Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 04.12.2002, Az.: 8 A 546/01
Armenier; Aserbaidschan; Ausländer; russische Föderation; Russland; Staatenlosigkeit; Staatsangehörigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 04.12.2002
- Aktenzeichen
- 8 A 546/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43862
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 AsylVfG
- § 34 AsylVfG
- § 50 Abs 2 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine nur formale Registrierung in Aserbaidschan bei faktisch anderweitigem Wohnsitz reichte für den Staatsangehörigkeitserwerb nach Art. 4 1. Alt. des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 1990 nicht aus.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig
vollstreckbar.
Die Kläger können eine Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Kläger sind armenische Volkszugehörige, die geltend machen, die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit zu besitzen.
Nach den Angaben der Kläger zu 1) und zu 2) verließen sie am 10. September 2001 mit einem Lkw die Russische Föderation und gelangten über ihnen unbekannte Länder am 14. September 2001 ins Bundesgebiet.
Am 19. September 2001 stellten sie Asylanträge. Aus diesem Anlass wurden sie über ihre Mitwirkungspflichten belehrt. Die Belehrung enthielt unter anderem den Hinweis: "Sie müssen vortragen, aus welchen Gründen Sie Furcht vor politischer Verfolgung haben und deshalb Asyl beantragen und welche sonstigen Tatsachen und Umstände einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat entgegenstehen. Wichtig ist, dass Sie Ihr persönliches Schicksal und die Ihnen konkret drohenden Gefahren bei einer Rückkehr vollständig und wahrheitsgemäß darlegen. ... Sollten Sie Verständigungsprobleme haben, oder aus gesundheitlichen Gründen der Anhörung nicht folgen können, sagen Sie dies dem Mitarbeiter des Bundesamtes. ... Soweit es für Sie aus persönlichen Gründen erforderlich ist, kann die Anhörung durch eine weibliche Einzelentscheiderin - soweit möglich unter Hinzuziehung einer weiblichen Dolmetscherin - durchgeführt oder fortgeführt werden. Das Bundesamt hat für den Bereich geschlechtsspezifischer Menschenrechtsverletzungen (z.B. Vergewaltigung, sonstige sexuelle Misshandlung, drohende Genitalverstümmelung) speziell geschulte Einzelentscheiderinnen. Bitte äußern Sie einen entsprechenden Wunsch möglichst frühzeitig vor der Anhörung."
Am 24. September 2001 fand die Anhörung der Kläger zu 1) und zu 2) bei dem Bundesamt statt. Diese bestätigten auf Nachfrage, dass sie sich mit dem Sprachmittler verständigen könnten und ihnen der Inhalt der bei der Antragstellung ausgehändigten "Wichtigen Mitteilung - Belehrung für Erstantragsteller" bekannt sei und sie ihn verstanden hätten.
Im Rahmen der Anhörung machte der Kläger zu 1) laut Niederschrift Folgendes geltend: Er sei aserbaidschanischer Staatsangehöriger und im Dorf T., Geb. Kh., geboren. In diesem Dorf habe er von seiner Geburt bis zum Januar 1989 gewohnt. Im Jahre 1988 sei er in Russland gewesen. Er habe von der Situation in Aserbaidschan gehört und sei dann schnell ins Dorf gekommen, um seine Frau zu heiraten. Zirka 20 Tage sei er 1989 im Dorf gewesen. Am 05. Januar 1989 hätten sie standesamtlich geheiratet. Am 06. Januar 1989 hätten sie zusammen Aserbaidschan verlassen. Er und seine Frau seien mit einem Pkw zuerst nach Tiflis und dann mit einem Zug nach Moskau gefahren. Seit dem 06. Januar 1989 habe er sich in Aserbaidschan nicht abgemeldet. Er sei seither dort auch nicht mehr gewesen. Seit dem 06. Januar 1989 habe er auch keinen Kontakt mit inländischen oder sich im Ausland befindenden aserbaidschanischen Behörden gehabt. Seit 1989 bis zum Jahre 2000 habe er eine Anmeldung in der Russischen Föderation gehabt. Sie hätten dort in der Stadt O. gewohnt. Er sei angemeldet gewesen und habe jedes zweite, dritte Jahr seine Anmeldung erneuern müssen. Bis zum Jahr 2000 sei er bei den Behörden, in dem Ort, wo sie gewohnt hätten, angemeldet gewesen. Als ihnen im Jahr 2000 die Personaldokumente gestohlen worden seien, habe er keine Anmeldung mehr bekommen. Im Oktober 2000 sei ihm der Pass gestohlen worden. Seitdem habe man ihm jede Anmeldung verweigert. Er sei in O. beim Ordnungsamt gewesen. Man habe gesagt, er solle Russland verlassen. Schriftlich habe er sich um eine Anmeldung nicht bemüht. Er sei dort nur persönlich gewesen. Er habe sich auch nicht offiziell um eine Anmeldung bemüht, da das keinen Sinn gehabt habe. Nach dem Jahr 2000 habe er sich nicht persönlich um eine Anmeldung zu bekommen an die russischen Behörden gewandt. Er habe nicht mehr angemeldet werden können und sein Antrag auf Anmeldung sei abgelehnt worden. Er habe auch Geldstrafe zahlen müssen und sei fünf-, sechsmal festgenommen worden. Er habe 20 bis 100 Dollar bezahlen müssen und dann weitergehen dürfen. Beispielsweise sei er im Zuge einer Straßenkontrolle nach seinen Personaldokumenten befragt worden. Er habe kein Personaldokument mehr gehabt und habe den Polizisten dann sein ganzes Geld geben müssen. Eine Quittung habe er nicht bekommen. Er habe sich nirgendwo beschwert oder um Hilfe nachgesucht, weil er dort illegal gewesen sei. Im September 2001 sei er ausgereist, weil einige Landsleute ihm gesagt hätten, dass man in Deutschland arbeiten könne. Er habe nicht gewusst, was er weiter illegal in der Russischen Föderation machen solle, und sei deswegen zusammen mit den Kindern und seiner Frau ausgereist. Für die Kinder mache er seine eigenen Asylgründe geltend. Darüber hinaus hätten sie die Schule nicht besuchen dürfen. Für den Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation fürchte er direkt nichts. Nur werde er dort wieder ohne Anmeldung illegal leben müssen.
