Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 12.04.2018, Az.: 9 A 44/16

Datenlücken; Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung; Pflanzenschutzmittel; Prüfungskompetenz des beteiligten Mitgliedstaates; unannehmbares Risiko; versagtes Einvernehmen; zonales Zulassungsverfahren

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
12.04.2018
Aktenzeichen
9 A 44/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74203
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Verweigerung der Zulassung nach § 36 Abs. 3 UA 2 VO (EG) 1107/2009 als ultima ratio, um von einer bestehenden Zulassung des prüfenden Mitgliedsstaates im zonalen Zulassungsverfahren abzuweichen, unterliegt hohen Anforderungen.
2. Ein berechtigter Grund zu der Annahme, dass das betreffende Produkt ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt, verlangt mehr als eine bloße Vermutung.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Nichterteilung der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „F.“ durch die Beklagte für die Zeit vom 23.07.2015 bis zum 30.03.2017 rechtswidrig gewesen ist.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Nichterteilung der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „F.“ durch die Beklagte für die Zeit vom 23.07.2015 bis zum 30.03.2017 rechtswidrig gewesen ist.

Unter dem 19.12.2013 beantragte die in Belgien ansässige Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im Rahmen des zonalen Zulassungsverfahrens für das Pflanzenschutzmittel „F.“. Es handelt sich hierbei um ein G., welches den Wirkstoff H. enthält.

Innerhalb des zonalen Zulassungsverfahrens nach Art. 29, 33 ff. der VO (EU) 1107/2009 wird ein Mitgliedstaat der beantragten Zone prüfender Mitgliedstaat („zRMS“ für zonal Rapporteur Member State) und die übrigen Mitgliedstaaten derselben Zone, in denen der Antragsteller auch die Zulassung beantragt, werden jeweils „betreffender Mitgliedstaat“ („cMS“ für concerned Member State). Dem Vorschlag der Klägerin innerhalb der im Mai 2013 erfolgten Vornotifizierung, Tschechien als zRMS auszuwählen, wurde hierbei entsprochen.

Die tschechische Republik erteilte daraufhin ihre Zulassung, welche zusammen mit dem Bewertungsbericht bei der Beklagten am 25.03.2015 einging. Aufgrund eines Hinweises der Beklagten, das Teil A der Zulassung nur in tschechischer Sprache übermittelt worden sei, übersandte die Klägerin am 01.04.2015 eine deutsche Übersetzung. Im Anschluss daran holte die Beklagte das Benehmen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des Julius-Kühn-Instituts (JKI) ein. Das ebenfalls angeforderte Einvernehmen des Umweltbundesamtes (UBA) wurde zunächst unter Hinweis auf die damalige Arbeitsbelastung des UBA nicht erteilt.

Als Reaktion auf mehrmalige Anfragen der Klägerin zur noch ausstehenden Zulassungserteilung verwies die Beklagte stets auf das noch ausstehende Einvernehmen des UBA. Mit Schreiben vom 05.10.2015 setzte die Klägerin daraufhin erfolglos eine Frist zur Zulassungserteilung bis zum 29.10.2015. Mit Schreiben vom 05.12.2015 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die noch ausstehende Einvernehmenserklärung des UBA bis zum 10.01.2016 zu ersetzen.

Daraufhin erhob die Klägerin am 13.01.2016 Untätigkeitsklage.

Hierbei beantragte die Klägerin zunächst unter Ziffer 1, die Beklagte zu verurteilen, die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „F.“ für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu erteilen sowie unter Ziffer 2 festzustellen, dass die Nichterteilung der Zulassung für das vorgenannte Pflanzenschutzmittel durch die Beklagte für die Zeit ab dem 26.07.2015 bis zur Erteilung der Zulassung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

In ihrer Klagebegründung führt die Klägerin aus, dass der betreffende Mitgliedsstaat gemäß Art. 37 Abs. 4 VO (EU) 1107/2009 über die beantragte Zulassung für sein Zuständigkeitsgebiet innerhalb einer Frist von höchstens 120 Tagen entscheide. Die Beklagte sei nach Ablauf der Frist untätig geblieben, obwohl der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung der Zulassung aus Art. 29, 33 Abs. 1 VO (EU) 1107/2009 zustehe.

Tschechien als zRMS habe seine Zulassung erteilt. Während des Zulassungsverfahrens beim zRMS gebe dieser den übrigen Mitgliedstaaten Gelegenheit, die Bewertungsergebnisse zu kommentieren. Deutschland habe somit im Rahmen dieser Anhörung Gelegenheit gehabt, Einwendungen vorzubringen. Insbesondere in den Sektionen 5 (Umweltverhalten) und 6 (Ökotoxikologie) des Reporting tables habe Deutschland keine Einwände vorgebracht. Diese Bereiche beträfen den Zuständigkeitsbereich des UBA. Im Übrigen sei zu bemerken, dass die zuzulassende Spezifikation des Produktes „F.“ im Wesentlichen den bereits zugelassenen Pflanzenschutzmitteln „I.“ und „H. J.“, deren Zulassungen von der Beklagten über den 31.12.2014 hinaus verlängert worden seien, entspreche. Mit der Aufrechterhaltung der Zulassung von „I.“ sei dokumentiert worden, dass H. haltige Pflanzenschutzmittel auch in Deutschland zulassungsfähig seien. Mit der zusätzlichen Zulassung des stoffgleichen Produktes „F.“ sei keine größere Belastung von Gesundheit und Umwelt zu befürchten. Denn die Anzahl der zu behandelnden Kulturen, deren Anbauflächen in Hektar und die Aufwandmengen von H. haltigen Pflanzenschutzmitteln seien unverändert geblieben. Insofern würde für den Landwirt nur die Produktpalette durch die zusätzliche Zulassung erweitert, aber nicht sein Anwendungsbedarf.

Zudem seien Zulassungen von „F.“ nicht nur in Tschechien erteilt worden, sondern auch in Belgien, dem Vereinigten Königreich, Irland, Österreich, Niederlande, Luxemburg und der Slowakei. Es sei nicht nachzuvollziehen, welche klimatischen oder landwirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland so erheblich anders sein sollten, dass hier höhere Risiken vom Produkt ausgehen würden, die so gravierend wären, dass sie ausgerechnet in Deutschland gegen die Erteilung der Zulassung sprächen. Zudem sei eine spezielle länderspezifische Risikobewertung auch schon durch das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) erfolgt, welches sein Benehmen hergestellt habe. Auch das fehlende Einvernehmen des UBA sei kein Hinderungsgrund für die Zulassung, da nach Art. 36 Abs. 3 VO (EU) 1107/2009 Deutschland als betreffenden Mitgliedstaat nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz zustehe. Die Begründetheit des Zulassungsantrages werde nur vom zRMS geprüft, sodass die Prüfungszeit nach Art. 36 Abs. 3 VO (EU) 1107/2009 nur der Prüfung diene, ob es in diesem Mitgliedstaat spezifische ökologische und landwirtschaftliche Bedingungen gibt, die gegen eine Zulassung sprechen. Deutsche Behörden, insbesondere das UBA, missbrauchten den Art. 36 Abs. 3 VO (EU) 1107/2009 hingegen, um eine völlig neue, umfangreiche Bewertung des Pflanzenschutzmittels vorzunehmen. Die der Verordnung zu entnehmende Zuständigkeitsverteilung entstamme jedoch dem Grundsatz der Harmonisierung. Dies gelte erst recht für die zonalen Zulassungen (Art. 33 VO), da durch die dreizonale Aufteilung unterschiedliche klimatische und landwirtschaftliche Bedingungen beachtet würden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 29 der VO 1107/2009). Die Zuständigkeitsverteilung nach § 34 des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG) dürfe höherrangiges EU-Recht nicht verletzen. Das ausbleibende Einvernehmen des UBA sei somit dahingehend zu behandeln, dass es mit Ablauf der Frist als erteilt gelte. Hier sei ein Vergleich zu der ähnlichen Regelung des § 36 Abs. 2 S. 2 1. HS BauGB zu ziehen. Dies gebiete eine europarechtskonforme Auslegung des Pflanzenschutzgesetzes anhand den Art. 37 Abs. 4 VO 1107/2009 und Art. 34 AEUV. Auch der im EU-Recht geltende Beschleunigungsgrundsatz, welcher konkret aus den Erwägungsgründen der Verordnung (Gründe 12, 14, 28, 29) folge, bewirke, dass die von der Verordnung für die Zulassungserteilung angegebenen Fristen nicht verlängerbar seien.

Ein Anspruch auf Zulassungserteilung folge zudem aus nationalem Recht, nämlich § 10 S. 2 und § 71b VwVfG. Beide Regelungen sähen das Zügigkeitsgebot deutscher Behörden vor. Die Klägerin habe spätestens mit Schreiben vom 15.10.2015 und 15.12.2015 die beschleunigte Genehmigungserteilung beantragt. Da Entscheidungsreife im Sinne der Zulassungserteilung vorliege, sei das Verwaltungsermessen der Beklagten auf Null reduziert. Sie habe keinen Spielraum, die längst überfällige Zulassung zurückzuhalten.

Mit Schreiben vom 22.01.2016 versagte das UBA daraufhin sein Einvernehmen. Zur Begründung führte es aus, dass nach Prüfung gemäß Art. 36 Abs. 3 VO (EU) 1107/2009 unannehmbare Auswirkungen auf den Naturhaushalt infolge der Anwendung des Pflanzenschutzmittels „F.“ unter Berücksichtigung der spezifischen ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland nicht auszuschließen seien. Die Zulassungsvoraussetzungen gemäß Art. 29 Abs. 1 lit. e i.V.m. Art. 4 Abs. 3 lit. b und e der VO (EG) 1107/2009 i.V.m. § 34 Abs. 1 Nr. 3 PflSchG seien nicht erfüllt. Diese Risiken könnten auch nicht durch Ausschluss bzw. Einschränkung der Anwendungsgebiete oder durch Festsetzung anderer Anwendungsbestimmungen zur Risikominderung gemäß Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 vermieden werden.

