Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.01.2002, Az.: 13 U 173/01

Abgrenzung; Beweisbarkeit; Beweislast; Ehrenschutzverfahren; ehrverletzende Behauptung; Ehrverletzung; Persönlichkeitsrechtsverletzung; Rechtfertigungsgrund; Richtigkeitsüberprüfung; Tatsachenbehauptung; Unterlassungsanspruch; Wahrheit; Wahrnehmung berechtigter Interessen; Wahrnehmungszweck; Werturteil; üble Nachrede

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.01.2002
Aktenzeichen
13 U 173/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43742
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 12.06.2001 - AZ: 3 O 583/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil, zur Wahrnehmung berechtigter Interessen und zur Beweislast im Ehrenschutzprozess

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. Juni 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 3 O 583/00 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, außerhalb von Gerichts- und Verwaltungsverfahren über den Kläger zu behaupten, er habe dieselben Probleme mit der ordnungsgemäßen Deklarierung seiner

...-Aufsichtsratsbezüge wie ..., der ehemalige

... AG-Betriebsratsvorsitzende aus ... (gehabt).

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 I ZPO abgesehen.

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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete, Berufung ist teilweise begründet.

I.

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Die Berufung hat in der Sache Erfolg, soweit es den Klageantrag zu 2. betrifft. Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß §§ 1004, 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB einen Anspruch darauf, dass dieser es unterlässt, über ihn - den Kläger - zu behaupten, er habe dieselben Probleme mit der ordnungsgemäßen Deklarierung seiner

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-Aufsichtsratsbezüge wie , der ehemalige ...

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AG-Betriebsratsvorsitzende aus  (gehabt). Insoweit sind die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs aus den genannten Vorschriften erfüllt.

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Denn der Beklagte hat dadurch, dass er in seinem Schreiben an den Vorsitzenden der IG Metall, Herrn , vom 3. September 2000, das er später auch an den Aufsichtsratsvorsitzenden der

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, Herrn , versandt hat, geäußert hat, dass er von den Betriebsräten in  wisse, dass der Kläger dieselben Probleme mit der ordnungsgemäßen Deklarierung seiner

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...-Aufsichtsratsbezüge gehabt habe wie , der ehemalige ...-BR-Vorsitzende aus ..., in Beziehung auf den Kläger eine Tatsache behauptet, die geeignet ist, den Kläger verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Unstreitig hat der genannte Herr , bei dem es sich um den ehemaligen Vorsitzenden des Konzernbetriebsrates der ... handelt, insofern erhebliche Probleme mit der ordnungsgemäßen Deklarierung und Abführung seiner Bezüge als Mitglied des Aufsichtsrates der ... an die

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...-... gehabt, als er den variablen Teil der Aufsichtsratsvergütung, der die feste Vergütung um ein Mehrfaches überstieg und damit den weit überwiegenden Teil seiner Aufsichtsratsbezüge ausmachte, in den Jahren 1997 und 1996 und zuvor entgegen seiner Verpflichtung als Mitglied der ...

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aufgrund der insoweit geltenden Abführungsbestimmungen nicht ordnungsgemäß deklariert und an die ...-... abgeführt, sondern für andere Zwecke verwendet hat. Erst nachdem sich anlässlich der Neuwahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der ... im Jahre 1996 der Verstoß gegen die Abführungsbestimmungen der ... herausgestellt hatte, wurde ausweislich der diesbezüglichen vom Beklagten vorgelegten Unterlagen aus dem Bereich der  nachträglich eine Vereinbarung zwischen der ... und  zur Regelung des mangelhaften Abführungsverhaltens getroffen. Die Aufklärung dieses Sachverhaltes führte Ende 1996/Anfang 1997 zu erheblichen Auseinandersetzungen in der ... im Bereich ... und hatte für den Konzernbetriebsratsvorsitzenden ... weit reichende Folgen. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers kosteten ihn diese Vorfälle "letztlich seine Karriere".

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Wenn der Beklagte angesichts dieses Sachverhaltes in seinem Schreiben an den Vorsitzenden der  äußert, dass er von den Betriebsräten in Salzgitter wisse, dass der Kläger dieselben Probleme mit der ordnungsgemäßen Deklarierung seiner

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...-Aufsichtsratsbezüge gehabt habe wie , der ehemalige ...-BR-Vorsitzende aus ..., so stellt er damit in Beziehung auf den Kläger eine Tatsachenbehauptung auf, die geeignet ist, diesen in erheblichem Maße verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.

