Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 10.03.2021, Az.: 6 B 252/21

Baptisten; Corona; COVID-19; Feststellung, vorläufige; Freikirche; Gebet; Gemeindegesang; Glaubensfreiheit; Gottesdienst; unbeschränktes Grundrecht; Grundrechtskollision; Infektionsgefahr; Konkordanz, praktische; Leben und Gesundheit; Mund-Nasen-Bedeckung; Proportionalität, umgekehrte; SARS-CoV-2; Sitzplatz; Ungleichbehandlung; Veranstaltung; Versammlung; Willkürverbot; Coronabedingte Beschränkungen von Gottesdiensten hier: Antrag nach § 123 VwGO

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
10.03.2021
Aktenzeichen
6 B 252/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 13531
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2021:0310.6B252.21.00

Fundstelle

  • Kirche & Recht 2021, 151

Amtlicher Leitsatz

keine vorläufigen Feststellungen im Verfahren nach § 123 VwGO; die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit einerseits und Leben und Gesundheit andererseits führt im Einzelfall dazu, daß hinsichtlich des Gemeindegesangs die Glaubens- und Gewissensfreheit zurücktritt. Die Pflicht, im Gottesdienst eine Mund-Nasen-Bedeckung auch zu tragen, wenn der Sitzplatz eingenommen wurde, behandelt die Gottesdienstbesucher gegenüber allen anderen Versammlungen sowie den Ausnahmen nach § 3 Absatz 4 Nummer 3 und 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung willkürlich ungleich.

[Gründe]

Die Antragsteller wollen erreichen, dass der Gemeindegesang bei Gottesdiensten zulässig wird, hilfsweise dass am Gottesdienst ohne Mund-Nasen-Bedeckung teilgenommen werden kann.

Die Antragstellerin zu 1 ist eine freikirchliche Baptistengemeinde, die Antragsteller zu 2 und 3 sind Gemeindemitglieder der Antragstellerin zu 1, der Antragsteller zu 2 ist außerdem Gemeindeältester. Die Antragstellerin zu 1 verfügt in L. über ein Kirchengebäude. Nach ihren Angaben ist der Saal dort 340 m2 groß. Der Saal verfügt über einen Innenbalkon mit einer Fläche von 60 m2. Außerdem gibt es einen Kellerraum von 263 m2. Das gesamte Gebäude hat eine Grundfläche von 1 510,18 m2, das Bethaus hat regulär 658 Plätze. Der Saal ist 9 m hoch, der Keller 3 m.

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung hat in den Jahren 2020 und 2021 durch Verordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz unter anderem Regelungen getroffen, die sich auf die Durchführung und Gestaltung von Gottesdiensten beziehen. Diese haben den folgenden Inhalt (Änderungen und Neuregelungen sind jeweils durch Fettdruck hervorgehoben):

Ab 4. April 2020 (Nds.GVBl. 2020 S. 55 ff.) ebenso ab 8. April 2020 (Nds. VBl. 2020 S. 63 ff.) und ab 20. April 2020 (Nds.VBl. 2020 S. 74 ff.) § 1 Absatz 5 Satz 1 Nummer 3:

Verboten sind: ... 3. Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren

Ab 6. Mai 2020 (Nds.VBl. 2020 S. 90 ff.) § 2 c:

Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren und gemeindlichen Einrichtungen zur Unterweisung und Vorbereitung von Personen auf religiöse Feste und Ereignisse wie zum Beispiel Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, humanistische Jugendfeier, Bar Mizwa und Bat Mizwa sind zulässig, wenn sichergestellt ist, dass jede Person beim Betreten und Verlassen der Einrichtung sowie beim Aufenthalt in der Einrichtung einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zu jeder anderen Person, die nicht dem eigenen Hausstand angehört, einhält. Die Nutzung von Gegenständen durch mehrere Personen, insbesondere die Nutzung von Gesangbüchern, Weihwasserbecken, Sammelkörben und Messkelchen, ist untersagt; im Übrigen sind Hygienemaßnahmen zu treffen, die geeignet sind, die Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu vermindern. Für religiöse und ähnliche Veranstaltungen, die ausschließlich von Personen in geschlossenen Fahrzeugen besucht werden, gilt § 1 Absatz 7 entsprechend.

Ab 25. Mai 2020 (Nds.GVBl 2020 S. 134 ff.) § 2 c Absatz 1:

Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen sowie Cem- und Gemeindehäusern und die Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren und gemeindlichen Einrichtungen zur Unterweisung und Vorbereitung von Personen auf religiöse Feste und Ereignisse wie zum Beispiel Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, humanistische Jugendfeier, Bar Mizwa und Bat Mizwa sind zulässig, wenn sichergestellt ist, dass jede Person beim Betreten und Verlassen der Einrichtung sowie beim Aufenthalt in der Einrichtung einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zu jeder anderen Person, die nicht dem eigenen Hausstand angehört, einhält. Die Nutzung von Gegenständen durch mehrere Personen, insbesondere die Nutzung von Gesangbüchern, Weihwasserbecken, Sammelkörben und Messkelchen sowie allen Teilnehmenden zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung gestellten Koranausgaben, ist untersagt; im Übrigen sind Hygienemaßnahmen zu treffen, die geeignet sind, die Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu vermindern. Für religiöse und ähnliche Veranstaltungen, die ausschließlich von Personen in geschlossenen Fahrzeugen besucht werden, gilt § 1 Absatz 7 entsprechend.

Ab 23. Juli 2020 (Nds.GVBl. 2020 S. 226 ff.) § 23:

Zusammenkünfte in Kirchen, Friedhofskapelle oder entsprechend genutzten Einrichtungen, Moscheen, Synagogen sowie Cem- und Gemeindehäusern und die Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren und gemeindlichen Einrichtungen zur Durchführung von Veranstaltungen kirchlicher Bildungsträger und von sozialen und karitativen Veranstaltungen der Gemeinden, sowie zur Unterweisung und Vorbereitung von Personen auf religiöse Feste und Ereignisse, wie zum Beispiel Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, humanistische Jugendweihe, Bat Mizwa und Bar Mizwa, sind zulässig, wenn sichergestellt ist, dass Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 3 getroffen werden. Für Zusammenkünfte zu Religionsausübung im Freien gilt § 25 Absatz 2.

Ab 9. Oktober 2020 (Nds. GVBl. 2020 S. 346 ff.) § 9:

(1) Abweichend von den §§ 5, 7 und 8 sind Zusammenkünfte in Kirchen, Friedhofskapelle oder entsprechend genutzten Einrichtungen, Moscheen, Cem- und Gemeindehäusern und die Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren und gemeindlichen Einrichtungen zur Durchführung von Veranstaltungen kirchlicher Bildungsträger und von sozialen und karitativen Veranstaltungen der Gemeinden, sowie zur Unterweisung und Vorbereitung von Personen auf religiöse Feste und Ereignisse, wie zum Beispiel Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, humanistische Jugendweihe, Bat Mizwa und Bar Mizwa, unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Personen zulässig, wenn sichergestellt ist, dass Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 Absatz 1 und 2 getroffen werden.

(2) Abweichend von § 7 Absatz 1 dürfen öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie Vereine, Initiativen und andere ehrenamtliche Zusammenschlüsse Sitzungen und Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen durchführen, wenn das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 1 und 2 Nummer 1 eingehalten wird.

Ab 2. November 2020 (Nds.GVBl. 2020 S. 368) § 9:

(1) Abweichend von den §§ 5 bis 8 sind Zusammenkünfte in Kirchen, Friedhofskapelle oder entsprechend genutzten Einrichtungen, Moscheen, Cem- und Gemeindehäusern und die Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren und gemeindlichen Einrichtungen zur Durchführung von Veranstaltungen kirchlicher Bildungsträger und von sozialen und karitativen Veranstaltungen der Gemeinden, sowie zur Unterweisung und Vorbereitung von Personen auf religiöse Feste und Ereignisse, wie zum Beispiel Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, humanistische Jugendweihe, Bat Mizwa und Bar Mizwa, unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Personen zulässig, wenn sichergestellt ist, dass Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 Absatz 1 und 2 getroffen werden.

(2) Abweichend von § 7 Absatz 1 dürfen öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie Vereine, Initiativen und andere ehrenamtliche Zusammenschlüsse die durch Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Sitzungen und Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen durchführen, wenn das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 1 und 2 Nummer 1 eingehalten wird.

Ab 16. Dezember 2020 (Nds.GVBl. 2020 S. 488) § 9:

(1) Abweichend von den §§ 5 und 6 sind Zusammenkünfte in Kirchen, Friedhofskapelle oder entsprechend genutzten Einrichtungen, Moscheen, Cem- und Gemeindehäusern und die Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren und gemeindlichen Einrichtungen zur Durchführung von Veranstaltungen kirchlicher Bildungsträger und von sozialen und karitativen Veranstaltungen der Gemeinden, sowie zur Unterweisung und Vorbereitung von Personen auf religiöse Feste und Ereignisse, wie zum Beispiel Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, humanistische Jugendweihe, Bat Mizwa und Bar Mizwa, unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Personen zulässig, wenn sichergestellt ist, dass Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 Absatz 1 und 2 getroffen werden. In Bezug auf Gottesdienste und ähnliche religiöse Veranstaltungen in Kirchen, Synagogen, Moscheen und anderen geschlossenen Räumlichkeiten und in Bezug auf Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften in geschlossenen Räumlichkeiten ist bei zu erwartenden Besucherzahlen, die zu einer Auslastung der vorhandenen Personenkapazitäten in den Räumlichkeiten führen können, in dem Hygienekonzept nach Satz 1 auch ein Anmeldeerfordernis für die Besucherinnen und Besucher vorzusehen. In Veranstaltungen im Sinne des Satzes 2 haben Besucherinnen und Besucher abweichend von § 3 Absatz 5 auch dann eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, soweit und solange sie einen Sitzplatz eingenommen haben; das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 bleibt unberührt. In Veranstaltungen im Sinne des Satzes 2 ist jeglicher Gesang der Besucherinnen und Besucher untersagt.

(2) Öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie Parteien, Vereine, Initiativen und andere ehrenamtliche Zusammenschlüsse dürfen, auch abweichend von § 6 Absatz 1 und 1a, die durch Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Sitzungen und Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen durchführen, wenn das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 eingehalten wird.

Ab 10. Januar 2021 (Nds.GVBl. 2021 S. 3 ff.) § 9 Absatz 2:

Öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie Parteien, Vereine, Initiativen und andere ehrenamtliche Zusammenschlüsse dürfen, auch abweichend von § 6 Absatz 1, die durch Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Sitzungen und Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen durchführen, wenn das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 eingehalten wird.

Ab 25. Januar 2021 (Nds.VBl. 2021 S. 26 f.) § 9:

(1) Abweichend von den §§ 5 und 6 sind Zusammenkünfte in Kirchen, Friedhofskapelle oder entsprechend genutzten Einrichtungen, Moscheen, Cem- und Gemeindehäusern und die Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren und gemeindlichen Einrichtungen zur Durchführung von Veranstaltungen kirchlicher Bildungsträger und von sozialen und karitativen Veranstaltungen der Gemeinden, sowie zur Unterweisung und Vorbereitung von Personen auf religiöse Feste und Ereignisse, wie zum Beispiel Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, humanistische Jugendweihe, Bat Mizwa und Bar Mizwa, unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Personen zulässig, wenn sichergestellt ist, dass Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 Absatz 1 und 2 getroffen werden. In Bezug auf Gottesdienste und ähnliche religiöse Veranstaltungen in Kirchen, Synagogen, Moscheen und anderen geschlossenen Räumlichkeiten und in Bezug auf Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften in geschlossenen Räumlichkeiten ist bei zu erwartenden Besucherzahlen, die zu einer Auslastung der vorhandenen Personenkapazitäten in den Räumlichkeiten führen können, in dem Hygienekonzept nach Satz 1 auch ein Anmeldeerfordernis für die Besucherinnen und Besucher vorzusehen. In Veranstaltungen im Sinne des Satzes 2 haben Besucherinnen und Besucher abweichend von § 3 Absatz 5 auch dann eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, soweit und solange sie einen Sitzplatz eingenommen haben; das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 bleibt unberührt. In Veranstaltungen im Sinne des Satzes 2 hat eine Besucherin oder ein Besucher abweichend von § 3 Absatz 3 Satz 1 eine medizinische Maske zu tragen; Atemschutzmasken mit Ausatemventil sind nicht zulässig. In Veranstaltungen im Sinne des Satzes 2 ist jeglicher Gesang der Besucherinnen und Besucher untersagt. Ist zu erwarten, dass eine Veranstaltung im Sinne des Satzes 2 von zehn oder mehr Personen besucht wird, so hat die Veranstalterin oder der Veranstalter die örtlich zuständigen Behörden mindestens zwei Werktage vor der Veranstaltung über die Art, den Ort, den Zeitpunkt und den Umfang der Veranstaltung zu informieren, es sei denn, es bestehen zwischen den betreffenden Veranstalterinnen und Veranstaltern sowie den örtlich zuständigen Behörden Absprachen über die Durchführung von Veranstaltungen und erforderliche Informationen.

(2) Öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie Parteien, Vereine, Initiativen und andere ehrenamtliche Zusammenschlüsse dürfen, auch abweichend von § 6 Absatz 1 und 1a, die durch Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Sitzungen und Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen durchführen, wenn das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 eingehalten wird. Satz 1 gilt für verfahrensrechtliche Handlungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften, die der Aufrechterhaltung der Rechtspflege zu dienen bestimmt sind, entsprechend.