Unter anderem begründete das UBA dies damit, dass die Bestandsentwicklung vieler für die Agrarlandschaft in Deutschland typischer Wirbeltiere stark rückläufig sei. Dies sei sowohl für Feldvögel als auch für Vertreter aus der Gruppe der Säugetiere und der Amphibien der Fall. Im Hinblick auf die Anwendung des Produkts „F.“ sei insbesondere die Gefährdungssituation für den Feldhasen zu beachten, da diese Säugetierart gemäß der EU-harmonisierten Vorgaben zur Risikobewertung für die beantragten Indikationen als relevante Art zu berücksichtigen sei und sich diese Art auch in der Risikobewertung „F.“ als empfindliche Art erweise. In der bundesweiten Roten Liste werde die Art mit der Gefährdungskategorie 3 („gefährdet“) sowie in Listen der Bundesländer wie Sachsen-Anhalt und Brandenburg, die zu den wichtigen Standorten des Zuckerrübenanbaus zählen, sogar mit der Gefährdungskategorie 2 („stark gefährdet“) geführt. Auch eine Studie von Jahn et al. (2014) bestätige dies. Die zunehmende Gefährdung der Artenvielfalt sei hier durch den gravierenden Wandel der landwirtschaftlichen Flächennutzung in Deutschland bedingt. So gehöre Deutschland mit einem HNVF-Indikator (high nature value farmland, Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert) von 14,6 bzw. 15,1 % zu den EU-Mitgliedstaaten mit dem geringsten Anteil an solchen für den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft bedeutenden Flächen. In Tschechien liege dieser Anteil mit 24,7 % deutlich höher. Vor dem Hintergrund der genannten spezifischen Gefährdungssituation für den Feldhasen sowie der spezifischen landwirtschaftlichen Bedingungen in der Agrarlandschaft in Deutschland sei nicht auszuschließen, dass ein ungenügendes Maß an Vorhersagegenauigkeit und Konservativität der zugrunde liegenden Risikobewertung zu einer fachlich nicht gerechtfertigten Zulassung dieses Produktes führen würde und dass in der Folge die Anwendung des Produktes zu erheblichen Effekten auf die Reproduktion des Feldhasen und zu einer weiteren Verschlechterung des Erhaltungszustandes dieser Art beitrügen. Gefährdungen für weitere Säugetierarten seien ebenfalls nicht auszuschließen. Es sei somit ein besonderes Augenmerk auf eine Bewertung nach neuestem Stand von Wissenschaft und Technik unter Heranziehung der zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügbaren Leitlinien gemäß Art. 36 Abs. 1 i.V.m. Art. 29 Abs. 1 e VO (EU) 1107/2009 zu legen. Die Risikobewertung des erstzulassenden Mitgliedstaates weiche in wesentlichen Punkten von diesen Grundsätzen ab. Insbesondere müsse nach neuesten Erkenntnissen ein NOAEL von 0,3 mg/kg bw/d berücksichtigt werden. Dieser sei auch zuletzt bei der erneuten Bewertung des Wirkstoffs im Rahmen des Renewal-Verfahrens durch die Experten von EFSA und den Mitgliedstaaten (Peer Review Expertensitzung 136) als relevanter Endpunkt für die Bewertung bestätigt worden. Die Bewertung des erstzulassenden Mitgliedstaates basiere hingegen auf einem 30-fach weniger empfindlichen Endpunkt und unterschätze damit nach aktuellem Wissensstand das Risiko für Reproduktionseffekte auf Säugetiere aus der Anwendung von „F.“. Unter Verwendung des NOAL von 0,3 mg/kg bw/d berechne sich eine Unterschreitung des vorgegebenen TER (toxicity to exposure ratio) von 5 (TER = 0,2/1,2). Soweit die Klägerin auf die Zulassungen der Produkte „I.“ und „H. J.“ verweise, sei zu bemerken, dass das UBA im Rahmen seiner Prüfung nach Art. 41 Abs. 1 VO (EU) 1107/2009 keine inhaltlichen Prüfungen der Vergleichbarkeit mit anderen Produkten vornehme. Selbst bei angenommener Vergleichbarkeit mit den oben genannten Produkten ließe sich die Zulassungsfähigkeit nicht aus der bestehenden Zulassung der Vergleichsprodukte begründen. Denn deren Bewertung spiegele den Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung wider, welcher heute veraltet sei. Hinsichtlich der weiteren Begründung des Bescheides wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte verwiesen.

Innerhalb des Klageverfahrens erfolgte sodann eine Anhörung der Klägerin durch die Beklagte zu einem möglichen Erlass eines Ablehnungsbescheides.

Die Klägerin führt in dem diesbezüglichen Schriftsatz vom 24.04.2016 aus, dass die Einvernehmensverweigerung des UBA vom 22.01.2016 rechtswidrig sei. Das Argument, die Feldhasenpopulation sei rückläufig, greife nicht. Dies gehe insbesondere aus einer Veröffentlichung des Bundesjagdverbandes hervor, welcher schreibe, dass im Vergleich zu den Vorjahren die Feldhasenpopulation in Gesamtdeutschland um 15 % gestiegen sei. Zudem sei der Stellungnahme des UBA nicht zu entnehmen, dass der Einsatz H. haltiger Pflanzenschutzmittel die Ursache des Rückgangs der Feldhasenpopulation sei. Weiterhin stelle der Rückgang der Feldhasenpopulation kein allein deutsches Problem dar, weshalb Art. 37 Abs. 4, 36 Abs. 3 VO (EU) 1107/2009 nicht anwendbar sei. Aus dem Reporting table gehe hervor, dass auch die Niederlande die Feldhasenpopulation in ihren Anmerkungen zur Zulassung in Tschechien behandelt habe. Außerdem sei dies Thema beim Verfahren auf Erneuerung der Wirkstoffzulassung, welches nicht nur die Zone B, sondern sogar alle Vertragsstaaten betreffe. Wenn die Anwendung von H. haltigen Pflanzenschutzmitteln zu unannehmbaren Risiken führen würde, wäre die Zulassung des ebenfalls im Markt befindlichen Pflanzenschutzmittels „I.“ der Fa. K. nach § 39 PflSchG i.V.m. Art. 44 Abs. 3 VO 1107/2009 zu widerrufen. Die Beklagte bzw. das UBA stütze sich zudem eigentlich nicht nur auf Art. 36 Abs. 3 VO 1107/2009, sondern auch auf ein angeblich fehlerhaftes Zulassungsverfahren in Tschechien (vgl. Bl. 7 des Ablehnungsbescheides vom 26.08.2016, wo darauf verwiesen werde, dass Tschechien von Grundsätzen des Art. 36 Abs. 1 i.V.m. Art. 29 Abs. 1 e) der VO 1107/2009 abweiche). Der von dem UBA angenommene NOAEL von 0,3 mg/kg bw/d als Endpunkt sei überdies falsch. Er entspreche nicht den Bewertungsmaßstäben im Sinne des Art. 36 Abs. 1 VO (EU) 1107/2009. Nur derjenige Stand von Wissenschaft und Technik sei zu berücksichtigen, der zum Zeitpunkt der Antragstellung als aktuell anerkannt gilt. Eine bloß publizierte Theorie habe noch nicht den Level eines anerkannten Standards. Insofern sei auch dem Effizienzgebot nicht Genüge getan, wenn wissenschaftliche Diskussionen dazu missbraucht würden, ein geordnetes Zulassungsverfahren tatsächlich zu verhindern. Vorliegend sei der Stand von Wissenschaft und Technik im Mai 2013 maßgeblich, da man hier mit dem Antrag auf Vornotifizierung das Zulassungsverfahren begonnen habe. Zu diesem Zeitpunkt sei nur ein NOAEL von 0,2 mg/kg bw/d gefordert worden. Demgegenüber sei das Renewelling-Verfahren nach Art. 14 VO 1107/2009 noch nicht abgeschlossen. Im Ergebnis bedeutete dies sonst, dass die Zulassung der Klägerin nur deswegen nicht erteilt werden könne, weil die zuständigen Behörden die Bearbeitungsfrist des Art. 37 Abs. 4 haben verstreichen lassen und nunmehr angeblich strengere Bewertungskriterien gelten sollen.

Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2016 verwies die Beklagte auf bestehende Kapazitätsengpässe und Antragsfluten. Jedoch sei die Ausgestaltung des Verfahrensrechts im Kontext der VO (EG) 1107/2009 den Mitgliedstaaten überlassen worden. Nach diesen nationalen Vorschriften in Deutschland sei das UBA für die Bewertung der Umweltauswirkungen zuständig. Erfolge diese Bewertung nicht innerhalb der Fristen des Europarechts oder widerspreche das Bewertungsergebnis dem Europarecht, so möge dies einen europarechtswidrigen Zustand begründen, führe jedoch nicht dazu, dass sich ohne eine hierfür bestehende Rechtsgrundlage die nationalen Zuständigkeitsregelungen änderten oder ein bestimmtes Bewertungsergebnis fingiert würde. Der den Mitgliedstaaten durch Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 verbleibende restliche Prüfbedarf dürfe nicht hinter der Einhaltung der Bearbeitungsfrist zurückgestellt werden.

Mit Bescheid vom 24.08.2016 lehnte die Beklagte den Zulassungsantrag der Klägerin vom 19.12.2013 auf Zulassung des Pflanzenschutzmittels „F.“ ab und stützte die Ablehnung auf die Anwendung des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009. Im Wesentlichen wiederholte die Beklagte hierbei die Ausführungen aus der Einvernehmensverweigerung des UBA. Die Gefährdung des Feldhasen sei auch nicht durch die Ausführungen der Klägerin unter Verweis auf die Internetseite des Deutschen Jagdverbandes widerlegt. Auf seiner aktuellen Website beschreibe der Jagdverband den Bestand der Feldhasen in Deutschland als rückgängig. Aus der ebenfalls vom Jagdverband veröffentlichten Jagdstatistik gehe hervor, dass vom Jagdjahr 2013/2014 bis zum Jagdjahr 2014/2015 die Jagdstrecke an Feldhasen in Deutschland ebenfalls gesunken sei. Zudem sei hier die Rote Liste Deutschland maßgeblich, die den Bestand der Feldhasen in Deutschland als gefährdet klassifiziere. Es treffe zudem zwar zu, dass der eingestellte ökotoxikologische Endpunkt zur Bewertung des Risikos für Säugetiere zum Zeitpunkt der Antragstellung und auch zum Zeitpunkt des Ablaufs der regulären Bearbeitungsfrist noch nicht gegolten habe. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Bewertungen des UBA habe dieser Endpunkt aber dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprochen. Der Zeitpunkt der Antragstellung in Art. 36 Abs. 1 VO (EG) 1107/2009 sei lediglich für die verfügbaren Leitlinien für maßgeblich erklärt worden. Dies belege im Umkehrschluss, dass in allen anderen Fällen, so auch hinsichtlich des neuesten Standes von Wissenschaft und Technik der übliche Maßstab gelte. Selbst unter Verwendung einer verfeinerten DT 50 von 1,43 d für H. -Rückstände in Mais ergebe sich ein TER von 1,2, sodass unannehmbare Auswirkungen infolge der Anwendung des Produktes in der beantragten Indikation nicht auszuschließen seien. Letztlich sei die Beklagte gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 PflSchG dazu verpflichtet, über den Zulassungsantrag im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt zu entscheiden. Da dieses mit Schreiben des Umweltbundesamtes vom 22.1.2016 versagt wurde, sei die Beklagte auch aus diesem Grund an der Erteilung der Zulassung gehindert. Hinsichtlich des weiteren Inhaltes des Bescheides wird auf den Bl. 86 bis 89 d.A. verwiesen.