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Bei der streitgegenständlichen beanstandeten Passage des Briefes handelt es sich nicht um ein Werturteil und damit eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 I GG, sondern um eine Tatsachenbehauptung, die von dem Unterlassungsanspruch des Klägers aus den §§ 1004, 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB erfasst wird. Für die Einstufung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung kommt es darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. BGH NJW 1997, 1148, 1149 [BGH 26.11.1996 - VI ZR 323/95] m.w.N.). Das ist bezüglich der hier streitigen Äußerung ohne Weiteres zu bejahen und wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Der hier maßgebliche unbefangene verständige Adressat der beanstandeten Äußerung versteht diese entsprechend ihrem Wortlaut ohne Weiteres dahin, dass der Kläger dieselben Probleme mit der ordnungsgemäßen Deklarierung seiner ...-Aufsichtsratsbezüge gehabt habe wie der genannte .... Dass dieser Aussagegehalt einer Überprüfung seiner Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, zeigen bereits die Aufklärung des vom Beklagten herangezogenen Falls des Herrn ... und die von beiden Parteien vorgelegten Unterlagen bezüglich der Abführung der Aufsichtsratsvergütung durch die Arbeitnehmervertreter im Allgemeinen und den Kläger im Besonderen.

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Durch diese Tatsachenbehauptung wird der Kläger sowohl in der öffentlichen Meinung diskreditiert als auch als der Achtung anderer überhaupt unwürdig hingestellt und in seinem Wert herabgesetzt, da er als Person geschildert wird, die ihren sittlichen und dienstlichen bzw. beruflichen Pflichten nicht gerecht wird. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges des Briefes ergibt sich aus der beanstandeten Passage, dass der Kläger, der als geschäftsführendes Vorstandsmitglied in herausgehobener Funktion und hauptberuflich für die ... tätig ist und insofern in besonderer Weise zur Einhaltung der vereinbarten Regeln verpflichtet ist, diese ihm kraft der Beschlüsse der Gewerkschaft und seines Arbeitsvertrages obliegenden Verpflichtungen in erheblicher Weise verletzt habe, indem er finanzielle Leistungen erheblichen Umfanges, die er als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der  erhielt, jedenfalls zunächst nicht in der vorgesehenen Weise deklarierte und abführte, sondern anderen Zwecken zuführte. Ob die beanstandete Äußerung direkt den Schluss rechtfertigt oder es lediglich nahe legt, dass es sich dabei um private Zwecke des Klägers handelte, bedarf mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Entscheidung. Dass die angegriffene Äußerung insbesondere unter Berücksichtigung des Spannungsfeldes, in dem sich der Kläger als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der ... und von den Arbeitnehmern der

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... gewähltes Mitglied des Aufsichtsrates der ...

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bewegt, einen Vorwurf von erheblichem Gewicht beinhaltete, der erhebliche Folgen für den Kläger zur Folge haben konnte, bedarf keiner näheren Begründung.

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Der Beklagte muss sich diese Tatsachenbehauptung auch als eigene Äußerung zurechnen lassen. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er die gegen den Kläger gerichtete Äußerung lediglich aus einer anderen Informationsquelle - von den Betriebsräten aus  - übernommen habe. Diese Entlastungsmöglichkeit scheitert schon deshalb, weil nirgends erkennbar wird, dass sich der Beklagte von den nach seinem Vortrag ihm gegenüber getätigten Äußerungen der Betriebsräte aus  distanziert. Bereits das Verbreiten dessen, was ein Dritter geäußert hat, ist rechtlich als eigene Äußerung des Erklärenden zu werten, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung des Erklärenden fehlt (vgl. BGH NJW 1996, 1131, 1132 [BGH 30.01.1996 - VI ZR 386/94] m.w.N.). Das ist hier der Fall. Der Beklagte hat sich von den behaupteten Äußerungen der Betriebsräte nicht nur nicht distanziert, sondern sie für die Adressaten des Briefes erkennbar im Rahmen seines Gesamtanliegens in Bezug auf den Kläger als tatsächliche Grundlage mitverwertet und sich insofern selbst zumindest "zwischen den Zeilen" zu Eigen gemacht. Insofern kann nicht die Rede davon sein, dass der Beklagte lediglich die nach seinem Vortrag zutreffende Tatsache einer fremden Behauptung verbreitet hätte.

