Landgericht Verden
Urt. v. 08.02.2018, Az.: 4 O 262/16

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
08.02.2018
Aktenzeichen
4 O 262/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74044
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - AZ: III ZR 244/18

Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die diesem aus der Verletzung der Pflichten aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Beratungsvertrag zur Alterssicherung entstanden sind und noch entstehen werden.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 110.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht aus einem behaupteten Vermögensverwaltungsvertrag.

Die Beklagte, insbesondere deren Mitarbeiter M, beriet den Kläger in der Vergangenheit über einen Zeitraum von rund 20 Jahren hinweg, vor allem in Versicherungsangelegenheiten.

Der selbständig tätige Kläger war seit Ende 2005 auf der Suche nach einer Altersversorgung. Der Mitarbeiter der Beklagten und Zeuge M stellte dem Kläger in diesem Zusammenhang verschiedene Versicherungsprodukte vor, ohne dass sich der Kläger für ein konkretes Produkt entscheiden konnte. Dieser wollte mit den ihm zur Verfügung stehenden liquiden Mittel seine Altersversorgung sicherstellen. Der Mitarbeiter der Beklagten M stellte fest, dass keines der von ihm vorgeschlagenen Renten- oder Lebensversicherungsprodukte die Bedürfnisse des Klägers nach hoher Rendite und kurzer Laufzeit erfüllen könnte.

Vor diesem Hintergrund verwies Ende 2006 der Mitarbeiter der Beklagten M im Gespräch mit dem Kläger in einer Art und Weise, die zwischen den Parteien streitig ist, auf die Anlagemöglichkeit bei einem gewissen Rechtsanwalt S, der hauptberuflich Rechtsanwalt sei, aber nebenbei auch kurzfristige Kapitalanlagen zu guten und individuell auszuhandelnden Festzinsen anbieten würde. Über die nähere Art der Anlage sprachen der Kläger und der Zeuge M nicht, allerdings würden nach den Angaben des Zeugen M die Beklagte bzw. ihre Mitarbeiter dort selbst anlegen.

In der Folgezeit legte auch der Kläger in einem Umfang Gelder bei Rechtsanwalt S an, der zwischen den Parteien streitig gewesen ist.

Rechtsanwalt S starb im Mai 2014. Über den Nachlass ist ein Insolvenzverfahren eröffnet, in welchem einer Masse von rd. 400.000 € Forderungen gegenüberstehen im Umfang von über 8 Mio. €.

Der Kläger behauptet, der Zeuge M habe ihm die Anlagemöglichkeit bei Herrn S als absolut sicher, geeignet für seine Bedürfnisse, vertrauenswürdig und seriös empfohlen. Der Zeuge M habe außerdem darauf hingewiesen, dass der Kontakt zu Herrn S nur über die Beklagte laufen könne. Der Zeuge M habe eine Rendite von 8 % in Aussicht gestellt.

Nachdem er, der Kläger, mit Herrn M in mehreren Telefonaten die Anlage bei Herrn S besprochen habe, habe der Kläger im Februar 2007 erstmals die Mindestanlage von 10.000,00 € an S überwiesen. Zuvor habe der Kläger ein Vertragsformular zusammen mit einem Anschreiben der Beklagten erhalten, in dem ihm aufgegeben worden sei, das Vertragsformular zu vervollständigen und das Formular an die Beklagte zurückzusenden, was er auch getan habe. Die Anlagesumme habe er auf das Konto von Herrn S (dessen Kontonummer genannt gewesen sei) überweisen sollen, was er ebenfalls getan habe. Wegen der Einzelheiten des Inhalts der jeweiligen Vertragsformulare wird auf die in Kopie vorgelegten Dokumente (Anlage K3, Bl. 2 ff. SH I) Bezug genommen.

