
5 O 218/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74027
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 47.093,20 €.

Tatbestand:

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.

Am 27.11.2014 befuhr der Zeuge K. mit der Straßenbahn der Klägerin die F-Straße aus Richtung H-Straße kommend in Richtung F Kreisel. Die Straßenbahn wird im Bereich der Unfallstelle über die normale Fahrbahn, also die Fahrspuren des Individualverkehrs, geführt. Links neben dem Schienenstrang, den der Zeuge K. befuhr, befindet sich eine Linksabbiegerspur, die auf den Parkplatz des dortigen E-Marktes führt. Auf der Linksabbiegerspur stand das vom Beklagten zu 2.) geführte und bei der Beklagten zu 1.) haftpflichtversicherte, Lkw-Gespann. Der Beklagte zu 2.) wartete, um den Gegenverkehr passieren zu lassen. Die Straßenbahn nährte sich dem Lkw-Gespann von hinten. Der Beklagte zu 2.) bog nach links ab, der Lkw-Aufleger schwenkte aus und beschädigte den mittleren Waggon, der insgesamt aus 3 Waggons bestehenden Straßenbahn. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 92.549,81 €. Zusätzlich begehrt die Klägerin die Kosten für die Erstellung eines Rechnungsprüfungsberichtes in Höhe von 1.460,- €, die Kostenpauschale von 25,- € sowie die Kosten für die Anforderung der Ermittlungsakte von 63,30 €. Die Beklagte zu 1.) regulierte außergerichtlich 46.274,91 € und 730,- €.

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte zu 2.) mit dem Linksabbiegevorgang erst begonnen habe, als sich der Zeuge K. mit dem Führerhaus der Straßenbahn schon nahezu auf der Höhe des Führerhauses des Lkw-Gespanns befunden habe, anderenfalls hätte es nicht zu einer Beschädigung des mittleren Bereichs der Straßenbahn kommen können. Der Lkw-Aufleger sei dabei ca. 65 cm in den Gleisbereich hineingeschwenkt. Der Unfall sei allein durch das Verschulden des Beklagten zu 2.) verursacht worden. Dieser habe gegen die ihm gemäß § 9 Abs. 1 S. 4 StVO obliegende Verpflichtung verstoßen. Der Beklagte zu 2.) hätte seinen Abbiegevorgang erst beginnen dürfen, nachdem er sich über seinen rechten Außenspiegel Gewissheit verschafft hatte, dass sich auf dem rechten Fahrstreifen kein Fahrzeug befindet. Als Berufskraftfahrer hätte er auch wissen müssen, dass der Lkw-Aufleger beim Abbiegen nach rechts ausschwenkt und sich auf der rechten Fahrspur befindliche Fahrzeuge beschädigen kann. Entsprechend habe eine vollständige Regulierung der entstanden Schäden durch die Beklagten zu erfolgen. Eine etwaige Mithaftung resultierend aus der Betriebsgefahr der Straßenbahn trete vollständig hinter dem groben Verschulden des Beklagten zu 2.) zurück.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 47.093,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2015 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte Ahlers & Vogel in Höhe von 1.531,90 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass der Zeuge K. mit der Straßenbahn der Klägerin erst zu einem Zeitpunkt an dem vom Beklagten zu 2.) geführten Lkw-Gespann vorbeigefahren sei, als der Abbiegevorgang längst begonnen gehabt habe. Die Fahrzeugfront der Straßenbahn habe sich etwa auf der Höhe der Fahrzeugfront der Zeugin R., die sich unmittelbar hinter dem Beklagten zu 2.) auf der Linksabbiegerspur befunden habe, befunden, als der Abbiegevorgang des Beklagten zu 2.) schon längst begonnen gehabt habe. Die Straßenbahn sei am stehenden Lkw-Gespann vorbeigefahren, nachdem der Beklagte zu 2.) längst erkennbar seinen eigenen Abbiegevorgang eingeleitet gehabt habe. Der Zeuge K. habe entsprechend gegen § 1 Abs. 2 StVO sowie § 11 Abs. 3 StVO verstoßen. Der Zeuge K. hätte die Kollision einfach vermeiden können, wenn er die Straßenbahn angehalten hätte und nicht an dem Lkw-Gespann vorbeigefahren wäre. Der Beklagte zu 2.) habe zudem vor dem Einleiten des Abbiegevorganges in beide Außenspiegel geschaut und einen Schulterblick durchgeführt. Bei dem Blick in den rechten Außenspiegel habe er die Straßenbahn wahrgenommen, diese habe sich jedoch noch in einiger Entfernung befunden. Erst als der Abbiegevorgang fast abgeschlossen gewesen sei, sei es zur Kollision gekommen. Die Beklagten meiner ferner, dass sich die Klägerin einen Verursachungsbeitrag von mindestens 50% anrechnen lassen müsse, so dass durch die vorgerichtlichen Zahlungen eine ausreichende Regulierung erzielt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Unfallakte der Polizeistation L., Vorgangs-Nr. xxx, ist beigezogen worden.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch informatorische Anhörung des Beklagten zu 2.), Vernehmung der Zeugen K. und R. sowie Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Unfallrekonstruktion. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.01.2017 (Bl. 143 - 149 d.A.) sowie die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Herrn Dipl.-Ing. O. vom 28.11.2017 (lose bei den Akten liegend) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt weitere Schadensersatzansprüche. Derartige Ansprüche ergeben sich insbesondere nicht aus § 7 Abs. 1 StVG iVm §§ 249 ff. BGB oder §§ 823 Abs. 1 iVm §§ 249 ff. BGB gegenüber dem Beklagten zu 2.) bzw. aus §§ 115 VVG, 7 Abs. 1 StVG iVm §§ 249 ff. BGB gegenüber der Beklagten zu 1.).