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Der Beklagte ist entsprechend dem Klageantrag zu 2. zur Unterlassung der beanstandeten Äußerung verpflichtet, da er den ihm obliegenden Beweis, dass die angegriffene Tatsachenbehauptung der Wahrheit entspricht oder er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat, nicht erbracht hat. Für die Beweislast im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs gilt regelmäßig der übliche Grundsatz, dass der Unterlassungskläger die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss, d.h. vor allem die Unwahrheit der beanstandeten Tatsachenbehauptung. Eine Umkehr der Beweislast findet jedoch statt, wenn - wie hier - die Unterlassung unwahrer ehrkränkender Äußerungen gemäß §§ 1004, 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB begehrt wird und Streitgegenstand eine üble Nachrede ist. In diesem Fall trifft nach der über § 823 II BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB grundsätzlich den Schädiger die Beweislast für die Wahrheit der ehrbeeinträchtigenden Behauptung. Das Beweisrisiko für den Wahrheitsbeweis wird nach Maßgabe des § 186 StGB dem Beklagten auferlegt (vgl. BGH NJW 1998, 1391, 1393 [BGH 27.01.1998 - VI ZR 72/97]; 3047, 3048 [BGH 16.06.1998 - VI ZR 205/97]; 1987, 2225, 2226 [BGH 12.05.1987 - VI ZR 195/86]). Der Kläger muss daher nur beweisen, dass der Beklagte eine ehrenrührige Tatsache behauptet hat und dass dies vorsätzlich geschehen ist. Die Unwahrheit der ehrenrührigen Behauptung braucht der Kläger nicht darzulegen und zu beweisen. Der Unterlassungskläger kann daher im Grundsatz auch dann Unterlassung einer ehrkränkenden Behauptung verlangen, wenn zwar deren Unwahrheit nicht erwiesen ist, ihre Wahrheit aber ebenfalls nicht feststeht. Es ist Sache des Beklagten, sich durch den Beweis der Wahrheit seiner Behauptung zu entlasten. Voraussetzung des Erfolges der Unterlassungsklage ist jedoch, dass sich der Beklagte nicht auf ein Recht zu solchen Äußerungen berufen kann. Eine üble Nachrede kann nach § 193 StGB gerechtfertigt sein, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht worden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes trägt der Beklagte nach allgemeinen Regeln. Neben dem Handeln zum Zweck der Interessenwahrung ist insoweit Voraussetzung, dass der Beklagte die ihm möglichen und zumutbaren Erkundigungen über die Wahrheit der Behauptung eingezogen hat. Bei einer - wie hier - den Tatbestand des § 186 StGB erfüllenden ehrenrührigen Behauptung ist die Beweislast damit wie folgt verteilt: Dem Kläger obliegt grundsätzlich die Beweislast, dass der Beklagte die streitige Behauptung aufgestellt oder verbreitet hat. Dem Beklagten obliegt sodann der Nachweis, dass die Behauptung wahr ist oder dass er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Im letzteren Fall trägt der Kläger die Beweislast für die Unwahrheit.

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Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beklagte zur Unterlassung der beanstandeten Tatsachenbehauptung außerhalb von Gerichts- und Verwaltungsverfahren verpflichtet. Denn er hat weder hinreichend schlüssig und nachvollziehbar dargelegt und bewiesen, dass die angegriffene Äußerung wahr ist, noch dass er im Hinblick auf diese Äußerung in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat.

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Der Beklagte hat nicht hinreichend schlüssig und nachvollziehbar konkret im Einzelnen unter dem angesichts des Bestreitens des Klägers erforderlichen Beweisantritt dargelegt, dass der Kläger tatsächlich dieselben Probleme mit der ordnungsgemäßen Deklarierung seiner ...-Aufsichtsratsbezüge hatte wie , der ehemalige Konzernbetriebsratsvorsitzende aus .... Die vom Beklagten zum Nachweis seiner Behauptung vorgelegten Unterlagen aus dem Bereich des Betriebsrates der  und der ...

