Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.01.2022, Az.: 4 A 1791/21
Kiesbeet; Kiesflächen; Schottergarten; Zur Abgrenzung der Ausgestaltung als Grünfläche nach § 9 Abs. 2 NBauO von Kies- und Steingärten
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 12.01.2022
- Aktenzeichen
- 4 A 1791/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 52233
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2022:0112.4A1791.21.00
Rechtsgrundlagen
- NbauO § 9 Abs. 2
Amtlicher Leitsatz
Für die Bewertung der Frage, ob es sich bei einer Fläche um eine Grünfläche i.S.v. § 9 Abs. 2 NBauo Handelt, ist weder die Anzahl noch die größe einzelner Pflanzen maßgeblich. Entscheidend ist das Gesamtbild der Fläche unter Berücksichtigung des von dem Gesetzgeber verfolgten Zweck, ökologisch wertvolle Flächen auch in Baugebieten zu erhalten und zu schaffen. Der Bedeckung der Bodenfläche durch Vegetation kommt hierbei als Lebensraum für Instekten und Mikroorganismen eine gewichtige Bedeutung zu. § 9 Abs. 2 NBauO lässst keinen Raum, eine selbstständig als Kiesbeet wahrnehmbare Fläche zusätzlich im Verhältnis zur Größe des Grundstücks und der auf diesem vorhandenen Grünflächen zu setzen und mit Blick auf diese als untergeordnetes Element zu betrachten.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die bauaufsichtliche Anordnung der Beseitigung eines Kiesbeetes.
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstückes mit der Anschrift G.. Entlang der nördlichen und östlichen Grundstücksgrenzen befinden sich seit 15 Jahren außerhalb der durch den Bebauungsplan festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche zwei insgesamt etwa 50qm große Kiesbeete, in welches etwa 25 (Nadel-)Pflanzen eingesetzt sind.
Mit Schreiben vom 08.10.2020 hörte die Beklagte die Kläger zu einer in Aussicht genommenen Ordnungsverfügung an; die Beteiligten korrespondierten, ohne zu einer Einigung zu gelangen.
Mit Bescheid vom 18.01.2021 ordnete die Beklagte an, dass der Kies bis zum 28.02.2021 aus den Beeten auf dem Grundstück entfernt werden muss und drohte ein Zwangsgeld i.H.v. 500,- Euro an. Sie verwies darauf, dass nicht überbaute Grundstücksflächen nach § 9 Abs. 2 NBauO als Grünflächen auszugestalten seien, weil sie nicht als Zufahrt, Gartenweg oder Stellplatz für eine andere Nutzung erforderlich seien. Zulässig seien Rasen, Gehölze und Zier- oder Nutzpflanzen, nicht jedoch ein Kiesbeet.
Die Kläger legten mit Schreiben vom 24.01.2021 Widerspruch gegen die Entscheidung ein und verwiesen darauf, dass die Ausgestaltung eines Vorgartens in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG falle. Die Beklagte gehe nicht gegen andere Missstände vor und wolle an ihnen willkürlich ein Exempel statuieren. Außerdem besäßen sie gar kein Steinbeet, weshalb sie ein solches auch nicht entfernen könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass es sich trotz der dort eingesetzten und nicht zu beanstandenden 25 Pflanzen um ein Kiesbeet handele, da die Steinflächen dominierend seien. Es liege auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, da die Beklagte auch gegen andere Grundstückseigentümer in der Umgebung eingeschritten sei und sich im Rahmen ihrer Kapazitäten auch weiterhin vergleichbaren Verstößen annehmen wolle.