Die Klägerin legte gegen den Ablehnungsbescheid fristwahrend am 20.09.2016 Widerspruch ein und änderte daraufhin ihren Antrag zu 1. dahingehend, dass sie nunmehr beantragte, unter Abänderung des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 25.08.2016 die Beklagte zu verurteilen, die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „F.“ für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu erteilen. Sie führt weiter aus, dass sich reduzierende Säugetierpopulationen kein ausschließlich regional deutsches Problem seien. Es werde im Wirkstofferneuerungsverfahren auf EU-Ebene diskutiert. Zudem habe auch als weiterer cMS die Niederlande eine entsprechende Stellungnahme in der Kommentierungsphase abgegeben. Soweit die Beklagte ausführe, ein Hinweis innerhalb der Kommentierungsphase wäre nicht sinnvoll gewesen, da es sich um ein regional deutsches Problem handele, könne dem somit nicht zugestimmt werden. Auch aus einem Schreiben des UBA vom 22.12.2014 (Anlage K 27) gehe hervor, dass vielmehr aufgrund eines Kapazitätsengpasses auf eine Kommentierung verzichtet worden sei, und sich eine Entscheidung im Rahmen der Einvernehmensprüfung nach § 34 Abs. 1 Nr. 3 PflSchG vorbehalten wurde.

Es erfolgte weiterer Schriftverkehr, insbesondere hinsichtlich der Berechnung des maßgeblichen Endpunktes und zu der Frage einer Verfeinerung desselben, um die Divergenz zwischen Laborverhältnissen und denjenigen in der Natur zu berücksichtigen. Die Klägerin reichte hierfür diverse Studien ein. H. sei ein Wirkstoff, welcher sich in der Natur wegen seiner geringen Persistenz sehr schnell abbaue. Laut der Studie von L. errechne sich damit bei einer Verfeinerung für die Ökotoxikologie ein Endpunkt von 1,2 mg/kg bw/d.

Noch mit Schriftsatz vom 31.01.2017 gab die Beklagte an, den Fall unter Einbeziehung der zusätzlich von der Klägerin übermittelten Unterlagen noch einmal einer Prüfung unterzogen zu haben. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der zRMS Tschechien für die anderen Mitgliedstaaten eine „Öffnungsklausel“ in den Registration Report aufgenommen habe, da er ein akzeptables Risiko für die Feldmaus nur deshalb nicht angenommen habe, weil sie nicht als relevante Art für Tschechien angesehen wurde:

„ZRMS is of the opinion, that other concerned member states should consider their own agricultural situation and decide, which of the arguments they use in their national approach. All these information indicates an acceptable acute and long-term risks to mammals from H. following application of H. J..“

Auch nach der erneuten Bewertung auf der Grundlage der neu eingereichten Abbaustudien werde ein akzeptables Risiko nicht erreicht. Auch bei der Verwendung des von der Klägerin als relevanten Wert angegebenen 1,2 mg/kg KG/d in der Risikobewertung sei ohne Verfeinerung für keine der vom zRMS verwendeten relevanten Arten ein akzeptables Risiko (TER>=5) gegeben. Soweit die Klägerin anführe, die Werte unter Laborbedingungen entsprächen nicht der Situation in der Natur sei anzuführen, dass die bewerteten Versuche genau den Vorgaben durch die Verordnungen (EU) Nr. 544/2011 und 545/2011 sowie dem Guidance Document (EFSA-Q-2009-00223 v. 17.12.2009) entsprechen. Dem Schriftsatz beigefügt war zudem eine weitere Stellungnahme des UBA vom 21.12.2016, wo dieses u.a. zu dem weiteren bereits zugelassenen Produkt „I.“ Stellung nahm. Der Beklagten sei vom UBA eine fachliche Bewertung übersandt worden, nach deren Ergebnis auch das Produkt „I.“ die Anforderungen für eine Zulassung gemäß Art. 29 VO (EG) 1107/2009 wegen der unannehmbaren Risiken für freilebende Säugetiere nicht erfülle. Inwieweit diese Risiken den Widerruf der noch bis 28.2.2017 laufenden Zulassung des Mittels „I.“ begründeten, sei durch die Beklagte zu prüfen.

Mit Bescheid vom 30.03.2017 wurde die pflanzenschutzrechtliche Zulassung für das Mittel „F.“ erteilt. Nachdem die Klägerin Akteneinsicht in die Korrespondenz zwischen der Beklagten und dem UBA ab dem 05.02.2016 beantragt hatte, übersandte die Beklagte die seit dem 05.02.2016 entstandenen Verwaltungsvorgänge. Sie führt weiter aus, wie es nach dem fristwahrenden Widerspruch der Klägerin vom 20.09.2016 gegen den Ablehnungsbescheid vom 24.08.2016 zur Einvernehmenserklärung des UBA gekommen sei. So habe es parallel zum Antrag der Klägerin eine bestehende Zulassung und einige laufende Zulassungsanträge für vergleichbare Pflanzenschutzmittel und vergleichbare Anwendungen gegeben. In einem der letztgenannten Verfahren habe das UBA sein Einvernehmen erteilt. In anderen Fällen sei die Entscheidung offen oder das Einvernehmen sei versagt worden. Aufgrund dessen habe die Beklagte das UBA mit Schreiben vom 09.03.2017 unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten um Überprüfung der Entscheidungen gebeten. In dem entsprechenden Schreiben der Beklagten macht diese das UBA darauf aufmerksam, dass es sein Einvernehmen zu einem H. haltigen Pflanzenschutzmittel vor dem Hintergrund, dass sich ein vergleichbares Mittel (I.) mit dem Wirkstoff H. bereits auf dem Markt befindet, erteilt habe. Hier seien keine Gründe nach Art. 36 Abs. 3 VO (EU) 1107/2009 geltend gemacht worden. Auf dieses Schreiben hin habe das UBA mit Schreiben vom 21.03.2017 sein Einvernehmen hinsichtlich der Zulassung des streitgegenständlichen Produktes erteilt.

In der Einvernehmenserteilung führt das UBA aus, dass das mit dem streitgegenständlichen Produkt „F.“ vergleichbare Produkt „I.“ die Zulassungsvoraussetzungen in Bezug auf den Schutz der Umwelt in Deutschland nicht erfülle. Dies sei im Rahmen des Verfahrens zur abermaligen Zulassung von I. (ZV1 034660-00/00) festgestellt worden. Da jedoch für das Mittel Calisto noch bis zum 31.5.2017 eine Zulassung bestehe, entstünden durch die zusätzliche Zulassung des vergleichbaren Mittels „F.“ für dieselben Indikationen keine zusätzlichen Risiken für die Umwelt. Die Mittel seien zueinander alternativ, würden also niemals gemeinsam eingesetzt werden. Zudem stünde noch im Jahr 2017 die Entscheidung über die Erneuerung der Genehmigung von H. als Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff in der EU an. Im Zuge der sich anschließenden Zulassungsverfahren nach Art. 43 VO (EU) 1107/2009 werde dann das Fortbestehen der Zulassungsvoraussetzungen jeder der bestehenden Zulassungen H. haltiger Pflanzenschutzmittel geprüft. In seiner Stellungnahme zum Auditbericht der Europäischen Kommission habe Deutschland angekündigt, zukünftig „bei Ablehnung von Zulassungsanträgen gemäß Art. 36 Abs. 3… in jedem Einzelfall…[zu prüfen], ob ein Eingriff in bestehende Zulassungen erforderlich ist.“ Diese Prüfung des Pflanzenschutzmittels „I.“ im Rahmen des Zulassungsverfahrens zum Produkt „F.“ habe ergeben, dass ein Eingriff in die bestehende Zulassung nicht angezeigt sei und die Zulassung von „I.“ somit Bestandsschutz genieße. Weder seien Hinweise auf unannehmbare Auswirkungen aus der bisherigen Anwendung von H. haltigen Produkten bekannt, noch seien die einheitlichen speziellen Entscheidungsgrundsätze in Bezug auf den Schutz von Säugetieren in einem solchen Maße verfehlt, dass Gefahr im Verzuge angenommen werden müsste.

Mit Schreiben vom 27.03.2018 führte das UBA ergänzend aus, dass sowohl die Versagung des Einvernehmens durch das UBA vom 22.01.2016 als auch die Versagung der Zulassung durch die Beklagte vom 26.08.2016 rechtskonform gewesen sei. Die Erteilung der Zulassung im Jahr 2017 ergebe sich aus einer pragmatischen Verfahrensweise, welche die Beklagte und das UBA als Reaktion auf die Auditierung der Zulassungsverfahren in Deutschland durch die EU-Kommission eingeführt hätten. Die tatsächlichen Auswirkungen H. haltiger Pflanzenschutzmittel seien bislang noch nicht untersucht worden. Dass somit keine unannehmbaren Auswirkungen bekannt geworden seien, rechtfertige nicht die Annahme, dass in der realen Anwendungssituation keine erheblichen Auswirkungen auftreten. Ohne geeignete Untersuchungen im Freiland lasse sich der gegebene ungünstige Erhaltungszustand der Feldhasenpopulation in Deutschland zwar nicht ohne weiteres ganz oder teilweise auf Auswirkungen der Anwendung von H. zurückführen. Jedoch könne der ungünstige Erhaltungszustand der Populationen andererseits nicht dazu herangezogen werden, den Verdacht unannehmbarer Auswirkungen zu widerlegen. Für den Widerruf einmal erteilter Zulassungen gälten wesentliche höhere Anforderungen an die Beweislast als in laufenden Zulassungsverfahren, in denen das Vorsorgeprinzip zur Anwendung kommen müsse. Soweit die Zulassung für „I.“ somit nicht widerrufen werden könne, könne sie als Referenzzulassung für „F.“ dienen. Die einzige fachlich und regulatorisch zu rechtfertigende Alternative hätte darin bestanden, die Zulassung von „F.“ zu versagen und gleichzeitig die Zulassung von „I.“ zu widerrufen, da zum Zeitpunkt der Bewertung von F. beide Mittel nicht die Zulassungsvoraussetzungen nach neuesten Stand von Wissenschaft und Technik in der EU erfüllten. Die neue pragmatische Herangehensweise führe dazu, dass bereits zugelassene und neue Mittel gleich reguliert würden.

Die Klägerin erklärte den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrages zu 1. für erledigt.