Zwischen dem 29. August 2008 und dem 29. März 2014 habe er dann insgesamt weitere 200.000,00 € nach derselben Prozedur an Herrn S überwiesen. Nur in einem einzigen Ausnahmefall habe er versehentlich den Vertrag direkt an Rechtsanwalt S geschickt, woraufhin der Zeuge M ihn bestimmt darauf hingewiesen habe, dass die Verträge stets an die Beklagte geschickt werden müssten.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die diesem aus der Verletzung der Pflichten aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vermögensverwaltungsvertrag, insbesondere aus der Verpflichtung, zur Alterssicherung geeignete Anlagen bezüglich der Beklagten überlassenen Beträge von insgesamt € 210.000,00 auszuwählen, entstanden sind und noch entstehen werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, ihr Mitarbeiter M habe den Kläger lediglich auf die Anlagemöglichkeit von Rechtsanwalt S verwiesen, nachdem der Kläger nachgefragt habe, ob Herr M ihm nicht etwas für seine Bedürfnisse nach hoher Rendite und kurzer Laufzeit empfehlen könne. Der Zeuge M habe insoweit lediglich den Kontakt zu Rechtsanwalt S hergestellt.

Während der gesamten Zeit der Zusammenarbeit habe es nur drei Gespräche zwischen dem Kläger und dem Zeugen M gegeben, welche allesamt in der Wohnung des Klägers stattgefunden hätten.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen den Umfang der vom Kläger geleisteten Zahlungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Angaben des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M. Darüber hinaus ist der Kläger nach seiner informatorischen Anhörung von Amts wegen als Partei vernommen worden gemäß Beschluss vom 16.11.2017. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2017 (Bl. 72 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger kann einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte angesichts der angekündigten, aber noch nicht feststehenden Quote aus dem Nachlassinsolvenzverfahren S noch nicht endgültig beziffern, hat allerdings auch schon jetzt ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Haftung der Beklagten dem Grunde nach.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen der schuldhaften Verletzung der Pflichten aus einem Beratungsvertrag.

a)Zwischen den Parteien bestand zwar kein Vermögensverwaltungsvertrag, wie der

Kläger meint. Ein Vermögensverwaltungsvertrag setzt voraus die Verpflichtung zur Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum (angelehnt an § 1 Abs. 1a S 2 Nr. 3 KWG). Der eigene Vortrag des Klägers erfüllt ersichtlich nicht diese Voraussetzung, weil weder eine Dispositionsbefugnis der Beklagten über die Anlage des klägerischen Vermögens behauptet wird noch überhaupt der Kläger der Beklagten Vermögen zur Anlage an die Hand gegeben hat. Unstreitig ist, dass die Einzelzahlungen des Klägers direkt an Rechtsanwalt S erfolgten (welcher seinerseits mit Entscheidungsspielraum die Gelder anlegte).

b) Allerdings bestand zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag, dessen Gegenstand sich auch auf die Vermittlung der Anlage der klägerischen Gelder bei Rechtsanwalt S bezog.

aa) Ein Beratungsvertrag kommt - auch konkludent - nach der sog. „Bond-Rechtsprechung“ bereits durch Aufnahme eines Beratungsgespräches zustande, wobei unerheblich ist, von welchem Vertragsteil die Gesprächsinitiative ausgeht, sofern das Gespräch erfolgt, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten (BGH, Urt. vom 06.07.1993, XI ZR 12/93). Einen Anlageberater zieht der Kapitalanleger im Allgemeinen hinzu, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Als unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2009 - III ZR 302/07, juris, Rz. 13).

bb) Nach diesen Maßstäben ist zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag durch den Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten, vertreten durch deren Mitarbeiter M, zustande gekommen.

Unstreitig hat die Beklagte durch ihren Mitarbeiter M den Kläger im Zusammenhang mit seiner Altersversorgung beraten. Wenn dann auf die unstreitige konkrete Nachfrage des Klägers, ob der Zeuge M, eine andere Form der Altersvorsorge empfehlen kann, dieser den Kläger auf die Anlagemöglichkeit S verweist, ist dies ein Ratschlag, der im Hinblick auf die eigene Entscheidungsfindung des Klägers erfolgt und damit im Kontext der Suche des Klägers nach geeigneter Anlage seiner liquiden Mittel für die Altersversorgung steht; insofern ist dieser Vorschlag vom Empfängerhorizont des Klägers nicht anders als eine Leistung der Beklagten im Rahmen der Beratung zu verstehen.