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enthalten unstreitig keine unmittelbaren tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger dieselben Probleme mit der Deklarierung seiner Aufsichtsratsbezüge gehabt habe wie der damalige Konzernbetriebsratsvorsitzende . Aber auch hinreichende mittelbare tatsächliche Anhaltspunkte, die den Schluss rechtfertigen würden, dass der Kläger der Art und dem Umfang nach dieselben Probleme mit Deklarierung seiner Aufsichtsratsbezüge gehabt habe wie der Konzernbetriebsratsvorsitzende , sind den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles nicht zu entnehmen. Aus den Unterlagen geht mit dem erforderlichen Beweiswert lediglich allgemein hervor, dass es vor der Neuwahl des Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat im Jahre 1996 unter den betrieblichen Arbeitnehmervertretern, zu denen der Kläger nicht gehörte, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Beschlusslagen der maßgeblichen Einzelgewerkschaften Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben habe, welche Teile der Aufsichtsratsvergütung an die ...- abzuführen seien, und dass hinsichtlich der Deklarierung und Abführung der Aufsichtsratsbezüge zeitweise eine von den Abführungsbestimmungen der  abweichende Sonderregelung praktiziert wurde, wobei sich aus dem letzten Absatz des vom Beklagten als Anlage B 15 vorgelegten Schreiben des Herrn

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... an Herrn  vom 7. Februar 1997 im Hinblick auf die Formulierung "Aufsichtsrat """ allerdings nicht genau entnehmen lässt, in welcher Wahlperiode des Aufsichtsrates diese Sonderregelung praktiziert wurde, d.h. in der Wahlperiode vor 1991 oder nach 1991. Konkret ist den Unterlagen vor diesem Hintergrund - wie bereits ausgeführt - lediglich zu entnehmen, dass der damalige Konzernbetriebsratsvorsitzende  erhebliche und zwar die variablen Anteile seiner Aufsichtsratsvergütung nicht ordnungsgemäß deklariert und abgeführt hat. Auch unter Berücksichtigung der damaligen insoweit unstreitigen Gesamtumstände reichen die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen jedoch nicht aus, die Wahrheit des Vorwurfs zu begründen, dass der Kläger als nicht betrieblicher und nicht in  ansässiger Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat dieselben Probleme mit der ordnungsgemäßen Deklarierung seiner Aufsichtsratsbezüge gehabt habe wie der damalige Konzernbetriebsratsvorsitzende .... Dabei verkennt der Senat auch nicht die durchaus nachvollziehbare Argumentation des Beklagten, dass die zeitweise praktizierte interne Sonderreglung bei der Höhe des variablen Anteils der Aufsichtsratsbezüge sofort aufgefallen wäre, wenn eines der betroffenen ...-Mitglieder entsprechend den Abführungsbestimmungen korrekt abgerechnet hätte. Auch dies führt jedoch nicht zu einer anderen Beurteilung, zumal weder vom Beklagten hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich ist, wann und in welchem Umfang entsprechend der unstreitig zeitweise praktizierten Sonderregelung verfahren wurde. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger Unterlagen vorgelegt hat, nach denen er in dem streitgegenständlichen Zeitraum seine Aufsichtsratsvergütung entsprechend den Abführungsbestimmungen der

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... deklariert und abgeführt hat. Sofern gewisse geringe Ungereimtheiten bestehen mögen, so rechtfertigten diese jedenfalls nicht die angegriffene Behauptung des Beklagten. Im Ergebnis kann der Beweiswert der vom Kläger vorgelegten Unterlagen angesichts der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast jedoch dahinstehen.

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Der Beklagte hat weiterhin nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass er im Hinblick auf die beanstandete Äußerung in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr sprechen die Gesamtumstände des vorliegenden Falles und der Gesamtzusammenhang des Schreibens vom 3. September 2000 dagegen, dass der Beklagte bezüglich der angegriffenen Behauptung in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Vorliegend ist weder ein Interesse des Beklagten ersichtlich, das ihn zur Verletzung der Ehre des Klägers in der streitgegenständlichen Weise berechtigen würde, noch wäre die streitgegenständliche Art der Wahrnehmung eines etwaigen Interesses berechtigt. Weder die Umstände des Ausscheidens des Beklagten aus seiner beruflichen Tätigkeit bei der im Allgemeinen noch der Prozess gegen die ... als seinen ehemaligen Arbeitgeber vor dem Landgericht  im Besonderen rechtfertigten die streitgegenständliche Behauptung in dem Brief vom 3. September 2000, auch wenn der Kläger nach wie vor als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der