Die Klägerin zu 2) gab im Rahmen ihrer Anhörung laut Niederschrift Folgendes an: Sie sei aserbaidschanische Staatsangehörige und im Dorf A. geboren. 1982 sei ihr in Aserbaidschan ein Personalausweis ausgestellt worden. Er sei ihr jedoch im Oktober 2000 an dem Ort, wo sie in der Russischen Föderation gewohnt hätten, gestohlen worden. Sie selbst und ihr Ehemann hätten zuerst in Aserbaidschan im Dorf Taschkent und dann in der Russischen Föderation in der Nähe von Moskau in dem Dorf O. Str. L. gewohnt. In dem russischen Ort hätten sie seit 1989 bis zum September 2001 gewohnt. Dort seien auch die Kinder geboren worden. Am 06. Januar 1989 habe sie zusammen mit ihrem Ehemann ihren Wohnort in Aserbaidschan verlassen. Seit 1989 sei sie in Aserbaidschan nicht mehr gewesen und habe auch keinen Kontakt mit aserbaidschanischen Behörden im Inland oder Ausland gehabt. Ausgereist sei sie ehedem wegen des Krieges. Man habe die Eltern ihres Mannes und auch ihre Eltern umgebracht. Deswegen seien sie in die Russische Föderation ausgereist. Seit ihrer Einreise bis zum Jahr 2000 seien sie in der Russischen Föderation angemeldet gewesen. Im Jahre 2000 hätten sie sich um eine Anmeldung bemüht. Leider seien ihre Personalausweise gestohlen worden, so dass sie keine Anmeldung hätten bekommen können. Bis zur Ausreise aus der Russischen Föderation hätten sie außer der "Anmeldung" Probleme mit russischen Behörden nicht gehabt. In der Zeit, in der sie unter der oben angegebenen Adresse angemeldet gewesen seien, sei in ihren Personalausweis die Adresse eingetragen worden. Die Russische Föderation hätten sie im September 2001 verlassen, weil sie Probleme mit der Anmeldung gehabt hätten. Ein weiteres Leben dort sei für sie nicht möglich gewesen. Sie hätten nicht bleiben dürfen. Für die Kinder mache sie die eigenen Asylgründe geltend. Außerdem hätten jene die Schule nicht besuchen dürfen. Für den Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation befürchte sie, die gleichen Probleme zu bekommen.
Übereinstimmend erklärten die Kläger zu 1) und zu 2) seit 1989 bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland die Russische Föderation weder verlassen noch die russische Staatsbürgerschaft ausgeschlagen bzw. schriftlich abgelehnt zu haben. Auch zeichneten diese beiden Kläger ein Beiblatt zur Niederschrift zu ihrer Anhörung beim Bundesamt ab. In diesem Beiblatt erklärten sie, dass die Anhörung auf Tonträger diktiert und ihnen rückübersetzt worden sei. Die rückübersetzte Aufzeichnung entspreche ihren Angaben. Es habe keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Anträge der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen. Die Kläger wurden unter Fristsetzung aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihnen die Abschiebung in die Russische Föderation angedroht.
Nach Zustellung des Bescheides am 29. Oktober 2001 haben die Kläger am 09. November 2001 den Verwaltungsrechtsweg beschritten.
Sie behaupten, dass ihre Wohnsitzmeldung in der Russischen Föderation nicht alle zwei bis drei Jahre verlängert worden sei, sondern alle zwei bis drei Monate. Auch sei die Adresse nicht in den Personalausweis eingetragen worden, weil sie zum einen nicht im Besitz eines Personalausweises, sondern alter sowjetischer Inlandspässe gewesen seien und zum anderen die befristete Anmeldung von der örtlichen Miliz auf einem Extrapapier der Gestalt bescheinigt worden sei, dass Name, Vorname, frühere Anschrift in Aserbaidschan und aktuelle Anschrift aufgenommen worden seien. Bei einer förmlichen Anmeldung mit ständigem Wohnsitz in Russland wäre die förmliche Anmeldung des ständigen Wohnsitzes und Registrierung bei den zuständigen Dienststellen des Innenministeriums erforderlich gewesen. Eine derartige förmliche Anmeldung sei bei ihnen nicht gegeben. Vor ihrer Ausreise aus Russland sei die Klägerin zu 2) am 03. September 2001 wegen ihrer Volkszugehörigkeit in ihrer Wohnung von zwei Männern vergewaltigt worden. Der Kläger zu 1) habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Hause befunden, sondern sei hinzugekommen, als die Tat geschah, und habe einen der Täter mit einem Küchenmesser umgebracht. Der andere Mann habe fliehen können. Dieses Ereignis sei mit ausschlaggebend für die Ausreise aus Russland gewesen. Die Kläger zu 1) und 2) hätten davon in der Anhörung bei dem Bundesamt nichts berichtet, weil die Klägerin zu 2) aufgrund der Vergewaltigung unter Herzproblemen, nervlichen Problemen und Angst leide. Sie habe an den Vorfall nicht mehr erinnert werden wollen und ihren Mann vorher gebeten, nichts zu erzählen. Da die Kläger zu 1) und 2) in Aserbaidschan geboren seien, hätten sie mit ihrer Geburt die sowjetische Unionsangehörigkeit und die Republikzugehörigkeit Aserbaidschans erworben. Sie seien mit Wohnsitz in Aserbaidschan gemeldet gewesen und noch immer gemeldet und hätten dort einen sowjetischen Inlandspass erhalten. