Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.01.2002, Az.: 13 Verg 1/02
Gleichbehandlungsgrundsatz und Wettbewerbsprinzip im Verhandlungsverfahren; Aufforderungen zur Abgabe eines Angebotes für die Beschaffung zweier Landeshochleistungsrechner; Beantragung der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.01.2002
- Aktenzeichen
- 13 Verg 1/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 28365
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2002:0116.13VERG1.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 101 Abs. 4 GWB
- § 118 Abs. 2 GWB
- § 3a Nr. 2 VOL/A
Fundstellen
- IBR 2002, 511
- OLGReport Gerichtsort 2002, 209-211
- VergabeR 2002, 299-303
Amtlicher Leitsatz
Zum Gleichbehandlungsgrundsatz und Wettbewerbsprinzip im Verhandlungsverfahren
In dem Nachprüfungsverfahren
hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .......,
den Richter am Oberlandesgericht ....... und
den Richter am Landgericht .......
am 16. Januar 2002
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist ein im Bereich der Entwicklung, der Herstellung und des Vertriebs von Computeranlagen einschließlich Hochleistungsrechnern tätiges Unternehmen. Die Auftraggeberin betreibt das ....... (nachfolgend: .......).
Die Bundesländer ......., ......., ......., ......., ....... und ....... beabsichtigen im Rahmen des Projektes "Hochleistungsrechner-......." (.......) die Beschaffung eines verteilten Supercomputersystems, bestehend aus zwei gekoppelten Landeshochleistungsrechnern mit Standorten im ....... für Informationstechnik ....... (nachfolgend: .......) und im ....... der Auftraggeberin.
Ein mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 22. Februar 2001 initiiertes Vergabeverfahren wurde mangels ausschreibungskonformer Angebote beendet.
Am 1. Juni 2001 versandte die Auftraggeberin Aufforderungen zur Abgabe eines Angebotes für die Beschaffung der beiden Landeshochleistungsrechner an die Antragstellerin und die Beigeladene sowie weitere Unternehmen. Dabei wies sie darauf hin, dass die Vergabe im Verhandlungsverfahren gemäß VOL/A, Abschnitt 2, § 3 a Nr. 2, stattfinde. Weiter hieß es in den Aufforderungen:
"Die Installation des HLRN-Systems soll möglichst in einer Stufe erfolgen. Eine frühzeitige Installation in 2002 wird entsprechend positiv bewertet.
...
Eine Ausbaubarkeit des angebotenen Rechnersystems ist wesentlich, so dass die Leistungen des HLRN-Systems ab 2004 deutlich vergrößert werden können."
Mit den Aufforderungen übersandte die Auftraggeberin unter anderem die Leistungsbeschreibung, die Zuschlagskriterien sowie die Bewerbungs- und Vertragsbedingungen, in denen es hieß:
"Die betriebsbereite Installation der Komplexe soll in 2002 erfolgen, Zielvorstellung ist das 1. Quartal 2002. Der genaue Installationszeitpunkt wird im Vertrag festgelegt."
Nachdem zum Abgabetermin am 12. Juli 2001 Angebote mehrerer Unternehmen eingegangen waren, traten Mitarbeiter des ....... und des ....... in die Auswertung der Angebote ein und hielten bei den einzelnen Bietern Nachfrage zum Inhalt der jeweiligen Angebote.
Am 15. August 2001 fanden Repräsentationen der Angebote durch die Anbieter vor der Auswahlkommission statt, an die sich eine Diskussion der Angebote anschloss. Im Protokoll heißt es betreffend das Angebot der Beigeladenen:
"....... besitzt ein gutes Architekturkonzept mit starken SMP-Knoten und leistungsfähigen Power4-Prozessoren. Allerdings ist das Verbindungsnetzwerk deutlich zu schwach. Das angebotene Hauptspeichervolumen ist zu gering. ..."
Die Diskussion ergab, dass keine klare Reihenfolge der Angebote definiert werden könne, sondern diese von den Nachbesserungen der Unternehmen abhänge. Dementsprechend sollten allen vier Anbietern die wichtigsten Defizite ihrer Angebote mitgeteilt und anschließend mit ihnen in einer ersten Runde verhandelt werden. Mit der Antragstellerin und der Beigeladenen sollte intensiv über technische Verbesserungen gesprochen werden. Entsprechend wurde verfahren.
In der Folgezeit kam es zu getrennten Verhandlungen mit den Anbietern, in deren Verlauf sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene ihre Angebote verbesserten.