1.) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer nicht mit dem erforderlichen Grad von Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass sich die streitgegenständliche Kollision wie von der insofern beweisbelasteten Klägerin behauptet dargestellt hat.

a) Der Beklagte zu 2.) hat im Rahmen seiner informatorischen Befragung angegeben, dass er mit dem Lkw-Gespann auf der Linksabbiegerspur gestanden und noch den Gegenverkehr passieren lassen habe. Vor dem Anfahren habe er sodann in die Außenspiegel geschaut und den Schulterblick durchgeführt. Im rechten Außenspiegel habe er die Straßenbahn herannahen sehen, sie habe sich noch nicht auf der Höhe seines Auflegers befunden, als er begonnen habe nach links abzubiegen; zu diesem Zeitpunkt sei sie jedenfalls noch weiter entfernt gewesen, auch wenn er die genaue Entfernung nicht mehr angeben könne. Als der Abbiegevorgang dann beinahe beendet gewesen sei - das Führerhaus habe schon auf dem Parkplatz des E-Marktes gestanden -, habe er einen lauten „Rums“ gehört, woraufhin er angehalten habe, um zu schauen, was passiert sei.

b) Der Zeuge K. hat bekundet, dass er das Lkw-Gespann relativ gerade auf der Linksabbiegerspur habe stehen sehen, als er mit der Straßenbahn um die Kurve gekommen sei. Der Beklagte zu 2.) habe zunächst noch den Gegenverkehr passieren lassen. Neben dem Lkw-Gespann sei ausreichend Platz gewesen, daher sei er mit der Straßenbahn an diesem vorbeigefahren. Das Führerhaus der Straßenbahn habe sich bereits fast auf der Höhe des Führerhauses des Lkw-Gespanns befunden, als der Beklagte zu 2.) dann plötzlich begonnen habe, nach links abzubiegen. Ob er noch geläutet habe, vermochte der Zeuge nicht mehr zu erinnern. Er habe dann jedenfalls ein Ruckeln der Straßenbahn verspürt und sei angehalten. Das Lkw-Gespann habe sich zu diesem Zeitpunkt noch im Abbiegevorgang befunden, es habe sich noch nicht auf dem Parkplatz des E-Marktes befunden.