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes "Über die Staatsangehörigkeit der aserbaidschanischen Republik" am 01. Januar 1991 seien sie automatisch aserbaidschanische Staatsangehörige geworden. Da sie sich vor ihrer Flucht in Aserbaidschan nicht abgemeldet hätten, bestehe diese Staatsangehörigkeit fort. Insoweit wird wegen weiterer Einzelheiten der Rechtsauffassung der Kläger auf deren Schriftsatz vom 20. November 2002 verwiesen. Die russische Staatsangehörigkeit hätten sie gemäß Art. 13 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderativen Sozialistischen Republik vom 28. November 1991 nicht erworben, da sie am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht ständig auf dem Territorium der RFSR gelebt hätten. Für die Begründung eines ständigen Wohnsitzes sei nämlich eine ständige Anmeldung erforderlich, die sie nicht besessen hätten. Die Kläger zu 3) und zu 4) seien aserbaidschanische Staatsangehörige nach ihren Eltern. Die Eltern hätten Aserbaidschan ehedem vorverfolgt verlassen, weil ein Übergriff unmittelbar bevorgestanden habe. Sie seien auch gegenwärtig in Aserbaidschan als armenische Volkszugehörige nicht hinreichend sicher. Für die Kläger zu 3) und zu 4) bestehe eine Gefahr der mittelbaren staatlichen Verfolgung aufgrund ihrer armenischen Volkszugehörigkeit. Ihnen, den Klägern, stehe namentlich in Berg-Karabach eine inländische Fluchtalternative nicht zur Verfügung. Zwar sei hinsichtlich der Verfolgungsprognose nicht auf Russland, sondern auf Aserbaidschan abzustellen, aber auch mit Blick auf Russland liege wegen der Vergewaltigung der Klägerin zu 2) und deren gesundheitlicher Situation ein Abschiebungshindernis vor. Die Klägerin zu 2) sei krank und aus diesem Grunde für die Kläger eine Rückkehr nach Russland unzumutbar. Auch wäre aufgrund des bisherigen illegalen Aufenthalts in Russland nur wieder ein illegaler dortiger Aufenthalt möglich. Von der medizinischen Versorgung wären sie, die Kläger, daher ausgeschlossen. Im Übrigen wäre allein wegen ihres illegalen Aufenthalts in Russland ein Abschiebungshindernis gegeben, da ihnen keine Möglichkeit gegeben worden sei, den Aufenthalt dort zu legalisieren. Die russische Regierung habe Sprengstoffanschläge auf einige Wohnhäuser zum Anlass für die Einleitung einer Verfolgung gegen Menschen "kaukasischer Nationalität" genommen und es finde heute in Russland eine Verfolgung nach rassischen Merkmalen statt. Die erlassene Abschiebungsandrohung sei von vornherein rechtswidrig, weil die Beklagte die Aufnahmebereitschaft und Aufnahmeverpflichtung des russischen Staates nicht geprüft habe. Jedenfalls sei die Androhung ermessensfehlerhaft ergangen.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 25. Oktober 2001 zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung des angegriffenen Bescheides,
die Klage abzuweisen.
Die Kläger zu 1) und zu 2) sind in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Wegen der Ergebnisse dieser Anhörungen wird auf die Sitzungsniederschriften vom 30. Oktober und 4. Dezember 2002 verwiesen.
Das Gericht hat verschiedene Beweisanträge der Kläger abgelehnt. Auch insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die genannten Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die Voraussetzungen für Ansprüche der Kläger auf Feststellungen (der Beklagten), dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen, nicht gegeben sind und die ergangene Abschiebungsandrohung keine Rechte der Kläger verletzt.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind im Falle der Kläger nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob die Kläger, die jedenfalls die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit nicht besitzen, russische Staatsangehörige oder staatenlos sind, sowie ferner, ob die Russische Föderation im letztgenannten Falle wegen einer Überlastung mit Flüchtlingen ihrer Wiedereinreise die Zustimmung versagen wird.
Ausgangspunkt eines Anspruchs nach § 51 Abs. 1 AuslG ist die in die Zukunft gerichtete Prüfung der Frage, ob der Flüchtling im Fall seiner Rückkehr - erstmals oder erneut - politischer Verfolgung ausgesetzt sein würde, durch die er in eine den Schutz des § 51 Abs. 1 AuslG rechtfertigende Notlage geriete. Das setzt einen Staat voraus, in den der Schutzsuchende in rechtlich zulässiger Weise zurückkehren könnte (BVerwG, Urt. v. 15. 10. 1985 - BVerwG 9 C 30.85 -, NVwZ 1986, 759 [759]).
Soweit der Ausländer eine Staatsangehörigkeit besitzt, ist grundsätzlich Gegenstand der Prüfung, ob dem Flüchtling im Land seiner Staatsangehörigkeit die in § 51 Abs. 1 AuslG bezeichneten Gefahren drohen (§ 3 AsylVfG). Nur auf die Verhältnisse in diesem Staat und nicht auf die Gegebenheiten in anderen Ländern kommt es für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs an. Derjenige, der in einem Drittstaat politisch verfolgt worden ist oder dem dort eine solche Verfolgung droht, kann den Schutz des Staates in Anspruch nehmen, dem er angehört. Einen Schutz vor politischer Verfolgung besitzt er im Ausland nur dann, wenn er im Land seiner Staatsangehörigkeit keinen Schutz erhalten kann (BVerwG, Urt. vom 18. 10. 1983 - BVerwG 9 C 156.80 -, NVwZ 1984, 244 [244]).
Bei Personen, die staatenlos sind, kommt es auf die Verhältnisse im Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts an (§ 3 AsylVfG). Allein der Umstand, dass der Staatenlose ihn verlässt und im Ausland um Asyl nachsucht, ändert daran nichts. Eine Änderung der rechtlichen Lage tritt jedoch ein, wenn der Staat den Staatenlosen ausweist oder die Wiedereinreise verweigert und dies aus Gründen tut, die nicht als politische Verfolgung qualifiziert werden können. Der Staat löst damit seine Beziehungen zu dem Staatenlosen und hört auf, für ihn das Land des gewöhnlichen Aufenthalts zu sein (BVerwG, Urt. Vom 15. 10. 1985 - BVerwG 9 C 30.85 -, NVwZ 1986, 759 [759]). In diesem Fall wird die Frage, ob dem Staatenlosen auf dem Territorium dieses Staates politische Verfolgung droht, unter verfolgungsrechtlichen Gesichtspunkten gegenstandslos. Staatenlose, die in eine solche Lage geraten sind, können mit Blick auf diesen Herkunftsstaat weder Asyl nach Art. 16a Abs. 1 GG noch Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 oder § 53 AuslG beanspruchen (BVerwG, Urt. Vom 15. 10. 1985 - BVerwG 9 C 30.85 -, NVwZ 1986, 759 [759]; Urt. vom 24. 10. 1995 - BVerwG 9 C 75.95 -, NVwZ-RR 1996, 471 [472] und Urt. vom 24.10. 1995 - BVerwG 9 C 3/95 -, NVwZ-RR 1996, 602 [603]).