Die Kläger haben hiergegen am 02.03.2021 Klage erhoben. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass § 9 Abs. 2 NBauO zwar untersagt, dass Flächen überwiegend aus Steinflächen bestehen, es aber im Übrigen ihnen als Eigentümern überlässt, wie sie ihre Grünflächen ausgestalten. Ein Grundsätzliches Verbot von Kies- oder Schotterflächen gehe aus der Vorschrift nicht hervor. Zudem handele es sich aufgrund der darin befindlichen Pflanzen nicht um ein reines Kiesbeet. Betrachte man die gesamte Grundstücksfläche von 727 qm, stellten die mit Kies ausgelegten 50 qm nur einen untergeordneten und damit zulässigen Bereich dar. Schließlich habe Kies auch einen ökologischen Zweck, da er den Boden kühlen könne.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Begründung der angegriffenen Bescheide und vertieft diese dahingehend, dass der Zweck der Vorschrift sei, ökologisch sinnvolle und erhaltenswerte Flächen zu schaffen. Kies- und Schottergärten leisteten keinen ökologischen Beitrag und seien nach der Vorschrift deshalb unzulässig. Der Einwand, dass es sich mit 50 qm um eine nur untergeordnete Fläche handele, überzeuge nicht, da Steinbeete grundsätzlich untersagt seien. Der Norm lasse sich keine Differenzierung nach der überwiegenden Flächennutzung entnehmen. Ob nicht ins Gewicht fallende Elemente eines Steingartens zulässig seien, könne dahingestellt bleiben, da eine 50 qm große Kiesfläche erheblich sei. Hinzu trete die negative Vorbildwirkung, die sich aus dem Gesamtbild des im nördlichen Bereich vollständig versiegelten Grundstücks ergebe. Die Entscheidung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz habe im Dezember 2019 die unteren Bauaufsichtsbehörden aufgefordert, die Einhaltung des § 9 Abs. 2 NBauO strenger zu überwachen und gegen Schotter- und Kiesbeete bauaufsichtlich vorzugehen, der Rat der Beklagten habe im März 2021 die Vorgehensweise bekräftigt. Die Beklagte gehe sukzessive gegen vergleichbare Anlagen vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Die angegriffene Beseitigungsverfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung ist § 79 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 NBauO. Hiernach kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlichen Maßnahmen anordnen, wenn bauliche Anlagen dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist, mithin auch die Beseitigung von Anlagen oder Teilen von Anlagen anordnen.
Bei den beiden streitgegenständlichen Kiesbeeten handelt es sich um bauliche Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 NBauO, denn sie sind aus Bauprodukten - Kies und Kantsteinen - hergestellt und teilweise im Boden versenkt, mithin im Sinne der Vorschrift mit ihm verbunden. Der Umstand, dass Kies ein natürlicher Baustoff ist, spricht nicht gegen diese Annahme; insofern ist es ausreichend, dass er gewonnen und aufbereitet wird, bevor er Verwendung findet (vgl. VG Hannover, Urt. v. 26.11.2019 - 4 A 12592/17 -, Rn. 19f, juris).
Diese baulichen Anlagen widersprechen dem öffentlichen Baurecht, hier dem § 9 Abs. 2 NBauO. Nach dieser Vorschrift müssen die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke Grünflächen sein, soweit sie nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich sind.
Bei dem Klägergrundstück handelt es sich um ein Baugrundstück, es ist mit einem Einfamilienhaus bebaut. Die beiden streitgegenständlichen Flächen entlang der östlichen und nördlichen Grundstücksgrenze sind als nicht überbaute anzusehen. Die Tatsache, dass sich hier mit den beiden Kiesbeeten wie dargestellt eine bauliche Anlage befindet, steht dieser Annahme gerade nicht entgegen. Nicht überbaute Flächen im Sinne der Vorschrift sind nämlich solche, die nicht mit einem Gebäude oder einem sonstigen oberirdischen Hochbau bedeckt sind (Lackner, in: BeckOK BauordnungsR Nds., 21. Ed. 1.9.2021, NBauO § 9 Rn. 7; Breyer, in: Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 9 Rn. 7). Diese Auslegung erscheint vor dem Sinn und Zweck der Vorschrift zwingend, da es ihr andernfalls an einem praktischen Anwendungsfall fehlen würde: Eine Grundstücksfläche würde bei einem anderen Verständnis entweder die Anforderungen von § 9 Abs. 2 NBauO erfüllen, oder bereits tatbestandlich nicht erfasst sein, weil sie "überbaut" wäre.
Ferner sind die streitgegenständlichen Flächen nicht für eine andere zulässige Nutzung erforderlich. Gemeint ist hiermit jede mit öffentlichem Recht, besonders mit dem Planungsrecht, vereinbare Grundstücksnutzung, die nicht in Hochbauten besteht, etwa als Zugang oder Zufahrt, Gartenweg, Stellplatz, Lagerplatz oder Arbeitsfläche (Breyer, in: Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 9 Rn. 14). Um eine solche oder vergleichbare Fläche handelt es sich hier nicht.
Die demnach tatbestandlichen Flächen erfüllen vorliegend nicht die Anforderungen des § 9 Abs. 2 NBauO, denn sie sind nicht als Grünflächen ausgestattet. Die Vorschrift verlangt, dass die Freiflächen mit Rasen oder Gras, Gehölzen, anderen Zier- oder Nutzpflanzen bedeckt sind. Die Art und Beschaffenheit der Grünfläche ist hierbei grundsätzlich dem Belieben des verpflichteten überlassen, solange eine Begrünung nur überhaupt festzustellen ist (Bayer, in: Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 9 Rn. 12).
Bei der von den Klägern gewählten Ausführung handelt es sich demgegenüber um einen Steingarten, der sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem an dem ökologischen Wert einer Freifläche orientierten Sinn und Zweck der Vorschrift unzulässig ist.