Dieses Ergebnis wird auch nicht erschüttert durch den Vortrag der Beklagten, ihr Mitarbeiter M habe nur den Kontakt zu Rechtsanwalt S hergestellt. Zum einen spricht schon nicht gegen einen Beratungsvertrag, dass der Kläger die eigentlichen Anlageverträge unmittelbar mit Rechtsanwalt S selbst schließt, denn die Beratung erfolgt typischerweise zur Vorbereitung einer dann selbst vom Anleger als Vertragspartner eingegangenen Anlageentscheidung. Zum anderen steht eine Beratung des Klägers durch die Beklagte in Übereinstimmung mit den sonstigen unstreitigen oder festgestellten Umständen:

(1) Unstreitig hat der Zeuge M den Kläger Ende des Jahres 2006 kontaktiert und ihm erstmals den Namen „S“ genannt sowie den Umstand mitgeteilt, dass dieser sich mit Kapitalanlagen befasse und die Möglichkeit der Anlage bestehe.

(2) Auch die unstreitige Vorgeschichte spricht für den Abschluss eines Beratungsvertrages: Der Kläger stand über einen Zeitraum von rund 20 Jahren in geschäftlichem Kontakt zur Beklagten und wurde in Versicherungs- und Altersvorsorgeangelegenheiten von dem Zeugen M „betreut“. In diesem Zusammenhang erörterten der Kläger und der Zeuge M bereits im Jahr 2005 verschiedene Möglichkeiten der Geldanlage zur Altersvorsorge, ohne dass der Kläger sich für ein konkretes Produkt entschied. Der Zeuge M war auch derjenige, der den Kontakt zum Kläger aufrecht erhielt und ihn rund ein Jahr später darauf hinwies, dass es noch eine weitere Anlagemöglichkeit, nämlich über Herrn Rechtsanwalt S gebe. Der Kläger konnte und durfte daher davon ausgehen, die Beklagte, vertreten durch den langjährigen Berater M, dem er vertraute, berate ihn weiterhin über die Möglichkeiten einer Altersversorgung.

(3) Darüber hinaus steht für die Kammer auch fest, dass die Beklagte nicht nur an der erstmaligen Anlage des Klägers maßgeblich beteiligt war, sondern auch danach sämtliche (bis auf einen der) Verträge des Klägers mit S an diesen weitergeleitet hat, was nicht zu erwarten wäre, wenn sich die Weitergabe der Anlagemöglichkeit S nur auf eine quasi private Kontaktdatenübermittlung des Zeugen M beschränkt hätte. Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung ebenso wie im Rahmen seiner Vernehmung als Partei angegeben, er habe den ersten Vertrag, wie danach auch alle übrigen, gerade nicht von Herrn S persönlich, sondern über die Beklagte erhalten und diese auch unterschrieben an die Beklagte zurückgereicht. Das hat im Kern jedenfalls der Zeuge M selbst im Rahmen seiner Vernehmung nicht in Abrede genommen, sondern den klägerischen Vortrag auch insoweit bestätigt, als dass er die Telefonnummer des Klägers an S weitergegeben habe und danach mit Herrn S telefoniert und ihm den Kläger als weiteren Interessenten genannt habe. Dieses Verhalten des Mitarbeiters der Beklagten M, das weit über die Herstellung eines Kontaktes hinausgeht, widerspricht aber dem von der Beklagten dargestellten Bild, gerade nichts mit einem Kapitalanlagegeschäft zu tun gehabt zu haben.

(4) Hinzu kommt, dass diese Anlagemöglichkeit nicht allen Kunden, sondern nur Freunden, guten Bekannten und guten, langjährigen Kunden der Beklagten angeboten wurde, wie sowohl der Kläger im Rahmen seiner Anhörung und Vernehmung als Partei angegeben hat, als auch auf Nachfrage der Zeuge M bestätigt hat. Danach konnte der Kläger davon ausgehen, ein ausgewähltes Produkt für einen besonderen Kundenkreis angeboten bekommen zu haben.