Die Voraussetzungen des Schutzes vor Abschiebung nach § 51 Abs. 1 AuslG und eines Anspruchs auf Asyl aus Art. 16a Abs. 1 GG sind deckungsgleich, soweit es um die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut, den politischen Charakter der Verfolgung sowie den Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und dessen Herabstufung bei bereits vor der Ausreise aus dem der Rückkehrprognose zugrunde zu legenden Staat verfolgten Schutzsuchenden geht.
Die Kläger sind keine aserbaidschanischen Staatsangehörigen.
Soweit die Auffassung vertreten wird, dass nach dem am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Gesetz über die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit vom 26. Juni 1990 (aserStAngG 1990) grundsätzlich allein die Abstammung die Staatsangehörigkeit vermittelte (Universität Hamburg, Gutachten vom 15. 12. 1997 für das VG Augsburg), und zwar ohne territorialen Bezug, wenn beide Elternteile aserbaidschanische Staatsangehörige sind (Art. 12 aserStAngG 1990), und mit weiteren Erfordernissen, z. B. einer Geburt in Aserbaidschan, wenn nur ein Elternteil aserbaidschanischer Staatsangehöriger ist (Art. 13 aserStAngG 1990), galt dies nur für Personen, die nach dem Stichtag geboren wurden (vgl. IOR, Rechtsgutachten v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin, Seiten 7, 8) - und schon deshalb nicht für die Kläger zu 1) und zu 2). Aber auch die Kläger zu 3) und zu 4) können die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit nicht kraft Abstammung mit der Geburt erworben haben, da keines ihrer Elternteile diese Staatsangehörigkeit besaß.
Gemäß Art. 4 1. Alt. aserStAngG 1990 wurden allerdings Staatsangehörige Aserbaidschans auch "Personen die am Tage des In-Kraft-Tretens des vorliegenden Gesetzes" (d. h. des Staatsangehörigkeitsgesetzes) "Staatsangehörige der Aserbaidschanischen SSR" waren (Universität Hamburg, Gutachten vom 15. 12. 1997 für das VG Augsburg). Insoweit kam es auf den Wohnsitz an, weil man nach Art. 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der UdSSR vom 1. Dezember 1978 zwar die Staatsangehörigkeit der UdSSR grundsätzlich im Wege der Geburt erwarb, die Republiksangehörigkeit sich aber nach dem Wohnsitz richtete (Universität Hamburg, Gutachten vom 15. 12. 1997 für das VG Augsburg) und mit dessen Verlegung in eine andere Republik verloren ging (Universität Hamburg, Gutachten vom 7. 5. 1999 für das VG Schwerin). Vor diesem rechtlichen Hintergrund konnten die Kläger zu 1) und zu 2) die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit nicht gemäß Art. 4 1. Alt. aserStAngG 1990 am 1. Januar 1991 erwerben. Sie hatten nämlich zu diesem Zeitpunkt ihren (tatsächlichen) ständigen Wohnsitz schon seit längerem nicht mehr auf dem Gebiet der Aserbaidschanischen SSR, sondern in Odinzovo, Russland, und besaßen folglich die Republiksangehörigkeit der Aserbaidschanischen SSR nicht mehr. Eine etwa noch vorhandene formale Registrierung in Aserbaidschan - bei faktisch anderweitigem Wohnsitz - reichte für den Staatsangehörigkeitserwerb nach Art. 4 1. Alt. aserStAngG 1990 nicht hin (IOR, Rechtsgutachten v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin, Seite 3). Soweit demgegenüber die Kläger - unter anderem im Hinblick auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 16. September 1998 (gegenüber dem Bundesamt) - einen abweichenden Standpunkt einnehmen, vermag dieser das erkennende Gericht nicht zu überzeugen. Das von den Klägern zu Unrecht für unzulänglich gehaltene Rechtsgutachten des IOR v. 22. 11. 2000 legt nämlich im Einzelnen dar, dass sich der Regelungsgehalt des Art. 4 1. Alt. aserStAngG 1990 vor dem Hintergrund des zum Zeitpunkt der Ausreise der Kläger zu 1) und zu 2) aus Aserbaidschan noch gültigen sowjetischen Pass- und Melderechts erschließt. Gemäß diesem Melderecht war jeder, der seinen amtlich gemeldeten Wohnsitz für länger als 1,5 Monate verlassen wollte, verpflichtet, sich vor der Abreise bei der zuständigen Meldebehörde abzumelden. Dies diente offenkundig dem Zweck, dass der amtlich gemeldete ständige Wohnsitz mit dem tatsächlichen ständigen Wohnsitz übereinstimmte. Nach sowjetischem (und später aserbaidschanischem) Recht konnte jeder Bürger nämlich nicht mehrere Wohnsitze gleichzeitig haben. Hatte jemand also seinen tatsächlichen ständigen Wohnsitz an einem anderen Ort als demjenigen, an dem er offiziell gemeldet war, so lag im Fortbestehen der Meldung für einen Ort ohne tatsächlichen weiteren Aufenthalt ein rechtswidriger Zustand (vgl. IOR v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin, Seite 6). Schon deshalb liegt die Annahme fern, das aserbaidschanische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1990 habe an diesen rechtswidrigen Zustand die Rechtsfolge des Erwerbs der Staatsangehörigkeit knüpfen wollen. Das gilt zudem aus einem weiteren Grunde: International ist weitgehend anerkannt, dass doppelte Staatsangehörigkeiten unerwünscht und zu vermeiden sind. Zumal sich unter den verschiedenen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion eine Tendenz abzeichnete, die auf ihrem Territorium ansässigen ehemaligen Sowjetbürger - ohne Rücksicht auf deren Ethnie - zu eigenen Staatsbürgern zu erklären (vgl. IOR, Rechtsgutachten v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin, Seite 4), kann schon grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein solcher Nachfolgestaat (hier: Aserbaidschan) allenfalls dann ein Interesse hatte, auch Personen, die sich