Ab 13. Februar 2021 (Nds.GVBl. 2021 S. 55 ff., Begründung neugefasst durch Eilverkündung vom 7. März 2021), ebenso ab 8. März 2021, § 9:

(1) Abweichend von den §§ 5 und 6 sind Zusammenkünfte in Kirchen, Friedhofskapelle oder entsprechend genutzten Einrichtungen, Moscheen, Cem- und Gemeindehäusern und die Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren und gemeindlichen Einrichtungen zur Durchführung von Veranstaltungen kirchlicher Bildungsträger und von sozialen und karitativen Veranstaltungen der Gemeinden, sowie zur Unterweisung und Vorbereitung von Personen auf religiöse Feste und Ereignisse, wie zum Beispiel Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, humanistische Jugendweihe, Bat Mizwa und Bar Mizwa, unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Personen zulässig, wenn sichergestellt ist, dass Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 Absatz 1 und 2 getroffen werden. In Bezug auf Gottesdienste und ähnliche religiöse Veranstaltungen in Kirchen, Synagogen, Moscheen und anderen geschlossenen Räumlichkeiten und in Bezug auf Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften in geschlossenen Räumlichkeiten sind die Anforderungen nach den folgenden Sätzen 3 bis 6 einzuhalten.Bei zu erwartenden Besucherzahlen, die zu einer Auslastung der vorhandenen Personenkapazitäten in den Räumlichkeiten führen können, ist in dem Hygienekonzept nach Satz 1 auch ein Anmeldeerfordernis für die Besucherinnen und Besucher vorzusehen. Die Besucherinnen und Besucher haben abweichend von § 3 Absatz 5 auch dann eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, soweit und solange sie einen Sitzplatz eingenommen haben; das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 bleibt unberührt. Jeglicher Gesang der Besucherinnen und Besucher ist zu unterlassen. Die Veranstalterin oder der Veranstalter hatdie örtlich zuständigen Behörden mindestens zwei Werktage vor der Veranstaltung über die Art, den Ort, den Zeitpunkt und den Umfang der Veranstaltung zu informieren, wenn zu erwarten ist, dass eine Veranstaltung von zehn oder mehr Personen besucht wird, es sei denn, es bestehen zwischen den betreffenden Veranstalterinnen und Veranstaltern sowie den örtlich zuständigen Behörden Absprachen über die Durchführung von Veranstaltungen und erforderliche Informationen.

(2) Öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie Parteien, Vereine, Initiativen und andere ehrenamtliche Zusammenschlüsse dürfen, auch abweichend von § 6 Absatz 1 und 1a, die durch Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Sitzungen und Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen durchführen, wenn das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 eingehalten wird. (Satz 2 gestrichen)

Die Antragstellerin zu 1 hat ein Hygienekonzept für ihre Gottesdienste erstellt. Diesem Konzept liegt zugrunde, dass die Teilnehmer über die notwendigen allgemeinen Schutzmaßnahmen informiert werden und dass insoweit auch gut sichtbar Aushänge angebracht werden. Auf die Einhaltung der Schutzmaßnahmen achten die Personen, die bei der Organisation des Gottesdienstes mitwirken. Für die Gottesdienste sind neben dem Saal auch der Balkon und der Kellerraum hergerichtet worden. Das Gebäude wird während und nach den Gottesdiensten "bestmöglich" durchlüftet. Die maximale Personenzahl für das Bethaus ist auf 400 Personen begrenzt. Um zu gewährleisten, dass nicht mehr als 250 Besucher auf einmal anwesend sind, finden die Gottesdienste bis auf weiteres in zwei Gruppen statt. Jede Person hat einen Mindestabstand von 1,5 m einzuhalten, außer gegenüber Angehörigen im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs und einer zusätzlichen Person, die einem weiteren Hausstand angehört. Der Einlass wird kontrolliert. Der Ausgang erfolgt nach Aufforderung über zwei entgegengesetzte Türen. Die Garderobe wird abgesperrt. Die Besucher nehmen ihre Jacken mit in den Gemeindesaal und legen sie neben sich auf der Bank ab. Begrüßungsformen wie Händeschütteln oder Umarmen entfallen. Eine Möglichkeit zur Handdesinfektion wird gewährleistet. Die Sitzplätze werden unter Beachtung der Abstandsregel von den Ordnern zugewiesen, die Kontaktdaten werden erfasst und für drei Wochen aufbewahrt. Auch in kleineren Räumen wie dem Kinderzimmer und dem Medienraum ist der Mindestabstand einzuhalten. Beim Betreten und Verlassen des Veranstaltungsraums wird darauf geachtet, dass die Abstandsregeln eingehalten werden. Nach jedem Gottesdienst werden alle Kontaktflächen wie Türgriffe, Handläufe, Oberflächen, oder Bänke desinfiziert, ebenso alle Sanitärbereiche. An den Ein- und Ausgängen und in den Sanitärbereichen werden Handdesinfektionsmittel bereitgestellt. Die Nutzung sanitärer Anlagen ist nur durch zwei Personen gleichzeitig zulässig. Darauf wird durch Hinweisschilder hingewiesen. Vor dem Brotbrechen für die Abendmahlsfeier ist eine gründliche Reinigung der Hände für alle an der Austeilung Beteiligten vorgeschrieben. Der Wein wird in Einzelbehälter abgefüllt und auf einem Tablett von den Teilnehmern entgegengenommen. Auf einen angemessenen Abstand ist während der gesamten Abendmahlfeier zu achten. Alle an der Austeilung Beteiligten tragen während der Austeilung ihre Mund-Nasen-Bedeckung. Auf ein gemeinsames Essen wird verzichtet. Bei der Seelsorge an Kranken und Hilfesuchenden ist auf einen entsprechenden Abstand und die Hygienevorschriften zu achten. Eine Kollekte in den Bankreihen ist nicht vorgesehen. Eine Kollekte kann im Ausgangsbereich in einen Spendenkasten gelegt werden. Mitgliederversammlungen werden nur durch persönliche Einladung einberufen. Für diese gelten die angeführten Hygienevorschriften. Die medizinische Mund-Nasen-Bedeckung ist auf dem ganzen Gelände und während des gesamten Gottesdienstes tragen. Ausgenommen davon sind nur der sogenannte Lithurgeschische Dienst und die Personen, die durch ein ärztliches Attest befreit sind.

Dieses Hygienekonzept übermittelte die Antragstellerin zu 1 am 11. Januar 2021 dem Antragsgegner. Dieser beanstandete am 15. Januar, dass in dem Hygienekonzept nicht berücksichtigt sei, dass nach der aktuellen Fassung des § 9 Absatz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch am Sitzplatz eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen sei, und dass der Gemeindegesang weiterhin untersagt sei. Diese Regelungen seien ab dem 16. Dezember 2020 wegen der hohen Infektionszahlen "angepasst" worden. Dem trat die Antragstellerin zu 1 entgegen: die Auslastung der vorhandenen personellen Kapazitäten sei nicht zu erwarten, außerdem gewährleiste ein freiwilliges Anmeldeerfordernis, dass nicht zu viele Teilnehmer erschienen, deshalb gelte die Pflicht nicht, am Sitzplatz eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Es würde die Antragstellerin zu 1 auch willkürlich ungleichbehandeln, wenn bei ihren Gottesdiensten eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden müsste, obwohl das bei anderen Veranstaltungen nicht vorgeschrieben sei.

Der Antragsgegner vertrat demgegenüber die Auffassung, dass sich das Verständnis der Antragstellerin zu 1 durch die Fassung des § 9 Absatz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung erledigt habe, die seit dem 13. Februar 2021 gelte. Die Antragstellerin zu 1 sah diese Fassung als eine erhebliche Verschärfung der Rechtslage zu ihrem Nachteil an und bat deshalb den Antragsgegner mitzuteilen, ob dieser davon ausgehe, dass auch am Sitzplatz eine medizinische Mund-Nasenbedeckung getragen werden müsse und der Gesang vollständig verboten sei. Der Antragsgegner bestätigte, dass er davon ausgehe. Am 15. Februar 2021 führten zwei Mitarbeiter des Antragsgegners während eines Gottesdienstes eine Überprüfung durch. Bei dieser bestand Uneinigkeit zwischen den Mitarbeitern des Antragsgegners einerseits und Herrn M. von der Gemeinde sowie zwei Ordnern der Gemeinde andererseits, ob während des Gottesdienstes alle Besucher eine Mund-Nasen-Bedeckung trugen.

Die Antragsteller haben sich am 22. Februar 2021 an das Gericht gewandt. Sie wollen erreichen, dass, soweit verboten, im Gottesdienst gesungen werden darf oder dass wenigstens am Platz keine Mund-Nasen-Bedeckungen getragen muss. Ein Anordnungsgrund liege vor, weil den Antragstellern nicht zugemutet werden könne, mit der ungestörten Durchführung von und Teilnahme an Gottesdiensten bis zu einer Hauptsacheentscheidung zu warten. Die Hauptsache werde nicht endgültig vorweggenommen. Denn die Antragsteller beabsichtigten nicht nur eine einmalige Veranstaltung, vielmehr gehe es um regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen. Selbst wenn die Hauptsache vorweggenommen werden würde, wären die Anforderungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt:

Die Antragsteller machen geltend, dass religiöse Gründe es verlangten, dass im Gottesdienst die Gebete akustisch verständlich seien und dass der Gesang möglichst laut erfolge.

Der Gemeindegesang sei nach dem Konzept Martin Luthers wesentlicher und unverzichtbarer, integraler Kernbestandteil des evangelischen Gottesdienstes. Dafür verweisen die Antragsteller insbesondere auf eine ekklesiologische Verankerung des Gemeindegesangs in den Psalmen. Für die theologische Bedeutung des Gesangs weisen sie auf das Vorbild der Psalmen (9,3; 66,8; 96,1; 100,1; 149,1) und auf das Vorbild alttestamentarischer Tempelgottesdienste hin, sowie auf Ausführungen im Epheserbrief (5,19), im Kolosserbrief (3,16), im Römerbrief (12,12), im ersten Korintherbrief (14,16), in der Apostelgeschichte (4,24) und in der Apokalypse (5,9), außerdem auf Zitate aus dem Lukasevangelium (19,37). Dass der Gesang zum Gotteslob laut zu sein habe, ergebe sich aus Bibelzitaten (Psalm 66,8; Lukas 19,37). Der Gesang diene aber außerdem der gegenseitigen Erbauung der Gemeindemitglieder. Nach dem Glaubensverständnis der Antragsteller könne eine solche nur erfolgen, wenn der Gesang möglichst laut sei. Eine andere musikalische Praxis stände mit den Anforderungen der Bibel zur Musik im Gottesdienst nicht in Einklang.

In der baptistischen Liturgie komme dem Gemeindegesang eine sehr große Bedeutung zu. Er stelle neben dem Gebet und der Predigt das maßgebliche Mittel zur Verwirklichung der biblisch vorgeschriebenen Verherrlichung Gottes dar. In anderen evangelischen Kirchen habe der Gemeindegesang ein geringeres Gewicht und dort werde deshalb erheblich weniger gesungen als im baptistischen Gottesdienst. Im Gemeindeleben der Antragstellerin zu 1 sei es Praxis, dass die Gläubigen regelmäßig schon vor dem offiziellen Beginn des Gottesdienstes anwesend seien und sogleich mit dem Gesang begännen. Diese vor dem Gottesdienst gesungenen Lieder eingerechnet würden im Gottesdienst 15 bis 20 Lieder gesungen. Davon entfielen, je nach zur Verfügung stehender Zeit, 5 bis 10 Lieder auf die Zeit vor dem Gottesdienst und 6 bis 10 Lieder auf die Zeit während des Gottesdienstes. Das entspreche einem zeitlichen Umfang von etwa einer Stunde. Die Gottesdienste insgesamt dauerten durchschnittlich rund zwei Stunden. Neben dem Gesang seien das Gebet und die Predigt weitere Teile des Gottesdienstes. Instrumental werde der Gesang von einem Klavier begleitet, gelegentlich auch von einer Gitarre. Eine Orgel werde nicht benutzt. Einmal innerhalb von zwei Monaten komme es vor, dass eine Orchesterbegleitung erfolge.

Bisher sei in den Gottesdiensten gesungen worden, weil die Antragsteller davon ausgegangen seien, dass der Gesang nur untersagt sei, wenn Besucherzahlen zu erwarten seien, die zu einer Auslastung der vorhandenen Personenkapazitäten in den Räumlichkeiten führen könnten. Das sei bei ihnen wegen der Aufteilung in zwei Gruppen nie der Fall.

Ein lautes Beten sei nach der Glaubensüberzeugung und der ständigen Praxis der Antragsteller notwendig, damit alle anderen das Gebet hören, verstehen und ihr Amen dazu geben könnten.

Die Maskenpflicht behindere die Seelsorge. Die Seelsorge erfordere ein vertrauensvolles Gespräch. Mit einer Maske werde ein Teil des Gesichts verdeckt und es werde die Stimme verändert. Das leiste Missverständnissen Vorschub. Ferner behindere die Maske den Aufbau von Vertrauen und erhöhe die Hemmschwelle, das Gegenüber auch nur anzusprechen. Schließlich würden Taubstumme von der Kommunikation ausgeschlossen, weil sie darauf angewiesen seien, von den Lippen zu lesen. Gerade in der aktuellen Situation suchten auch Außenstehende die gemeindliche Hilfe. Die Antragsteller machen geltend, dass seit der frühen Kirchengeschichte die Gemeinde Jesu Christi als Ort der Begegnung verstanden werde. Eine Begegnung werde gravierend beeinträchtigt, wenn das Gesicht während des gesamten gottesdienstlichen Geschehens verdeckt sei. Im Gottesdienst der Antragstellerin zu 1 finde Seelsorge statt, indem durch den Dreiklang von Gesang, Gebet und Predigt zur seelischen Erbauung der Gläubigen beigetragen werde. Für die Predigt gelte das umso mehr, als sie auch Alltagsthemen zum Gegenstand habe. Außerdem komme es am Rande von Gottesdiensten immer wieder zu seelsorgerischen Einzel- und Gruppengesprächen.