(5) Schließlich unterstreicht der teilweise vom Kläger bezeichnete Verwendungszweck seiner Einzahlungen als „Anlage <Kürzel der Bekl>“ (Bl. 9, 21, 33 SH I), und „<Kürzel der Bekl>“ (Bl. 27 SH I), dass er die Anlage auf der Grundlage der Gespräche mit dem Mitarbeiter der Beklagten bedient.

(6) Der Annahme eines Beratungsvertrages steht auch nicht etwa entgegen, dass - was als wahr unterstellt werden kann - die Beklagte keine Vergütung von Rechtsanwalt S erhalten hat. Eine Provision oder (Rück-)Vergütung von Seiten des Anlageobjekts ist keineswegs Eingangsvoraussetzung für die Annahme eines Beratungsvertrages noch stellt dieser Umstand hier gegenüber den vorstehenden Gesamtumständen ein tragfähiges Indiz gegen einen Beratungsvertrag dar. Insbesondere kann entgegen der Auffassung der Beklagten mitnichten etwa eine Gefälligkeit in der Empfehlung der Anlage bei Rechtsanwalt S gesehen werden. Dagegen spricht bereits die erkennbare wirtschaftliche Tragweite eines solchen Tipps durch ein Beratungsunternehmen.

c) Die Beklagte hat auch ihre Pflicht aus dem Anlageberatungsvertrag verletzt.

Der Anlageberater schuldet eine objekt- und anlegergerechte Beratung. Er ist nicht lediglich dazu verpflichtet, die der Information des Anlegers dienenden Unterlagen, insbesondere Prospekte darauf zu prüfen, ob sich aus ihnen ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt ergibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand feststellen kann, sachlich vollständig und richtig sind. Der Anlageberater ist zu mehr als einer solchen Plausibilitätsprüfung verpflichtet. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich seine Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Entscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Er muss deshalb eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischem Sachverstand prüfen oder den Anlageinteressenten auf ein diesbezügliches Unterlassen hinweisen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 29.04.2014 - Az. XI ZR 130/13; Urteil vom 01.12.2011 - III ZR 56/11, juris, Rn. 10).

Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalles ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissenstand, die Risikobereitschaft, die Erfahrungen, der Anlagezweck und die Anlageziele des Kunden, die der Berater zu erfragen hat. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte den Kläger fehlerhaft beraten.

Schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten, den auch der Zeuge M im Rahmen seiner Vernehmung bestätigt hat, hat die Beklagte den Kläger weder über den genauen Inhalt noch über die mit der Anlagemöglichkeit verbundenen Risiken aufgeklärt, was pflichtwidrig war. Für pflichtwidrig hält die Kammer insbesondere den Umstand, dass die Beklagte durch ihren Mitarbeiter M diese Anlage ins Spiel gebracht hat, ohne zumindest das naheliegende Problem beleuchtet zu haben, dass der Kläger damit ungesichert unter Umständen erhebliches Geldvermögen einer nicht näher bekannten Privatperson als Vermögensverwalter überweist, von dem nicht einmal eine Anlagestrategie, eine Risikoklassifizierung oder sonstige Informationen bekannt gegeben werden konnten. Zwar hat sich der Kläger mit einer solch marginalen Beschreibung der Anlage zufrieden gegeben; dies ist jedoch unter keinen hier relevanten Umständen ausreichend, etwa auf einen Verzicht auf die Aufklärung über solche die Anlageentscheidung beeinflussenden Faktoren durch den Kläger zu schließen. Abgesehen davon, dass die Beklagte solche Umstände nicht vorträgt, gilt dies umso mehr, als der Kläger nach seinen Angaben im Rahmen seiner Anhörung und Vernehmung als Partei sogar mehrmals nach der Sicherheit dieser Anlage gefragt hat, was die Kammer ihm ohne Zweifel abnimmt, weil ja seine Altersversorgung von der Sicherheit der Einzahlungen abhing. Unter diesen Umständen kommt nur noch erschwerend hinzu, dass der Zeuge M nach den Angaben des Klägers in seiner Anhörung, auf die er bei der Vernehmung als Partei Bezug genommen hat, bei der Vorstellung der „Anlageform S“ dann auch damit geworben habe, dass sie schon lange mit Herrn S zusammenarbeiten würden und dass es sich um eine ganz sichere Sache handele, wobei auch die Kammer diese Angabe des Klägers insoweit für schlüssig und nachvollziehbar hält.