außerhalb seines eigenen Hoheitsgebiets in anderen Nachfolgestaaten aufhielten, als eigene Staatsangehörige in Anspruch zu nehmen, wenn diese Personen durch ein Band mit ihm verbunden waren, das in ihnen nützliche oder doch zumindest loyale Staatsbürger erwarten ließ. Aus der Sicht Aserbaidschans in dessen Kerngebiet sich nach den Vertreibungen, die im Zuge des Karabach-Konfliktes stattgefunden hatten, das ethnischen Übergewicht der Titularnation weiter verstärkt hatte, bestand zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes über die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit vom 26. Juni 1990 ein solches Interesse an den außer Landes gegangenen vormaligen Republiksangehörigen der Aserbaidschanischen SSR - also vornehmlich armenischen Volkszugehörigen - indessen nicht. Es liegt auch daher die Annahme fern, man habe allen Emigranten lediglich in Anknüpfung an eine etwa formal noch bestehende Meldung am letzten Wohnort in Aserbaidschan die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit zuerkennen wollen. Das dies nicht beabsichtigt war, lässt sich vielmehr auch aus der insoweit noch einmal klarstellenden Norm des Art. 5 1. Alt. des Gesetzes vom 30. September 1998 (aserStAngG 1998) folgern, durch das das aserbaidschanische Staatsangehörigkeitsrecht eine Neuregelung erfuhr (IOR, Rechtsgutachten v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin, Seite 3). Die Auslegung des aserbaidschanischen Rechts durch die Kläger trägt dagegen den aufgezeigten Gesichtspunkten der Einheit der aserbaidschanischen Rechtsordnung und der Teleologie des Staatsangehörigkeitserwerbs keine Rechnung. Es mag zwar sein, dass aserbaidschanische Behörden bei aserbaidschanischen Volkszugehörigen keine Abmeldungen von Amts wegen vornahmen und ehemalige Angehörige der aserbaidschanischen SSR bei formalem Fortbestand ihrer Anmeldung am Herkunftsort und hinreichend zeitnaher Rückkehr aus der Emigration keine Schwierigkeiten hatten, faktische Anerkennung als aserbaidschanische Staatsangehörige zu finden, weil als Nachweis des ständigen Wohnsitzes in Aserbaidschan allein der gültige Meldevermerk in einem gültigen Inlandspass ausreichte (IOR, Rechtsgutachten v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin, Seite 7). Dies beruht dann aber zu Überzeugung des erkennenden Gerichts lediglich darauf, dass das Auseinanderfallen von amtlich registriertem und tatsächlichem ständigen Wohnsitz unbemerkt geblieben oder der damit verbundenen Problematik in unrichtiger Rechtsanwendung nicht weiter nachgegangen worden war. Mit einer derartigen fehlerhaften Rechtsanwendung können die Kläger, die keine gültigen aserbaidschanischen Papiere besitzen, indessen weder rechnen noch erfolgreich argumentieren.
Doch selbst wenn man - entgegen der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts - davon ausginge, die Kläger zu 1) und zu 2) hätten die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit am 1. Januar 1991 noch formal erworben, so wäre sie ihnen de facto bereits wieder verloren gegangen, als sie sich nicht innerhalb von fünf Jahren nach In-Kraft-Treten des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 konsularisch als Aserbaidschaner registrieren ließen (vgl. Universität Hamburg, Gutachten vom 15. 12. 1997 für das VG Augsburg). Zwar wäre dieser Verlust ohne entsprechende Registrierung nach Art. 20 aserStAngG 1990 nicht auch de jure eingetreten (vgl. IOR, Rechtsgutachten vom 2. 3. 2001 für das VG Neustadt a. d. Weinstraße, Seiten 5 und 6). Die dann gegebene aserbaidschanische Staatsangehörigkeit der Kläger zu 1) bis 3) hätte indessen nur formalen Charakter gehabt, da es diesen Klägern aufgrund ihrer armenischen Volkszugehörigkeit tatsächlich nicht möglich gewesen wäre, sie in der Folgezeit zu realisieren (vgl. Universität Hamburg, Gutachten vom 15. 12. 1997 für das VG Augsburg). Ferner ist davon auszugehen, dass die genannten Kläger auch diese etwaige "formale" Staatsangehörigkeit jedenfalls durch die Neuregelung des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsrechtes in Art. 5 1. Alt. aserStAngG 1998 verloren hätten, weil sie am Tage des In-Kraft-Tretens des Gesetzes, dem 30. 9. 1998, (vgl. AA, Auskunft v. 27. 9. 2000 an das VG Berlin) keinen tatsächlichen Aufenthaltsort in Aserbaidschan hatten, an dem sie behördlich angemeldet waren. Die Neuregelung stellt nämlich nach ihrer ratio legis klar, dass als Grundlage für eine Anerkennung der Staatsangehörigkeit ein amtlich gemeldeter Wohnsitz ohne faktischen Aufenthalt in Aserbaidschan nicht ausreicht (vgl. IOR, Rechtsgutachten v. 22. 11. 2000 für das VG Berlin, Seite 3).
Im Übrigen ist zweifelhaft, ob die von den Klägern behauptete fortbestehende aserbaidschanische Staatsangehörigkeit (bei der es sich jedenfalls nur noch um eine inhaltsleere rechtliche Hülse handeln würde, da die Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Dokumente für eine Einreise nach Aserbaidschan erhalten könnten) noch als eine solche Staatsangehörigkeit zu betrachten wäre, die es rechtfertigt, im Rahmen der Prüfung des Abschiebungsschutzes nach den §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG auf Aserbaidschan abzuheben. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschl. v. 14. 3. 2001 - 11 A 5348/98.A -, Seite 4 f. BA) verneint dies in vergleichbaren Fällen mit dem Argument, dass Aserbaidschan im Verhältnis zu Personen wie den Klägern faktisch nur noch die Rolle eines nicht zur Aufnahme bereiten Drittstaates spiele.