Der Klageantrag zu 2. sei hinsichtlich des Zeitraums anzupassen. Es handele sich hierbei um eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog. Das berechtigte Interesse sei hier weit zu verstehen. Es schließe jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein. Der Maßstab sei hier denkbar gering. Ein berechtigtes Interesse bestehe bereits dann, wenn der Kläger mit dem erstrebten Sachurteil „noch etwas anfangen kann“, es also in irgendeiner Weise geeignet ist, seine Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht konkret zu verbessern. Ein Nachteil müsse weder unmittelbar bevorstehen noch sich konkret abzeichnen. Zudem sei die beantragte Feststellung von Bedeutung für sowohl das zukünftige Verhalten der Beklagten als auch der Klägerin. Die Klägerin werde je nach Ergebnis der gerichtlichen Feststellung ihre Strategie hinsichtlich der Beantragung von Zulassungen für Pflanzenschutzmittel in Deutschland anpassen. Es bestünden verschiedene Möglichkeiten nach den Regelungen der Verordnung Nr. 1107/2009, um an eine Zulassung zu gelangen (zum Beispiel ZV 1, ZV 3 oder ZV U-Antrag). Die unterschiedlichen Verfahrensarten würden von der Beklagten bei der zeitlichen Bearbeitung unterschiedlich behandelt. Insoweit sei die Klärung der infrage stehenden Rechtsfragen für das künftige Verhalten der Klägerin bei Zulassungsanträgen wesentlich. Die Entscheidung habe zudem Einfluss darauf, ob die Klägerin in anderen verfristeten Zulassungsverfahren ebenfalls eine Verpflichtungsklage erheben wird. Die Beklagte wird aus der festgestellten Rechtslage die gebotenen Folgerungen ziehen und ihr zukünftiges Verwaltungshandeln hieran auszurichten haben. Insofern könnten zukünftige Verpflichtungsklagen vermieden werden. Letztlich habe der Ausgang des Verfahrens auch Einfluss darauf, ob die Klägerin eine Beschwerde gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland bei der EU-Kommission mit dem Ziel erheben wird, ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV einzuleiten. Die systematischen Rechtsverstöße der Behörde belasteten die Klägerin stark.

Das rechtliche Interesse der Klägerin an dem Feststellungsantrag ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die Rechte der Klägerin aus Art. 12 und 14 verletzt worden seien und ihr durch die vorübergehend rechtswidrige Vorenthaltung der Zulassung erheblicher Schaden entstanden sei, der auch jetzt noch voranschreite. Die Klägerin werde – je nach Ausgang des Verfahrens – von der Erhebung einer Schadensersatzklage absehen. Durch die verzögerte Erteilung der Zulassung sei der Klägerin in der Herbstsaison 2015, in der ganzjährigen Vertriebssaison 2016 und in der Frühjahrssaison 2017 ein erheblicher Schaden in Form des entgangenen Gewinns entstanden. Wäre die Zulassung durch die Beklagte rechtzeitig bis zum 26.07.2015 erteilt worden, hätte die Klägerin das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel noch in der Herbstsaison 2015 auf den deutschen Markt bringen können. Für den Vertrieb in Deutschland beliefere die Klägerin seit Jahren das in Deutschland ansässige, auch dem BVL bekannte Großhandelsunternehmen M. GmbH. Hätte das Produkt schon in der Zeit vom 26.07.2015 bis 30.03.2017 in Deutschland eine Zulassung besessen, hätte dieses Unternehmen in dieser Zeit rund 560.000 l des Produktes in Deutschland vertrieben, denn der Jahresbezug für das H. haltige Pflanzenschutzmittel liege bei 300.000 l pro Jahr. Die entsprechend verbindlich erklärten Kaufangebote der M. GmbH habe die Klägerin allerdings nicht annehmen können, solange sie nicht über eine gültige Zulassung des Produktes in Deutschland verfügt habe. Hierdurch sei im vorgenannten Zeitraum bei einer kalkulierten Gewinnmarge von ca. 20 € pro Liter netto ein Schaden in Form des entgangenen Gewinns von ca. 11.200.000 € entstanden. Dass die M. GmbH sofort bereit und in der Lage gewesen wäre, Mengen des Produktes im deutschen Markt von jährlich ca. 300.000 l zu platzieren, lasse sich auch daran nachvollziehen, dass mit Erteilung der Zulassung am 30.03.2017 es im Jahre 2017 noch gelungen sei, ca. 40.000 l an die M. GmbH zu verkaufen. Da zu diesem Zeitpunkt aber die umsatzstarke Frühjahrssaison verstrichen gewesen sei, habe nur noch die Herbstsaison zur Verfügung gestanden. Das BVL habe die fachliche Gesamtverantwortung für die Prüfung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und habe es unterlassen, die Beteiligungsbehörden auf den drohenden Ablauf der Entscheidungsfrist des Art. 37 Abs. 4 VO (EG) 1107/2009 hinzuweisen, sie unter erneuter Fristsetzung abzumahnen, die Selbstvornahme der Prüfung anzudrohen, die Prüfung selbst vorzunehmen oder vornehmen zu lassen sowie aufsichtsrechtliche Schritte gegen die Beteiligungsbehörden einzuleiten. Die Bundesrepublik Deutschland und ihre zuständigen Behörden seien verpflichtet, Sekundärrecht der EU ohne jede Einschränkung anzuwenden. Notfalls habe das nationale Recht bis hin zur Unanwendbarkeit zurückzutreten, was aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts nach Art. 4 Abs. 3 UA 2 AEUV, Art. 291 AEUV folge. Zwar gebe es eigenständige Verursachungsbeiträge sowohl von BVL als auch von UBA. Bei beiden Behörden handele es sich jedoch um Behörden des Bundes im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr.1 VwVfG. Haftungsrechtlich bedeute dies, dass die Bundesrepublik Deutschland und nicht die ihr unterstehenden Behörden für die Ansprüche der Klägerin passivlegitimiert seien. Es liege auch ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln vor. Auch ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff komme in Betracht. Die Vertriebsbefugnis eines Produktes gehöre zum geschützten Kernbereich des Eigentums. Die Vertriebsfreiheit als Ausfluss der Eigentumsgarantie an den Pflanzenschutzmitteln werde durch ein gesetzliches präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gemäß Art. 28 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1107/2009 begrenzt. Es liege auch ein Eingriff in eine bestehende Eigentumsposition vor, da eine präventive Erlaubnis wie die Vertriebserlaubnis den eigentumsrechtlichen Rechtskreis der Klägerin materiell nicht erweitere, sondern umgekehrt der Rechtskreis der Klägerin durch eine widerrechtliche Verzögerung konstitutiv und damit „eingriffsgleich“ verkürzt werde. Der Grundrechtseingriff liege in der Vorenthaltung der Zulassung („qualifiziertes Unterlassen“). Die Verzögerung der Erteilung der Zulassung habe für den Zeitraum 26.07.2015 bis 30.03.2017 faktisch zu einem Vertriebsverbot für die Klägerin geführt. Auch komme für jeden Fall des Verstoßes eines Mitgliedstaates gegen das Unionsrecht, völlig unabhängig davon, welches mitgliedstaatliche Organ durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß begangen hat, ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch in Betracht

Zudem sei Wiederholungsgefahr gegeben. Bei erledigten Verpflichtungsklagen liege eine Wiederholungsgefahr bereits dann vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass die Beklagte in naher Zukunft auf einen gleichartigen Antrag hin eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende negative Entscheidung treffen könnte. Dies sei vorliegend der Fall. Die Klägerin habe derzeit für 5 weitere Pflanzenschutzmittel eine Zulassung bei der Beklagten beantragt, deren Zulassung entweder gar nicht oder verfristet und zum Teil nur für eingeschränkte Anwendungsgebiete erteilt worden sei. Die Klägerin habe auch weitere Zulassungsanträge ganz konkret in Bearbeitung zur Einreichung, weshalb sie befürchten müsse, dass das Thema Verfristung sie bei deutschen Behörden noch weiter begleiten werde.

Die beantragte Feststellung diene auch der Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile der Klägerin. Man könne durch eine entsprechende Feststellung gegenüber Vertragspartnern und kreditgewährenden Banken dokumentieren, dass die durch die verzögerte Zulassungserteilung verursachten Gewinnausfälle nicht auf ein Fehlverhalten der Klägerin zurückzuführen sind. Die Dokumentation rechtswidrigen Behördenverhaltens diene demnach auch dazu, potentielle wirtschaftliche Nachteile abzuwenden.

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ergebe sich letztlich auch daraus, dass die Klägerin bereits erheblichen prozessualen Aufwand betrieben habe. Ihr seien die Prozessfrüchte zu erhalten.

Sie beantragt nunmehr

festzustellen, dass die Nichterteilung der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „F.“ durch die Beklagte für die Zeit vom 23.07.2015 bis zum 30.03.2017 rechtswidrig gewesen ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es handele sich bei dem Feststellungsantrag um eine allgemeine Feststellungsklage im Sinne des § 43 VwGO und nicht um eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung. Ein Feststellungsantrag, wonach die Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts durch die Behörde rechtswidrig gewesen ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzte, könne sich nicht im Rahmen des Streitgegenstands der ursprünglichen Verpflichtungsklage halten. In der Sache handele es sich daher um eine allgemeine Feststellungsklage. Auch die Unterteilung des Klageantrags spreche für die dargestellte Auffassung. Es stelle sich die Frage, warum die Klägerin auch den ursprünglichen Antrag zu 2. gestellt habe, wenn schon der Klageantrag zu 1. die Fortsetzungsfeststellungsklage enthalten habe. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitere an der Subsidiarität, da die ordentlichen Gerichte in der Lage seien, im Rahmen eines geltend gemachten Anspruchs auf Amtshaftung bzw. enteignungsgleichem Eingriff die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen.