Zum Hygienekonzept führen die Antragsteller aus: Die Lüftung bei den Gottesdiensten geschehe dadurch, dass mindestens die Hälfte der Oberlichter der Fenster während der gesamten Zeit geöffnet blieben - die Fenster seien insgesamt 5 m hoch, die Oberlichter seien mehr als einen halben Meter groß. Vor und nach dem Gottesdienst würden alle Oberlichter und außerdem die Eingangstüren des Bethauses geöffnet. Es hätten sich schon Gottesdienstbesucher wegen des Durchzugs und der niedrigen Temperaturen beschwert, die Antragstellerin zu 1 halte an der Lüftungspraxis aber fest. Ein Anmeldeerfordernis sei in dem Hygienekonzept nicht vorgesehen, weil auf andere Weise sichergestellt sei, dass die Kapazität der Räume nicht ausgelastet werde. Die Antragstellerin zu 1 habe die Platzzahl von 658 auf 400 reduziert. Außerdem teile sie ihre Gottesdienste in zwei Gruppen ein. Die Höchstteilnehmerzahl für jede Gruppe sei 250 Personen. Selbst zu Weihnachten hätten nicht mehr als 250 Personen an einem Gottesdienst teilgenommen. Nach der Anmeldung, die die Antragstellerin zu 1 bei dem Antragsgegner eingereicht hat, ist außerdem so, dass die Gottesdienste sonntags um 10:00 Uhr und um 17:00 Uhr stattfinden.

Das Verbot des Gesangs habe keinen praktischen Nutzen für den Infektionsschutz. Denn wenn eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden müsse, könne der beim Gesang gegebenenfalls erhöhte Aerosolausstoß keine nennenswerten Auswirkungen auf die Aerosolbelastung in der Luft haben. Daher sehe die Antragstellerin zu 1 in ihrem Hygienekonzept auch vor, dass beim Gesang eine medizinische Maske zu tragen sei.

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass Gemeindegesang bis zum Inkrafttreten der Fassung der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht verboten gewesen sei, die ab 13. Februar 2021 gelte. In der gegenwärtigen Phase bestehe keine Notwendigkeit, Maßnahmen zu verschärfen. Denn das Infektionsgeschehen sei am Abklingen. Das Verhalten des Verordnungsgebers sei deshalb in sich widersprüchlich und inkohärent.

Es komme nicht darauf an, ob es sich bei denjenigen Gläubigen, die die in Rede stehenden Maßnahmen als gravierende Grundrechtseinschränkung betrachteten, nur um einen relativ kleinen Personenkreis handele - wie der Antragsgegner annehme.

Schließlich liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) vor. In allen anderen Lebensbereichen als dem Gottesdienst dürfe bei Wahrung des Mindestabstands die Mund-Nasen-Bedeckung abgenommen werden, wenn ein Sitzplatz eingenommen worden sei. Das sei zum Beispiel bei Sitzungen und Zusammenkünften öffentlich-rechtlicher Körperschaften sowie von Parteien, Vereinen, Initiativen und anderen ehrenamtlichen Zusammenschlüssen der Fall, wie etwa beim bevorstehenden Parteitag der Partei Die Linke am 13. und 14. März 2021 in Hannover. Entsprechendes gelte für die Regelungen, die sich auf Arbeitsstätten bezögen. Auch dort müsse eine Mund-Nasen-Bedeckung nicht getragen werden, wenn der Arbeitsplatz eingenommen sei. Dass andere Zusammenkünfte mit deutlich geringerer Personenzahl stattfänden als die Gottesdienste der Antragsteller, wirke sich nicht aus. Denn es sei zu berücksichtigen, wie groß die Räume seien, in denen solche Zusammenkünfte stattfinden. Das Bethaus der Antragstellerin zu 1 werde nur zu einem Bruchteil besetzt. Insbesondere verstoße es gegen das Gleichbehandlungsgebot, dass Friseurbetriebe ab dem 1. März 2021 wieder hätten öffnen dürften, obwohl dort körpernahe Dienstleistungen erbracht würden, während der Gemeindegesang verboten bleibe, auch wenn das Abstandsgebot gewahrt werde.

Sachliche Gründe für eine solche Ungleichbehandlung beständen nicht. Insbesondere sei es willkürlich, kumulativ die durchgehende Maskenpflicht und das Gesangsverbot vorzuschreiben und als Rechtfertigung dafür zu behaupten, dass zu unterstellen sei, dass eine dieser Pflichten nicht eingehalten werde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass im Fall der Antragsteller in die Religionsfreiheit angegriffen werde. Es verkenne die Bedeutung der Religionsfreiheit, wenn der Gemeindegesang selbst mit Maske verboten bleibe, aber der Verordnungsgeber die Öffnung der Friseurbetriebe damit begründe, dass deren Schließung auf längere Sicht ein "diffuses" Gefühl des "Ungepflegtseins" hervorrufe.

Nach der Auffassung des Antragsgegners sei der Gemeindegesang bereits seit 16. Dezember 2020 verboten und außerdem bestehe seitdem eine strikte Maskenpflicht, auch nach dem der Sitzplatz eingenommen worden sei. Das sei keine Bagatelle. Es sei damit zu rechnen, dass die in Rede stehenden Maßnahmen verlängert würden. Der Antragsgegner stelle ja gerade darauf ab, dass zu berücksichtigen sei, dass eine nicht zu vernachlässigende Steigerung der Gefährdung vorliege, weil inzwischen in allen Bundesländern Virusmutationen aufgetreten seien, die deutlich ansteckender seien als das "normale" Coronavirus.

Die Antragsteller beantragen,

  1. 1.

    im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Absatz 1 VwGO gegenüber dem Antragsgegner als zuständiger Vollzugsbehörde vorläufig festzustellen, dass in den von der Antragstellerin zu 1 durchgeführten Gottesdiensten Gesang der Gottesdienstbesucher zulässig ist, sofern diese auch nach der Einnahme des Sitzplatzes während des Gesangs eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung tragen;

  2. 2.

    hilfsweise, für den Fall, dass das Verbot des Gemeindegesangs Bestand haben sollte: im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Absatz 1 VwGO gegenüber dem Antragsgegner als zuständiger Vollzugsbehörde vorläufig festzustellen, dass die Besucher der von der Antragstellerin zu 1 durchgeführten Gottesdienste nach Einnahme des Sitzplatzes keine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner meint, dass die beantragte Feststellung eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache herbeiführen würde. Dafür sei Voraussetzung, dass ein Rechtsbehelf in der Hauptsache eine hohe Erfolgsaussicht habe, dass der Erfolg nämlich überwiegend wahrscheinlich sei, und dass unzumutbare und nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile entständen, wenn bis zur Entscheidung in der Hauptsache abgewartet würde. Die hohen Erfolgsaussichten seien insbesondere deshalb zu verlangen, weil ein Erfolg der Antragsteller als Berufungsfall dienen könnte.

Der Antragsgegner weist darauf hin, dass ihm hinsichtlich des § 9 Absatz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung keine Normverwerfungskompetenz zustehe. Die Verordnung sei von ihm umzusetzen und als Maßstab für sein Vorgehen anzuwenden. Er würde Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten, wenn Gottesdienste abgehalten würden oder wenn an Gottesdiensten teilgenommen würde, ohne dass die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung beachtet würde oder ohne dass das Gesangsverbot eingehalten würde. Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung habe dem Antragsgegner mitgeteilt, dass die Niedersächsische Corona-Verordnung, die ab 15. Dezember 2020 gegolten habe, so auszulegen sei, dass bereits seinerzeit eine Maskenpflicht und das Gesangsverbot für alle Gottesdienste in geschlossenen Räumen gegolten habe. Deshalb seien diese Regelungen nicht erst mit der Verordnung vom 12. Februar 2021 erstmals eingeführt worden. Nach der Begründung der Verordnungsänderung vom 27. November 2020 sei die Pflicht nach § 3, in geschlossenen Räumen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, auf Empfehlung des Robert-Koch Instituts eingeführt worden. "Hinter"grund sei, dass beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen Tröpfchen und Aerosole entständen, die von anderen Personen eingeatmet werden könnten. Die Verbreitung solcher Partikel und deren Aufnahme würden durch Mund-Nasen-Bedeckungen deutlich reduziert.

Dem Grundrecht aus Artikel 4 GG stehe das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 Absatz 2 GG gegenüber. Bei der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass die freie Religionsausübung nur zeitlich befristet eingeschränkt werde. Infizierte hätten dagegen in nicht unerheblichem Maße länger anhaltende gesundheitliche Probleme bis hin zu Langzeitschäden und Todesfällen. Als gravierende Grundrechtseinschränkung würden die Maßnahmen auch nur von einem relativ kleinen Personenkreis betrachtet. Andere Glaubensgemeinschaften akzeptierten die Einschränkungen. Die Religionsausübung werde nicht unmöglich gemacht. Auch sei die ungestörte Durchführung von Gottesdiensten nicht unmöglich. Deshalb liege eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung nicht vor. Dass einzelne Mitglieder der Baptistengemeinde dies subjektiv anders betrachteten, sei kein Grund, den Eingriff als schwerwiegend zu bewerten. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sei als deutlich schutzwürdiger zu bewerten, zumal die Entwicklung in den letzten Monaten gezeigt habe, wie gefährlich die Coronavirusinfektionen für den Einzelnen, aber auch für die Gemeinschaft, seien. Maßnahmen zur Infektionsvermeidung seien auch unerlässlich, um das Gesundheitssystem funktionsfähig zu halten. Das Bundesverfassungsgericht habe mit dem Beschluss vom 10. April 2020 (1 BvQ 28/20) entschieden, dass das grundrechtlich geschützte Recht auf gemeinsame Feier von Gottesdiensten derzeit hinter dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zurücktreten müsse.

Es sei nicht zutreffend, dass die Inzidenz rückläufig gewesen sein, als die in Rede stehenden Regelungen im Dezember 2020 in die Corona-Verordnung aufgenommen worden seien. Auch wenn sich in den letzten Wochen die Entwicklung so darstelle, träten zwischenzeitlich in allen Bundesländern Virusmutationen auf, die deutlich ansteckender seien als das "normale" Coronavirus. Darin liege eine nicht zu vernachlässigende Steigerung der Gefährdung. Das gestiegene Risiko einer schnellen Verbreitung der Virusmutationen rechtfertige Schutzmaßnahmen. Diese träfen auch andere Gruppen wie zum Beispiel die Gewerbetreibenden oder die Bürger im allgemeinen.

Der Antragsgegner könne keine Beeinträchtigungen von Wahrnehmbarkeit oder Kommunikation im Gottesdienst erkennen. In vielen Berufen und in der Freizeit sei es üblich und ohne Probleme möglich, sich auch mit aufgesetzter Mund-Nasen-Bedeckung auszutauschen. Solche Gespräche dauerten auch durchaus länger als ein Gottesdienst. Andere Zusammenkünfte fänden im Regelfall mit einer deutlich geringeren Personenzahl statt. Dadurch befänden sich in den Räumen weniger Aerosole als in einer Kirche anlässlich eines gut besuchten Gottesdienstes.