Den Klägern ist nicht darin beizupflichten, dass es sich bei den streitgegenständlichen Kiesbeeten deshalb um Grünflächen handelt, weil nach ihren Angaben 25 Pflanzen in ihnen eingepflanzt sind. Diese Pflanzen sind für sich nicht zu beanstanden, haben jedoch nach dem in der mündlichen Verhandlung vor Ort gewonnenen Eindruck nicht die Wirkung, dass die Kiesbeete insgesamt der Charakter einer Grünfläche zukommt. Entscheidend für die Bewertung ist weder die Anzahl noch die Größe einzelner Pflanzen, sondern das Gesamtbild der Fläche unter Berücksichtigung des von dem Gesetzgeber verfolgten Zweck, ökologisch wertvolle Flächen auch in Baugebieten zu erhalten und zu schaffen; unter beiden Gesichtspunkten kommt gerade der Bodenoberfläche, die im bepflanzten Zustand Lebensraum für Insekten und Mikroorganismen bildet, eine besondere Bedeutung zu. Maßgeblicher Aspekt für die Feststellung einer Begrünung ist somit, ob die Bodenfläche mit Vegetation bedeckt ist (vgl. Bayer, Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 9 Rn. 12). Dies ist hier trotz der eingesetzten Gehölze nicht der Fall, da der Umfang der Stämme der Pflanzen auf Höhe der Bodenoberfläche nur einen verschwindend geringen Anteil an der im Übrigen vollständig mit Kies ausgekleideten Fläche ausmacht. Unerheblich ist auch die unterirdische Ausdehnung des Wurzelwerks der eingesetzten Bäume.
Unbenommen ist hierbei, dass die Abgrenzung im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten mag. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch Steinelemente unter Umständen noch zu den zulässigen Grünflächen gezählt werden können, beispielsweise wenn es sich um verhältnismäßig schmale Einfassungen von Beeten handelt (Breyer, in: Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 9 Rn. 12). Auch andere - rein dekorative - Elemente eines Steingartens können im Einzelfall zulässig sein, wenn sie flächenmäßig nicht ins Gewicht fallen (Lackner, in: BeckOK BauordnungsR Nds., 21. Ed. 1.9.2021, NBauO § 9 Rn. 14). Um einen solchen Fall handelt es sich im hier zu bewertenden Einzelfall jedoch nicht. Der Steinanteil steht in den beiden streitgegenständlichen Flächen in keinem untergeordneten Verhältnis zu denjenigen, die mit Vegetation bedeckt sind, sondern dominiert den Bereich sowohl quantitativ als auch qualitativ.
Bereits die Ausdehnung spricht hierbei für ein eigenständiges und erhebliches Gewicht der Kiesbeete. Ein solches ergibt sich aber auch aus der Anordnung auf dem Grundstück, denn die Kiesbeete bilden die Einfassung des vollständig gepflasterten Einfahrtsbereichs. Vom I. betrachtet stellt sich das Grundstück mit dem Anblick der knapp 190 qm großen Pflaster- und Kiesfläche und dem daran angrenzten Wohnhaus als nahezu komplett versiegelt dar, der vorwiegend im südlichen Grundstücksbereich angelegte Garten tritt aus diesem Blickwinkel nicht relevant in Erscheinung. Bereits aus diesem Grund verfängt der von den Klägern vertretene Ansatz, die beiden Kiesbeete als untergeordneten und nicht ins Gewicht fallenden Bestandteil des rückwärtig angelegten Gartens anzusehen, nicht. Hierfür fehlt es bereits an einer diese Zuordnung rechtfertigenden Blickbeziehung zwischen den Kiesbeeten und dem auf den abgewandten Seiten des Wohnhauses befindlichen Garten; es fehlt somit bereits an einer hinreichend sichtbaren Grünfläche, deren Ergänzung durch Steinelemente überhaupt in Betracht kommen könnte.
Ebenso überzeugt nicht der Einwand, dass das Kiesbeet mit 50 qm einen nur untergeordneten Teil des 747 qm großen Grundstückes einnimmt. Dies gilt einerseits unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Grundstück nach Angaben der Beklagten insgesamt auf einer Fläche von 355 qm, also nahezu zur Hälfte versiegelt und gerade nicht durch Grünflächen bedeckt ist. Bereits an diesen Zahlen gemessen erscheint eine Entsiegelung von 50 qm zur Schaffung von Lebensräumen von hinreichend gewichtigem Interesse. Andererseits lässt sich dem § 9 Abs. 2 NBauO nicht entnehmen, dass die Relevanz einer Steinfläche sich aus dem Verhältnis ihrer Fläche zur Grundstücksgröße ergibt; eine solche Betrachtung würde gerade bei großzügigen Baugrundstücken zu abwegigen Ergebnissen führen. Entscheidend kann vielmehr nur eine wertende und einzelfallbezogene Betrachtung einer Fläche sein. Im vorliegenden Fall führt diese mit den bereits dargestellten Erwägungen dazu, dass die streitgegenständlichen Kiesbeete nicht als Grünflächen anzusehen sind.