Des Weiteren fehle das für die allgemeine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse, da eine etwaige Amtshaftungsklage offensichtlich aussichtslos sei. Aus § 34 Abs. 5 PflSchG ergebe sich keine gesetzliche Verpflichtung zur Setzung von Fristen. Im Übrigen habe die Beklagte dem UBA eine Frist zur Abgabe der Bewertung mit Schreiben vom 13.05.2015 gesetzt. Auch ergebe sich keine Verpflichtung der Beklagten, die Zulassung ohne oder sogar entgegen des Einvernehmens des UBA zu erteilen. Hierbei würde sie die Beteiligungsrechte des UBA verletzen. Die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen richte sich nach Art. 34 des Grundgesetzes. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass sich die Frage der haftenden Körperschaft danach richte, wer den vielleicht handelnden Amtsträger mit der Durchführung der Aufgabe betraut habe. Es hafte daher im Regelfall die Körperschaft, die diesen Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit zur Amtsausübung eröffnet habe. Vorliegend habe das UBA als Körperschaft des öffentlichen Rechts zunächst das Einvernehmen verweigert. Da die Klägerin die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit verklagt habe, sei nicht nachvollziehbar inwiefern hier die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 34 Grundgesetz seitens der Klägerin beachtet wurde. Ersatzansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff kämen nicht in Betracht, da Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes als geschützte Rechtsposition keine künftigen Gewinnchancen und einfachrechtlich ungesicherte Erwerbsmöglichkeiten einschließe. Auch liege das Feststellungsinteresse in Form der Wiederholungsgefahr nicht vor, da jede Entscheidung beim Zulassungsantrag von wesentlich anderen Voraussetzungen abhänge. Durch Personalaufstockung sei zudem eine Optimierung der Verfahrensprozesse und die fristgerechte Erteilung von Zulassungen in der Zukunft sehr wahrscheinlich. Es handele sich bei den weiteren Anträgen der Klägerin um unterschiedliche Verfahrensarten (gegenseitige Anerkennung, zonales Verfahren) für die das Einvernehmen des UBA teilweise verweigert wurde und teilweise noch aussteht. Es ist hierbei nicht ersichtlich, dass das UBA zukünftig doch noch sein zunächst verweigertes Einvernehmen erteilen wird. Die Zulassungssituation sei somit eine völlig andere.

Innerhalb der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte seine bis dahin einseitig gebliebene Erledigungserklärung widerrufen. Zudem gab er an, es sich offen lassen zu wollen, ob ein Schadensersatzprozess eingeleitet wird. Man werde es sich überlegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Es handelt sich bei dem Klageantrag, festzustellen, dass die Nichterteilung der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „F.“ durch die Beklagte für die Zeit vom 23.07.2015 bis zum 30.03.2017 rechtswidrig gewesen ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt hat, nur äußerlich um ein einheitliches Klagebegehren. Vielmehr liegt hier jedoch – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 28. April 1999 – 4 C 4/98 –, BVerwGE 109, 74-80 - juris) - ein Fall der zulässigen Klagehäufung gemäß § 44 VwGO vor.

Der Antrag enthält eine Fortsetzungsfeststellungsklage, soweit er im Hinblick auf die Rechtslage im Zeitpunkt des im Klageverfahren eingetretenen erledigenden Ereignisses gestellt wurde.

113 Abs. 1 Satz 4 VwGO regelt die Fortsetzungsfeststellungsklage. Die Vorschrift bezieht sich nach Wortlaut und Systematik nur auf den Fall einer Anfechtungsklage, die unzulässig geworden ist, weil sich der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt hat und damit die mit der Anfechtungsklage bekämpfte beschwerende Regelung weggefallen ist (BVerwG, Urt. v. 15.11.1990 - 3 C 49.87 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 224 S. 62). Die Fortsetzungsfeststellungsklage soll verhindern, dass ein Kläger, der in Folge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die „Früchte“ der bisherigen Prozessführung gebracht wird (BVerwG, Urt. v. 24.01.1992 - 7 C 24.91 - BVerwGE 89, 354, 355), insbesondere dann, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrags die Frage stellt, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein soll und der Kläger wegen der (häufig nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung in diesem Verfahren leer ausgehen muss (BVerwG, Urt. v. 18.04.1986 - 8 C 84.84 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69 S. 13). § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist jedoch auch auf die Verpflichtungsklage entsprechend anzuwenden (BVerwG, Urt. v. 24.01.1992 - 7 C 24.91 - BVerwGE 89, 354, 355; vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.1999 – 4 C 4/98 -, BVerwGE 109, 74-80 - juris).

Der Klageantrag bezieht sich zwar nicht nur auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, sondern auf den Zeitraum vom 23.07.2015 bis zum 30.03.2017. Jedoch endet der Feststellungszeitraum mit dem Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung als erledigendem Ereignis.

Die Feststellungsklage ist im Verhältnis zu einem statthaften Fortsetzungsfeststellungsantrag aus Spezialitätsgründen nachrangig (vgl. Wysk, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflage 2016, § 43 Rn. 49), was hier somit jedenfalls für den Zeitpunkt unmittelbar vor dem erledigenden Ereignis gilt.

Für den davorliegenden Zeitraum ist die Feststellungsklage einschlägig.

Die Voraussetzungen der objektiven Klagehäufung gemäß § 44 VwGO liegen vor, da sich das Klagebegehren hier gegen dieselbe Beklagte richtet, sie im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Sowohl die Fortsetzungsfeststellungsklage als auch die Feststellungsklage sind zulässig (hierzu A.) sowie auch begründet (hierzu B.).

A.

Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage scheitert nicht bereits an der Erledigungserklärung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 10.04.2018. Zwar schließt der Übergang zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO es aus, gleichzeitig eine Erledigungserklärung nach § 161 Abs. 2 VwGO abzugeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.12.1981 – 8 C 39/80 –, juris). Jedoch hat die Klägerin vor Eingang einer etwaigen Erledigungserklärung der Beklagten ihre Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung widerrufen. und ist bereits mit ihrem Vortrag in dem Schriftsatz vom 10.04.2018 und den danach folgenden Schriftsätzen bei ihrem Sachvortrag geblieben. Ein solcher Widerruf der Erledigungserklärung ist bis zur Abgabe der Erledigungserklärung der Gegenseite zulässig (vgl. Wysk, a.a.O.; § 161 Rn. 23).

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist dann zulässig, wenn die ursprüngliche Verpflichtungsklage zulässig war, nach Rechtshängigkeit ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis besteht und ein Feststellungsinteresse gegeben ist. Die Feststellungsklage wiederum ist dann zulässig, wenn ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis besteht, die Feststellungsklage nicht subsidiär ist und das erforderliche Feststellungsinteresse besteht.

 Die Zulässigkeitsvoraussetzungen beider Klagearten sind gegeben.

Die ursprünglich von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage und ihre anschließende Weiterführung als Verpflichtungsklage waren zulässig.

Insbesondere war es ihr möglich, nach Erlass des während des Klageverfahrens erlassenen Ablehnungsbescheides die Klage ohne Durchführung eines Vorverfahrens von einer Untätigkeitsklage in eine Verpflichtungsklage umzustellen. Soweit die Untätigkeitsklage wegen Nichtbescheidung eines Antrages nach Ablauf der dreimonatigen Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO zulässig erhoben ist, bedarf es bei danach ergehender negativer Behördenentscheidung zur Fortsetzung des Klageverfahrens keines Vorverfahrens (vgl. Wysk, a.a.O., § 75 Rn. 10).

Die von der Klägerin erhobene Klage war zulässig. Sie wurde zulässigerweise als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben. So wurde über den Antrag der Klägerin auf Zulassung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden. Die Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO wurde eingehalten. Die Klägerin durfte mit ihrer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn die Klage nach Ablauf der Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO erhoben wird, was hier der Fall gewesen ist. Nach diesem Zeitpunkt müsste ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung vorgelegen haben.

Ein zureichender Grund dafür, dass der beantragte Verwaltungsakt bis zur Klageerhebung nicht erlassen wurde, ist jedoch nicht ersichtlich. Im vorliegenden Fall können dabei die tatsächlichen Gründe für die Verzögerung der Bescheidung dahingestellt bleiben, denn die Verzögerung verstieß gegen zwingendes Recht. Ein Grund kann nur dann "zureichend" in dem genannten Sinne sein, wenn er mit der Rechtsordnung in Einklang steht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.07.1991 - 3 C 56/90 - juris). Das ist vorliegend nicht der Fall.

Maßgeblich dafür, welche Frist für die Bearbeitung des hier vorliegenden Zulassungsantrages angemessen ist, ist Art. 37 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (Abl. L 309 v. 24.11.2009, S. 1).

Es handelt sich vorliegend um ein sog. „zonales Zulassungsverfahren“ nach Art. 29, 33 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Art. 35 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sieht vor, dass der Antrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, den der Antragsteller vorgeschlagen hat, es sei denn, ein anderer Mitgliedstaat in derselben Zone erklärt sich bereit, die Prüfung vorzunehmen. Die anderen Mitgliedstaaten in der Zone, denen ein Antrag vorgelegt wurde, setzen die Bearbeitung des Antrags aus, bis die Bewertung durch den prüfenden Mitgliedstaat vorliegt. Gemäß Art. 36 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nimmt der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien vor. Er gibt allen Mitgliedstaaten in der gleichen Zone die Gelegenheit zu einer Stellungnahme, die in der Bewertung berücksichtigt wird. Die betreffenden Mitgliedstaaten gewähren oder verweigern die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den Mitgliedstaat, der den Antrag gemäß den Artikeln 31 und 32 prüft und entscheiden gem. Art. 37 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 innerhalb von höchstens 120 Tagen nach Erhalt des Bewertungsberichts und der Kopie der Zulassung durch den den Antrag prüfenden Mitgliedstaat über den Antrag gemäß Artikel 36 Absätze 2 und 3.

Diese Frist aus Art. 37 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 1107/2009 von 120 Tagen ist vorliegend zugrunde zu legen. Die Klägerin beantragte am 19.12.2013 die zonale Zulassung. Tschechien war – auf Antrag der Klägerin - für das vorliegende zonale Zulassungsverfahren prüfender Mitgliedstaat im Sinne von Art. 35 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1107/2009 und die übrigen Mitgliedstaaten der Zone B die anderen betroffenen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 35 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009. Der Bewertungsbericht und die tschechische Zulassung gingen bei der Beklagten am 25.03.2015 ein. Die maßgebliche Frist von 120 Tagen war zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 13.01.2016 demnach bereits verstrichen, was die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 21.06.2016 auch unstreitig stellt.

Die somit ohne ein Vorverfahren nach § 74 VwGO zulässige Untätigkeitsklage konnte nach Erlass des ablehnenden Bescheides vom 24.08.2016 auch zulässigerweise als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO fortgeführt werden.

Vorliegend ist auch nach Rechtshängigkeit der Klage ein erledigendes Ereignis eingetreten. Die Klaglosstellung – also die Erfüllung des im Prozess geltend gemachten Anspruchs – stellt einen Regelfall des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO dar. Der Gesetzeswortlaut nennt insoweit – bezogen auf die Anfechtungsklage – die Zurücknahme (vgl. Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 2014, § 113, Rn. 51). Mit Bescheid vom 30.03.2017 wurde die streitgegenständliche Zulassung erteilt, die Klägerin mithin klaglos gestellt.

Der Klageantrag betrifft auch ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis - nämlich die mögliche Pflicht der Beklagten zur Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung für das Mittel „F.“, wobei für die Fortsetzungsfeststellungsklage auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses abzustellen ist, für die Feststellungsklage auf den übrigen Feststellungszeitraum.