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse belegten, dass sich beim Sprechen und insbesondere beim Singen in geschlossenen Räumen Aerosole stärker ausbreiteten als bisher angenommen. - Nachweise benennt der Antragsgegner dafür nicht. - Singen und Sprechen erfolgten bei Gottesdiensten gleichzeitig durch eine große Anzahl von Menschen, anders als bei anderen Veranstaltungen. Das bringe einen besonders hohen Aerosolausstoß und eine Gefährdung der Besucher mit sich. Deshalb habe der Verordnungsgeber angeordnet, in Gottesdiensten Mund-Nasen-Bedeckungen zu tragen, um so zunächst einmal die Sicherheit für die Teilnehmer vor eventuellen Ansteckungen zu erhöhen. Verschiedene Institutionen wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das Robert-Koch-Institut "pp." hätten immer wieder darauf hingewiesen, dass Mund-Nasen-Bedeckungen nur dann einen richtigen Schutz darstellten, wenn sie einwandfrei säßen und rechtzeitig gewechselt würden. Die Verwendungshinweise würden leider nicht konsequent beachtet, sodass der beim Singen deutlich höhere Aerosolausstoß nicht ausreichend durch die Filterwirkung der Mund-Nasen-Bedeckung abgefangen werde. Durch das Gesangsverbot werde die sich durch die Mund-Nasen-Bedeckung ergebende Schutzwirkung verstärkt und damit ein insgesamt betrachtet akzeptables Schutzniveau geschaffen. Die ergriffenen Maßnahmen seien geeignet, Infektionen zu vermindern und gesundheitliche Beeinträchtigungen von Teilen der Bevölkerung abzuwenden. Wenn durch die Beschränkungen die Infektionszahlen insgesamt in Grenzen gehalten oder gesenkt würden, beständen gute Chancen, Lockerungen vorzunehmen. Bis dahin gebe es aber keine andere Möglichkeit als sich mit den Regelungen zu arrangieren.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Haupt- und Hilfsantrag sind als Feststellungsantrag unstatthaft. Ein Feststellungsantrag ist im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich unzulässig. Eine Vorläufigkeit widerspricht überdies dem Charakter einer gerichtlichen Feststellung: Nach § 43 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann durch das Gericht festgestellt werden, ob ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht oder ob ein Verwaltungsakt nichtig ist. Ein Rechtsverhältnis kann nicht "vorläufig bestehen" oder "vorläufig nicht bestehen" und ein Verwaltungsakt kann nicht "vorläufig nichtig" sein. Gegenstand einer einstweiligen Anordnung kann zudem nur ein Anspruch sein, der im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Das ergibt sich wegen § 123 Absatz 3 VwGO im Hinblick auf die Rechtslage im Zivilprozessrecht für die einstweilige Verfügung (zur Unzulässigkeit von Feststellungsanträgen nach dieser Rechtslage: Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12. Juli 2017 - 1 U 80/17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. Januar 2015 - 6 W 9/15; OLG Hamm, Beschluss vom 14. August 2013 - I-20 U 90/13; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 24. November 2010 - 5 Ta 361/10, alle zitiert nach Juris). Es ist nicht dem Argument zu folgen, dass nach § 123 Absatz 5 VwGO der § 123 Absatz 1 VwGO für alle Streitsachen gelten solle, die keine Anfechtungssachen sind. Ebenso erfordert Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 GG nicht, einen Feststellungsantrag im Verfahren nach § 123 VwGO als zulässig anzusehen, weil sonst kein lückenloser Rechtsschutz gewährleistet wäre (so aber Finkelnburg/ Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rdnr. 217 m.w.N.). Denn zum einen regelt § 123 Absatz 5 VwGO gerade nicht, dass § 123 Absatz 1 VwGO für alle Streitsachen gilt, die keine Anfechtungssachen sind. Vielmehr regelt § 123 Absatz 5 VwGO, dass die Absätze 1 bis 3 nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a gelten. Das bedeutet wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts der Absätze 1 bis 3 nur, dass die §§ 80 und 80a VwGO gegenüber Sicherungs- und Regelungsanordnungen vorrangig sind. § 123 Absatz 5 VwGO regelt also nur, wann § 123 Absatz 1 bis 3 nicht anzuwenden sind, bestimmt aber nichts dazu, welchen Inhalt § 123 Absatz 1 bis 3 haben. Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass ohne "vorläufige Feststellungen" im Rahmen von § 123 VwGO einerseits und von § 80 und § 80a VwGO andererseits kein effektiver Eilrechtsschutz gewährleistet wäre. Im Gegenteil ist in allen Fällen, in denen Eilrechtsschutz nicht nach den §§ 80 oder 80a VwGO oder durch eine Sicherungsanordnung möglich ist, dieser Rechtsschutz durch eine Regelungsanordnung möglich (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, Rdnr. 8 zu § 123). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 2020 (1 BvR 712/20, m.w.N., zitiert nach Juris). Dort hat das Bundesverfassungsgericht weder einen entsprechenden Rechtssatz aufgestellt, noch geprüft, ob oder inwieweit Feststellungsanträge im Verfahren nach § 123 VwGO generell zulässig sind. Denn es hatte sich nur mit der speziellen Rechtslage in Berlin zu befassen, wo im Landesrecht kein Normenkontrollverfahren und demzufolge auch kein normenkontrollrechtliches Eilverfahren vorgesehen sind.

Eine Feststellung ist im Verfahren nach § 123 VwGO dagegen nicht ausgeschlossen, wenn sie als endgültige Feststellung ergehen kann. Das ist der Fall, wenn die Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren vorliegen. Die Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache liegen nicht vor.

Nach § 122 Absatz 1 in Verbindung mit § 88 VwGO ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden, soweit diese auslegungsfähig sind. Es darf aber über das Antragsbegehren nicht hinausgehen. Weil der Haupt- und der Hilfsantrag sich darauf richten, die Zulässigkeit des Gesangs oder der Gottesdienstteilnahme ohne Mund-Nasen-Bedeckung gerade gegenüber der zuständigen Vollstreckungsbehörde "festzustellen", versteht das Gericht sie dahingehend, dass die Antragsteller erreichen wollen, dass die Vollstreckungsbehörde nicht einschreitet, wenn im Gottesdienst gesungen wird, hilfsweise, wenn am Gottesdienst ohne Mund-Nasen-Bedeckung teilgenommen wird. Denn zum einen ist es nach der Antragsbegründung das erkennbare Ziel des Verfahrens, die Gottesdienste mit Gesang, hilfsweise ohne Mund-Nasen-Bedeckung, durchführen zu können. Dass den Antragstellern dabei nicht an einer bestimmten Entscheidungsform gelegen ist, ist daraus ersichtlich, dass sie zwar eine Sicherungsanordnung für angezeigt halten, aber auch Ausführungen für den Fall machen, dass das Gericht eine Regelungsanordnung für richtiger hält. Zum anderen wäre es anders nicht verständlich, warum sogar in der Antragsformulierung selbst betont wird, dass der Antragsgegner als Vollstreckungsbehörde beteiligt sein soll und dass das Verfahren nach der Antragsbegründung die Niedersächsische Corona-Verordnung nur "implizit" betreffen soll. So verstanden, sind die Anträge statthaft.

Die Antragsteller sind mit ihren so verstandenen Rechtsschutzanliegen nicht auf einen normenkontrollrechtlichen Eilantrag nach § 47 Absatz 6 VwGO zu verweisen. Nach § 47 Absatz 1 Nummer 2 VwGO wird im Normenkontrollverfahren über die Gültigkeit von unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften entschieden, wenn das Landesrecht dies bestimmt - wie § 75 des Niedersächsischen Justizgesetzes. Die Antragsteller wenden sich aber nicht gegen die Gültigkeit der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Vielmehr geht es ihnen darum, gegenüber der Vollstreckungsbehörde klarzustellen, dass einzelne Regelungen - das Gesangsverbot, hilfsweise die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung- in ihrem konkreten Fall nicht zu beachten beziehungsweise nicht durchzusetzen sind. Damit wird auch nicht § 47 VwGO als Spezialvorschrift unterlaufen (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13/99, zitiert nach Juris). Das wirkt sich allerdings auf das Prüfungsprogramm des Gerichts aus. Denn in Frage steht damit nicht, ob die Verordnung - abstrakt - gültig ist, sondern ob der Antragsgegner als Vollstreckungsbehörde aufgrund der Verordnung gegenüber den Antragstellern - konkret - tätig zu werden hat.

Die Anträge der Antragsteller zu 2 und 3 sind unzulässig, soweit sie für sich selbst eine Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit des Gesangs von anderen Gottesdienstbesuchern erreichen wollen, beziehungsweise hilfsweise Feststellungen über die Zulässigkeit des Gottesdienstbesuchs ohne Mund-Nasen-Bedeckung von anderen Gottesdienstbesuchern als jeweils sie selbst erreichen wollen. Insoweit ist unter keinem Gesichtspunkt möglich, dass die Antragsteller zu 2 und 3 antragsbefugt sind, weil sie nicht eigene Rechte geltend machen. Das können sie nur, soweit es jeweils um ihren eigenen Gottesdienstbesuch geht. Für den Antragsteller zu 2 gilt das unabhängig von dem Umstand, dass er Gemeindeältester ist. Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Antragstellers zu 2, dass er auch noch als Gemeindeältester in Rechten als Gemeindeältester betroffen sei. Er begründet das damit, dass es seine Aufgabe sei, den Gottesdienst durchzuführen sowie dafür zu sorgen, dass der zwingend erforderliche Gemeindegesang durchgeführt werde und dass die Gebete akustisch verständlich seien. Damit macht der Antragsteller zu 2 aber keine eigenen Rechte geltend, sondern andere, nämlich die der Antragstellerin zu 1. Denn insoweit ist der Antragsteller zu 2 nur als Amtsträger der Gemeinde tätig.

Im Übrigen sind die Anträge zulässig. Insbesondere hat die Antragstellerin zu 1 dargelegt, dass sie hinreichend durch die beiden ihrer Vorstandsmitglieder vertreten wird, die die Vollmachten für den Prozessbevollmächtigten unterschrieben haben. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Eilantrag besteht auch für die Antragsteller zu 2 und 3, obwohl diese sich noch nicht selbst an den Antragsgegner gewandt haben. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Der Antragsgegner hat gegenüber dem Gericht dargelegt, dass er Verstöße gegen die Niedersächsische Corona-Verordnung ahnden werde, und zwar gegenüber allen drei Antragstellern. Es würde wirksamen Rechtsschutz behindern, wenn zu verlangen wäre, dass die Antragsteller zu 2 und 3 sich auch nach dieser Äußerung noch zuerst an den Antragsgegner wenden müssten. Die Antragsteller können auch nicht darauf verwiesen werden, dass die Niedersächsische Corona-Verordnung nur befristet gilt, und zwar schon deshalb nicht, weil seit April 2020 entweder diese Befristungen jeweils verlängert werden oder die Beschränkungen durch eine neue Verordnung geregelt werden, wie zuletzt durch die seitdem immer wieder verlängerte Verordnung vom 30. Oktober 2020.

Die Anträge sind teilweise begründet.

Gemäß § 123 Absatz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Absatz 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) haben die Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der beantragten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch ihre materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Eine Sicherungsanordnung nach § 123 Absatz 1 VwGO ergeht, wenn durch die Veränderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers droht. In rechtlicher Hinsicht ist es schon seit dem 13. Februar 2021 der bestehende Zustand, dass nach § 9 Absatz 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung die Gottesdienstbesucher abweichend von § 3 Absatz 5 eine Mund-Nasen-Bedeckung auch zu tragen haben, soweit und solange sie einen Sitzplatz eingenommen haben. Bestehender Zustand ist ferner, dass nach § 9 Absatz 1 Satz 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung jeglicher Gesang der Besucher von Gottesdiensten zu unterlassen ist. Diesen Zustand wollen die Antragsteller nicht sichern. Die Sicherungsanordnung ist aber auch zulässig, wenn der zu sichernde Zustand eine behauptete rechtliche Ausnahme von dem im allgemeinen bestehenden Zustand sein soll, die dagegen gesichert werden soll, dass sie nicht als Ausnahme behandelt wird. Die Antragsteller machen insoweit geltend, dass die bezeichneten Beschränkungen für ihre Gottesdienste unverhältnismäßig seien und dass sie gleichwohl singen, hilfsweise ohne Mund-Nasen-Bedeckung den Gottesdienst feiern dürfen.

Die Eilbedürftigkeit haben die Antragsteller dargelegt: Die Ge- und Verbote der Niedersächsischen Corona-Verordnung sind gegenwärtig für die Antragsteller verbindlich. Die Antragstellerin zu 1 führt regelmäßig sonntags Gottesdienste durch, an denen die Antragsteller zu 2 und 3 teilnehmen. Nach dem Verständnis der Antragsteller ist es für diese Gottesdienste von wesentlicher Bedeutung, dass laut gesungen wird und, hilfsweise, dass die Teilnehmer ihre Gesichter nicht, auch nicht teilweise, verdecken. Der Antragsgegner sieht diese Verhaltensweisen als derzeit untersagt an und beabsichtigt, Verstöße gegen die Niedersächsische Corona-Verordnung bei diesen Gottesdiensten mit der Einleitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren zu ahnden. Die Antragsteller sind nicht darauf zu verweisen, ein solches Ordnungswidrigkeitenverfahren abzuwarten und in diesem Verfahren Rechtsmittel einzulegen. Damit würde kein ausreichend wirksamer Rechtsschutz im Sinn des Artikels 19 Absatz 4 GG gewährt. Denn es ist einem Betroffenen nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen "auf der Anklagebank" erleben zu müssen. Der Betroffene hat vielmehr insbesondere dann, wenn ein Ordnungswidrigkeitsverfahren oder Strafverfahren droht, ein schutzwürdiges Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg einzuschlagen (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2003 - 1 BvR 2129/02 - NVwZ 2003, 856, 857 [BVerfG 07.04.2003 - 1 BvR 2129/02] m.w.N.), soweit er dabei nicht Entscheidungen herbeiführen will, die dem Ordnungswidrigkeitenverfahren vorbehalten sind und deshalb auf dem ordentlichen Rechtsweg zu klären wären. Das bedeutet, dass nicht nur die Eilbedürftigkeit vorliegt, sondern dass es für die gerichtliche Eilentscheidung auch nicht das Verbot ankommt, die Entscheidung in der Hauptsache vorwegzunehmen. Das gilt umso mehr, als die Antragsteller mit Recht darauf hinweisen, dass eine Entscheidung des Gerichts die Hauptsache nicht endgültig, beziehungsweise vollständig, vorwegnähme, weil es den Antragstellern nicht nur um einen einmaligen Gottesdienst geht, sondern die Gottesdienste dauerhaft regelmäßig durchgeführt werden. Auch für diese Bewertung ist nicht maßgeblich, dass die Beschränkungen befristet worden sind. Denn diese Befristungen werden regelmäßig verlängert und ein Ende dieser Praxis ist weder ersichtlich noch dargetan.

Der Hauptantrag aller drei Antragsteller ist unbegründet.