Am 10. September 2001 stellte der Verwaltungsrat fest, dass es herausragende Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen gebe, wobei sich in der Diskussion Präferenzen zugunsten des Angebotes der Beigeladenen zeigten. Eine abschließende Systementscheidung sollte erst nach einem Vorschlag der Technischen Kommission getroffen werden, in den auch die Gesichtspunkte der Auswahlkommission einfließen sollten.
Ein Treffen der Technischen Kommission am 12. September 2001 endete damit, dass die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen einvernehmlich als die besten eingeschätzt wurden, wobei die Präferenz auf dem Angebot der Beigeladenen lag. Anschließende Erörterungen der Auswahlkommission führten zu demselben Ergebnis, wobei die Auswahl des Interconnects (Myrinet oder Colony sofort, Federation im 2. Halbjahr 2003) der Beigeladenen im Detail bewertet und verhandelt werden sollte, und dazu, dem Verwaltungsrat zu empfehlen, die Verhandlungskommission zu beauftragen, mit der Beigeladenen in Vertragsverhandlungen einzutreten mit dem Ziel, dass die Beigeladene u.a. das Federation-Netzwerk mit voller Anzahl Adapterkarten zusichern solle. Dieser Empfehlung schloss sich der Verwaltungsrat mit Beschluss vom 18. September 2001 an. Dementsprechend kam es nachfolgend zu Vertragsverhandlungen und Technischen Verhandlungen mit der Beigeladenen.
Am 10. Oktober 2001 wurde die Antragstellerin von Vertretern und des ....... informiert, dass sich die beteiligten Gremien einvernehmlich für Verhandlungen mit dem anderen in der engeren Wahl verbliebenen Bieter ausgesprochen hätten, da die Auswertung der Zuschlagskriterien einen Vorteil für diesen ergeben habe.
Die Auswertung der HLRN-Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen nahm die Auftraggeberin am 16. Oktober 2001 in der Weise vor, dass sie dem Angebot der Antragstellerin das Angebot der Beigeladenen in zwei Stufen gegenüberstellte, und zwar in Stufe 1 für das erste Betriebsjahr mit dem Colony-Netzwerk mit einem Anteil von 25 % und in Stufe 2 für das zweite bis vierte Betriebsjahr mit dem Federation-Netzwerk mit einem Anteil von 75 %, nachdem die Auftraggeberin der Beigeladenen im Laufe der Verhandlungen ein Defizit bezüglich des Verbindungsnetzwerkes aufgezeigt und die Beigeladene ihr Angebot dahin nachgebessert hatte, dass zunächst das Colony-Netzwerk und sodann im Laufe des Jahres 2003 das Federation-Netzwerk Verwendung finden sollte.
Am 17. Oktober 2001 trafen die Auftraggeberin, das ....... und der Verwaltungsrat die Entscheidung, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.
Mit Schreiben vom selben Tag informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin darüber, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden solle und beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22. Oktober 2001 die beabsichtigte Auftragsvergabe und kündigte die Anrufung der zuständigen Nachprüfungsinstanzen an. Unter dem 25. Oktober 2001 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Dort hat die Antragstellerin beantragt,
- 1.
der Auftraggeberin zu untersagen, den Auftrag zur Beschaffung eines Landeshochleistungsrechners im Rahmen des HLRN-Projekts, wie von ihr angekündigt, an die Firma ....... zu erteilen,
- 2.
die Auftraggeberin anzuweisen, die Wertung der vorliegenden Angebote zu wiederholen und auf dieser Grundlage erneut über die Zuschlagserteilung zu entscheiden.
Die Auftraggeberin hat beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
- 2.
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch sie für notwendig zu erklären.
Die Beigeladene hat beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
- 2.
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch sie für notwendig zu erklären.
Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 7. Dezember 2001 abgewiesen, die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin und die Beigeladene für notwendig erklärt und der Antragstellerin auferlegt, der Auftraggeberin und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den vorgenannten Beschluss verwiesen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg vom 7. Dezember 2001 (203-VgK - 20/2001) der Auftraggeberin zu untersagen, den Auftrag zur Beschaffung eines Landeshochleistungsrechners im Rahmen des HLNR-Projektes, wie von ihr beabsichtigt, an die Beigeladene zu erteilen,
- 2.
die Auftraggeberin anzuweisen, die Wertung der vorliegenden Angebote zu wiederholen und auf dieser Grundlage erneut über die Zuschlagserteilung zu entscheiden,
- 3.
die aufschiebende Wirkung des Nachprüfungsantrages bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern,
- 4.
ihr Akteneinsicht zu gewähren.
