Landgericht Verden
Urt. v. 05.07.2018, Az.: 5 O 241/17

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
05.07.2018
Aktenzeichen
5 O 241/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74047
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 23.700,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückabwicklung eines PKW Kaufvertrages wegen angeblicher Mängel des PKW sowie Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Mit Kaufvertrag vom 29.10.2016 erwarb der Kläger von der Beklagten, Niederlassung H., einen gebrauchten PKW Mercedes Benz A 200 d Urban zum Kaufpreis von 23.700,00 €. Der Kilometerstand betrug 19.168 km. Wegen des genauen Inhalts des Kaufvertrages wird Bezug genommen auf die Anlage K1 zur Klagschrift (Bl. 18 d. A.).

Mit Schreiben seines bereits vor prozessual Bevollmächtigten vom 21.09.2017 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 27.09.2017 die Ansprüche zurück.

Der Kläger behauptet, der PKW sei von dem sogenannten Mercedes-Abgasskandal betroffen. Bei dem PKW sei eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, dergestalt, dass erkannt werde, wenn sich der PKW auf dem Prüfstand befinde und sodann die Abgasreinigung die gesetzlich vorgeschriebenen Werte erfülle, wobei im realen Fahrbetrieb die Abgasreinigung weitgehend heruntergefahren werde, wodurch der Schadstoffausstoß erheblich ansteige. Es sei dabei so, dass das sog. „thermische Fenster“ den Umgebungsrahmen, in dem Abgasreinigung oder Verbrennung durch Rückführung vorbildlich funktioniere, definiere. Bis zu einer bestimmten Temperatur, die im standardisierten Testbetrieb nicht überschritten werde, funktioniere z. B. Die Harnstoffeinspritzung mittels AdBlue-Technologie einwandfrei und geforderte Stickoxid-Grenzwerte würden nicht überschritten. Werde diese Temperatur aber über- oder unterschritten, z. B. Beim Lauf kalter Motoren, im Stadtverkehr, im Stau, unter Last oder bei schneller Autobahnfahrt, schalte die Elektronik den Umweltschutz und die Sparsamkeit ab, um Bauteile vor Überhitzung zu schützen. Von einer unzulässigen Abschalteinrichtung sei deswegen auszugehen, weil überhaupt auf das Emissionskontrollsystem eingewirkt werde, ohne dass dabei erheblich sei, in welcher Weise dies geschehe. Auch wenn die Einwirkung auf einer technisch vorgelagerten Stufe geschehe, handele es sich um eine Abschalteinrichtung. Die tatsächlichen NOx-Werte des Fahrzeugs weichen von den gesetzlichen Vorgaben und auch den Angaben des Herstellers im technischen Datenblatt derart ab, dass die für das Fahrzeug angegebene EU-Schadstoffklasse nicht erreicht, sondern deutlich verfehlt werde. Ein Mangel ergebe sich aber auch daraus, dass ihm seitens der Verwaltungsbehörden nachteilige Maßnahmen drohen würden, wenn er die vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigte technische Nachrüstung (Software-Update) nicht vornehmen würde. Es sei unzutreffend, dass die für das Fahrzeug erteilte EG-Typengenehmigung unverändert wirksam und vom Kraftfahrt-Bundesamt nicht aufgehoben worden sei. Das Fahrzeug weise einen Minderwert von mindestens 30 % gegenüber dem mangelfreien Gebrauchtwagenwert des Fahrzeuges auf. Eine Nachbesserung sei nicht möglich, weil Maßnahmen zur Verringerung der NOx-Werte negative Auswirkungen auf das Fahrzeug haben infolge eines erhöhten Verschleißes, einer Minderung der Haltbarkeit des Fahrzeugs, deutlich erhöhter Verbrauchswerte und reduzierter Leistungswerte. Das Fahrzeug sei für ihn nicht mehr uneingeschränkt gebrauchstauglich.

Der Kläger ist der Meinung, er könne ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten, weil ihm eine Nachbesserung nicht zumutbar sei und es sich auch nicht um eine unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB handele. In der Ausrüstung des PKW mit der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung durch die Beklagte liege auch ein Betrug zu Lasten des Klägers sowie eine sittenwidrige Schädigung. Danach müsse er an die Beklagte auch keine Nutzungsentschädigung zahlen.