Außerdem hat pflichtwidrig keinerlei Überprüfung der Anlageform auf Schlüssigkeit und Plausibilität, Risikoumfang oder sonstige Umstände stattgefunden. Der Zeuge M hat dazu ausgeführt, dass ihm der in dem jeweiligen Vertragsformular enthaltenen Passus, wonach das „angelegte Kapital dem Verwalter zur Anlage auf den internationalen Anleihemärkten einschließlich des Abschlusses etwaiger Kurssicherungsgeschäfte zur Verfügung“ stehe, völlig ausgereicht habe.

d) Die Beratungspflichtverletzung war auch kausal für die Anlageentscheidung des Klägers. Für einen solchen Ursachenzusammenhang zwischen der Beratungspflichtverletzung und der Anlageentscheidung streitet eine durch die Lebenserfahrung begründete (tatsächliche) Vermutung. Derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Anhaltspunkte, die die Vermutung entkräften würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

e) Gemäß § 280 BGB wird ein Verschulden der Beklagten vermutet. Anhaltspunkte für ein fehlendes Verschulden sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

f) Schließlich kann dem Kläger auch nicht als Mitverschulden angelastet werden, dass er nicht selbst erkannt hat, dass er mit einer Privatperson über sein Vermögen kontrahiert, und dass er damit das diesbezügliche Insolvenzrisiko hätte selbst erkennen können oder müssen, wie die Beklagte in ihrem nachgelassenen Schriftsatz zu meinen scheint.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Informationspflichtige dem Geschädigten grundsätzlich nicht nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten, er habe den Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb für den entstandenen Schaden mitverantwortlich. Die gegenteilige Annahme stünde im Widerspruch zum Grundgedanken der Aufklärungs- und Beratungspflicht, auf deren Richtigkeit und Vollständigkeit sich der Anleger regelmäßig verlassen darf (BGH, Urt. v. 8. Juli 2010, Az. III ZR 249/09; Urt. v. 13. Januar 2004, Az. XI ZR 355/02 - zitiert nach juris). Dies gilt umso mehr, als nach der obigen Feststellung hier der Zeuge M den nach der Sicherheit der Anlage fragenden Kläger damit beruhigt hat, dass die Anlage sicher sei und sich schließlich auch Mitglieder der Beklagten an dieser Anlageform beteiligen würden.

Dass der Kläger selbst „am Anfang noch ein wenig unsicher“ gewesen ist, belegt ebenfalls kein Mitverschulden. Denn er hat unstreitig keinen einzigen Hinweis auf ein Risiko im Zusammenhang mit der Anlage von der Beklagten erhalten. Dass der Kläger die Risiken selbst erkannt und sich darüber weggesetzt hätte, ergibt sich aus den festgestellten Umständen nämlich gerade nicht.

g) Dem Kläger ist auch durch das Beratungsverschulden der Beklagten ein Schaden entstanden. Er besteht in der für ihn nachteiligen (weil risikoreichen) Vermögensanlage bei Rechtsanwalt S, in die er nach seinem Vortrag 210.000 € eingezahlt hat. Davon hat er Einzahlungen in Höhe von zumindest 170.000 € in diesem Rechtsstreit belegt, so dass - ohne dass die Schadenshöhe hier konkret festgestellt werden müsste - jedenfalls irgendein Schaden übrigbleiben wird.

III.

Die nachgelassenen Schriftsätze der Parteien geben der Kammer nach pflichtgemäßem Ermessen keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. Soweit die Beklagte darüber hinaus nicht nachgelassen neue Tatsachen vorträgt, können diese nicht bei der Entscheidung berücksichtigt werden; sie ist mit ihnen gem. § 296a ZPO ausgeschlossen, weil auch insoweit eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung weder nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 156 Abs. 1 noch nach Abs. 2 ZPO geboten ist.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund des § 709 Satz 1 und 2 ZPO.