Die Auftraggeberin beantragt,
- 1.
die gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg vom 7. Dezember 2001 (203-VgK - 20/2001) eingelegte sofortige Beschwerde zurückzuweisen,
- 2.
die aufschiebende Wirkung des Nachprüfungsantrages nicht zu verlängern.
II.
Die zulässigen Anträge sind nicht begründet.
1.
Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde ist nicht begründet, da die Beschwerde nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 118 II GWB.
Die Antragstellerin rügt, die Vergabekammer habe sich zu Unrecht über ihre vergaberechtlichen Bedenken hinsichtlich der Zweistufigkeit des Angebotes hinweggesetzt, das seine volle Leistungsfähigkeit entgegen den Verdingungsunterlagen erst Ende 2003 erreichen solle. Die Berücksichtigung der Nachrüstung, durch die erst das bessere Abschneiden der Beigeladenen in der Gesamtwertung der Angebote ermöglicht werde, widerspreche sowohl den Verdingungsunterlagen als auch den klaren Äußerungen der Auftraggeberin im Vorfeld der Ausschreibung und führe letztlich zu einer objektiv nicht mehr nachprüfbaren Angebotswertung. Die Nachrüstung habe daher bei der Angebotswertung nicht berücksichtigt werden dürfen, jedenfalls aber habe ihr die Möglichkeit gegeben werden müssen, ihrerseits absehbare technische Fortentwicklungen der nächsten Jahre ihrem Angebot zu Grunde zu legen. Da die Angebotswertung somit gegen das Wettbewerbsprinzip (§ 97 I GWB) und das Gleichbehandlungsgebot (§ 97 II GWB) verstoße, sei sie aufzuheben und unter Beachtung des Diskriminierungsverbotes zu wiederholen.
Die Rüge der Unzulässigkeit der Berücksichtigung der Nachrüstung des Angebotes der Beigeladenen ist auf der Grundlage des vorliegenden Sach- und Streitstandes voraussichtlich nicht begründet. Eine unterschiedliche Behandlung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen im Hinblick auf eine ausschließlich der Beigeladenen eingeräumte Möglichkeit eines mehrstufigen Angebotes, die unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsprinzip und den Gleichbehandlungsgrundsatz eine Verletzung der Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 VII GWB begründen könnte, liegt voraussichtlich nicht vor.
Vorliegend findet die Vergabe im Verhandlungsverfahren gemäß VOL/A, Abschnitt 2, § 3 a Nr. 2, statt. Verhandlungsverfahren sind gemäß § 101 IV GWB Verfahren, bei denen sich der Auftraggeberin mit oder ohne vorherige öffentliche Aufforderung zur Teilnahme an ausgewählte Unternehmen wendet, um mit einem oder mehreren über die Auftragsbedingungen zu verhandeln und auf diesem Wege den geeignetsten Bewerber zu ermitteln.
Eine Rüge dahingehend, dass das Verhandlungsverfahren unzulässig sei, hat die Antragstellerin nicht erhoben. Dies von Amts wegen zu überprüfen, besteht keine Veranlassung. Die auf die Senatsentscheidung vom 8. November 2001 (13 Verg 11/01) gestützte Auffassung der Vergabekammer, im Nachprüfungsverfahren sei grundsätzlich das gesamte Vergabeverfahren von Amts wegen auf Vergabefehler zu prüfen, beruht auf einem Missverständnis der Senatsentscheidung.