Der Antragsgegner hat das Verbot von Gemeindegesang nach § 9 Absatz 1 Satz 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch gegenüber den Antragstellern anzuwenden. Die Antragsteller berufen sich ohne Erfolg darauf, dass sie insoweit in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 GG verletzt seien. Das ist nicht der Fall:

Das Verwaltungsgericht ist befugt, § 9 Absatz 1 Satz 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in seiner Anwendung auf die Antragsteller auf seine Gültigkeit und seine Anwendbarkeit zu prüfen. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit von Rechtsnormen, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, soweit es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 8. April 2020 - 1 B 28/20; BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13/99, beide zitiert nach Juris). Die Gerichte können dabei auch eine Rechtsverordnung inzident verwerfen (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2009, 1 BvR 3151/07, zitiert nach Juris). Das gilt umso mehr, als es für die Bewertung des Infektionsrisikos aufgrund von Kontakten bei Gottesdiensten besonders auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. April 2020 - 1 BvQ 44/20, zitiert nach Juris).

Rechtsgrundlage der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und § 28a Absatz 1 Nummer 2, 3, 14 und 17 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Das Infektionsschutzgesetz ist anwendbar, denn es bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei Lungenkrankheit Covid-19, die durch eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 hervorgerufen werden kann, um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nummer 3 IfSG handelt. Eine Verfassungswidrigkeit dieser Rechtsgrundlage ist jedenfalls nicht offensichtlich und im Eilverfahren nicht festzustellen (Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23. Dezember 2020 - 13 MN 506/20 - m.w.N., zitiert nach Juris).

Die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 ist formell rechtmäßig.

Das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung ist für den Erlass der Verordnung zuständig. Denn die gemäß § 32 Satz 1 IfSG zum Verordnungserlass ermächtigte Landesregierung hat dem Ministerium diese Zuständigkeit durch § 3 Nummer 1 der Subdelegationsverordnung übertragen. Eine solche Subdelegation ist nach § 32 Satz 2 IfSG zulässig. Die Niedersächsische Corona-Verordnung und die hierzu erlassenen Änderungsverordnungen sind ordnungsgemäß nach Artikel 45 Absatz 1 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung (NV) von der Ministerin oder dem Staatssekretär als Vertretern des Ministeriums ausgefertigt und im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet worden (s.o.). In der Verordnung und in den Änderungsverordnungen ist jeweils in der Schlussvorschrift der Tag des Inkrafttretens geregelt, wie in Artikel 45 Absatz 3 Satz 1 NV vorgeschrieben. Dort ist auch eine Befristung vorgesehen, wie im Entscheidungszeitpunkt seit dem 19. November 2020 durch § 28a Absatz 5 IfSG vorgeschrieben. Schließlich ist auch das Begründungserfordernis nach § 28a Absatz 5 Satz 1 IfSG erfüllt. Dafür genügt es, dass die Verordnung eine Begründung hat. Ob diese beanstandungsfrei ist, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit.

Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Niedersächsischen Corona-Verordnung mit den Änderungsverordnungen zu dieser liegen vor. Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung nach § 32 Satz 1 IfSG sind dieselben, die für die Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind. Nach § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde, die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden. Unter diesen Voraussetzungen kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten (Satz 2).

Die Voraussetzungen des § 28 Absatz 1 IfSG liegen vor. COVID-19 ist eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nummer 3 IfSG (s.o.). Es wurden im Land Niedersachsen zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG festgestellt.

§ 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG ermächtigt dabei hinsichtlich des Adressatenkreises nicht nur zu Maßnahmen gegenüber Kranken, Krankheits- und Ansteckungsverdächtigen sowie Ausscheidern (sog. "Störer"). Auch Dritte ("Nichtstörer") können Adressaten von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen. Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht ist insoweit allein der Bezug der durch die konkrete Maßnahme in Anspruch genommenen Person zur Infektionsgefahr maßgeblich (VG Stade, zuletzt im Beschluss vom 11. Dezember 2020 - 6 B 1814/20).

Die Durchsetzung des Verbots des Gesangs im Gottesdienst durch den Antragsgegner verletzt die Antragsteller nicht in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG. Es ist im Eilverfahren nicht feststellbar, dass der Verordnungsgeber das Gesangsverbot zu Unrecht als notwendige Maßnahme angesehen hätte, das erforderlich ist, um eine Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern.

Die Antragsteller zu 2 und 3 sind als natürliche Personen Träger des Grundrechts aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG. Die Antragstellerin zu 1 ist als religiöse Körperschaft in Gestalt eines eingetragenen Vereins Träger des Grundrechts aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG (vgl. Wolff, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 12. Auflage 2018, Rdnr. 4 zu Artikel 4 m.w.N.).

Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG enthält keinen Gesetzesvorbehalt. Artikel 4 Absatz?1 und Absatz?2 GG garantieren die Religionsfreiheit damit zwar vorbehalt-, aber nicht schrankenlos. Schranken des Grundrechts aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG können sich aus der Verfassung selbst ergeben. Zu solchen "verfassungsimmanenten" Schranken zählen Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang und die Grundrechte Dritter (BVerfG, zuletzt im Beschluss vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - m. w. N., zitiert nach Juris), insbesondere aus Artikel?1 Absatz 1, Artikel?2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel?1 Absatz 1, Artikel?2 Absatz 2 Satz 1, Artikel?4 Absatz 1 selbst, Artikel?5 Absatz 3, Artikel?6 Absatz 1 und 2, Artikel?7 Absatz 2, Artikel?14 (Hömig/Wolff, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 12 zu Artikel 4, beck-online). Wo nicht sowohl die Religions- und Weltanschauungsfreiheit als auch eine kollidierende Verfassungsnorm ungeschmälert zu verwirklichen sind, gebietet das Prinzip der Einheit der Verfassung einen Ausgleich beider Verfassungsgüter im Wege praktischer Konkordanz. Das erfordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren. Die in Frage stehenden kollidierenden verfassungsrechtlichen Positionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie möglichst weitgehend wirksam werden. Ist ein solcher Ausgleich nicht erreichbar, ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat (s. nur BVerfG, (BVerfG, Beschluss vom 1 BvR 2202/13 m.w.N., Beschluss vom 9. Mai 2016 - 1 BvR 2202/13 - m.w.N., beide zitiert nach Juris). Danach sind Eingriffe in die Religions- und Weltanschauungsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt, soweit sie der Verwirklichung eines damit kollidierenden Verfassungsbelangs dienen und sich in einer im Sinne der praktischen Konkordanz qualifizierten Verhältnismäßigkeitsprüfung als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen (BeckOK GG/Germann, 45. Ed. 15.11.2020, Rdnr. 48 zu Artikel 4).

Die praktische Konkordanz ist zuvörderst vom Gesetzgeber herzustellen. Das ist im Infektionsschutzgesetz nicht geschehen. Das Infektionsschutzgesetz überlässt diese Aufgabe vielmehr in § 28 Absatz 1 IfSG den zuständigen Behörden oder in § 32 IfSG dem Landesverordnungsgeber. Bei Erlass einer Verordnung nach § 32 IfSG hat der Verordnungsgeber eine Einschätzungsprärogative für die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten und Entwicklungen, von der abhängt, ob gegenläufige Grundrechtspositionen oder andere Werte von Verfassungsrang eine Regelung rechtfertigen, die die Wahrnehmung des Grundrechts aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG, hier: Gottesdienst mit Gesang, untersagt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - m.w.N., zitiert nach Juris). Das gilt insbesondere, solange eine epidemische Lage durch erhebliche Ungewissheiten und sich ständig weiterentwickelnde fachliche Erkenntnisse geprägt ist - mit der Einschränkung, dass sich nicht andere Maßnahmen eindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellen (Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 9. April 2020 - 3 EN 238/20, zitiert nach Juris, unter Verweis auf: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. April 2020 - 13 B 398/20.NE; BayVGH, Beschlüsse vom 30. März 2020 - 20 NE 20.632 - und - 20 CS 20.611; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März 2020 - OVG 11 S 12/20, alle zitiert nach Juris). Der Verordnungsgeber muss allerdings sowohl bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des Eingriffs mit dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit beachten, als auch ein angemessenes Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wahren (BVerfG, Beschluss vom 18. Oktober 2016 - 1 BvR 354/11, zitiert nach Juris).

Der niedersächsische Verordnungsgeber hat in der Begründung zu dem Gesangsverbot ausgeführt (Nds.VBl. 2020 S. 493):

"Satz 4 untersagt jeglichen Gesang der Besucherinnen und Besucher. Der liturgische Gesang ist unter Einhaltung aller Abstandsgebote möglich ebenso wie der Gesang einzelner Solistinnen und Solisten im Gottesdienst. Unter "Liturgischem Gesang" ist der Gesang der Pfarrerinnen und Pfarrern, Priesterinnen und Priester und Kantorinnen und Kantoren (solo) zu verstehen."

Und in der allgemeinen Begründung heißt es insoweit (Nds.GVBl. 2020 S. 491 f.):

"Am 2. November 2020 befanden sich 757 Patienten in stationärer Behandlung. 608 Patienten befanden sich auf der Normalstation. 141 Patienten wurden auf Intensivstationen behandelt. Davon wurden 79 Patienten beatmet. Trotz der Anfang November ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens befindet sich Anfang Dezember die Anzahl der Patienten noch auf einem ähnlichen und sogar höheren Niveau. Bis zum 10. Dezember 2020 wurden insgesamt 82 984 Fälle von Infektionen mit dem Corona-Virus in Niedersachsen labordiagnostisch bestätigt und dem Landesgesundheitsamt (NLGA) übermittelt. Das sind 1 537 Fälle mehr als noch am Vortag. Insgesamt 1.386 an Covid-19 Erkrankte wurden dem NLGA als verstorben gemeldet. In niedersächsischen Kliniken werden derzeit 996 mit dem Virus infizierte Patientinnen und Patienten behandelt: Davon liegen 799 Erwachsene auf Normalstationen, 188 Erwachsene benötigen intensivmedizinische Behandlung. Auf den Intensivstationen müssen 116 Erwachsene beatmet werden, zehn davon auf einem ECMO-Platz. Acht Kinder werden aktuell auf einer Normalstation behandelt, ein Kind auf einer Intensivstation.

Das Infektionsgeschehen droht angesichts des hohen Anstiegs dieser Zahlen außer Kontrolle zu geraten. Es kommt insbesondere darauf an, dass eine Intensivversorgung insbesondere mit dem dafür zur Verfügung stehenden qualifizierten Pflegepersonal dauerhaft auch künftig sicher gestellt bleibt. Um die Zahlen signifikant auf ein beherrschbares Niveau zu bringen, muss kurzfristig mit nachhaltig wirksamen Maßnahmen reagiert werden.

Mit dieser Verordnung werden auf der Grundlage des o. g. Beschlusses vom 13. Dezember 2020 die derzeit notwendigen Beschränkungs- und Schutzmaßnahmen angeordnet. Um das Infektionsgeschehen zu durchbrechen und nachhaltig einzudämmen betreffen die Beschränkungen auf dieser Grundlage im Wesentlichen folgende Bereiche:... - Zusammenkünfte in Gotteshäusern sollen nur bei Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern erlaubt sein. Es gilt zudem eine Maskenpflicht auch am Platz, das Singen ist verboten. Wenn hohe Besucherzahlen zu erwarten sind, müssen die Gemeinden ein Anmeldesystem einführen....

Die Beschränkungen werden zunächst für den Zeitraum bis zum 10. Januar 2021 erlassen. Das Pandemiegeschehen muss dabei fortlaufend weiter in den Blick genommen und ständig darauf überprüft werden, ob die Maßnahmen zu greifen beginnen, die Maßnahmen also insoweit ausreichen oder noch weiter verschärft werden müssen. Die Verordnung stellt insoweit vorläufig einen ersten Schritt dar, um die Infektionsdynamik nicht außer Kontrolle geraten zu lassen.

Die Maßnahmen sind insgesamt zur Eindämmung des Infektionsgeschehens geeignet, da sie nachhaltig wirken und einen sehr großen Teil der kontaktintensivsten Bereiche des täglichen Lebens erfassen. Dabei können auch Erfahrungen des Lockdowns der ersten Infektionswelle im Frühjahr 2020 herangezogen werden, die eine rasche und deutliche Durchbrechung des Infektionsgeschehens zur Folge hatte. Es darf nicht verkannt werden, dass die jetzige Situation der seinerzeitigen Lage gegenüber deutlich verschärft ist.

Die Einschränkungen sind auch erforderlich. Die bisherigen Regelungen hatten nicht den erhofften Rückgang der Infektionsraten zur Folge. Dies ist vor dem Hintergrund der anstehenden Weihnachtstage und dem Jahreswechsel besonders bedrohlich, da es sich um herausragende Feiertage handelt, die üblicherweise in der breiten Bevölkerung mit vielfältigsten Kontakten begangen werden. Für die Weihnachtsfeiertage wurde eine besondere Regelung für Angehörige und festen Partnerinnen und Partnern geschaffen, um diesen hohen Feiertag im Kreis der Familie angemessen begehen zu können. Aktivitäten zu Silvester müssen dagegen wie an anderen Tagen beschränkt bleiben. Angesichts der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus mit einer hohen Rate schwerer Krankheitsverläufe kann mit einschneidenden Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus nicht zugewartet werden, bis ein Großteil der zur Verfügung stehenden Krankenhaus- und Intensivbetten belegt ist.

Zwar steht in Kürze ein Impfstoff zur Verfügung; dieser wird aber erst nach und nach ab Januar 2021 zum Einsatz kommen und steht somit nicht so rechtzeitig zur Verfügung, um das derzeitige weiterhin sehr dynamische Infektionsgeschehen zu beeinflussen.