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tätig ist. Ein Zusammenhang, der insoweit ein berechtigtes Interesse des Beklagten bezüglich der in erheblicher Weise ehrverletzenden Äußerung begründen könnte, ist weder unmittelbar noch mittelbar erkennbar, zumal die streitgegenständlichen Vorgänge der Deklarierung und Abführung der Aufsichtsratsvergütung durch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der  zum Zeitpunkt des Schreibens bereits mehr als drei Jahre zurücklagen und insofern unter Berücksichtigung der Art und des Umfanges dieser Angelegenheit auch davon auszugehen ist, dass den Adressaten des Schreibens, nämlich dem Vorsitzenden der ... und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der , diese Problematik bereits im Einzelnen bekannt war. Darüber hinaus müsste auch die Art der Wahrnehmung des verfolgten Interesses berechtigt gewesen sein. Sie ist nur zulässig, wenn und soweit die ehrverletzende Behauptung dazu wirklich notwendig ist, was sowohl für die Fassung als auch für die Art der Verbreitung der Äußerung gilt. Kann der Angreifer sein Interesse auch wahren, ohne die Ehre des Betroffenen zu gefährden, so ist er nicht befugt, dieses Mittel zu wählen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Wahrnehmung eines berechtigten Interesses im Hinblick auf die angegriffene ehrverletzende Behauptung nicht zu bejahen. Denn der Beklagte hätte ein etwaiges berechtigtes Interesse ohne Weiteres auch wahren können, ohne die beanstandete ehrverletzende Behauptung gegenüber dem Kläger in der geschehenen Weise aufzustellen. Dies bedarf keiner näheren Begründung. Schließlich entlastet die Wahrnehmung berechtigter Interessen den Angreifer nur dann, wenn sie der Zweck der verletzenden Behauptung ist. Diese muss zur Wahrnehmung berechtigter Interessen, nicht bloß bei Gelegenheit derselben aufgestellt oder verbreitet sein. Auch wenn die Interessenwahrnehmung nicht der einzige Zweck der beanstandeten Behauptung zu sein braucht und sie ihre befreiende Wirkung nicht verliert, wenn der Angreifer daneben auch andere Zwecke - etwa die Befriedigung seiner Rachsucht - verfolgt, so darf sie jedoch nicht dahinter völlig zurücktreten. Vorliegend mag zwar aus Sicht des Beklagten das Schreiben vom 3. September 2000 in seinem Gesamtzusammenhang zum Zwecke der Wahrnehmung etwaiger berechtigter Interessen verfasst worden sein, jedoch ist es nicht nachvollziehbar, dass er die beanstandete Äußerung als solche zur Wahrnehmung berechtigter Interessen und nicht lediglich bei deren Gelegenheit aufgestellt hätte, zumal er die Äußerung ohne weitere Angaben lediglich in den Raum gestellt hat. Vielmehr sprechen die Gesamtumstände des vorliegenden Falles dafür, dass die Interessenwahrung hinter die konkret mit der beanstandeten Äußerung verfolgten Motive und Ziele zurücktrat. Aus den vorstehenden Gründen kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass gegenüber der Einreichung von Beschwerden oder sonstigen Eingaben wegen angeblicher Missstände bei den für ihre Beseitigung zuständigen Stellen kein Unterlassungsanspruch besteht. Bei dem Schreiben vom 3. September 2000 handelte es sich jedenfalls in Bezug auf die streitbefangene Äußerung ersichtlich nicht um eine Eingabe in diesem Sinne.

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Die für die Zuerkennung des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus der streitgegenständlichen Verletzungshandlung, da der Beklagte die insoweit begründete tatsächliche Vermutung nicht widerlegt hat. Vielmehr wird die Wiederholungsgefahr auch durch das Vorbringen des Beklagten und insbesondere den Inhalt der von den Parteien vorgelegten weiteren Schreiben des Beklagten belegt, die sich ebenfalls mit der Person des Klägers befassen.

II.

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Bezüglich des Klageantrages zu 1. bleibt die Berufung ohne Erfolg. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch darauf, dass dieser es unterlässt, über ihn - den Kläger - wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, er habe im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der ... und/oder der

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... mehr als ein "Vergeltsgott" erhalten, er habe jedenfalls am 3. November 1997 vor dem Botschaftsgebäude von ...

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ein -Auto vorfahren lassen. Insoweit sind die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 1004, 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB oder aus anderen Vorschriften nicht erfüllt.