Auch besteht für beide Klagearten das erforderliche Feststellungsinteresse.

Letztlich muss hier nicht entschieden werden, ob die Aussage des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, dass man sich nach ggf. erfolgreichem Abschluss des Verfahrens überlegen werde, einen Schadensersatzprozess zu führen, für die Darlegung einer „ernsthaften Absicht“ zur Führung eines Amtshaftungsprozesses genügt. Hieran bestehen erhebliche Zweifel (vgl. insoweit Nds. OVG, Beschluss vom 29.02.2016 – 4 LA 344/15 – veröffentlicht in der Nds. Rechtsprechungsdatenbank; Nds. OVG Beschluss vom 29.08.2007 – 10 LA 31/06 -, juris).

Denn es kann jedenfalls eine Wiederholungsgefahr angenommen werden, die zur Bejahung des Feststellungsinteresses beider Klagearten herangezogen werden kann (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 21. Auflage 2015, § 43 Rn. 23 und § 113 Rn. 141). Eine Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn die Gefahr des erneuten Erlasses der angegriffenen oder einer ähnlichen Verfügung besteht. Sie ist anzunehmen, wenn sich aus dem Sachverhalt, der Interessenlage oder den Erklärungen der Beteiligten ergibt, dass die Behörde wahrscheinlich in absehbarer Zukunft einen inhaltsgleichen oder gleichartigen Verwaltungsakt erlassen wird und so ggf. erneut gerichtlicher Rechtsschutz mit vergleichbaren Sach- und Rechtsproblemen erforderlich werden würde (vgl. Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 2014, § 113 Rn. 67). Übertragen auf die Verpflichtungssituation bedeutet dies, dass eine Wiederholungsgefahr angenommen werden kann, wenn die Behörde in absehbarer Zukunft anhand inhaltsgleicher oder vergleichbarer Erklärungen wie im vorliegenden Verfahren eine Zulassung weiterer Pflanzenschutzmittel versagen würde (vgl. auch zur Wiederholungsgefahr, wenn der Kläger gleichartige immissionsschutzrechtliche oder andere Verfahren, insbesondere Parallelverfahren für vergleichbare Standorte zu erwarten hat: OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Dezember 1992 – 7 L 3734/91 –, juris).

Hiervon kann ausgegangen werden. Die Klägerin hat angegeben, derzeit für 5 weitere Pflanzenschutzmittel eine Zulassung bei der Beklagten beantragt zu haben, deren Zulassung entweder gar nicht oder verfristet und zum Teil nur für eingeschränkte Anwendungsgebiete erteilt worden sei. Darüber hinaus hat sie ausgeführt, dass sich weitere Zulassungsanträge ganz konkret in Bearbeitung zur Einreichung befänden, weshalb sie befürchten müsse, dass das Thema Verfristung sie bei deutschen Behörden noch weiter begleiten werde.

Soweit somit unstreitig feststeht, dass weitere Zulassungsverfahren der Klägerin ähnliche Streitfragen wie im vorliegenden Fall aufwerfen könnten, führt auch der Hinweis der Beklagten nicht weiter, eine fristgerechte Erteilung von Zulassungen sei aufgrund von Personalaufstockung in Zukunft nunmehr möglich. Denn Streitpunkt im vorliegenden Verfahren ist nicht allein der ggf. auch auf Kapazitätsengpässen basierende Zulassungsstau bei der Beklagten und damit verbunden das Verstreichen der 120 Tage-Frist des Art. 37 Abs. 4 VO (EG) 1107/2009. Zum einen argumentiert die Beklagte auch im Klageverfahren mit dem vom UBA im überwiegenden Anteil des Feststellungszeitraums versagten Einvernehmen, zum anderen geht es im vorliegenden Verfahren maßgeblich um die Frage, aus welchen Gründen es der Beklagten möglich sein darf, eine Zulassung gemäß Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 zu versagen. Insbesondere bestehen hier zwischen den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen zum Prüfungsumfang im Rahmen des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009. Diese Fragestellungen dürften auch für zukünftige Zulassungsanträge der Klägerin von Bedeutung sein. Dies zeigt sich bereits schon an dem von der Klägerin als Anlage zum Schriftsatz vom 26.03.2018 vorgelegten Schreiben des UBA vom 29.11.2017 (Bl. 667 d.A.), mit welchem dieses sein Einvernehmen zur Zulassung des Produktes „N.“ versagt hat. Auch in diesem Falle wurde das Vorliegen spezifischer landwirtschaftlicher und ökologischer Bedingungen für (diesmal) Regenwurmpopulationen als Voraussetzung für eine Zulassungsversagung nach Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 mit einem Verweis auf den HNVF-Indikator und einem Vergleich zwischen Deutschland und dem erstzulassenden Mitgliedstaat (UK) begründet.

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert letztlich auch nicht am Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 VwGO.

Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage besagt, dass die Feststellungsklage nicht zulässig ist, wenn der Kläger den damit verfolgten Zweck mit einer Gestaltungsklage, einer Verpflichtungsklage oder einer allgemeinen Leistungsklage ebenso gut oder besser verfolgen kann oder hätte verfolgen können (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 43 Rn. 26). Nach dieser Maßgabe steht der Feststellungsklage die ebenfalls noch anhängige Fortsetzungsfeststellungsklage nicht entgegen. Wie bereits oben dargestellt, befasst sich die Fortsetzungsfeststellungsklage lediglich mit der Bewertung der Sach- und Rechtslage unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses, betrifft somit einen anderen Streitgegenstand. Dasselbe gilt für die zunächst erhobene Verpflichtungsklage, welche sich im Übrigen aber auch schon mit Erteilung der Zulassung erledigt hat.

B.

Die Klage ist auch begründet.

Die Versagung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung für das Mittel „F.“ war rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten, weil ein Anspruch auf Erteilung der Zulassung gemäß § 36 Abs. 2 VO (EG) 1107/2009 bestand.

Die Anspruchsgrundlage für die Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung durch den betroffenen Mitgliedstaat im Rahmen des zonalen Zulassungsverfahrens, soweit der prüfende Mitgliedstaat seine Zulassung bereits erteilt hat, findet sich in Art. 33 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, genauer Art. 36 Abs. 2 der Verordnung. Anwendbar auf den vorliegenden Fall ist die im Feststellungszeitraum gültige Fassung vom 30.06.2014.

Die begehrte Zulassung erfolgt im sog. „zonalen Zulassungsverfahren“. Hierbei schlägt der Antragsteller den Mitgliedstaaten einer Zone vor, welcher prüfender Mitgliedstaat (zonal Rapporteur Member State - zRMS) werden soll. Wird diesem Vorschlag entsprochen, so beantragt der Antragsteller bei diesem Mitgliedstaat für die betreffende Zone die Erteilung der zonalen Zulassung und gibt zugleich an, in welchen weiteren Mitgliedstaaten derselben Zone er eine Zulassung zu beantragen beabsichtigt (Art. 35 VO [EG] Nr. 1107/2009). Die übrigen Mitgliedstaaten derselben Zone, in welchen ebenfalls eine Zulassung beantragt werden soll, werden sodann beteiligte Mitgliedstaaten (concerned Member States - cMS). Neben dem Antrag beim gewünschten zRMS stellt der Antragsteller den Zulassungsantrag parallel bei sämtlichen gewünschten cMS. Die dem Antrag beizufügenden Unterlagen sind in Art. 33 VO (EG) Nr. 1107/2009 aufgeführt. Die Prüfung des Antrags erfolgt sodann gemäß Art. 35 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 durch den zRMS. Nach Art. 36 Abs. 1 der Verordnung nimmt der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Standes von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung aller zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien vor. Er wendet die in Art. 29 Abs. 6 der Verordnung genannten einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an, um so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung gemäß Art. 55 in derselben Zone und unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen die Anforderungen gemäß Art. 29 erfüllt (S. 3). Die beteiligten Mitgliedstaaten setzen gemäß Art. 35 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 die Bearbeitung des Antrags aus, bis die Bewertung durch den prüfenden Mitgliedstaat vorliegt. Der prüfende Mitgliedstaat erstellt sodann im Zuge der Bewertung den Entwurf eines Bewertungsberichtes (draft Registration Report - dRR) in einem zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmten Format. Dieser Entwurf wird sodann an sämtliche Mitgliedstaaten der Zone zur Kommentierung verschickt (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VO [EG] Nr. 1107/2009). Nach Ablauf der Kommentierungsfrist erstellt der prüfende Mitgliedstaat unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Mitgliedstaaten den Finalen Registration Report (RR) und entscheidet für sein Hoheitsgebiet über die Zulassung des jeweiligen Pflanzenschutzmittels. Im Folgenden übermittelt er den Final Registration Report sowie seine Zulassungsentscheidung an die anderen Mitgliedstaaten derselben Zone. Die anderen betroffenen Mitgliedstaaten entscheiden sodann innerhalb von höchstens 120 Tagen nach Erhalt des Bewertungsberichts und der Kopie der Zulassung über den Antrag gemäß Art. 36 Abs. 2 und 3 der Verordnung (Art. 37 Abs. 4 VO [EG] Nr. 1107/2009).

Ein Anspruch der Klägerin nach Art. 36 Abs. 2 VO (EG) 1107/2009 bestand seit dem 23. 07.2015. Gemäß 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB begann die 120-Tage-Frist am Tage nach Erhalt des gemäß Art. 37 Abs. 4 VO (EG) 1107/2009 für den Fristbeginn maßgeblichen Bewertungsberichts und der Kopie der Zulassung, also am 26.03.2015. Die Frist begann nicht erst nach Erhalt einer Übersetzung der Zulassung in deutscher Sprache, da dies– anders als gemäß Art. 42 Abs. 1 a) VO (EG) 1107/2009 im Verfahren gegenseitiger Anerkennung – nicht verpflichtender Bestandteil der vorzulegenden Unterlagen im Rahmen der zonalen Zulassung ist. Die Frist endete gemäß § 188 Abs. 1 BGB demnach am 23.07.2015.

Der Anspruch aus Art. 36 Abs. 2 VO (EG) 1107/2009 ergibt sich jedoch nicht bereits aus dem Ablauf der 120-Tage-Frist des Art. 37 Abs. 4 VO (EG) 1107/2009.