In Abwägung aller Umstände sind die zuständigen Behörden unter diesen Voraussetzungen zum Handeln verpflichtet (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. November 2020 - 13 MN 436/20 -, Rz. 28). Die Beschränkungen werden für den festgelegten Zeitraum zu einschneidenden Einschränkungen führen, sind aber auch unter Berücksichtigung aller einzustellenden Umstände angemessen und zumutbar. Um das Ziel einer nachhaltigen Eindämmung und Rückführung der Infektionszahlen erreichen zu können, erfordert die derzeitige Infektionslage erhebliche gemeinsame gesamtgesellschaftliche Anstrengungen. Schon aufgrund der hohen Feiertage sowie wegen der Feiern während des Jahreswechsels sind Kontakte gegenüber dem sonstigen Alltagsablauf und -verhalten deutlich erhöht. Die mit den Maßnahmen verbundenen Eingriffe in Grundrechte sowie deren wirtschaftliche Folgen mögen gravierend sein. Die nationalen und landesweiten Interessen an der wirksamen Infektionsbekämpfung, der Schutz des Gesundheitssystems insgesamt sowie der Schutz individuell Betroffener wiegen angesichts der steigenden Verbreitungsgeschwindigkeit, der lebensbedrohenden Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und der hohen Letalitätsrate dagegen schwer. Mildere Mittel, insbesondere ein unverändertes Fortgelten der bisherigen Einschränkungen abzuwarten, drängen sich nicht auf. Der gewählte Zeitraum erlaubt es, die weitere Entwicklung einschätzen zu können und das weitere erforderliche Handeln faktenbasiert zu steuern."

Aus dieser Begründung ist ersichtlich, dass der Verordnungsgeber die infektionsschutzrechtliche Lage geprüft hat.

Die Antragsteller machen zwar mit Recht geltend, dass das allgemeine Gesangsverbot erst zum 13. Februar 2021 geregelt wurde. Vorher galt es nur für Gottesdienste, in denen im Sinn des § 9 Absatz 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, für die Besucherzahlen zu erwarten waren, die zu einer Auslastung der vorhandenen Personenkapazitäten in den Räumlichkeiten führen können. Der Wortlaut des § 9 Absatz 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, wie er ab 16. Dezember 2020 galt: "in Veranstaltungen im Sinne des Satzes 2" ist insoweit eindeutig. Daran ändert es nichts, dass das zuständige Ministerium sich später eingelassen hat, es habe, anders als formuliert war, ein allgemeines Verbot regeln wollen. Denn das ist seinerzeit nicht geschehen und dem Ministerium steht eine authentische Auslegung nicht zu. Das wirkt sich allerdings nicht zugunsten der Antragsteller aus. Denn es ändert nichts an der Prärogative des Verordnungsgebers für die Beurteilung der tatsächlichen Lage sowohl für die Regelungen, die ab dem 16. Dezember 2020 galten als auch für die Regelungen, die ab dem 13. Februar 2021 gelten

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber sich auf die Daten des Landesgesundheitsamts gestützt hat, um die tatsächliche Lage zu ermitteln. Das Landesgesundheitsamt ist die niedersächsische Stelle, bei der die maßgeblichen Daten vorliegen. Das Landesgesundheitsamt ist insbesondere nach § 1 Nummer 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten Gesundheit und Soziales insbesondere für die Aufgaben der nach Landesrecht zuständigen Stelle nach § 3 IfSG sowie der zuständigen Landesbehörde nach § 11 Absatz 1 und 4 und den §§ 12 und 13 Absatz 1 IfSG zuständig. Nach § 11 Absatz 1 IfSG führt das Landesgesundheitsamt die Daten der Gesundheitsämter zu meldepflichtigen Krankheiten und Nachweisen von Krankheitserregern zusammen und übermittelt sie dem Robert Koch-Institut. Zu den meldepflichtigen Krankheiten in diesem Sinn gehört COVID-19. Denn nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 45a IfSG ist bei Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2), dem COVID-19-Erreger, der direkte oder indirekte Nachweis zu melden, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen.

Der Verordnungsgeber hat die getroffenen Maßnahmen als notwendig angesehen, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu halten und die Intensivversorgung insbesondere mit dem dafür zur Verfügung stehenden qualifizierten Pflegepersonal dauerhaft auch künftig sicherzustellen. Er hat auch die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahmen, zumindest summarisch, geprüft.

An der Bewertung von Geeignetheit und Erforderlichkeit ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch hinsichtlich des Verbots von Gesang im Gottesdienst nichts zu beanstanden. Das Totalverbot für die Besucherinnen und Besucher ist geeignet, Infektionen durch virenlastige Aerosole zu vermeiden. Es ist auch im Rechtssinn erforderlich, weil keine gleich geeignete Maßnahme ersichtlich ist, die zu demselben Erfolg führte. Damit ist nicht bereits festgestellt, dass kein Grundrechtseingriff vorliegt. Wenn die Maßnahme "notwendig" und "erforderlich" im Sinn des § 28 Absatz 1 IfSG ist, ist damit noch nichts darüber ausgesagt, dass sie angemessen ist, hier: dass sie die betroffenen Grundrechte ohne eine Grundrechtsverletzung zu einem Ausgleich bringt. Der Befund "notwendig und erforderlich" führt vielmehr dazu, dass die Angemessenheit des Verbots besonders sorgfältig und vertieft zu prüfen ist. Anderenfalls würde die Verhältnismäßigkeitsprüfung gerade bei Maßnahmen unterlaufen, die besonders schwerwiegend oder zumindest tief in Grundrechte eingreifen: Denn ein Totalverbot bestimmter Handlungen ist stets geeignet, deren unerwünschte Folgen zu vermeiden, und damit ist das Totalverbot auch regelmäßig im Rechtssinn erforderlich, denn eine dem Totalverbot vergleichbar wirksame Maßnahme besteht regelmäßig nicht. Es liegt auf der Hand, dass es für eine rechtliche Prüfung damit nicht sein Bewenden haben kann und dass diese sich auch nicht auf eine Willkürprüfung beschränken kann (anders Nds. OVG, Beschluss vom 23. April 2020 - 13 MN 109/20, zitiert nach Juris). Die vertiefte Angemessenheitsprüfung lässt sich dabei auch nicht mit der Erwägung umgehen, dass die Antragstellerseite insoweit nichts vorgetragen habe.

Es stehen sich das Grundrecht der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit und das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gegenüber. Als einen öffentlichen Belang hat der Verordnungsgeber außerdem berücksichtigt, dass eine Intensivversorgung insbesondere mit dem dafür zur Verfügung stehenden qualifizierten Pflegepersonal "dauerhaft auch künftig" sichergestellt bleiben solle. Die intensivmedizinische Versorgung oder deren "dauerhafte auch künftige" Sicherstellung sind weder im Grundgesetz noch in der Niedersächsischen Verfassung angesprochen. Das Gericht lässt es dahinstehen, ob es sich bei ihr um eine Grundrechtsposition, einen anderen Wert von Verfassungsrang (in diese Richtung für die Volksgesundheit: BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82 - [Multiple Choice], zitiert nach Juris) handelt oder um ein überragend wichtiges gesetzlich geschütztes Gemeinschaftsgut (in diese Richtung für die Volksgesundheit; BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1982 - 7 C 24/81 - [Multiple Choice], zitiert nach Juris) und sieht deshalb auch von einer Prüfung ab, ob eine "dauerhafte" Sicherstellung eine Begründung für eine Verordnung sein kann, die von Gesetzes wegen auf vier Wochen zu befristen ist. In die Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit der Antragsteller wird dadurch eingegriffen, dass in den Gottesdiensten nicht gesungen werden darf.

Die Antragsteller haben plausibel und mit Bezug zu Bibelzitaten dargelegt, dass dem Gesang für ihren Glauben eine besondere Bedeutung zukommt, dass der Gesang dementsprechend in ihrer Liturgie stärkere Berücksichtigung als in den Gottesdiensten anderer christlicher Gemeinschaften gefunden hat und dass sie den Gesang dementsprechend auch tatsächlich intensiver ausüben. Insoweit ist es - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - unerheblich, dass andere Glaubensgemeinschaften sich mit dem Verbot von Gesang in Gottesdiensten "abgefunden" haben, sei es, dass sie es akzeptieren, sei es, dass sie nur davon absehen, Rechtbehelfe einzulegen. Denn die Tragweite des Eingriffs in die Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit ist an dem zu messen, was er für die Antragsteller bedeutet, nicht an dem, was er für andere Glaubensgemeinschaften oder -gesellschaften bedeutet, namentlich für die katholische Kirche, die evangelisch-lutherische oder die evangelisch-reformierte Kirche im Landkreis N.. Jedoch ist auch nach der Darstellung der Antragsteller der Gesang nur ein Teilaspekt ihres Glaubens und auch nur ein Teilaspekt der Gottesdienstfeier. Für die Gottesdienste sieht die Niedersächsische Corona-Verordnung zwar auch weitere Beschränkungen vor. Anders als im Frühjahr 2020 sind diese jedoch nicht ganz untersagt.

Leben und körperliche Unversehrtheit sind durch die COVID-19-Krankheit betroffen. Das wird von den Antragstellern auch nicht grundsätzlich in Frage gestellt und das Gericht hat insoweit ebenfalls keine Zweifel. Deshalb sieht das Gericht im Eilverfahren insoweit von einer Erörterung der tatsächlichen Grundlagen für die Risikobewertung ab, die der Verordnung zugrunde liegt.

Das konkurrierende Rechtsgut sind Leben und körperliche Unversehrtheit Dritter, nicht auch der Antragsteller zu 2 und 3 oder der Besucher der Gottesdienst der Antragstellerin zu 1 im Allgemeinen, die den Gesang im Gottesdienst wollen. Es wäre nicht zutreffend, den Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Antragsteller zu 2 und 3, oder auch nur der weiteren Besucher der Gottesdienste der Antragstellerin zu 1 gegen deren Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit zu stellen. Denn es gehört zur Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit, autonom zu entscheiden (vgl. dazu: BVerfG Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15, 2 BvR 651/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 2527/16 [Suizidbeihilfe], zitiert nach Juris), ob und welche Risiken für deren Ausübung eingegangen werden sollen.

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber es hat ausreichen lassen, dass eine abstrakte Gefahr der Verbreitung der COVID-19-Krankheit durch die Gottesdienstteilnehmer besteht. Auch wenn die Antragsteller den Gesang im Gottesdienst als ein sogenanntes imperatives Gebot verstehen, so kommt dem Leben und der Gesundheit Dritter jedenfalls ein so großes Gewicht zu, dass es diesen nicht zumutbar wäre, den Nachweis einer konkreten Gefahr zu verlangen (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG, Beschluss vom 18. Oktober 2016 - 1 BvR 354/11 - [Kopftuchverbot], m.w.N., zitiert nach Juris). Um praktische Konkordanz herzustellen, ist über das Bestehen einer Gefahr auch deren Gewicht zu berücksichtigen. Dieses ist nicht allein nach dem bedrohten Rechtsgut zu bewerten - insoweit besteht gerade die Notwendigkeit, Konkordanz herzustellen, sondern vor allem nach der Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsverletzung. Dabei gilt für die Gefahrenwahrscheinlichkeit kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Vielmehr ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz der umgekehrten Proportionalität (VG Stade, Urteil vom 1. April 2014 - 2 A 408/10, zitiert nach Juris) heranzuziehen, nach dem an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der drohende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen, sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt (Nds. OVG, Beschluss vom 18. Januar 2021 - 13 MN 8/21, zitiert nach Juris). Das Gericht legt zugrunde, dass der Virus SARS-CoV-2 in hohem Maße ansteckend ist, weil er leicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist, und dass eine Übertragung besonders leicht durch Aerosole erfolgt, die beim Sprechen, Lachen oder Singen freigesetzt werden, und zwar je lauter desto stärker. Dafür lehnt sich das Gericht an die "Risikobewertung zu COVID-19" des Robert-Koch-Instituts an (Stand 26. Februar 2021, abgerufen am 8. März 2021 unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;jsessionid=A55F0BA204C6F78171599430C336E07D.internet091?nn=2386228). Das Gericht sieht es im Eilverfahren nicht für erforderlich an, zu prüfen, ob das Robert-Koch-Institut nach § 4 Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 IfSG berufen ist, Risikobewertungen zu erstellen. Denn jedenfalls ist im Eilverfahren bei ihm die für die Bewertung der maßgeblichen Tatsachen erforderliche Sachkunde anzunehmen, weil es nach § 4 Absatz 2 Nummer 1 IfSG die Aufgabe hat, im Benehmen mit den jeweils zuständigen Bundesbehörden für Fachkreise als Maßnahme des vorbeugenden Gesundheitsschutzes Richtlinien, Empfehlungen, Merkblätter und sonstige Informationen zur Vorbeugung, Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten zu erstellen. Deshalb bleibt auch dahingestellt, ob statt des Maßstabs der Gefahrenabwehr ein Maßstab der Risikovorsorge anzulegen ist.