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Die insoweit streitgegenständliche Passage des Briefes des Beklagten vom 3. September 2000 beinhaltet zwar die im Klageantrag zu 1. wiedergegebene Behauptung. Diese ist auch nicht als Werturteil und damit als Meinungsäußerung im Sinne von Art. 5 I GG, sondern als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren, die von dem Unterlassungsanspruch des Klägers aus den §§ 1004, 823 II BGB i.V.m. § 186 StGB erfasst wird. Für die Einstufung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung kommt es - wie bereits ausgeführt - darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Bei der Beurteilung der im Kontext des gesamten Briefes vom 3. September 2000 zu sehenden vorliegend angegriffenen Äußerung ist auf das Verständnis des unbefangenen verständigen Adressaten abzustellen. Sind in einer Äußerung Tatsachenbehauptungen und Werturteile vermengt, so dürfen die beanstandeten Äußerungen nicht aus dem Kontext herausgelöst und isoliert betrachtet und beurteilt werden, vielmehr sind der vollständige Aussagegehalt im Gesamtzusammenhang und der objektive Sinn der Äußerung nach dem Verständnis des unbefangenen Adressaten, nicht das subjektive Verständnis des sich Äußernden oder des Betroffenen zu ermitteln. Entscheidend ist dann, ob die Äußerung insgesamt durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, weil ihr Tatsachengehalt so substanzarm ist, dass er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt, ob er lediglich der Ergänzung der Beurteilung durch Angabe der tatsächlichen Grundlage dient, oder ob die Äußerung überwiegend durch den Bericht über tatsächliche Vorgänge geprägt ist und bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Letzteres ist vorliegend der Fall. Der maßgebliche unbefangene Adressat versteht die beanstandete Passage auch oder gerade unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges, in den sie gestellt ist, dahin, dass der Kläger im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der ... und/oder der

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und den streitgegenständlichen Geschehnissen ihm nicht zustehende Sondervorteile wirtschaftlicher oder finanzieller Art dafür erhalten habe, dass er sich in einer bestimmten Art und Weise verhalten habe, und zwar konkret und beispielhaft die Überlassung eines Autos zur eigenen und freien unentgeltlichen Verfügung. Dies ist eine dem Beweis zugängliche Frage der Tatsachenfeststellung. Die Beurteilung als Tatsachenbehauptung wird auch nicht dadurch entscheidend in Frage gestellt, dass der Beklagte die plakative Formulierung "nicht nur für ein "Vergeltsgott"" gewählt hat, die über die Schilderung des konkreten geschichtlichen Vorgangs hinaus auch einen wertenden Aspekt aufweisen mag. Denn in der beanstandeten Äußerung steht das behauptete tatsächliche Verhalten des Klägers im Vordergrund und gibt der Aussage das für ihre Einordnung entscheidende Gepräge. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte in diesem Zusammenhang in seinem Schreiben selbst von einer "Tatsache" gesprochen hat, die zumindest Teilen des Betriebsrates  und Herrn ...

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bekannt sei.

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Dass die der beanstandeten Passage des Briefes zu entnehmende Tatsachenbehauptung in erheblichem Maße geeignet ist, den Kläger als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der ... und stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der ... und ehemaligen stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der

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verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und somit in seiner Ehre zu verletzen, bedarf keiner näheren Darlegung.

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Ein Unterlassungsanspruch steht dem Kläger jedoch deshalb nicht zu, weil der Beklagte die Richtigkeit seiner den beanstandeten Vorwurf konkretisierenden Behauptung bewiesen hat, dass der Kläger am 3. November 1997 vor dem Botschaftsgebäude von ... ein Auto habe vorfahren lassen, das ihm von der  oder der

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überlassen worden sei. Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Vorbringen des Beklagten, dass die Parteien am 3. November 1997 von dem Fahrer des Klägers in einem weißen Audi A 8 mit einem

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Kennzeichen zum Flughafen  gefahren worden seien, zutreffend ist. Maßgeblich ist insoweit die überzeugende Aussage des vom Beklagten benannten Zeugen ..., bei dem es sich um den damaligen Piloten des vom Beklagten benutzten Flugzeuges handelt. Der Zeuge ... hat detailliert den Ablauf der Geschehnisse am 3. November 1997 geschildert, soweit er daran beteiligt war. Insoweit hat er bekundet, dass der Beklagte definitiv von einem weißen  zum Abfertigungsgebäude gebracht worden sei, wo er ihn empfangen habe. Er könne mit absoluter Sicherheit sagen, dass es sich um einen weißen ...