Dahinstehen kann, ob sich die Kläger - entgegen ihren Angaben - im Besitz der russischen Staatsangehörigkeit befinden oder aber staatenlos sind.
Sollten die Kläger staatenlos sein und ihnen (was hier als Grund allein in Betracht kommt) die Russische Föderation wegen ihrer Überlastung mit Flüchtlingen die Wiedereinreise verweigern, so können sie schon aus diesem Grunde Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht beanspruchen.
Sind die Kläger dagegen russische Staatsangehörige oder Staatenlose, denen die Russische Föderation die Wiedereinreise gestattet, so kann ihnen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG gegenüber einer Rückführung nach Russland als Vaterland bzw. Land des gewöhnlichen Aufenthalts nicht gewährt werden, weil sie die Russische Föderation weder als politisch Verfolgte verlassen haben noch ihnen im Falle der Rückkehr dort landesweit und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht.
Die Kläger haben die Russische Föderation nicht als politisch Verfolgte verlassen. Das Gericht folgt mit Ausnahme des Zitats des Botschaftsberichtes vom 24. 04. 1997, der durch einen Hinweis auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28. August 2001 [II. 1. d)] zu ersetzen ist, der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes, die sich im letzten Absatz auf der Seite 2, in den Absätzen eins bis sieben auf der Seite 3, den Absätzen vier, sechs, sieben und acht auf der Seite 5, sowie im ersten Absatz auf der Seite 6 des Bescheides vom 25. Oktober 2001 findet. Zu ergänzen ist Folgendes: Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 2) politische Verfolgung erlitten hat, indem sie am 3. September 2001 von zwei Männern vergewaltigt wurde. Zum einen bestehen bereits durchgreifende Zweifel daran, ob eine solche Vergewaltigung überhaupt stattgefunden hat. Die Kläger zu 1) und zu 2) haben nämlich trotz Belehrung über ihre asylverfahrensrechtlichen Obliegenheiten von einem solchen Ereignis und den angeblichen daran anknüpfenden Abwehrhandlungen des Klägers zu 1) bei dem Bundesamt nichts berichtet. Es handelt sich daher bei den in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen der Kläger sehr wohl um gesteigertes Vorbringen. Auch überzeugt das Gericht die Begründung nicht, die die Kläger dafür gegeben haben, dass das angebliche Geschehen zunächst unerwähnt blieb; denn sie ist - zumindest im Schwerpunkt - gewechselt worden: Während die Kläger im Zuge der Klagebegründung mit Schriftsatz vom 27. November 2001 darauf abhoben, die Klägerin zu 2) habe an den Vorfall, der fortwirkende gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich gezogen habe, nicht mehr erinnert werden wollen und den Kläger zu 1) gebeten, ihn ebenfalls unerwähnt zu lassen, machten die Kläger zu 1) und zu 2) in der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2002 geltend, ausschlaggebend für das anfängliche Verschweigen des Ereignisses sei die Furcht gewesen, die Verletzung eines der Täter durch den Kläger zu 1) hätte für letzteren im Bundesgebiet nachteilige Folgen haben können. Zum anderen läge politische Verfolgung der Klägerin zu 2) aber auch deshalb nicht vor, weil nach den Angaben der Kläger zu 1) und zu 2) vom 30. Oktober 2002 weder mit der erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden könnte, dass die Vergewaltigung in Anknüpfung gerade an die Volkszugehörigkeit geschehen sei, noch davon, sie sei dem russischen Staat zuzurechnen. Die Kläger zu 1) und 2) konnten nämlich sowohl zur etwaigen asylrechtlich relevanten Zielrichtung der Tat als auch zur Person der Täter keine schlüssigen Angaben machen, sondern verloren sich insoweit in Spekulationen. Davon abgesehen hätten sich die Kläger den behaupteten Erpressungen, Schlägen und Übergriffen sei es nun seitens örtlicher Krimineller oder auch örtlicher Sicherheitskräfte durch eine Verlegung ihres Wohnsitzes innerhalb der Russischen Föderation entziehen können. Der Kläger zu 1) hat - abgesehen von den Zweifeln, der bereits die Behauptung der Vergewaltigung begegnet - auch deshalb nicht glaubhaft machen können, aufgrund der Verletzung eines der angeblichen Vergewaltiger seiner Frau bedroht gewesen zu sein, weil er die Angaben dazu, was dem Vergewaltiger tatsächlich geschehen sei, relativierte. Während nämlich mit Schriftsatz vom 27. November 2001 noch als gewiss behauptet wurde, der Kläger zu 1) habe einen der Täter umgebracht, stellte er selbst in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2002 den Geschehensablauf so dar, dass der Vortrag des Todes eines Vergewaltigers allenfalls als gewagte Schlussfolgerung erscheint.
Das Gericht folgt der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes, die sich im fünften und sechsten Absatz auf der Seite 7 des Bescheides vom 25. Oktober 2001 findet.
Aufgrund ihrer armenischen Volkszugehörigkeit hatten die Kläger zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus der Russischen Föderation politische Verfolgung nicht zu befürchten (vgl. AA, Lagebericht vom 28. 8. 2001, II. 1. b) und 2. sowie IV. 4., sowie Auskunft vom 07.10. 1998 an das VG Trier). Insoweit folgt das Gericht ergänzend - jedoch mit Ausnahme des Zitats des fremdsprachlichen Erkenntnismittels - der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes, die sich im dritten und fünften Absatz auf der Seite 6 sowie im ersten Absatz auf der Seite 7 des Bescheides vom 25. Oktober 2001 findet.
