Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 16.12.2002, Az.: 2 A 374/01

Baulast; Nachbarschutz; Vereinigungsbaulast

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
16.12.2002
Aktenzeichen
2 A 374/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 42091
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung gegenüber der Beklagten und der Beigeladenen in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte und die Beigeladene jeweils zuvor Sicherheit in jeweils derselben Höhe leisten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

1

Der Kläger möchte ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten erreichen.

2

Er ist Eigentümer des Grundstücks F.Str. (Gemarkung G., Flur , Flurstück ). Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks F.Str. (Gemarkung G., Flur , Flurstücke u. ). Beide Grundstücke sind durch eine Vereinigungsbaulast i.S. des § 4 Abs. 1 NBauO, die unter dem 26.06.1984 in das Baulastenverzeichnis von G. (Baulastenblatt Nr. ) eingetragen wurde, miteinander verbunden. Außerdem bestehen zwei weitere Baulasten, die jeweils die Erreichbarkeit der rückwärtigen Teile der Grundstücke betreffen. Zum einen wurde unter dem 25.06.1984 in das o. g. Baulastenverzeichnis (Baulastenblatt Nr. ) eingetragen, dass der jeweilige Eigentümer der Flurstücke und der Flur von G. dem begünstigten Nachbargrundstück, Flurstück der Flur von G., einen gradlinigen 3 m breiten Zugang zur öffentlichen Verkehrsfläche, der jeweils den von der baulichen Anlage ausgehenden Zu- und Abgangsverkehr ordnungsgemäß und ungehindert ermöglicht, gestattet. Zum anderen wurde am selben Tag eingetragen, dass der jeweilige Eigentümer des Flurstücks der Flur von G. dem begünstigten Nachbargrundstück, Flurstücke und  der Flur  von G. einen ca. 2 m breiten Zugang zur öffentlichen Verkehrsfläche, der jederzeit den von der baulichen Anlage ausgehenden Zu- und Abgangsverkehr ordnungsgemäß und ungehindert ermöglicht, gestattet. Die diesen beiden Eintragungen zugrunde liegenden notariell beurkundeten Erklärungen i.S. des § 92 Abs. 1 Satz 1 NBauO verweisen auf die als Anlagen 1 und 2 beigefügten Lagepläne mit einer gelben Schraffierung.

3

Außerdem enthält die notarielle Urkunde vom 22.05.1984 eine Verpflichtung der Beigeladenen, das Einfahrtstor zu den Geschäftszeiten des von dem Kläger und einem damaligen Miteigentümer sowie deren Ehefrauen geführten Geschäftes geöffnet zu lassen. Dabei handelt es sich um ein zunächst aus zwei Flügeln bestehendes Holztor an der Grundstücksgrenze zur F.Str.. Nach dem Neubau auf dem Grundstück des Klägers in der zweiten Hälfte der 90-er Jahre wurde die westliche Hälfte dieses Tores von dem Kläger nicht neu errichtet. Die östliche Hälfte besteht in der ursprünglichen Form weiterhin. Die am Holztor beginnende Zufahrt war ursprünglich 2,65 m breit. Nach dem Umbau hat sie nunmehr eine Breite von 3 m. Der Kläger erreicht über die Zufahrt Pkw-Einstellplätze auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks.

4

Voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 1999 stellte die Beigeladene gegenüber den Einstellplätzen vor dem Zugang zu der gepflasterten Fläche hinter dem Haus insgesamt fünf Blumenkübel auf. Diese Blumenkübel – zwei davon sind aus Stein, zwei aus Plastik gefertigt – befinden sich max. 1,30 m westlich von einer verlängerten Flucht des Gebäudes entfernt.

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Mit Schreiben vom 28.06.1990 verlangte der Kläger von der Beklagten, gegen die Blumenkübel einzuschreiten. Ein gefahrloses Erreichen der Rückseite des Grundstückes und somit auch des Hauseinganges sei nicht mehr gewährleistet. Das gelte z. B. für Krankentransporte. Mit Schreiben vom 01.11.1999 bat der Kläger außerdem darum, das an der Grundstückseinfahrt eingebrachte Tor zu entfernen. Der der Baulast unterliegende Grundstücksteil könne von ihm nicht mehr in ordnungsgemäßer Weise befahren werden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass bei geschlossenem Tor zunächst auf der F.Str. geparkt werden müsse, um das Tor zu öffnen. Auch würden Rettungsfahrzeuge durch das Tor behindert.