c) Die Zeugin R. hat bekundet, dass sie sich mit ihrem Pkw unmittelbar hinter dem vom Beklagten zu 2.) geführten Lkw-Gespann auf der Linksabbiegerspur befunden habe. Der Beklagte zu 2.) habe zunächst angehalten, um den Gegenverkehr passieren zu lassen, dann sei er angerollt und sie mit ihrem Pkw ebenfalls. Plötzlich habe sie die Straßenbahn hinter sich „bimmeln“ gehört, worüber sie sehr erschrocken sei, alles sei jedoch weiter gerollt. Die Straßenbahn habe sich an ihrem Pkw vorbeibewegt und sie habe den Aufleger des Lkws ausschwenken sehen. Sie sei dann abermals erschrocken, da sie gesehen habe, dass es mit der Straßenbahn nicht passen würde und habe sich darüber gewundert, dass die Straßenbahn nicht bremst. Als der Aufleger ausgeschwenkt sei, habe die Straßenbahn diesen mit der Front bereits passiert gehabt.

d) Allein anhand der Angaben des Beklagten zu 2.) und der Zeugen K. und R. vermochte sich die Kammer keine hinreichende Überzeugung vom tatsächlichen Unfallhergang zu bilden.

Sowohl der Beklagte zu 2.) als auch der Zeuge K., als Fahrer des Straßenbahnzuges der Klägerin, haben ein eigenes Interesse am Prozessausgang, so dass ihre Angaben vor diesem Hintergrund zu würdigen sind.

Einzig die Zeugin R. war nicht in das Unfallgeschehen verwickelt, so dass nach Auffassung der Kammer ihren Angaben ein höheres Gewicht zukommt. Nach den Angaben der Zeugin R. spricht eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Zeuge K. das Lkw-Gespann rechtsseitig passieren wollte, obwohl zu erkennen gewesen ist, dass dieses nach links abbiegt und es zu einem Ausschwenken des Auflegers kommen kann; also auch der Zeuge K. gegen ihm obliegende Pflichten im Straßenverkehr verstoßen hat.

e) Der Sachverständige Herr Dipl.-Ing. O. hat festgestellt, dass der Straßenbahnzug der Klägerin im mittleren Wagenteil, also dem 2. Waggon, auf der in Fahrtrichtung linken Seite beschädigt worden ist. In horizontaler Richtung von vorne nach hinten gesehen setzen die Schäden etwa 2,15 m hinter der Vorderkante des 2. Waggons ein (etwa 14,5 m hinter der Fahrzeugfront) und enden etwa 0,4 m vor dem Heck des 2. Waggons (etwa 23,1 m hinter der Fahrzeugfront). In vertikaler Richtung von unten nach oben gesehen setzen die Schäden an der Oberkante des unteren, grau lackierten Streifens ein und enden an der Fensteroberkante. Es handelt sich um einen Streifschaden mit leicht wechselnder Stoßkraftkomponente. Die zur Schadenentstehung erforderliche Schubkraft horizontal war von vorne nach hinten gerichtet und die von dieser überlagerte Stoßkraft senkrecht zur Fahrzeugachse.

Das Lkw-Gespann ist am hinteren in Fahrtrichtung gesehenen rechten Aufbaueckbereich beschädigt worden. In horizontaler Richtung setzen die Schäden im Heckbereich etwa 10 cm vor der rechten Aufbauaußenkante ein und erstrecken sich an der rechten Karosserieseite bis etwa 15 cm hinter die Aufbauhinterkante. In vertikaler Richtung von unten nach oben gesehen setzen die Schäden an der Unterkante des Heckträgers ein und enden an der Oberkante des am Aufbaueckbereich angebrachten Haltebügels. Das Schadenbild lässt sich ausprägungsmäßig als Stoßschaden mit horizontalem Abgleiten einstufen.

Die Schäden an der Straßenbahn der Klägerin lassen sich sowohl lage- als auch ausprägungsmäßig vollumfänglich den Schäden im hinteren rechten Aufbaueckbereich des Lkw-Auflegers zuordnen.

Anhand der festgestellten Beschädigungen sowie der Spurenlage an der Unfallstelle ist davon auszugehen, dass der kollisionsbedingte Kraftaustausch unter einer Winkelstellung der Fahrzeuglängsachsen erfolgte, die von etwa 15 auf etwa 35 Grad zunahm.

Nach dem Erstkontakt (etwa 14,2 m hinter der Front) nahm die Stoßkraftintensität bis zur hinteren Fenstersäule des 2. Waggons (etwa 21 m hinter der Front) stetig zu. Anschließend nahm sie abrupt ab.