Das Verhandlungsverfahren unterscheidet sich vom Offenen bzw. Nichtoffenen Verfahren dadurch, dass sowohl der Leistungsgegenstand nicht bereits in der Ausschreibung in allen Einzelheiten festgeschrieben ist als auch Angebote abgeändert werden können, nachdem sie abgegeben worden sind. Nach Ablauf der Angebotsfrist sind die Angebote nicht nur noch nach dem für alle einheitlichen Maßstab zu bewerten; es beginnt vielmehr ein dynamischer Prozess, in dem sich durch Verhandlungen sowohl auf Nachfrage- als auch auf Angebotsseite Veränderungen ergeben können. Diese dürfen nur nicht dazu führen, dass letztlich andere Leistungen beschafft werden, als angekündigt. Verhandeln heißt in diesem Zusammenhang, dass Auftraggeber und potenzielle Auftragnehmer den Auftragsinhalt und die Auftragsbedingungen solange besprechen bis klar ist, wie die Leistung ganz konkret beschaffen sein soll, zu welchen Konditionen der Auftragnehmer diese liefert und grundsätzlich insbesondere auch, zu welchem Preis geliefert wird. Ein Vertrag wird am Ende des Verhandlungsprozesses mit dem Unternehmen geschlossen, das bis zum Schluss übrig geblieben ist. Dabei kann der Verhandlungsprozess in Stadien ablaufen, nach deren jeweiligem Ende Unternehmen ausscheiden, beispielsweise weil sie technisch nicht die gewünschte Leistung erbringen können oder wollen. Der Wettbewerbsgrundsatz gebietet es allerdings, dass der Auftraggeber grundsätzlich mit mehreren Bietern verhandeln muss. Auch im Verhandlungsverfahren ist der Auftraggeber verpflichtet, die Bieter gleich zu behandeln. Er muss also allen Bietern die gleichen Informationen zukommen lassen und ihnen die Chance geben, innerhalb gleicher Fristen und zu gleichen Anforderungen Angebote abzugeben.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend ein Verstoß der Auftraggeberin gegen das Wettbewerbsprinzip oder das Gleichbehandlungsgebot, der die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen würde, weder von der Antragstellerin hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich. Wie vorstehend unter I. im Einzelnen dargelegt, hat die Auftraggeberin mehrere Unternehmen mit den gleichen Informationen zur Abgabe von Angeboten aufgefordert, hat diese ausgewertet und Rückfragen zu ihrem Inhalt gehalten, eine Angebotsrepräsentation durchgeführt und sodann Verhandlungen mit den einzelnen Bietern aufgenommen, wobei jeweils die Problematiken des jeweiligen Angebotes konkret im Einzelnen erörtert wurden und den Bietern die Möglichkeit zu entsprechenden Nachbesserungen gegeben wurde. Im Rahmen dieser
Verhandlungen hat die Beigeladene im Hinblick auf ein ihr aufgezeigtes Defizit hinsichtlich des zunächst angebotenen Verbindungsnetzwerkes eine zweistufige Alternativlösung in der Form angeboten und zugesagt, dass zunächst Im Jahr 2002 das Colony-Netzwerk und sodann im Verlauf des Jahres 2003 das Federation-Netzwerk installiert wird. Dieses Angebot ist dann bei der Angebotswertung zu Grunde gelegt worden, und zwar in der Form das ausgehend von der absehbaren Nutzungsdauer in einer 1. Stufe für das erste Betriebsjahr das Colony-Netzwerk mit einem Anteil von 25 % und in einer 2. Stufe für das zweite bis vierte Betriebsjahr das Federation-Netzwerk mit einem Anteil von 75 % berücksichtigt wurde. Diese Verfahrensweise ist nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand nicht zu beanstanden. Denn die Auftraggeberin hat der Beigeladenen nicht einseitig ermöglicht, ihr Angebot technisch nachzurüsten, sondern vielmehr allen Bewerbern die Problematiken des jeweiligen Angebotes aufgezeigt und die Möglichkeit zu Nachbesserungen gegeben, von der sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene Gebrauch gemacht haben. Dass die Auftraggeberin nach eigenem Gutdünken die Beigeladene insoweit bevorzugt hätte, ist nicht erkennbar. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Auftraggeberin die Beigeladene gezielt zu einer Nachbesserung des Angebotes gedrängt hätte, um dieser einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen, und den anderen Bietern gegenüber eine solche Nachbesserungsmöglichkeit noch nicht einmal erwähnt hätte.
Soweit die Antragstellerin meint, sie habe davon unterrichtet werden müssen, dass sich durch die Verhandlungen mit Mitbewerbern Veränderungen in der Einschätzung der Angebote ergeben hätten, ist sehr zweifelhaft, ob sie einen derartigen Informationsanspruch hat. Letztlich kann das hier dahinstehen: die Antragstellerin hat jedenfalls nicht dargelegt, welche konkreten Verbesserungen ihrer Leistungen sie nach entsprechender Information verbindlich zugesagt hätte.
Der Umstand, dass das nachgebesserte Angebot der Beigeladenen aufgrund der Zweistufigkeit der Installation des Verbindungsnetzwerkes zur Folge hat, dass die volle Leistungsfähigkeit des Systems erst im Verlauf des Jahres 2003 zur Verfügung steht, begründet auch unter Berücksichtigung der der Ausschreibung vorangegangenen Äußerungen der Vertreter der Auftraggeberin und der Angaben in der Aufforderung zur Angebotsabgabe und den Bewerbungs- und Vertragsbedingungen, wonach die betriebsbereite Installation möglichst in einer Stufe frühzeitig im Jahr 2002 erfolgen soll, nach dem konkreten Ablauf der Verhandlungen und den insoweit allen Bietern eingeräumten Nachbesserungsmöglichkeiten keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsprinzip oder das Gleichbehandlungsgebot.