6

Mit Bescheid vom 23.03.2000 lehnte die Beklagte den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten ab. Zur Begründung führte sie an, eine Ortsbesichtigung habe ergeben, dass weder durch die aufgestellten Blumenkübel noch durch das Holztor die Wegebaulastfläche in ihrer Nutzung beeinträchtigt werde. Die Blumenkübel stünden nicht im Bereich der Baulastfläche. Die Benutzung des Einfahrtstores werde durch einen notariellen Vertrag geregelt. Außerdem sei trotz des Tores die Zufahrt zum Grundstück des Klägers problemlos möglich.

7

Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2001 als unbegründet zurück.

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Der Kläger hat am 25.05.2001 Klage erhoben.

9

Er vertieft zur Begründung sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, die Bezugnahme auf den Lageplan und eine gelb schraffierte Fläche sei nicht Inhalt der eingetragenen Baulast. Die Kennzeichnung der Baulast in dem Lageplan sei auch nicht maßstabsgerecht. Grundlage der Vereinbarung sei die Möglichkeit, den Zu- und Abgangsverkehr ordnungsgemäß und ungehindert zu ermöglichen, was ihm durch das Tor und die Blumenkübel verwehrt werde. Insbesondere könnten Fahrzeuge im hinteren Teil des Grundstücks nicht ungehindert wenden.

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Der Kläger beantragt,

11

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 23.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 17.04.2001 die Beklagte zu verpflichten, bauaufsichtlich einzuschreiten wegen eines an der Grundstücksauffahrt zum Nachbargrundstück F.Str.,  G. angebrachten Tores und wegen aufgestellter Blumenkübel in der Grundstückszufahrt.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Sie trägt u.a. vor, Inhalt der Baulast sei lediglich, die Befahrbarkeit des Grundstücks seitens der F.Str. herzustellen. Inhalt der Baulast sei es aber nicht, auch den rückwärtigen Bereich des Grundstücks erreichen zu können. Im Übrigen sei das Tor auch gar nicht abschließbar; es könne den Kläger schon deshalb nicht behindern.

15

Die Beigeladene beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Sie ist der Auffassung, der Kläger könne nach 17 Jahren nicht mehr die Beseitigung des Tores verlangen. Das Tor sei quasi Bestandteil der Einräumung der Baulast gewesen. Der Kläger habe das Tor immer akzeptiert und es von 1984 bis zum Beginn seines Neubaues jeden Morgen geöffnet und abends wieder geschlossen. Das Tor sei als Lärmschutz für die Hotelgäste notwendig. Die Blumenkübel stünden nicht im Bereich der Baulast.

18

Das Gericht hat Beweis erhoben zur möglichen Nutzung der Baulast durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten.

19

Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

20

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Verfahrens 2 B 2162/96 und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Mit Einverständnis der Beteiligten darf das Gericht gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

22

Die Klage ist bereits unzulässig.

23

Dem Kläger fehlt das die für eine Verpflichtungsklage erforderliche Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Er kann nämlich nicht geltend machen, durch das auf seinen Antrag unterbliebene bauaufsichtliche Einschreiten in seinen Rechten verletzt zu sein. Denn die unter dem 26.06.1984 eingetragene Vereinigungsbaulast i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 NBauO schließt einen öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz aus. Die Beklagte soll hier gegen das Holztor und die Blumenkübel einschreiten, weil sich der Kläger in seinen, sich aus dem öffentlichen Baurecht ergebenden Rechten verletzt fühlt. Ein Anspruch des Nachbarn auf Einschreiten kommt zwar grundsätzlich bei allen Verstößen gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts in Betracht ( Große-Suchsdorf /Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Kommentar, 7. Aufl., § 89, Rn. 63). Vorliegend kann sich der Kläger jedoch nicht darauf berufen, er könne sein Grundstück wegen des Verhaltens der Beigeladenen nicht mehr entsprechend der gemäß § 92 NBauO eingetragenen Baulast nutzen, wobei insbesondere die Zugänglichkeit für Rettungsfahrzeuge nicht mehr i.S. des § 5 NBauO gewährleistet sei. Aufgrund der Vereinigungsbaulast gelten die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen nicht mehr als benachbarte Grundstücke, sondern als ein Baugrundstück (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 NBauO). Die Verbindung mehrerer Buchgrundstücke durch Baulast zu einem Baugrundstück i.S. des § 4 NBauO schließt das Geltendmachen von Abwehransprüchen aus, die durch die NBauO begründet werden und die Nutzung selbständiger Grundstücke voneinander abgrenzen (Nds. OVG, Urt. v. 02.07.1999 – 1 L 5277/96 -, BRS 62, Nr. 147, Große-Suchsdorf , a.a.O., § 4, Rn. 21, § 72, Rn. 39, anderes gilt für Abwehrrechte aus Bundesrecht).