Auf Nachfluchtgründe können sich die Kläger ebenfalls nicht erfolgreich berufen. Das Gericht folgt der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes, die sich im zweiten Absatz auf der Seite 8 des Bescheides vom 25. Oktober 2001 findet. Die Geschehnisse in Russland seit der Ausreise der Kläger, namentlich die Geiselnahme vom Oktober 2002, haben nicht dazu geführt, dass armenische Volkszugehörige - etwa in ihrer Eigenschaft als "Kaukasier" - nunmehr in der Russischen Föderation landesweit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt wären. Allerdings müssen solche Personen mit Schwierigkeiten bei der Ansiedlung in bestimmten russischen Städten und namentlich diskriminierenden Kontrollmaßnahmen rechnen (vgl. AA., Lagebericht vom 27. 11. 2002, II. 9. und III. 3.). Es ist aber nicht beachtlich wahrscheinlich, dass solche Maßnahmen jeweils die Schwelle der Asylerheblichkeit überschreiten und außerdem kann ihre Häufigkeit durch die Wahl des Aufenthaltsortes vermindert werden. Das Nds. Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 27. November 2002 - 13 LA 321/02 - auch in Anbetracht der Ereignisse um die Geiselnahme in dem Moskauer Musical-Theater eine inländische Fluchtalternative für tschetschenische Volkszugehörige in Gebieten der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens bejaht. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass ein Aufenthalt in diesen Gebieten erst recht für die Kläger zumutbar ist, die weder Tschetschenen noch auch nur islamischer Religionszugehörigkeit sind.
Die Kläger sind im Falle der Rückkehr oder Rückführung nach Russland nicht deshalb besonders gefährdet, weil sie sich dort illegal aufhalten müssten. Denn die Rückkehrprognose ist hier ja gerade auf der Grundlage der Annahme zu erstellen, dass die Russische Föderation ihre Rückkehr oder Rückführung gestattet. Dann aber wird sie sie auch mit einem legalen Aufenthaltsstatus versehen.
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bestehen nicht. Geht man davon aus, dass die Russische Föderation den Klägern wegen Überlastung mit Flüchtlingen die Wiedereinreise verweigern wird, so haben sie schon deshalb keine Ansprüche auf Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG im Hinblick auf diesen Staat.
Legt man dagegen zugrunde, dass die Russische Föderation einer Rückkehr oder Rückführung der Kläger nicht entgegentritt, so bliebe gleichwohl kein Raum für die Gewährung von Schutz nach § 53 AuslG vor einer Abschiebung nach Russland. Das Gericht folgt der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes, die sich im letzten Absatz auf der Seite 9 und in den ersten beiden Absätzen auf der Seite 10 des Bescheides vom 25. Oktober 2001 findet. Schon aufgrund der durchgreifenden Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Kläger zu der behaupteten Vergewaltigung, ferner wegen des Umstandes, dass diese Tat dem russischen Staat nicht zugerechnet werden könnte und schließlich, weil die Kläger jedenfalls gegenüber den geltend gemachten und befürchteten Erpressungen, Schlägen und Übergriffen eine inländische Fluchtalternative haben, kann ihnen im Hinblick auf ihr Vorbringen Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 und Abs. 4 AuslG nicht gewährt werden. Schon wegen der Unglaubhaftigkeit seiner entsprechenden gesteigerten und dann wieder relativierten Einlassungen zur Verletzung eines angeblichen Vergewaltigers seiner Ehefrau aber auch deshalb, weil er jedenfalls in Nothilfe handelte und selbst unter Zugrundelegung seiner eigenen Angaben nicht sicher wäre, dass er tatsächlich einen Vergewaltiger tötete, kann dem Kläger zu 1) Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 2 AuslG nicht gewährt werde. Einem etwaigen Strafverfahren müsste er sich stellen (vgl. § 53 Abs. 5 AuslG).
Im Hinblick auf die durchgreifenden Zweifel am Vortrag zum individuellen Verfolgungsschicksal und wegen der jedenfalls gegebenen inländischen Fluchtalternative können die Kläger Abschiebungsschutz hinsichtlich der geltend gemachten und befürchteten Erpressungen, Schläge und Übergriffe auch auf der Grundlage des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht erhalten. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Kläger im Falle einer Wiedereinreise in die Russische Föderation nicht gezwungen wären, ihren Aufenthalt erneut in Odinzovo zu nehmen und örtlichen Misshelligkeiten auf diese Weise aus dem Wege gehen könnten. Die Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG unter dem Gesichtspunkt verfassungskonform einschränkender Auslegung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG kommt nicht in Betracht, weil eine entsprechend extreme Gefahrenlage nicht vorliegt (vgl. insbesondere AA, Lagebericht Russische Föderation vom 28. 8. 2001, IV. 3.).