Die Aufteilung der Angebotswertung in zwei Stufen, die mit 25 % bzw. 75 % in die Angebotswertung eingehen, verstößt ebenfalls nicht gegen das Wettbewerbsprinzip. Auch wenn die genaue Nutzungsdauer des ausgeschriebenen HLRN-Systems weder aus den Verdingungsunterlagen hervorgehen noch in sonstiger Weise konkret absehbar sein mag, ist es nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin ausgehend von einer voraussichtlichen Nutzungsdauer von vier bis fünf Jahren die zweistufige Installation des Verbindungsnetzwerkes mit 25 % bzw. 75 % in der Angebotswertung berücksichtigt hat. Dieser Ansatz erscheint nach den vorliegenden Informationen zur Nutzungsdauer und zum Installationszeitpunkt des Federation-Netzwerkes im Jahr 2003 jedenfalls nicht in einem solchen Maße unangemessen, dass ein Verstoß gegen das Wettbewerbsprinzip wegen einer Verzerrung der Angebotswertung zu bejahen wäre.
Auch unter Berücksichtigung der von der Auftraggeberin gewählten Art der Ausschreibung (optimale Leistungsfähigkeit bei vorgegebenem Investitionsrahmen) ist die zeitliche Stufung der Angebote nach vorläufiger Bewertung nicht zu beanstanden. Dass bei der gewählten Art der Ausschreibung der Preis als Zuschlagskriterium ausscheidet, führt nicht dazu, dass infolge "weicher" Kriterien, insbesondere wegen der zeitliche Stufung in der Angebotswertung, eine hinreichende Nachprüfbarkeit nicht mehr möglich wäre.
Soweit die Antragstellerin hilfsweise die Verpflichtung zur Zulassung eines überarbeiteten Angebotes begehrt, bietet dieses Verlangen ebenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn es geht vorliegend nicht um eine allgemeine Zulassung von Nachrüstungen während der Projektlaufzeit aufgrund von bereits absehbaren technischen Fortentwicklungen, sondern darum, dass die Auftraggeberin die Beigeladene auf ein Defizit in einem konkreten Punkt ihres Angebotes hingewiesen hat, die Gelegenheit zu einer entsprechenden Nachbesserung gegeben und dann diese konkrete Nachbesserung berücksichtigt hat. Entsprechend ist die Auftraggeberin auch gegenüber der Antragstellerin verfahren, indem sie ihr ebenfalls Defizite oder Schwachpunkte in ihrem Angebot aufzeigt und die Möglichkeit zu entsprechenden Nachbesserungen gegeben hat.
Soweit die Antragstellerin ihre im Verfahren vor der Vergabekammer vorgetragenen Bedenken gegen die Wertung der einzelnen Zuschlagskriterien aufrecht erhält, trägt das nicht. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer verwiesen werden, mit denen sich die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht im Einzelnen auseinander gesetzt hat.
2.
Der Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in für geheimhaltungsbedürftig erklärte Unterlagen ist ebenfalls nicht begründet. Gemäß § 120 II GWB i.V.m. §§ 72, 111 GWB können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten die Akten einsehen, wobei die Einsicht zu versagen ist, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Fabrikations-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen geboten ist. Auf der Grundlage dieser Regelung ist im Hinblick auf die Gewährung der Akteneinsicht eine Abwägung der berechtigten Interessen der Verfahrensbeteiligten vorzunehmen, hier insbesondere zwischen dem Interesse der Antragstellerin an einer effektiven Rechtsverfolgung einerseits und dem Interesse der Beigeladenen an der Wahrung von Fabrikations-, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen andererseits. Diese Abwägung führt im vorliegenden Einzelfall dazu, dass die Gewährung der Akteneinsicht zu versagen ist. Denn im Hinblick auf die geltend gemachte Akteneinsicht überwiegt das vorerwähnte Interesse der Beigeladenen gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, so dass eine Akteneinsicht nicht zu gewähren ist. Wie ausgeführt, hat die Antragstellerin eine Verletzung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren nicht in einer solchen Weise hinreichend schlüssig und nachvollziehbar konkret im Einzelnen dargetan, dass eine weitere Aufklärung eines etwaigen Verstoßes im Wege der Akteneinsicht erforderlich, gerechtfertigt und angemessen wäre.