Landgericht Aurich
Urt. v. 04.06.2008, Az.: 2 O 594/06

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
04.06.2008
Aktenzeichen
2 O 594/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 43106
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGAURIC:2008:0604.2O594.06.0A

Fundstelle

  • WM 2009, 1102-1104

In dem Rechtsstreit

...

wegen Bürgschaft

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich auf die mündliche Verhandlung vom 23.04.2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht Böttcher,

den Richter am Landgericht Dr. Janke und

die Richterin Dr. Paulke

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 127 822,97 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Bürgin von 4 Firmen der O....-Gruppe in Anspruch.

2

Die Beklagte schloss mit der Klägerin am 02.04.2001 eine Vereinbarung, durch welche sie eine betragsmäßig beschränkte selbstschuldnerische Einzelbürgschaft gegenüber der Klägerin und zwar bis zu einem Betrag in Höhe von 250 000,00 DM zur Absicherung diverser, der O....-Gruppe von der Klägerin gewährter Darlehen, übernahm. Wegen der einzelnen Darlehen wird auf den Schriftsatz vom 10.07.2007, wegen der geschlossenen Vereinbarung auf die Anlage K1 verwiesen. Die durch die Bürgschaft besicherten Forderungen stellte die Klägerin im Hinblick auf die (drohende) Insolvenz der O.... Firmengruppe im Februar bzw. April 2002 fällig. Im weiteren schlossen die Parteien am 15./16.08.2001 eine Sanierungsvereinbarung, mit welcher sich die Beklagte zur Zahlung von 250 000,00 DM gegenüber der Klägerin verpflichtete. Hinsichtlich des Inhaltes der Vereinbarung wird auf die Anlage B2 Bezug genommen. Die Klägerin fiel mit ihren Forderungen aus. Sie meldete die Forderungen zur Insolvenztabelle an. Die Forderung wurde in vollem Umfang für den Ausfall festgestellt. Mit Schreiben vom 20.07.2005 nahm die Klägerin die Beklagte als Bürgin in Anspruch. Die Beklagte leistete keine Zahlungen.

3

Auf Antrag der Klägerin hat das Mahngericht am 23.12.2005 einen Mahnbescheid über die Hauptforderung in Höhe von 127 822,97 EUR erlassen, welcher der Beklagten am 30.12.2005 zugestellt worden ist. Die Hauptforderung war darin wie folgt bezeichnet:

"Bürgschaft gem. Bürgschaft vom 02.04.01".

4

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 127 822,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 01.09.2005 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Originals der Bürgschaftserklärung vom 02.04.2001.

5

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Sie erhebt in erster Linie die Einrede der Verjährung und ist der Ansicht, dass mangels hinreichender Bezeichnung des der Bürgschaftsforderung zu Grunde liegenden Darlehens die Verjährung nicht gehemmt worden sei. Zudem behauptet die Beklagte, dass sie durch Zahlung der 250 000,00 DM im Hinblick auf die Sanierungsvereinbarung vom 16.08.2001 zugleich die von ihr mit Vereinbarung vom 02.04.2001 übernommene Bürgschaftsschuld erfüllt habe.

7

Gegenüber der Verjährungseinrede hat die Klägerin eingewandt, dass dieser § 197 Abs. 1 Ziffer 5 BGB entgegenstehe. Zudem sei die Fälligkeit des Bürgschaftsanspruches vom Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Bürgen abhängig zu machen.

8

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschlusses vom 29.10.2007 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen W..... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.04.2008 verwiesen.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

11

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte durch unstreitige Erfüllung der Sanierungsvereinbarung vom 15./16.08.2001 zugleich ihre Bürgschaftsschuld im Hinblick auf die Vereinbarung vom 02.04.2001 erfüllt hat, denn jedenfalls ist der eingeklagte Anspruch aus §§ 765 Abs. 1, 767 Abs. 1 BGB verjährt.

12

Verjährung trat mit Ablauf des 31.12.2005 ein. Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist begann gemäß § 199 BGB mit dem Jahresende 2002 zu laufen. Der Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen verjährt selbständig nach §§ 195, 199 BGB. Auf die Verjährung der Hauptschuld kommt es nicht an (vgl. MüKo-BGB/Habersack, 4. Aufl., § 765, 82 m.w.N.). Insoweit gelangt auch § 197 Abs. 1 Nr. 5 BGB nicht zur Anwendung, da dieser lediglich die Hauptschuld, jedoch nicht den Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen betrifft. Die Verjährung begann folglich mit der Fälligkeit der Bürgschaftsforderung, bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft demgemäss mit Fälligkeit der gesicherten Forderung. Vorliegend erfolgte die Fälligstellung der Darlehen, für welche sich die Beklagte verbürgt hatte, unstreitig im Februar bzw. April 2002. Mit Fälligstellung der Darlehen wurde zeitgleich ebenfalls die Bürgschaftsschuld der Beklagten fällig. Einer gesonderten Leistungsanforderung der Klägerin bedurfte es nicht mehr (so auch Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl. § 765, Rn. 26; § 199, Rn. 3; MüKo/Habersack, BGB § 765, Rn. 82, § 199, Rn. 7).