Der Kläger beantragt

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 23.700,00 € nebst jährliche Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.11.2017 Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs Mercedes-Benz, A 200 d Urban mit der Fahrgestellnummer xxx, zu zahlen,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.242,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.11.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet das Fahrzeug sei nicht von einem angeblichen „Mercedes-Abgasskandal“ betroffen. Einen solchen Skandal gäbe es nicht. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug werde keine Programmierung verwendet, die manipulativ so gestaltet sei, dass im Straßenbetrieb ein anderes Emissionsverhalten erzielt werde als auf dem Prüfstand. In dem Fahrzeug sei gerade keine Software verbaut, die allein auf dem Prüfstand den Stickstoffoxidausstoß reduziere. Bei ansonsten gleichen Betriebsbedingungen verhalte sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand genauso wie auf der Straße. Das Fahrzeug erfülle die Euro-6-Norm. Letztlich sei auch unerheblich, welches Emissionsverhalten ein Fahrzeug außerhalb der maßgeblichen gesetzlichen Prüfbedingungen, die das Einhalten eines NOx-Grenzwertes von 80 mg/km nach einer Ruhezeit von mindestens 6 Stunden im sog. Neuen Europäischen Fahrzyklus vorsehen, zeige. Für vor dem 01.09.2017 erteilte Typengenehmigungen seien allein die Vorschriften über die Verbrauchs- und Abgasmessungen unter detailliert geregelten Prüfstands-, also Laborbedingungen, maßgeblich. Es sei eine bekannte Tatsache, dass das Verbrauchs- und dementsprechend auch das Emissionsverhalten eines Fahrzeugs auf der Straße generell von demjenigen im Labor abweichen. Das sei technisch begründet und habe nichts mit Manipulation zu tun. Für das Fahrzeug liege eine bestandskräftige und uneingeschränkt wirksame EG-Typengenehmigung vor. Danach stehe aufgrund sachverständiger und behördlicher Prüfung fest, dass der Fahrzeugtyp den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Die Betriebserlaubnis des Fahrzeuges sei uneingeschränkt gültig. Es bestünde kein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes gegen die Herstellerin. Sie habe auch nicht im Verwaltungsverfahren akzeptiert, dass der Dieselmotor des Fahrzeuges nicht im Einklang mit der erteilten EG-Typengenehmigung stehe. Eine Rückrufaktion wie im Fall des Volkswagen Konzerns gebe es für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Der Kläger kann keinen Anspruch aus §§ 433, 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323, 346 ff. BGB gegenüber der Beklagten geltend machen, obwohl zwischen den Parteien unstreitig ein Kaufvertrag vom 29.10.2016 über das streitgegenständliche Kraftfahrzeug besteht.

a) Der Kläger hat einen Mangel des erworbenen Fahrzeugs nicht ausreichend substantiiert behauptet.

Zum Vortrag eines Mangels genügt es nicht, aus der – inzwischen umfangreichen – Rechtsprechung zum VW-Abgasskandal zu zitieren. Streitbefangen ist vorliegend ein Fahrzeug einer anderen Marke. Insbesondere ist auch die Verwendung einer gleichartigen Technik wie bei den vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen nicht unstreitig.

Die Behauptung des Klägers zur Verwendung unterschiedlicher Modus operandi bei der Abgasrückführung – wie er von dem VW-Konzern in den Fällen von Fahrzeugen, die vom VW-Abgasskandal betroffen sind, vorgetragen wird, – ist von der Beklagten dezidiert bestritten worden. Sie stellt sich auch als Behauptung ins Blaue hinein dar. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger über entsprechende Tatsachengrundlagen verfügt. Jedenfalls teilt er nicht mit, woher er die Kenntnis und das Wissen im Hinblick auf die technische Funktionsweise der Abgasrückführung bei seinem PKW hat. Eine besondere Fachkunde des Klägers ist weder ersichtlich, noch behauptet er, dass entsprechend fachkundige Personen mit der Besichtigung oder Begutachtung seines konkreten Fahrzeugs beauftragt waren und er die Ergebnisse einer solchen Besichtigung oder Begutachtung vorträgt. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Behauptungen aus den diversen Fällen zum VW-Abgasskandal zur sogenannten Abschalteinrichtung bzw. manipulierten Software vom Kläger unreflektiert übernommen werden und ohne tatsächlichen Hintergrund für den hier vorliegenden Fahrzeugtyp in gleicher Weise vorgetragen werden.