Die Entscheidung steht im Ermessen des Beklagten. Anhaltspunkte dafür, dass sie dieses fehlerhaft ausgeübt, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit missachtet hat, liegen nicht vor. Es verfängt auch nicht der Hinweis der Kläger darauf, dass auch Kiesbeete ökologische Funktionen erfüllen können. Mit § 9 Abs. 2 NBauO liegt eine grundsätzliche gesetzgeberische Entscheidung Zulasten von Steinflächen vor, ohne dass die Norm eine an dem konkreten ökologischen Wert einer Kiesfläche orientierte Bewertung zulässt.
Die Entscheidung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz und das darin liegende Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Bauaufsichtsbehörde ungeachtet des Grundsatzes, dass Gleichheit im Unrecht grundsätzlich nicht gewährleistet ist, gegen den Gleichheitssatz verstößt, wenn sie bei einem bauaufsichtlichen Einschreiten systemwidrig ein Vorgehen gegen vergleichbare Verstöße unterlässt. Eine Bauaufsichtsbehörde ist aber nicht verpflichtet, in ihrem gesamten Zuständigkeitsbereich baurechtliche Ordnung zu schaffen, bevor sie gegen das in Rede stehende Objekt vorgeht. Die Forderung nach Systemgerechtigkeit hat unter anderem räumliche Grenzen, soll sie nicht über die Anfechtung eines Einzelfalles hinaus mittelbar in eine allgemeine Kontrolle der Verwaltung ausufern. Der Berufungsfall muss deshalb in handgreiflicher, d.h. augenfälliger Entfernung liegen, die Behörde muss für alle Vergleichsfälle zuständig sein und gleichsam beide Vorhaben auch optisch zugleich im Blick haben (OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.12.2021 - 1 LA 91/20 -, Rn. 29, juris m.w.N.).
Der auf diesen Rechtssatz abzielende Standpunkt der Kläger, dass die Beklagte nach 15 beanstandungsfreien Jahren ihr Grundstück willkürlich auserkoren hat, lässt sich nach Auffassung des Gerichtes nicht bestätigen. Es liegt auf der Hand, dass dem bauaufsichtlichen Einschreiten der Beklagten durch die vorhandenen Kapazitäten Grenzen gesetzt sind und auch eine Priorisierung der baurechtlichen Problemlagen zu erfolgen hat. Hinsichtlich des in Rede stehenden Einschreitens gegen Steingärten hat die Beklagte auf ein Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz vom 11.12.2019 verwiesen. Mit diesem sind die Bauaufsichtsbehörden aufgerufen worden, mit Blick auf die steigende Zahl von Steingärten und die zunehmend drängenden Probleme im Umwelt- und Klimaschutz verstärkt auf die Einhaltung des § 9 Abs. 2 NBauO hinzuwirken. Die Auskunft der Beklagten, dass sie sich erst in den letzten Jahren der Problemstellung zugewandt hat, erscheint insoweit schlüssig. Darüber hinaus hat die Beklagte im Rahmen des Ortstermins nachvollziehbar geschildert, dass sie die Baugebiete straßenzugweise abarbeite und bei der gemeinsamen Begehung des J. und des K. bis ins Einzelne darlegen können, welche Grundstücke mit welchem Ergebnis beanstandet und welche Kiesflächen als untergeordnete Elemente ohne eigenes Gewicht bewertet worden sind. Auch in der nördlich angrenzenden L., die von der Beklagten nach ihrer Auskunft aktuell abgehandelt wird, konnten die Vertreter den jeweiligen Sachstand bei den von ihr als problematisch identifizierten Versiegelungen nachvollziehbar schildern. Ein mit dem Klägergrundstück vergleichbares Referenzobjekt, das von der Beklagten unbeanstandet geblieben wäre, konnte hierbei nicht ausgemacht werden. Diskutabel erschien lediglich das Beispiel des südlichen Nachbargrundstücks der Kläger, welches jedoch ebenfalls von der Beklagten beanstandet worden ist und nunmehr noch über eine relevante Kiesfläche im Vorgartenbereich verfügt. Anders als im Falle der Kläger befinden sich auf dieser Fläche jedoch zahlreiche junge bodendeckende Pflanzen, deren Entwicklung der Beklagte zunächst beobachten wolle.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.