13

Die Verjährung ist auch nicht durch Zustellung des Mahnbescheides an die Beklagte am 30.12.2005 gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, 167 ZPO gehemmt worden. Der von der Klägerin erwirkte Mahnbescheid genügte den Individualisierungsanforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht. Eine Hemmung tritt nach ständiger Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nur dann ein, wenn der im Mahnbescheidsverfahren geltend gemachte Anspruch als hinreichend konkretisiert und individualisiert im Sinne von § 690 Abs. 1 ZPO anzusehen ist ( BGH, NJW 96, 2152; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. § 204, Rn. 18 m.w.N.). Der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch muss demnach durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, dass er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzten will oder nicht (vgl. BGH, NJW 96, 2152 (2153), NJW 1993, 862 (863) [BGH 17.12.1992 - VII ZR 84/92], NJW 92, 1111). Der Schuldner muss bereits im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides erkennen können, woraus der Gläubiger seinen Anspruch herleiten will, um eine sachgerechte Entscheidung innerhalb der Widerspruchsfrist treffen zu können.

14

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Wann den bezeichneten Anforderungen Genüge getan ist, kann grundsätzlich nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben einzelfallbezogen von dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsverhältnis sowie der Art des Anspruches ab ( BGH, Urteile vom 30.11.1999 - VI ZR 207/98, WM 2000, 686; vom 17.10.2000 - XI ZR 312/99, NJW 2008, 1220 f.m.w.N.).

15

Die Klägerin stützte ihren Mahnbescheidsantrag allgemein, und ohne nähere Konkretisierungen vorgenommen zu haben, auf die "Bürgschaft vom 02.04.2001". Mit der gewählten Bezeichnung war es der Beklagten im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides nicht möglich zu erkennen, woraus die Klägerin ihren Anspruch herleiten wollte. Die Beklagte hatte sich in der Bürgschaftserklärung vom 02.04.2001 nicht für eine Forderung eines Gläubigers, sondern zugleich für Darlehensforderungen der Klägerin und anderer Kreditinstitute gegen vier Firmen der O....-Gruppe bis zur Höchstsumme von 250 000,00 DM verbürgt. Die Bezeichnung "Bürgschaft vom 02.04.2001" kennzeichnete daher nur einen Bruchteil des dem geltend gemachten Anspruch zu Grunde liegenden Lebenssachverhaltes und verkürzte diesen in unzulässiger Weise. Entscheidend ist hierbei nach Auffassung der Kammer, dass dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ein Bürgschaftsverhältnis zu Grunde liegt. Aufgrund der strengen Akzessorietät zwischen Forderung und Bürgschaft teilt die Bürgschaft stets das Schicksal der Forderung, d.h. die Bürgschaft ist vom Bestand der durch sie gesicherten Forderung(en) abhängig, § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB. Daraus ergibt sich - anders als etwa bei Zugewinnausgleichsansprüchen (vgl. BGH NJW 96, 2152 f.) oder Schadensersatzforderungen aus einem Wohnraummietvertrag (vgl. NJW 2008, 1220 f. [BGH 23.01.2008 - VIII ZR 46/07]) - die Notwendigkeit, dass bereits aus dem Mahnantrag hervorgeht, wegen welcher Forderung der Bürge herangezogen werden soll (ähnlich BGH NJW 2001, 305 f. [BGH 17.10.2000 - XI ZR 312/99]).

16

Dies gilt umso mehr, wenn sich der Bürge, wie hier die Beklagte, für zahlreiche Forderungen diverser Gläubiger verbürgt hat. Denn nur so ist es dem Bürgen in der ihm gegebenen beschränkten Frist möglich zu überprüfen, für welche Verbindlichkeit die Bürgschaft geleistet werden soll, ob die verbürgten Forderungen noch im vollem Umfang existieren oder erloschen bzw. in sonstiger Weise einredebehaftet sind, und zu entscheiden, ob und gegen welchen konkreten Anspruch er sich zur Wehr setzen, d.h. Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegen will. Anhand der gewählten Bezeichnung vermochte die Beklagte dem Mahnbescheid nicht einmal im Ansatz zu entnehmen, wegen welcher Forderung der Bürgschaftsfall eingetreten sein sollte. So wurde erst mit Schriftsatz der Klägerin vom 25.00.2006 für die Beklagte erkennbar, dass sie beispielsweise nicht für die Forderungen gegen die Firma ... O.... GmbH Emden in Anspruch genommen werden sollte.

17

Die Notwendigkeit der Kenntnis von der Forderung, für welche der Bürge haften soll, ist für die Beklagte auch insoweit bedeutsam, als dass es ihr nur so möglich ist, sich bereits frühzeitig über ihre Verteidigungsmöglichkeiten hinsichtlich Einreden und Rückgriffsmöglichkeiten beim (jeweiligen) Schuldner zu informieren.

18

Dem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die O....-Gruppe in Insolvenz gefallen ist. Unstreitig mag es dort zu einem Auseinanderfallen von besicherter Hauptforderung und Bürgschaft kommen. Doch streitet auch dieses Argument dafür, dass die Forderung, für welche der Bürge in Anspruch genommen wird, für ihn hinreichend erkennbar sein muss, um sich vergewissern zu können, ob die Forderung bereits erloschen, erlassen oder herabgesetzt wurde.

19

Vorliegend erfolgte eine Konkretisierung des dem Anspruch zu Grunde liegenden Sachverhaltes erst durch Schriftsatz der Klägerin vom 25.08.2006. Dieser wirkte jedoch nicht ex tunc auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit zurück.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Böttcher
Dr. Janke
Dr. Paulke