Dementsprechend hat die Kammer bereits in ihrem Urteil vom 30.11.2016 (9 A 28/16) ausgeführt:

„Der Verordnungsgeber hat an die Überschreitung der vorgegebenen Bearbeitungsfrist durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union eine konkrete Rechtsfolge nicht geknüpft. Dementsprechend kann aus dem Ablauf der Frist weder ein Anspruch auf Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung noch eine Präklusion des Mitgliedstaats mit Gründen abgeleitet werden, die er nicht innerhalb der Frist geltend gemacht hat, wie es die Klägerin für sachgerecht hält. Der nicht fristgerechten Bescheidung eines Antrags auf gegenseitige Anerkennung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung kann allenfalls bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen entgangenen Gewinns Bedeutung zukommen.“

Ein Anspruch der Klägerin, welcher denklogisch erst nach Ablauf der Bearbeitungsfrist entstehen kann, ergibt sich jedoch daraus, dass die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 über den gesamten Feststellungszeitraum nicht vorlagen.

Nach Art. 36 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 2009 gewähren oder verweigern die betreffenden Mitgliedstaaten die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den Mitgliedstaat, der den Antrag gemäß den Artikeln 31 und 32 prüft. Abweichend von Art. 36 Abs. 2 VO (EG) 1107/2009 und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts können geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 31 Absätze 3 und 4 und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden. Können die Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.

Art. 36 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 verpflichtetet den cMS somit mit Ausnahme von Fällen im Sinne von Art. 36 Abs. 3 der Verordnung zur Gewährung oder Verweigerung der Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den den Antrag prüfenden Mitgliedstaat. Eine weitergehende Prüfungskompetenz im Hinblick auf die Entscheidung des prüfenden Mitgliedstaates kommt dem beteiligten Mitgliedstaat grundsätzlich nicht zu. Die Beklagte ist daher weder befugt noch verpflichtet, die Referenzzulassung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 36 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1107/2009, welcher ausdrücklich bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den prüfenden Mitgliedstaat gewähren oder verweigern. Die Einräumung einer über die in Absatz 3 genannte Prüfungskompetenz hinausgehende Prüfungsmöglichkeit findet sich in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gerade nicht. Es hätte dem Verordnungsgeber offen gestanden, eine weitergehende Prüfungskompetenz zu normieren, wovon dieser jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.

Auch der Regelungszusammenhang spricht gegen eine weitergehende Prüfungskompetenz des nur beteiligten Mitgliedstaates. So hätte der Verordnungsgeber mit den Regelungen in Absatz 3 keine Ausnahmetatbestände schaffen müssen, wäre er davon ausgegangen, dass keine Bindungswirkung besteht.

Gegen eine weitergehende Prüfungskompetenz des beteiligten Mitgliedstaates spricht auch eine teleologische Interpretation unter besonderer Berücksichtigung des Normzweckes. Ausweislich der Erwägungsgründe Nr. 8 und 9 zur VO (EG) Nr. 1107/2009 war es das Ziel des Verordnungsgebers, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft der Gemeinschaft sicherzustellen. Um die aufgrund des unterschiedlichen Schutzniveaus in den Mitgliedstaaten möglicherweise bestehenden Handelshemmnisse so weit als möglich zu beseitigen, sollten zudem harmonisierte Regelungen u. a. für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln festgelegt werden. Zweck der Verordnung ist es, den freien Verkehr der entsprechenden Produkte und die Verfügbarkeit dieser Produkte in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Zugleich intendierte der Verordnungsgeber nach dem Rechtsgedanken des Erwägungsgrundes Nr. 14 eine Beschleunigung des gesamten Zulassungsverfahrens. Gemäß Erwägungsgrund Nr. 25 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sollten im Interesse der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Kohärenz die Kriterien, Verfahren und Bedingungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt harmonisiert werden. Dieses Harmonisierungsbestreben verfolgte der Verordnungsgeber mithin - ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 9 der genannten Verordnung - in dem Bewusstsein, dass innerhalb der Mitgliedstaaten unterschiedliche Schutzniveaus bestehen. Das zonale Zulassungsverfahren soll gerade dazu dienen, dass die einzelnen beteiligten Mitgliedstaaten keine eigene Prüfung aller Zulassungsvoraussetzungen vornehmen, sondern die von dem anderen, prüfenden Mitgliedstaat bereits erfolgte Prüfung der eigenen Entscheidung zugrunde legen. Diese Verfahrensweise dient damit gerade dem dargelegten Zweck der Harmonisierung der Zulassungspraxis innerhalb der Gemeinschaft sowie dem Beschleunigungs- und Effizienzbestreben, da zugleich doppelte Arbeiten vermieden werden.

Das gemeinsame europäische System der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gründet sich insofern auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle hieran beteiligten Staaten die Vorgaben beachten, die ihre Grundlage in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 finden und ein hohes Schutzniveau gewährleisten (vgl. zur gegenseitigen Anerkennung von Tierarzneimittelzulassungen BVerwG, Urt. v. 19.09.2013 - 3 C 22/12 - juris, Rn. 22 m. w. N.). Hieraus ist die Vermutung abzuleiten, dass die Bearbeitung von Zulassungsanträgen für Pflanzenschutzmittel in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 steht. Die genannten Zwecke der Verordnung würden nicht erreicht, wenn der nur beteiligte Mitgliedstaat eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle der Referenzzulassung vornehmen müsste oder dürfte. Der Europäische Gerichtshof hat in Bezug auf eine gegenseitige Anerkennung der Zulassung eines Humanarzneimittels festgestellt, dass die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung in strikter Weise geregelt sei; das Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit bilde den einzigen Grund, auf den sich ein Mitgliedstaat berufen dürfe, um einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Humanarzneimittels die Anerkennung zu versagen (EuGH, Urt. v. 16.10.2008 - C-452/06, Synthon - Slg. I 7681 Rn. 26 und 28). Da sich das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das Verfahren der zonalen Zulassung unter Beteiligung eines cMS im Wesentlichen nur durch die zeitliche Abfolge unterscheiden, lassen sich die in dieser Entscheidung angestellten Erwägungen weitgehend auf den vorliegenden Fall übertragen, zumal im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung ggf. sogar ein größerer zeitlicher Abstand zwischen der Referenzzulassung und der Zulassung im beteiligten Mitgliedstaat liegen kann, als bei einem zonalen Zulassungsverfahren.

Ausgehend von den genannten Überlegungen bilden die in Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 festgelegten Ausnahmen die einzigen Gründe, auf die sich ein Mitgliedstaat berufen kann, um einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen die Anerkennung zu versagen. Das zonale Verfahren lässt somit keinen Raum für eine Versagung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels aus anderen als den in Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genannten Gründen. Eine andere Auslegung liefe dem Zweck der Verordnung zuwider und nähme den maßgeblichen Bestimmungen ihre praktische Wirksamkeit. Dürfte ein Mitgliedstaat, bei dem die nationale Zulassung bei Prüfung durch einen anderen Mitgliedstaat beantragt wird, diese Zulassung von einer zweiten Prüfung des gesamten Zulassungsantrags oder eines Teils davon abhängig machen, so liefe dies letztlich darauf hinaus, dem vom Verordnungsgeber geschaffenen Verfahren jeden Sinn zu nehmen und die Verwirklichung der mit der Verordnung verfolgten o. g. Ziele, wie insbesondere der in Erwägungsgrund Nr. 9 der Verordnung genannten Verbesserung des freien Verkehrs der entsprechenden Produkte, ernsthaft zu gefährden (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 32).

Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln teilweise nicht dem angestrebten hohen Schutzniveau entspricht. Es ist daher davon auszugehen, dass die genannte Vermutung widerlegt werden kann. Eine Widerlegung der Vermutung, dass die Bearbeitung von Zulassungsanträgen für Pflanzenschutzmittel in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 steht, ist jedoch aufgrund der gewichtigen Zwecke des gemeinsamen europäischen pflanzenschutzrechtlichen Zulassungssystems an hohe Hürden zu knüpfen, weshalb nicht jede mangelhafte Prüfung und nicht jeder Verstoß gegen die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genügt, um dem lediglich beteiligten Mitgliedstaat eine Prüfungskompetenz zuzubilligen. Jedenfalls solange sich nicht aufdrängt, dass ein Referenzmitgliedstaat die im jeweiligen Zulassungsverfahren zu beachtenden Rechtsvorschriften systematisch verletzt, besteht im nationalen Zulassungsverfahren kein Raum für eine weitergehende Überprüfung (vgl. BVerwG, a. a. O.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Ausnahmetatbestand des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 im vorliegenden Falle nicht erfüllt.

Stützt man sich, wie die Beklagte es getan hat, auf die ultima ratio des Ausnahmetatbestandes des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009, nämlich eine Zulassungsversagung, müssen zwingend alle Tatbestandsmerkmale des Art. 36 Abs. 3 S. 2 VO (EG) 1107/2009 erfüllt sein.

Die Verweigerung der Zulassung kann nur „angesichts spezifischer ökologischer und landwirtschaftlicher Bedingungen“ erfolgen. Zudem muss der Mitgliedstaat „berechtigten Grund zu der Annahme“ haben, dass das betreffende Produkt noch immer ein „unannehmbares Risiko“ für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.

Es kann hier letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem Verweis auf einen vergleichsweise niedrigen HNVF-Indikator („high nature value farmland“; Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert) in Deutschland von 15,1 % sowie der besonderen Gefährdungssituation des Feldhasen in Deutschland um spezifische ökologische und landwirtschaftliche Bedingungen handelt. Um solche Bedingungen könnte es sich dann handeln, wenn hierunter nicht ausschließlich nationale Besonderheiten fielen, sondern ggf. auch solche Umstände, die nur einige wenige Mitgliedstaaten betreffen (in der Zone B haben nur die Niederlande (15,19 %) und Luxemburg (9,7 %) ähnlich niedrige HNVF-Indikatoren).

Hierüber muss aber letztlich nicht entschieden werden, denn die Beklagte hat einen falschen Maßstab bei ihrer Risikobewertung angesetzt. Der betreffende Mitgliedstaat muss „berechtigten Grund zu der Annahme haben“, dass das Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass es keines vollständigen Nachweises unannehmbarer Risiken bedarf, sondern lediglich eines „berechtigten Grundes zu der Annahme“ solcher Risiken.