Die leichte Übertragbarkeit begründet für sich noch keine große Wahrscheinlichkeit, dass eine Infektion zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde (anders wohl: Nds. OVG, Beschluss vom 18. Januar 2021 - 13 MN 8/21, zitiert nach Juris). Denn nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts sind sowohl Zahl der schweren Krankheitsverläufe als auch die sogenannte Letalität der COVID-19-Erkrankung zwar höher als bei anderen Virusgrippen (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/41_20.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 8. März 2021). Die Letalität liegt im Durchschnitt für die erste Krankheitswelle rechnerisch bei 1,14 Prozent, allerdings mit stark abweichenden Werten, die vom Lebensalter der Infizierten abhängen - vier von 1 000 bei den 50 bis 54 Jahre Alten gegenüber 174 von 1 000 bei den über 90 Jahre Alten (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=8DAC1667AE28CA8B4632A978AE5CD0F4.internet051?nn=13490888#doc13776792bodyText13). Es erlaubt auch nicht die Bewertung, dass die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs oder des Versterbens "groß" ist, wenn die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs oder des Versterbens nur "größer" ist als bei anderen Virusgrippen. Das Gericht hält allerdings eine große Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Verlaufs nicht für die Voraussetzung dafür, dass der Gesang im Gottesdienst zum Schutz von Leben und körperliche Unversehrtheit untersagt werden darf. Es sieht als maßgeblich an, inwieweit die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung den Dritten zugemutet werden kann. Für eine solche Unzumutbarkeit genügt es, dass angesichts der besonderen Folgen, die mit der COVID-19-Krankheit verbunden sind, die erhöhte Wahrscheinlichkeit festzustellen ist, dass solche Folgen eintreten. Das gilt hinsichtlich der erhöhten Letalität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs sowie zusätzlich hinsichtlich der erhöhten Wahrscheinlichkeit von Spätfolgen.

Die erhöhte Wahrscheinlichkeit wird nicht dadurch wieder vermindert, dass die Antragstellerin zu 1 über einen relativ großen Saal verfügt und Hygienekonzept erstellt hat und anwendet, das geeignet ist, Infektionen vorzubeugen. Namentlich werden die Oberlichter aufgeklappt gelassen, die Sitze sind so angeordnet, dass die Gottesdienstteilnehmer sich nicht gegenübersitzen, sondern alle in eine Richtung schauen und die Abstände sollen grundsätzlich eingehalten werden, allerdings mit Ausnahmen für Familien oder Angehörige. Diese Geeignetheit des Hygienekonzepts sieht das Gericht nicht als ausreichend an, die Unzumutbarkeit der Wahrscheinlichkeit von Ansteckungen für Dritte zu kompensieren. Die erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit wird trotz des Hygienekonzepts durch die Art und Weise des Gesangs wiederhergestellt, der zur Gottesdienstgestaltung der Antragstellerin zu 1 und zu dem gehört, was die Antragsteller zu 2 und 3 als Gesang beitragen wollen: Der Gottesdienst dauert zwei Stunden oder länger, es wird etwa eine Stunde lang gesungen - zusätzlich auch schon vor Beginn des Gottesdienstes - und es wird besonders laut gesungen. Dadurch werden besonders viele Aerosole freigesetzt und die Gottesdienstteilnehmer setzten sich diesen besonders lange aus. Für die Bewertung der Gefahrenwahrscheinlichkeit ist nicht nur die Fläche maßgeblich, sondern auch der Rauminhalt. Denn die allgemeine Lebenserfahrung genügt, um zu beurteilen, dass sich gerade bei einem längeren Aufenthalt in einem Raum die Luft so vermischt, dass Partikel mit der Luft auch über die Mindestabstände hinaus getragen werden. Trotz der großen Höhe des Saals entfällt nicht so viel Rauminhalt auf jeden Besucher, dass die Raumgröße und die angeklappten Oberlichter eine solche besondere Aerosollast ausgleichen könnten. Das schließt das Gericht aus einer überschlägigen Betrachtung des Rauminhalts und dessen Vergleich mit Verkaufsstellen in geschlossenen Räumen; ein solcher Vergleich ist angebracht, denn in beiden Fällen sind größere Raume mit einer Vielzahl von Anwesenden zu beurteilen, die sich dort vorübergehend aufhalten: Der Saal hat nach den Angaben der Antragsteller eine Fläche von 340 m2, der Balkon eine Fläche von 60 m2 und der Keller eine Fläche von 263 m2. Der Saal ist 9 m hoch, der Keller 3 m. Der Balkon ragt in den Saal hinein, so dass die Saalhöhe für die Fläche des Balkons nur überschlägig zur Hälfte mit 4,5 m berücksichtigt werden kann. Das ergibt Rauminhalte von 280 m2 x 9 m = 2 520 m3, 2 x 60 m2 x 4,5 m = 540 m2 und 263 m2 x 3 m = 789 m3, insgesamt (2 520 + 540 + 789 =) 3 849 m3. Bei einer überschlägigen Teilnehmerzahl von 200 Personen entfallen auf jede Person (3 849: 200 =) 19,25 m3 (aufgerundet). Im Vergleich dazu hält der Verordnungsgeber im Handel für erforderlich, dass bei nach § 10 Absatz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geöffneten Betrieben (§ 10 Absatz 3) bis 800 m2 Grundfläche je Person 10 m2 Fläche und bei nicht nach § 10 Absatz 1 geöffneten Betrieben (§ 10 Absatz 1b Satz 3) je Person 20 m2 Fläche zur Verfügung stehen. Bei überschlägiger Annahme der Raumhöhe mit 3 m sind das je Person 30 m3 bzw. 60 m3 Rauminhalt. Dass bei den Antragstellern die Oberlichter des Saales während des Gottesdienstes aufgeklappt bleiben, gleicht daher nicht eine besondere Aerosollast aus, sondern allenfalls, dass weniger Rauminhalt pro Person zur Verfügung steht als in Verkaufsstellen. Diese Annahme hält das Gericht wegen der unterschiedlichen Verhaltensweisen der Anwesenden für angezeigt, insbesondere weil die Gottesdienstteilnehmer sich nicht im Raum bewegen und sich nicht gegenübersitzen.

Die Unzumutbarkeit der Infektionswahrscheinlichkeit für die Dritten überwiegt die konkrete Einschränkung, die die Antragsteller für ihr Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG erfahren. Das ist nach ihrer plausiblen Darstellung die Einschränkung der Verherrlichung Gottes und der gegenseitigen Erbauung. Denn die Einschränkung verhindert die Verherrlichung Gottes oder die gegenseitige Erbauung durch die Antragsteller nicht vollständig. Mit dem Verbot des Gesangs erfolgt zwar eine deutliche Beschränkung der Möglichkeiten der Antragsteller, Gott in einer von ihnen als verpflichtend angesehenen Weise zu verherrlichen. Aber diese Einschränkung steht in einem vernünftigen Verhältnis zu dem Vorteil, der für die ansteckungsgefährdete Dritten erreicht wird (zu diesem Maßstab: BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15, BVerfGE 153, 182-310, Rdnr. 265 bis 266, zitiert nach Juris). Denn nach der plausiblen Darstellung der Antragsteller sind das Gebet und die Predigt neben dem Gesang weitere maßgebliche Mittel zur Verwirklichung der biblisch vorgeschriebenen Verherrlichung Gottes, das Gebet zudem auch ein Mittel zur gegenseitigen Erbauung. Gebet und Predigt bleiben zulässig, ebenso der liturgische Gesang als Sologesang oder der Gesang einzelner Solisten, auch wenn es sich nicht um liturgischen Gesang handelt.

Als allgemeiner Grundsatz des Polizei- und Ordnungsrecht ist neben der umgekehrten Proportionalität allerdings zumindest noch der Rechtsgedanke des § 8 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) zu berücksichtigen, dass Nichtstörer nur nachrangig in Anspruch zu nehmen sind. - Ob § 8 NPOG subsidiär heranzuziehen ist, dem Rechtsgedanken nach, oder ob bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung oder der Herstellung praktischer Konkordanz besonders zu berücksichtigen ist, dass Nichtstörer in Anspruch genommen werden, lässt das Gericht für das Eilverfahren dahinstehen. - § 8 NPOG bestimmt dazu, dass Maßnahmen gegen Nichtstörer gerichtet werden dürfen, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist, Maßnahmen gegen die nach § 6 oder 7 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, die Verwaltungsbehörde oder die Polizei die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwehren kann und die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.

Alle diese Voraussetzungen liegen beim Verbot des Gesangs vor: es besteht eine gegenwärtige Gefahr, weil eine Einwirkung der Übertragung von Krankheitserregern unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Denn Gottesdienste finden regelmäßig statt, bei der Antragstellerin zu 1 zumindest zweimal am Sonntag Das Coronavirus SARS-CoV-2 wird in Niedersachsen landesweit in erheblichem Umfang verbreitet und es ist nach der Lebenserfahrung zu erwarten, dass die Gottesdienstteilnehmer nach dem Gottesdienst Kontakt zu Dritten haben, jedenfalls ist das Gegenteil nicht dargetan und auch nicht plausibel. Diese Gefahr ist erheblich, weil es sich um eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut wie Leben und Gesundheit handelt. Maßnahmen - nur - gegen die nach § 6 oder 7 Verantwortlichen versprechen schon deshalb keinen Erfolg, weil diese wegen des meist untypischen Verlaufs der Krankheit gar nicht in einem Umfang zu ermitteln sind, der die Verbreitung der Krankheit nennenswert eindämmen könnte. Die Verwaltungsbehörde oder die Polizei kann der Natur der Sache nach die Ansteckung Dritter durch Übertragung von Krankheitserregern nicht selbst oder durch Beauftragte abwehren. Und die Betroffenen können ohne erhebliche eigene Gefährdung Gottesdienste ohne Gesang durchführen. Das ist ihnen auch ohne Verletzung höherwertiger Pflichten möglich. Diese Voraussetzung ist nicht isoliert zu betrachten, sondern für sie gelten die Überlegungen zur Herstellung praktischer Konkordanz (s.o.).

Der Hilfsantrag, so verstanden wie oben ausgelegt, ist begründet.

Die Antragsteller haben insoweit allerdings schon nicht plausibel dargelegt, dass im Gottesdienst Seelsorge stattfindet, und dass diese durch eine Mund-Nasen-Bedeckung behindert würde. Das Gericht sieht das als eine reine Schutzeinlassung an. Denn den Sonntagsgottesdienst ganz oder teilweise als Seelsorge zu definieren, überfrachtete den Begriff der Seelsorge in einer Weise, dass er unbrauchbar, weil grenzenlos würde.

Die oben dargestellten Maßstäbe gälten zwar auch für die Beurteilung, ob es die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Antragsteller verletzt, dass sie verpflichtet werden, im Gottesdienst auch am Platz eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Hier bedarf es einer solchen Beurteilung zu Artikel 4 GG nicht, denn die Regelung zur Mund-Nasen-Bedeckung in Gottesdiensten auch am Platz ist in einer Weise inkonsistent, dass die Antragsteller gegenüber den Ausnahmen nach § 3 Absatz 4 Nummer 3 und 4, den Veranstaltungen nach § 3 Absatz 5 und den Versammlungen nach § 9 Absatz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung willkürlich ungleich behandelt und dadurch in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 GG verletzt werden. Artikel 3 Absatz 1 GG gebietet zum einen die Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem und verbietet eine solche zum anderen bei wesentlich Ungleichem. Für den Hilfsantrag kommt es insoweit nicht darauf an, ob es sich bei der vorgeschriebenen Mund-Nasen-Bedeckung um eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung handelt.

Eine Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung war erstmals mit der Verordnung vom 24. April 2020 (GVBl. S. 84) geregelt worden, seinerzeit für Besucher von Verkaufsstellen und für den öffentlichen Personenverkehr. Eine amtliche Begründung für die - Änderungen unterworfene - Verpflichtung findet sich erst in der Begründung der Verordnung vom 27. November 2020 (GVBl. S. 408 ff.). Seinerzeit bestimmte § 3 Absatz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (in der Fassung der Verordnung vom 30. Oktober 2020, GVBl. S. 363 ff.), dass jeder, unbeschadet der Regelungen über Beschränkungen und Verbote von Veranstaltungen, Dienstleistungen und des Betriebs von Einrichtungen, in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen hat. Das galt auch für Personen, die (1.) Tätigkeiten und Dienstleistungen ausüben, die eine Unterschreitung des Abstandsgebots nach § 2 Absatz 2 naturgemäß erfordern, insbesondere im Rahmen der Gesundheitsversorgung, der Pflege von Personen, des Handels, der Gastronomie und der körpernahen Dienstleistungen, (2.) Verkehrsmittel des Personenverkehrs oder die dazugehörigen Einrichtungen wie zum Beispiel Haltestellen, Bahnhöfe, Flughäfen und Fähranleger nutzen, wobei Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer ausgenommen sind, (3.) an einer Veranstaltung in geschlossenen Räumen teilnehmen und (4.) am Unterricht oder einer Prüfung in einem Fahrzeug im Rahmen einer Fahrausbildung oder Fahrlehrerausbildung teilnehmen. Eine Mund-Nasen-Bedeckung ist in einer Arbeit- oder Betriebsstätte nicht zu tragen, wenn ein Arbeitsplatz eingenommen wurde und das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 2 Satz 1 zu jeder anderen Person in der Arbeit- oder Betriebsstätte eingehalten wird. Und die Pflicht gilt nach Absatz 4 Nummer 3 nicht im Zusammenhang mit der Wahrnehmung eines politischen Mandats, nach Nummer 4 nicht bei Veranstaltungen und Sitzungen des niedersächsischen Landtags, seiner Gremien und Fraktionen und von kommunalen Vertretungen, deren Gremien und Fraktionen. In der Begründung zur allgemeinen Pflicht heißt es:

"Absatz 1: diese Regelung greift eine der wesentlichen Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Verminderung der Infektionsgefahr auf und verpflichtet in Satz 1 grundsätzlich jede Person in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Damit wird insbesondere der Bereich erfasst, in dem es wegen der zu erwartenden Kontakte der Menschen in geschlossenen Räumen, gegebenenfalls bei nicht ausreichender Belüftung, zu einer Erhöhung des Infektionsrisikos kommen kann. Erweitert worden ist seit dem 1. Dezember 2020 der Bereich, in dem eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen ist, nunmehr durch die vor den betreffenden Räumen liegenden Eingangsbereiche und die zugehörigen Parkplätze, um die gegebenenfalls dort wartenden oder sich dort begegnenden Personen schützen zu können und das Infektionsrisiko zu senken.