24

Hier gilt im Hinblick auf § 5 Abs. 2 NBauO auch nicht ausnahmsweise etwas anderes, weil diese Bestimmung nicht anwendbar ist. Denn das Grundstück des Klägers liegt an der F.Str. und damit an einer mit Kraftfahrzeugen befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche. Es hat zu ihr einen Zugang, der auch den für den Brandschutz erforderlichen Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten jederzeit ordnungsgemäß und ungehindert ermöglicht (§ 5 Abs. 1 NBauO). Im Hinblick auf die Erreichbarkeit des Grundstücks bei einem Einsatz von Rettungsfahrzeugen kommt es demnach auf die Zufahrt zu dem rückwärtigen Grundstücksteil überhaupt nicht an.

25

Selbst wenn man die Klage entsprechend dem von dem Kläger vorgelegten Beschluss der erkennenden Kammer vom 10.05.1996 (2 B 2162/96) wegen der „typischen Nachbarlage“ (S. 5 der Entscheidungsgründe) für zulässig hält, ist sie jedenfalls unbegründet.

26

Einen Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten zur Beseitigung eines baurechtswidrigen Zustandes nach § 89 NBauO hat der Kläger schon deshalb nicht, weil durch die Blumenkübel und das Holztor ersichtlich kein Nachbarrecht verletzt wird, auf das er sich berufen kann. Auf die Frage, ob eine Ermessensreduzierung auf Null hier zu einem gerichtlich durchsetzbaren Anspruch führt, kommt es demnach nicht mehr an.

27

Das Gericht hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Zweifel daran, dass die Blumenkübel den Kläger nicht in der Ausnutzung seiner Wegebaulast hindern. Der Kläger hat einen gradlinigen 3 m breiten Zugang zur öffentlichen Verkehrsfläche, der F.Str.. Er kann den hinteren Teil seines Grundstückes ordnungsgemäß und ungehindert erreichen. Der Lageplan als Anlage 1 zum notariellem Vertrag vom 22.05.1984 ist zwar nicht Bestandteil der am 25.06.1984 eingetragenen Wegebaulast geworden. Wird die gelb schraffierte Fläche jedoch zur Auslegung der Baulast herangezogen, so stehen die Blumenkübel außerhalb der durch die Baulast gesicherten Grundstücksfläche auf dem Flurstück . Darauf kommt es indessen nicht entscheidend an. Denn nach den tatsächlichen, im Rahmen der Ortsbesichtigung festgestellten Verhältnissen können der Kläger und die Nutzer seines Grundstückes ohne weiteres die Einstellplätze im hinteren Grundstücksteil erreichen. Sie können auf dieser Fläche trotz der Blumenkübel wenden und das Grundstück vorwärts wieder verlassen. Darauf deutet auch das von der Beigeladenen vorgelegte Foto mit den Fahrzeugspuren im Schnee hin (Bl. 88 der GA). Das Wenden wird umso leichter, wenn der Kläger das Pflanzbeet an der Grenze zum Grundstück F.Str.verkleinert. Rettungsfahrzeuge werden durch die Blumenkübel ebenfalls nicht behindert. Wenn auf den Einstellplätzen Fahrzeuge parken, können sie die dortige Freifläche ohnehin nicht befahren.

28

Das auf dem Grundstück der Beigeladenen verbliebene Holztor verletzt ebenfalls keine Nachbarrechte des Klägers. Wie in den ganzen Jahren seit 1984 geschehen, kann er weiterhin nach dem Öffnen des Tores die Grundstückszufahrt passieren. Dass er dazu vor dem Tor halten muss, stellt offenbar keine Gefährdung dar. Jedenfalls tragen die Beteiligten dazu trotz der nun achtzehneinhalb Jahre dauernden Praxis nichts vor. Das Tor wird auch nicht verschlossen. Ob es zum Schutz vor Lärm für die Hotelgäste wirklich noch notwendig ist, ganz entfernt werden kann oder durch ein ansehnlicheres Tor ersetzt werden könnte, vermag das Gericht im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen. Die Wegebaulast des Klägers beeinträchtigt das Tor jedenfalls nach wie vor nicht. Andere nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts, auf die sich der Kläger berufen könnte, sind nicht ersichtlich. Soweit die Zugänglichkeit des klägerischen Grundstücks gemäß § 5 NBauO betroffen ist, wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. § 5 NBauO ist hier nicht nachbarschützend (vgl. auch Große-Suchsdorf , a.a.O., § 72, Rn. 40).

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären.

30

Der Streitwert ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG festgesetzt worden. Er orientiert sich an den Streitwertannahmen der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes (Nds.VBl. 2002, 192), wobei der Streitwert für die Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses nach Pkt. 8 a hier wegen der nur geringfügigen Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch Blumenkübel und Holztor geringer angesetzt wird.