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gehandelt habe. Da der Zeuge Müller schlüssig und nachvollziehbar im Einzelnen dargelegt hat, an welche der damaligen Einzelheiten er sich konkret erinnere und auf welchen Gründen seine diesbezügliche Erinnerung beruhe, besteht kein durchgreifender Anlass, an der Glaubhaftigkeit und Richtigkeit der Aussage des Zeugen zu zweifeln. Gleiches gilt für seine Glaubwürdigkeit, da er zu keiner der Parteien in einem solchen Verhältnis steht, das es nahe legen könnte, dass er an einem Ausgang des Rechtsstreits zugunsten der einen oder anderen Partei interessiert sein könnte.

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Der Beweiswert der Aussage des Zeugen ... wird durch die Aussage des vom Kläger benannten Zeugen ... nicht entscheidend in Frage gestellt, da dieser Aussage eine erheblich geringere Beweiskraft zukommt. Die Aussage des Zeugen ... ist erheblich weniger überzeugend als die des Zeugen . So ist es insbesondere nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge ... sich an bestimmte Einzelheiten ausdrücklich erinnern können wollte, während er andere, zwischen den Parteien unstreitige oder sonst feststehende Umstände nicht bestätigen konnte. So konnte er insbesondere nicht bestätigen, dass er damals nicht der ständige, sondern lediglich der Ersatzfahrer des Klägers war, dass die Parteien im Anschluss an die Veranstaltung in der kubanischen Botschaft und vor der Fahrt zum Flughafen noch ein italienisches Restaurant aufsuchten und dass er den Wagen vor der Fahrt nach

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...  noch in einer Waschanlage hat waschen lassen, wie durch die entsprechende Quittung belegt wird. Vielmehr verneinte der Zeuge die entsprechende Frage des Gerichts und erklärte ausdrücklich, dass er die Parteien von der ...

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Botschaft direkt zum Flughafen gefahren habe und sie nicht zwischendurch in einem italienischem Restaurant gewesen seien. Bei der Bewertung der Aussage des Zeugen ... ist außerdem zu berücksichtigen, dass es sich bei ihm um den ständigen Fahrer des Klägers handelt, sodass es nicht auszuschließen ist, sondern vielmehr nahe liegend erscheint, dass er ein Interesse an einem Ausgang des Rechtsstreits zugunsten des Klägers hat.

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Darüber hinaus ist im Rahmen der Beweiswürdigung auch das wechselnde Vorbringen des Klägers im Hinblick auf das am 3. November 1997 benutzte Fahrzeug zu berücksichtigen, obwohl ihm insoweit ein eindeutiger Vortrag möglich gewesen sein müsste, insbesondere unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen .... Im Ergebnis ist nach Durchführung der Beweisaufnahme unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles davon auszugehen, dass der Kläger am 3. November 1997 einen weißen ... mit

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... Kennzeichen benutzte und insoweit das Vorbringen des Beklagten zutreffend ist. Dementsprechend ist auch der Schluss gerechtfertigt, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Fahrzeug handelte, das dem Kläger von der  oder der

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zur eigenen und freien unentgeltlichen Benutzung überlassen worden war. Denn diesen Teil des Beklagtenvortrags für sich genommen hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt bestritten. Er hat immer nur geltend gemacht, er sei seinerzeit nicht von einem weißen, sondern von einem roten ... gefahren worden. Insoweit ist weiter davon auszugehen, dass der konkrete Tatsachenkern der beanstandeten Passage des Briefes vom 3. September 2000 zutreffend ist. Dementsprechend ist der Unterlassungsanspruch bezüglich der den Gegenstand des Klageantrages zu 1. bildenden Tatsachenbehauptung, die dieser Passage des Briefes entnommen wurde, nicht gerechtfertigt.

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Auf die Hilfsanträge ist nach den diesbezüglichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr einzugehen, da es nicht auf den finalen Zusammenhang der Zuwendungen mit einem bestimmten Verhalten des Klägers ankommt.

III.

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Die Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel beruht auf § 890 II ZPO. Die Einwendungen des Beklagten sind insoweit nicht begründet. Auf seinen Widerspruch kommt es nicht an; eine Verjährung hat weder der Beklagte dargelegt noch ist eine solche sonst ersichtlich.

IV.

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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 I, 92 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Eine Beschwer war nicht festzusetzen, da es sich nicht um eine Rechtsstreitigkeit über vermögensrechtliche Ansprüche handelt.