Satz 2 Nummer 1 erweitert die nach Satz 1 bestehende Pflicht auf Personen, die aus beruflichen Gründen das Abstandsgebot unterschreiten müssen, also zum Beispiel in der Gesundheitsversorgung, der Pflege und bei körpernahen Dienstleistungen, um den wegen des fehlenden Abstands verminderten Schutz vor einer Infektion zu kompensieren.

Satz 2 Nummer 2 bezieht Nutzerinnen und Nutzer von Verkehrsmitteln des Personenverkehrs und der dazugehörigen Einrichtungen in die Pflicht nach Satz 1 ein, weil diese Bereiche nicht ohne weiteres durch Satz 1 erfasst werden, gleichwohl aber auch hier der dringende Bedarf nach einem Schutz vor Infektionen besteht. Ausgenommen sind Fahrzeugführerrinnen und Fahrzeugführer, die nicht zum Kreis der Nutzerinnen und Nutzer zählen.

Satz 2 Nummer 3 bezieht die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Veranstaltungen in geschlossenen Räumen in den Kreis der Pflichtigen ein; zugleich werden damit zu einem Teil der Freistellungen vom Abstandsgebot nach § 2 Absatz 3 kompensiert.

Satz 2 Nummer 4 erstreckt die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus Gründen des Infektionsschutzes auf die Personen, die am Unterricht oder einer Prüfung im Rahmen einer Fachausbildung oder Fahrlehrerausbildung teilnehmen und die nicht von Satz 1 erfasst werden.

Der nunmehr seit dem 1. Dezember 2020 angefügte Satz 3 bezieht die Personen in einer Arbeits- oder Betriebsstätte in die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ein, um den Schutz vor Infektionen auch in diesem Bereich zu erhöhen; ausgenommen sind die Personen, die sich an ihrem Arbeitsplatz befinden, sich also nicht auf andere Personen zu bewegen, und dabei das Abstandsgebot einhalten und die Personen, bei denen die Art der Tätigkeit das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht zulässt. ...

Absatz 4: in Absatz 4 sind die Bereiche zusammengefasst, in denen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht sinnvoll, nicht umsetzbar oder nicht zumutbar ist. ... In den Nummern 3 und 4 wird es den dort betroffenen Personen und Einrichtungen wegen ihrer besonderen Funktionen und Aufgaben überlassen, für ihren Bereich eigenverantwortlich die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Gefahr einer Infektion zu vermindern.

Absatz 5: diese Regelung suspendiert dann von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, wenn die pflichtige Person während einer Veranstaltung für sitzendes Publikum ihren Sitzplatz eingenommen hat und den Mindestabstand zu anderen Personen einhält. Rechnung getragen wird dadurch der Einschätzung, dass das Infektionsrisiko dann geringer ist, wenn die Menschen sich auf festen Plätzen befinden, sich also nicht umeinander bewegen und dadurch den Kreis gefährdeter Personen erweitern, und zudem der Mindestabstand nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 eingehalten wird. Durch die Bezugnahme auf die Regelungen nach § 2 wird sichergestellt, dass die dort insoweit vom Abstandsgebot freigestellten Personen auch hier freigestellt werden, insbesondere also Personen des eigenen und eines weiteren Hausstandes."

Für Veranstaltungen mit sitzenden Publikum bestimmte § 7 Absatz 1 allerdings, dass diese mit nicht mehr als 50 Besuchern zulässig seien, wenn sichergestellt sei, dass diese das Abstandsgebot einhalten und ihre Sitzplätze einnehmen; § 9 blieb unberührt; (nur) soweit und solange ein Besucher nicht nach Satz 1 saß, hatte er eine Mund-Nasen-Bedeckung nach § 3 Absatz 1, 3 und 6 zu tragen. Dazu hieß es in der Begründung:

"... Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass die allgemeinen Abstandsregeln nach § 2 auch während der Veranstaltung, also auch im Sitzen, zu beachten sind. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass nach § 9 privilegierte Veranstaltungen von dieser Regelung unberührt bleiben. Satz 4 greift die allgemeinen Regelungen zur Mund-Nase-Bedeckung nach § 3 auf. Wer verpflichtet ist, einen Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, muss dies auch im Rahmen der hier geregelten Veranstaltungen tun. Lediglich dann, wenn die Besucherin oder der Besucher sitzt und auch nur solange das ist was eingenommen ist, darf die Mund-Nase-Bedeckung abgenommen werden ..."

§ 7 ist dann mit Wirkung vom 16. Dezember 2020 gestrichen worden. Zur Begründung dazu hieß es (GVBl. S. 488 ff.):

"Die Streichung der §§ 7 und 8 betrifft die Sonderregelungen für Veranstaltungen mit sitzendem (§ 7) und mit mindestens zeitweise stehendem Publikum (§ 8). Es gelten insoweit die engeren allgemeinen Regelungen und Einschränkungen der Corona-Verordnung auch für diese Veranstaltungen."

Für Gottesdienste ist mit Wirkung vom 16. Dezember 2020 die Pflicht, auch am Sitzplatz eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, verschärft worden , nicht dagegen für die Veranstaltungen nach § 9 Absatz 2. In der Begründung heißt es dazu (GVBl. S: 488 ff.):

"Mit dieser Verordnung werden auf der Grundlage des o.g. Beschlusses vom 13. Dezember 2020 die derzeit notwendigen Beschränkung- und Schutzmaßnahmen angeordnet. Um das Infektionsgeschehen zu durchbrechen und nachhaltig einzudämmen betreffen die Beschränkungen auf dieser Grundlage im wesentlichen folgende Bereiche:

... - Zusammenkünfte in Gotteshäusern sollen nur bei Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m erlaubt sein. Es gilt zudem eine Maskenpflicht auch am Platz, das Singen ist verboten. Wenn hohe Besucherzahlen zu erwarten sind, müssen die Gemeinden ein Anmeldesystem einführen. ...

Mit Satz 3 wird eine Mund-Nasen-Bedeckung auch dann vorgeschrieben, soweit und solange Besucher und Besucherinnen der genannten Veranstaltungen einen Sitzplatz eingenommen haben. Das Abstandsgebot nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 bleibt unberührt. ...

Absatz 2 wird neu gefasst und es wird mit der Regelung ermöglicht, dass die in Bezug genommenen Normadressaten ihre durch Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Sitzungen und Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen bei Einhaltung der geltenden Abstandsgebot durchführen dürfen. Die Einschränkungen in § 6 Absatz 1 und 1 a gelten insoweit nicht."

Es ist ersichtlich falsch, dass durch die Streichung von § 7 für die bis dahin dort geregelten Veranstaltungen "insoweit die engeren allgemeinen Regelungen und Einschränkungen der Corona-Verordnung auch für diese Veranstaltungen" gelten. Denn als allgemeine Regelung für die Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung gilt dadurch § 3 Absatz 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, diese ist nicht enger als die gestrichene Regelung des § 7. Denn danach ist weiterhin keine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, wenn ein Sitzplatz eingenommen wurde. Schon diese unterschiedliche Behandlung der bisher in § 7 geregelten Veranstaltungen und der Gottesdienste ist sachlich nicht begründet, soweit die Gottesdienste nur bis zu 50 Teilnehmer haben. Schwerer wiegt jedoch die unterschiedliche Behandlung der Gottesdienste und der Veranstaltungen nach § 9 Absatz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Für beide ist keine Begrenzung der Teilnehmerzahl vorgeschrieben. Nur für die Gottesdienste ist dagegen nicht nur der Gesang verboten, sondern die Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung auch am Sitzplatz vorgeschrieben. Die Begründung trägt eine solche Unterscheidung nicht. Den für die Änderung des § 9 Absatz 1 ist im Einzelnen nicht begründet, warum nun auch am Sitzplatz eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen ist. Dass die allgemeine Begründung für die Mund-Nasen-Bedeckung und die Ausnahme von dieser, nachdem der Sitzplatz eingenommen wurde, nicht für Gottesdienste passen würde, wohl aber für die Veranstaltungen nach § 9 Absatz 2, ist nicht ersichtlich. Dass in Gottesdiensten auch am Platz aufgestanden wird, rechtfertigt einen Unterschied nicht. Denn nach der Begründung ist die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung am Platz aufgehoben, weil das Infektionsrisiko dann geringer ist, wenn die Menschen sich auf festen Plätzen befinden, sich also nicht umeinander bewegen und dadurch den Kreis gefährdeter Personen erweitern, und zudem der Mindestabstand nach § 2 Absatz 2 und 3 Nummer 1 eingehalten wird. Genau diese Parameter bleiben aber erhalten, wenn im Gottesdienst am Platz aufgestanden wird. Auch das gemeinsame Gebet am Platz rechtfertigt einen Unterschied nicht. Denn bei den Veranstaltungen nach § 9 Absatz 2 sind insoweit keine Beschränkungen vorgesehen. Es entspricht auch durchaus der Lebenserfahrung, dass zum Beispiel bei Vereins- oder Parteiversammlungen mehrere Redner dazwischenrufen, einander ins Wort fallen oder dass nicht unerheblich durcheinandergeredet wird. Entsprechendes gilt für die Ausnahmen nach § 3 Absatz 4 Nummer 3 und 4, soweit kommunale Vertretung betroffen sind. Eine unterschiedliche Behandlung des Landtages rechtfertigt sich aus dem Hausrecht und der Ordnungsgewalt des Präsidenten des Landtags in den Räumen des Landtages gemäß Artikel 18 Absatz 2 NV. Dass bei der Wahrnehmung eines politischen Mandats oder bei Veranstaltungen und Sitzungen der kommunalen Vertretungen und von deren Gremien und Fraktionen andere Wahrscheinlichkeiten bestehen, dass die Erreger von ansteckenden Krankheiten weitergetragen werden, ist jedoch nicht ersichtlich. Das Gegenteil ist offensichtlich der Fall. Dazu verhält sich die Begründung der Verordnung auch nicht.

Auch der Antragsgegner hat sachliche Gründe für diese Ungleichbehandlung nicht ausgeführt.

Dass Singen und Sprechen bei Gottesdiensten anders als bei anderen Veranstaltungen gleichzeitig durch eine große Anzahl von Menschen erfolge, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend (s.o.). Überdies differenziert der Antragsgegner dabei nicht in dem erforderlichen Maß zwischen "Singen und Sprechen" und "Sprechen" ohne Singen - wie es für den Hilfsantrag nur noch in Streit steht. Dass der Antragsgegner nicht zu erkennen vermag, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung die freie Gestaltung und den Ablauf des Gottesdienstes beeinträchtige, ist unerheblich. Dass andere Zusammenkünfte als Gottesdienste im Regelfall deutlich weniger Teilnehmer haben, so dass sich weniger Aerolsole in der Raumluft befinden, ist nicht nachvollziehbar; auch diese Erwägung ist unzutreffend: Wieviele Aerosole sich in der Raumluft befinden, ist nicht von der Zahl der Anwesenden abhängig, sondern von der Zahl der Anwesenden im Verhältnis zum Rauminhalt des Versammlungsraums. Es ist offensichtlich nicht der Fall, dass die anderen Zusammenkünfte als Gottesdienste im Regelfall in Räumen von Kirchengröße stattfänden. Soweit der Antragsgegner ausführt, dass entsprechend große Veranstaltungen, wie sie im letzten Jahr mit einer besonderen Zulassung der Gesundheitsbehörde möglich gewesen seien, heute gemäß § 9 Absatz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung verboten seien, ist nicht nachvollziehbar. § 9 Absatz 4 betrifft Veranstaltungen unter freiem Himmel. Um solche geht es bei den Gottesdiensten und bei den Sitzungen und Zusammenkünften nach § 9 Absatz 2 jedoch nicht. Auch § 9 Absatz 5 gäbe für die Auffassung des Antragsgegners nichts her. Denn nach dieser Vorschrift sind nur solche Veranstaltungen verboten, die nicht durch die Niedersächsische Corona-Verordnung zugelassen sind, also gerade nicht die in § 3 Absatz 4 und 5 oder § 9 Absatz 1 und 2 angeführten.

Ob und mit welchem Ergebnis hinsichtlich der Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung am Platz eine praktische Konkordanz herzustellen wäre, kann nach alledem dahinstehen.

Nach § 123 Absatz 3 VwGO in Verbindung mit § 938 Absatz 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind. Das ist die im Tenor ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Absatz 1 und § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 ZPO. Das Gericht gewichtet die Bedeutung von Haupt- und Hilfsantrag jeweils mit 1/2. Die Antragsteller zu 2 und 3 unterliegen mit dem Hauptantrag vollständig und mit dem Hilfsantrag so überwiegend, dass für ihr Obsiegen keine Quote gebildet wird.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 53 Absatz 2 Nummer 1, § 52 Absatz 1, § 39 Absatz 1 und § 45 Absatz 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzess. Haupt- und Hilfsantrag sind dabei getrennt zu bewerten, weil sie nicht denselben Gegenstand betreffen.