Der Mangel ist auch gerade deswegen nicht ausreichend vorgetragen, weil es bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug weder zu einem Widerruf der EG-Typengenehmigung gekommen ist, noch zu einem Rückruf des Fahrzeugs durch die Beklagte, noch zu einer Anweisung des Kraftfahrtbundesamtes gegenüber der Beklagten hinsichtlich des Abgasausstoßes bzw. der sie regelnden Software nachzubessern oder diese zu optimieren. Auch wenn in der Presse von Rückrufaktionen von Fahrzeugen der Beklagten berichtet wird, genügt allein diese Information nicht, um auch einen Mangel des PKWs des Klägers darzulegen. Insoweit hat der Kläger jedenfalls nicht behauptet, dass sein PKW konkret von einer Rückrufaktion betroffen ist. Das ist im Übrigen auch nicht ersichtlich.

b) Auch nach entsprechendem Hinweis der Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.05.2018 und der daraufhin eingeräumten Schriftsatzfrist ist kein ausreichender Vortrag des Klägers zum Vorliegen eines Mangels seines PKWs erfolgt.

Der Kläger hat bereits nicht zu konkreten Vereinbarungen der Parteien u. a. bezüglich des Abgasausstoßes bei Abschluss des Kaufvertrages vorgetragen. Seitens des Klägers ist insoweit nicht einmal schriftsätzlicher Vortrag erfolgt, welche Euro-Norm das Fahrzeug nach den vertraglichen Vereinbarungen zu erfüllen hatte. Es fehlt ebenfalls am Vortrag, inwieweit der tatsächliche Abgasausstoß des Fahrzeuges von etwaigen vereinbarten oder zugesagten Werten oder zu erfüllende Normen abweicht.

Der Vortrag zu einem „thermischen Fenster“ wiederholt letztlich den schon eingangs gehaltenen Vortrag zu einer Abschalteinrichtung bzw. Softwaremanipulation und ist dementsprechend ebenfalls als Behauptung ins Blaue hinein zu würdigen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesen Behauptungen würde sich danach als Ausforschungsbeweis darstellen.

Der im Rahmen der Schriftsatzfrist vorgelegte Beschluss des Landgerichts Köln ist in dem vorliegenden Verfahren nicht maßgeblich. Es ist völlig unklar, welcher Fahrzeugtyp Gegenstand des Beweisbeschlusses ist und welcher Vortrag in dem dem Beschluss des Landgerichts Köln zugrunde liegenden Verfahren erfolgt ist.

2. Daraus ergibt sich, dass der Kläger auch keine Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB oder § 826 BGB gegenüber der Beklagten geltend machen kann.

Nachdem schon ein Mangel nicht ausreichend vorgetragen worden ist, genügen die Behauptungen des Klägers auch nicht zur Annahme einer aktiven Täuschungshandlung durch die Beklagte, einer Täuschung durch Unterlassen oder einer sittenwidrigen Schädigung.

Im Übrigen müsste dazu der Kläger nachweisen, dass einzelne Personen, und zwar wer genau, Täuschungshandlung, und zwar welche genau, vorgenommen haben, die der Beklagten zuzurechnen sind. Spekulationen oder Mutmaßungen können die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Zivilprozessordnung nicht außer Kraft setzen. Solange nicht feststeht, wer ganz konkret für welche Täuschungshandlung verantwortlich ist, mag es zwar schwierig sein für einen Kläger konkrete (insbesondere konzerninterne) Tatsachen vorzutragen, das ändert jedoch nichts an der Erforderlichkeit des entsprechenden Vorbringens.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.