Für die Kläger zu 1) und zu 2) besteht in der Russischen Föderation auch keine erhebliche konkrete Leibesgefahr aufgrund ihres Gesundheitszustandes. Mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 25. November 1997 - BVerwG 9 C 58.96 -) geht das erkennende Gericht zwar davon aus, dass die Verschlimmerung einer Krankheit, an der ein Ausländer leidet, die Voraussetzungen einer erheblichen konkreten Leibesgefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfüllen kann. Voraussetzung ist aber, dass die zu befürchtende Verschlimmerung wesentlich ist und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in näherer Zukunft als Folge einer unzureichenden Behandlung im Zielstaat der Abschiebung eintritt. Das ist zur Überzeugung des erkennenden Gerichts jedoch mit Blick auf die Kläger zu 1) und zu 2) derzeit nicht feststellbar. Ausweislich der in Ablichtung vorgelegten Atteste vom 1. Februar und 21. Oktober 2002, zu deren besserem Verständnis das Gericht auch ein medizinisches Nachschlagewerk herangezogen hat (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002), haben diese Kläger einige zuvor bestehende Erkrankungen im Wesentlichen bereits überwunden und leiden sie jedenfalls nicht an solchen Krankheiten, die in der Russischen Föderation aufgrund der Komplexität der gebotenen Behandlung nicht behandelt werden können (vgl. dazu AA, Lagebericht vom 28. August 2001, IV. 3.) oder bei denen auch nur mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Falle unzureichender Behandlung in näherer Zukunft eine im Rechtssinne wesentliche Verschlimmerung zu erwarten stünde. Hierzu haben die Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie geltend machen, unter einer Depression zu leiden, sind ebenfalls keine Tatsachen vorgebracht worden, aus denen sich folgern ließe, dass das Leiden z. B. mit der konkreten Gefahr der Suizidalität verbunden wäre oder eine Qualität hätte, die eine weitere Behandlung in Russland als unmöglich oder auch nur unverzichtbar erscheinen ließe. Allerdings ist die Klägerin zu 2) während der mündlichen Verhandlung beim Gedanken an eine Rückkehr in die Russische Föderation wiederholt in Tränen ausgebrochen. Das lässt sich aber hinreichend mit den für ethnisch armenische Flüchtlinge in der Russischen Föderation allgemein schwierigen Daseinsbedingungen erklären, auf die die Kläger zu 1) und zu 2) selbst mehrfach hingewiesen haben. Bei einer Rückkehr würden sich die Lebensperspektiven der Kläger zu 1) und zu 2) und vielleicht mehr noch diejenigen ihrer Kinder deutlich verschlechtern. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die emotionale Reaktion der Klägerin zu 2) nicht den Schluss, auf eine Depression, die sich von derjenigen unterscheidet, unter der angesichts der Ungewissheit, mit der sie konfrontiert sind, viele erfolglose Asylbewerber im Bundesgebiet leiden. Dass die Klägerin geltend gemacht hat, in der russischen Föderation vergewaltigt worden zu sein, legt eine andere Sicht der Dinge nicht nahe, weil durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit ihres insoweit gesteigerten Vorbringens bestehen. Soweit die Kläger damit argumentieren, in der Russischen Föderation infolge künftig wiederum illegalen Aufenthalts von der Inanspruchnahme des dortigen Gesundheitssystems ausgeschlossen zu sein, geht dies fehl. Denn die Rückkehrprognose ist hier ja gerade auf der Grundlage der Annahme zu erstellen, dass die Russische Föderation ihre Rückkehr oder Rückführung gestattet. Dann aber wird sie sie auch mit einem legalen Aufenthaltsstatus versehen.
Da das Bundesamt eine Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte zu Recht nicht verfügt hat und auch eine Aufenthaltsgenehmigung nicht vorliegt, hatte die Behörde gemäß den §§ 34 f. AsylVfG zur Ausreise aufzufordern und die Abschiebung anzudrohen. Auch insoweit kann offen bleiben, ob die Russische Föderation einer Wiedereinreise der Kläger entgegentreten wird. Tut sie es nicht, so ist gegen die Androhung ohnehin nichts zu erinnern. Geht man hingegen davon aus, dass sich letztlich erweisen wird, dass auf legalem Weg eine Rückkehr der Kläger in die Russische Föderation nicht möglich ist, so führt dies ebenfalls nicht zu durchgreifenden Bedenken gegen die Abschiebungsandrohung, soweit dort gemäß § 50 Abs. 2 AuslG als Zielstaat die Russische Föderation aufgeführt worden ist.
In der Rechtsprechung ist nämlich geklärt, dass das Bundesamt bei Zweifeln über die Herkunft des Ausländers eine Abschiebungsandrohung erlassen darf, in der ein Zielstaat nicht konkret bezeichnet ist. § 50 Abs. 2 AuslG sieht die Bezeichnung des Zielstaates der Abschiebung nur für den Regelfall vor. Zielstaat wird zumeist der Staat sein, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt, bei Staatenlosen der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts; es kann je nach den Umständen des Falles aber auch ein sonstiger zur Aufnahme bereiter oder verpflichteter Drittstaat sein. Ist hingegen die Staatsangehörigkeit des Ausländers ungeklärt und ein aufnahmebereiter Staat nicht erkennbar, so liegen besondere Umstände vor, die sogar ein Absehen von der Zielstaatsbezeichnung rechtfertigen. Das Bundesamt als androhende Behörde ist in derartigen Fällen nicht verpflichtet, vor Erlass der Abschiebungsandrohung lediglich zur Ermittlung eines in Betracht kommenden Zielstaates weitere Aufklärung im Asylverfahren zu betreiben. Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 AuslG und § 55 Abs. 2 AuslG obliegen vielmehr die Klärung der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat und ggf. die hierzu erforderliche Klärung der Staatsangehörigkeit des Ausländers grundsätzlich der abschiebenden Ausländerbehörde (BVerwG, Urt. vom 25. 07.2000 - BVerwG 9 C 42.99 - AuAS 2001, 3 [4 f.]).
Ist hiernach sogar die Unterlassung der Zielstaatsbestimmung - ausnahmsweise - zulässig, kann auch die Angabe eines mit guten Gründen in Betracht zu ziehenden, aber möglicherweise letztlich aufgrund der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse der Kläger doch nicht erreichbaren Zielstaates nicht dazu führen, dass die Zielstaatsbestimmung aufgehoben werden muss. Die entsprechenden Bezeichnung verschlechtert nämlich den Rechtsstatus der Kläger nicht, da sie - lässt sie sich nicht umsetzen - gegenstandslos und auch sonst nicht mit für die Kläger ersichtlich negativen Folgen verbunden ist. Deshalb hat sich das erkennende Gericht bereits mit Urteil vom 7. März 2002 - 8 A 605/01 - der Rechtsprechung der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig (Urt. v. 8. 3. 2002 - 6 A 141/00 -) und der wohl überwiegenden Ansicht (z. B. Hailbronner, AuslR, Stand: September 2001, § 50 AuslG RN 14c; Funke-Kaiser in: GK-AuslR, Stand: Juli 2001, § 50 RN 23 m. z. N. zum Meinungsstand) angeschlossen, dass es sich bei der Sollvorschrift des § 50 Abs. 2 AuslG lediglich um eine Vorgabe für das Handlungsprogramm der Behörde im Sinne einer Ordnungsvorschrift handelt, subjektive Rechte des Betroffenen insoweit aber nicht verletzt werden können. Es hält daher auch die Abschiebungsandrohungen der rechtlichen Prüfung stand.
Die Kläger tragen nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 VwGO; 708 Nr. 11, 711 ZPO.