Das Bewegungsverhalten der Straßenbahn ist durch die Aufzeichnung des KWR dokumentiert. Ausweislich der KWR-Aufzeichnungen erreichte die Straßenbahn die unfallbedingte Stillstandposition bei einer Systemzeit von 11:21:32 Uhr. 120,8 m vor der Stillstandposition fuhr die Straßenbahn mit einer Geschwindigkeit von etwa 28 km/h. In einer Entfernung von 75 m vor der Stillstandposition (etwa 14 s vor deren Erreichen) wurde die Bremse der Straßenbahn betätigt. Etwa 36 m vor der Stillstandposition (etwa 7,6 s vor deren Erreichen) betrug die Geschwindigkeit dann noch etwa 17 km/h. Anschließend wurde die Bremse gelöst und die Straßenbahn bis etwa 8,63 m vor Erreichen der Stillstandposition (etwa 2,84 s vor deren Erreichen) auf etwa 23 km/h beschleunigt, sodann wurde erneut die Bremse betätigt. Die Warnglocke wurde während des Aufzeichnungszeitraumes nicht betätigt.

Anhand der objektiven Anknüpfungstatsachen und den daraus ableitbaren Zusammenhängen lässt sich der Kollisionsablauf dergestalt rekonstruieren, dass der 1. Waggon der Straßenbahn den hinteren rechten Aufbaueckbereich des sich ebenfalls in Vorwärtsfahrt befindlichen Lkw-Gespanns kontaktfrei passiert hat und es sodann zu einem Kontakt zwischen der hinteren rechten Aufbauecke des Auflegers und der linken Außenseite des 2. Waggons gekommen ist. Während der weiteren Vorbeifahrt der Straßenbahn am hinteren rechten Aufbaueckbereich des Auflegers verringerte sich der seitliche Abstand zwischen den Kontaktbereichen beider Fahrzeuge aufgrund der Linksbogenfahrt des Lkw-Gespanns und dem daraus resultierenden Ausschwenken der hinteren rechten Aufbauecke schlagartig, so dass der hintere rechte Aufbaueckbereich des Auflegers in die seitliche Kontur der Straßenbahn eindrang. Während der weiteren Vorbeifahrt der Straßenbahn drang der Aufleger dann weiter in die seitliche Kontur der Straßenbahn ein. Als der hintere Fensterausschnitt des 2. Waggons die hintere rechte Aufbauecke des Auflegers passiert hatte, trennten sich die Fahrzeuge wieder.

Anhand des bildlich dokumentierten Splitterfeldes auf der Fahrbahn ist zudem davon auszugehen, dass sich die Straßenbahn bei Kollisionsbeginn etwa 12,5 bis 13 m vor der späteren Endstellung befunden hat und mit etwa 23 km/h unterwegs gewesen ist. Die Beschädigungen der Straßenbahn lassen sich außerdem aus technischer Sicht nur dann erklären, wenn sich das Lkw-Gespann bereits bei Kollisionsbeginn in Bewegung und gleichzeitig in einer Linksbogenfahrt befunden hat. Der relativ große Abstand der 1. Hinterachse des Auflegers und dessen Heckbereich führt im Rahmen der Linksbogenfahrt zu einem Ausschwenken des hintern rechten Aufbaueckbereichs nach rechts in die von der Straßenbahn genutzte Fahrspur.

Anhand der von Sachverständigen durchgeführten Berechnungen ergibt sich zudem eine Gesamtkollisionsdauer von etwa 2 s, die sich nur dann erklären lässt, wenn die Kollisionsgeschwindigkeit des Lkw-Gespanns lediglich um die 5 km/h betrug.

Weiter ist anhand der Berechnungen, der örtlichen Gegebenheiten sowie der erforderlichen Fahrlinie des Lkw-Gespanns für das Einfahren auf den Parkplatz des E-Marktes davon auszugehen, dass der Seitenabstand zwischen der rechten Aufbauseite des Auflegers und der linken Außenseite der Straßenbahn bei Beginn der Linksbogenfahrt etwa 0,5 m betrug. Dies bedeutet, dass sich die rechte Außenseite des Lkw-Gespanns bei Beginn der Linksbogenfahrt auf der Trennlinie zwischen der Linksabbiegerspur und der Geradeausspur befunden hat. Die erforderliche Schrägstellung von etwa 15 Grad hatte der Aufleger dann etwa 6,3 s nach dem Anfahrbeginn erreicht. Die Straßenbahn befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer Entfernung von etwa 51 m vor der Endstellung bzw. etwa 19 m hinter dem Heck des Auflegers und war mit etwa 23 km/h unterwegs.

Abschließend stellt der Sachverständige Herr Dipl.-Ing. O. fest, dass das geplante Fahrmanöver des Beklagten zu 2.) für den Zeugen K. spätestens etwa 2 s vor der Kollision erkennbar gewesen ist, als der Aufleger entsprechend ausschwenkte. Die Fahrzeugfront der Straßenbahn hatte das Heck des Lkw-Auflegers zu diesem Zeitpunkt bereits passiert.

Der Beklagte zu 2.) hätte die Kollision vermeiden können, wenn er mit dem Lkw-Gespann mittig in der Linksabbiegerspur gefahren wäre.

f) Die Kammer hat sich die versierten Ausführungen und Feststellungen des Sachverständigen Herrn Dipl.-Ing. O. nach kritischer Würdigung zu Eigen gemacht. Die Ausführungen des Sachverständigen sind plausibel und schlüssig und anhand der bildlichen Darstellungen auch für einen technischen Laien gut nachvollziehbar. Die Kammer kennt den Sachverständigen zudem aus einer Vielzahl von Verfahren als erfahrenen Sachverständigen, so dass kein Anlass besteht an seiner Fachkunde zu zweifeln. Hinzukommt, dass die Feststellungen des Sachverständigen von keiner Partei angegriffen worden sind.

Anhand der Feststellungen des Sachverständigen Herrn Dipl.-Ing. O. ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass sich die Straßenbahn vor Beginn des Abbiegevorganges des Lkw-Gespanns noch weit hier diesem befunden hat, so wie es der Beklagte zu 2.) und die Zeugin R. angegeben haben. Als der Aufleger des Lkw-Gespanns dann im Rahmen des Linksabbiegevorganges ausgeschert ist, hat sich die Front der Straßenbahn erst auf der Höhe der rechten hinteren Aufbauecke des Auflegers befunden. Keinesfalls befand sie sich bereits in etwa auf der Höhe des Führerhauses des Lkw-Gespanns. Die Angaben des Zeugen K. zum Unfallhergang sind mit den objektiven Feststellungen des Sachverständigen nicht in Einklang zu bringen.

Zudem lag weder für den Zeugen K. noch den Beklagten zu 2.) ein unabwendbares Ereignisses im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 StVO vor. Die Kollision wäre vielmehr für beide bei Aufbringung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu vermeiden gewesen.

Der Zeuge K. hat zumindest gegen seine Verpflichtungen aus § 3 Abs. 1 S. 2, 11 Abs. 3 StVO verstoßen, indem er die Straßenbahn nicht anhielt, obwohl das Linksabbiegen und das Ausscheren des Lkw-Auflegers für ihn vor der Kollision erkennbar gewesen sind, und trotz einer besonderen Verkehrslage nicht auf die ihm gebührende Vorfahrt verzichtete.

Der Beklagte zu 2.) hat jedoch ebenfalls nicht die ihm obliegende Sorgfalt aufgebracht, indem er sich auf der Linksabbiegerspur zu weit rechts eingeordnet und damit ermöglicht hat, dass der Aufleger im Rahmen des Linksabbiegevorganges in die Geradeausfahrspur schwenkt, zumal er die von hinten herannahende Straßenbahn zuvor durch den rechten Außenspiegel wahrgenommen hat.

Wägt man die jeweiligen Pflichtverstöße und die Betriebsgefahren gegeneinander ab, haben der Zeuge K. und der Beklagte zu 2.) die Kollision zu gleichen Teilen verschuldet, so dass die Klägerin keine weiteren Schadensersatzansprüche gegenüber den Beklagten hat, nachdem diese außergerichtlich bereits 50% der Schäden reguliert haben.

2.) Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

III.

Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 48 Abs. 1 GKG iVm §§ 3, 4, 5 ZPO.