Ein berechtigter Grund zu einer entsprechenden Annahme stellt jedoch mehr dar als eine bloße Vermutung. Nur dies wird auch dem Ausnahmecharakter des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 gerecht. Denn auch das Vorsorgeprinzip kann nicht zur Begründung herangezogen werden, um von der Ausnahmevorschrift des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 bereits bei Verdachtsmomenten und noch unsicherer wissenschaftlicher Grundlage Gebrauch zu machen. Bis zuletzt wird aber aus den Stellungnahmen des UBA und den Schriftsätzen der Beklagten deutlich, dass lediglich Befürchtungen bzw. Verdachtsmomente vorliegen. So schrieb das UBA zuletzt noch am 27.03.2018:

„Ohne geeignete Untersuchungen im Freiland mit Kausalanalyse lässt sich der gegebene ungünstige Erhaltungszustand der Feldhasenpopulation in Deutschland zwar nicht ohne weiteres ganz oder teilweise auf Auswirkungen der Anwendung von H. zurückführen, zumal die Populationen durch zahlreiche landwirtschaftliche und andere Faktoren beeinflusst werden. Jedoch kann der ungünstige Erhaltungszustand der Populationen andererseits nicht dazu herangezogen werden, den Verdacht unannehmbarer Auswirkungen von O. zu widerlegen.“

In seiner Einvernehmenserteilung vom 21.03.2017 (Bl. 590 d.A.) führt das UBA zudem zur Begründung dessen, dass ein Widerruf der Zulassung für das Produkt „I.“ nicht angezeigt sei, aus:

„Dies begründet sich daraus, dass weder Hinweise auf unannehmbare Auswirkungen aus der bisherigen Anwendung von H. -haltigen Produkten bekannt sind noch die einheitlichen speziellen Entscheidungsgrundsätze in Bezug auf den Schutz von Säugetieren in einem solchen Maße verfehlt werden, dass Gefahr im Verzug angenommen werden müsste. (…) Aus Zulassungsverfahren zu anderen H. -haltigen Pflanzenschutzmitteln ist uns bekannt, dass Möglichkeiten der Verfeinerung der Risikobewertung in Bezug auf die Höhe von Rückständen auf den als Nahrung dienenden Pflanzen sowie der Verhaltensweisen des Feldhasen (Nutzung verschiedener Kulturen als Lebensraum) bestehen, die hier nicht ausgeschöpft wurden und die den errechneten Risikoquotienten um einen Faktor von mindestens ca. 10 erhöhen würden“

In einer weiteren Stellungnahme des UBA vom 21.12.2016 (Bl. 538 d.A.) heißt es:

„Es bleibt festzuhalten, dass die Risikobewertung des RMS bezüglich Vorhersagegenauigkeit und Prognosesicherheit unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse der abschließenden EFSA-Neubewertung des Wirkstoffs im Rahmen der Überprüfung der Wiedergenehmigung zu hohe Unsicherheiten aufweist, um angesichts der besonderen Gefährdungssituation für Säugetiere der Agrarlandschaft (hier: Feldhasenpopulationen) in Deutschland unannehmbare Umweltrisiken infolge der Anwendung des Mittels „F.“ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können.“

Dienen aber die selbst von der Beklagten und dem UBA zur Darstellung eines aus ihrer Sicht „unannehmbaren Risikos“ vorgelegten Grenzwertberechnungen anhand der Vorgaben der Verordnung (EG) 546/2011, Annex, Teil C, Punkt 2.5.2.1 (TER > 5) lediglich dazu, ein potentielles Risiko aufzuzeigen, welches letztlich noch nicht im Rahmen von Feldstudien überprüft werden konnte und auch nach Ansicht der Beklagten ggf. noch weiterer Verfeinerung bedürfte, ist damit auch die Schwelle des „berechtigten Grundes zur Annahme unannehmbarer Risiken“ noch nicht erreicht. Selbst führt die Beklagte auch in ihrer Stellungnahme vom 31.01.2017 aus, dass die einheitliche Berechnung des TER auf der Basis des EFSA Guidance Documents etwas ist, auf das die beteiligten Mitgliedstaaten ihre Zulassungsentscheidung „aufbauen“ können. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass der Wirkstoff H. auf europäischer Ebene erneut als Wirkstoff zugelassen wurde. Der „Final Renewal report for active substance H.“ der Europäischen Kommission vom 23.03.2017 spricht insofern zwar auch von Risiken für Säugetiere. Unter Abschnitt 3 heißt es dort:

„The long-term risk to mammals for the representative uses in maize was identified as high.“

Dennoch wurde auch von der Kommission nicht ausgeschlossen, dass Pflanzenschutzmittel, die H. enthalten, weiterhin die Sicherheitsanforderungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 bis 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllen können. Soweit jedoch für den Wirkstoff H. und dessen Langzeitauswirkungen auf Säugetiere Datenlücken beschrieben werden, seien diese im Rahmen der Erstzulassungsverfahren oder Erneuerungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert zu schließen. Eine solche Vorgehensweise diene der Harmonisierung und Vermeidung von Doppelarbeit. Insbesondere wurde von der Kommission auch darauf verwiesen, dass den im Final Renewal Report aufgeführten potentiellen Risiken für Säugetiere mit Risikominderungsmaßnahmen begegnet werden solle:

„The review has also concluded that under the proposed and supported conditions of use there are no unacceptable effects on the environment, as provided for in Article 4(3)(e) of Regulation (EC) No 1107/2009, provided that certain conditions are taken into account as detailed in section 6 of this report. (…)

6. Particular conditions to be taken into account on short term basis by Member States in relation to the granting of authorizations of plant protection products containing H.

On the basis of the proposed and supported uses (as listed in Appendix II), the following issues have been identified as requiring particular and short term attention from all Member States, in the framework of any authorisations to be granted, varied or withdrawn, as appropriate:

– the protection of operators,

– the protection of groundwater in vulnerable regions,

– the protection of mammals, aquatic and non-target plants.

Conditions of use shall include risk mitigation measures, where appropriate.“

Soweit in der mündlichen Verhandlung der anwesende Mitarbeiter des UBA hierzu ausgeführt hat, dass die im Final Renewal Report angeführten Datenlücken von einem eine Zulassung beantragenden Unternehmen erst geschlossen werden müssten, um überhaupt eine Zulassungsfähigkeit zu erreichen, trifft dies zwar zu, betrifft aber das Verhältnis zwischen prüfendem Mitgliedstaat und Antragsteller. Wurde in diesem Verhältnis eine Zulassung aber bereits erteilt, kann die Abkehr von dieser grundsätzlichen Entscheidung nicht auf Basis eines Verdachtes und den Verweis auf Datenlücken erfolgen. Etwaige vom betreffenden Mitgliedstaat angeführte Datenlücken, die einer genaueren Risikoabschätzung (bis zum Grad der Feststellung berechtigter Gründe für unannehmbare Risiken) entgegenstehen, müssen von dem Mitgliedstaat geschlossen werden, der sich auf die Ausnahmevorschrift des Art. 36 Abs. 3 S. 2 VO (EG) 1107/2009 beruft. Soweit das UBA in seiner Stellungnahme vom 27.03.2018 darauf verweist, dass in Zulassungsverfahren das Vorsorgeprinzip gemäß Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EG) 1107/2009 gelte und demnach die Möglichkeit unannehmbarer Auswirkungen weitgehend ausgeschlossen werden müsse, ist ein solcher Maßstab im Rahmen des Ausnahmetatbestandes nicht derart anzulegen, dass bereits die Möglichkeit eines unannehmbaren Risikos durch die Versagung der Zulassung ausgeschlossen werden muss.

Die hohen Hürden des Ausnahmetatbestandes lassen sich letztlich auch nicht vom prüfenden Mitgliedstaat selbst durch etwaige Öffnungsklauseln und Übertragung von weitergehenden Prüfungskompetenzen aushebeln. Unabhängig davon, ob mit dem von der Beklagten zitierten Passus aus dem Registration Report den betreffenden Mitgliedstaaten tatsächlich eine weitere Prüfungskompetenz überlassen werden sollte, liegt der Umfang der Prüfungskompetenzen entsprechend der Verordnung nicht in den Händen des prüfenden Mitgliedstaates. Allenfalls könnte ein solches „Abgeben von Prüfungskompetenzen“ dann zu einer weiteren Überprüfung der Zulassung berechtigen, wenn hierin ein systematischer Mangel läge. Jedenfalls solange sich aber nicht aufdrängt, dass ein Referenzmitgliedstaat die im jeweiligen Zulassungsverfahren zu beachtenden Rechtsvorschriften systematisch verletzt, besteht im nationalen (Anerkennungs-) Zulassungsverfahren kein Raum für eine weitergehende Überprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.2013 - 3 C 22/12 – juris). Die Beklagte hat insoweit nicht vorgetragen, dass ein mit einer „Öffnungsklausel“ verbundener Rechtsverstoß mehrfach und nicht nur in einem Zulassungsverfahren aufgetreten ist.

Da somit bereits kein „berechtigter Grund zur Annahme eines unannehmbaren Risikos“ festgestellt werden kann, kommt es auch nicht mehr auf die Frage an, ob die Versagung der Zulassung auch deshalb rechtswidrig war, weil Risikominderungsmaßnahmen nicht ausreichend in Betracht gezogen wurden. Hierzu ist lediglich ergänzend auszuführen, dass die Systematik des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 vorgibt, dass es sich bei dem Verweigerungstatbestand des Satzes 2 um die ultima ratio handeln soll. Denn nach Satz 1 sollen vornehmlich Risikominderungsmaßnahmen geprüft werden. Eine gänzliche Versagung kommt demnach nur in Betracht, wenn durch Festlegung solcher Risikominderungsmaßnahmen die bestehenden Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht ausgeräumt werden können.

Dass die Beklagte eine Zulassung unter Verwendung von Auflagen zur Risikominderung ernsthaft in Betracht gezogen hat, ist nicht ersichtlich. Zwar findet sich im Ablehnungsbescheid vom 25.08.2016 der Passus:

„Geeignete Risikominderungsmaßnahmen gemäß Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 mit einem Mindestmaß an Praktikabilität und Überwachbarkeit stehen in diesem Fall nicht zur Verfügung.“

Dass dieser Aussage eine fachlich ausreichende Würdigung zugrunde lag, bleibt jedoch nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung zu bezweifeln. Soweit der in der mündlichen Verhandlung anwesende Mitarbeiter des UBA ausgeführt hat, er habe eine etwaige Verkürzung des BBCH-Zeitraums bei seiner Prüfung, ob Risikominderungsmaßnahmen möglich sind, nicht in den Blick genommen, da die diesbezüglichen Fragen nicht in die fachliche Zuständigkeit des UBA, sondern in die des JKI – ggf. unter Beteiligung anderer Fachbehörden - fallen, war der Kammer nicht ersichtlich, dass diese Prüfung oder Überlegungen zu anderen Risikominderungsmaßnahmen überhaupt angestellt wurde, oder aber lediglich das vorhandene Prüfungsergebnis des UBA von der Beklagten übernommen wurde. Dass Risikominderungsmaßnahmen durchaus in Betracht kommen dürften, folgt – wie oben bereits dargestellt - auch aus dem „Final Renewal report for active substance H.“ der Europäischen Kommission vom 23.03.2017.

Ebenso ist nicht weiter zu überprüfen, ob die im Feststellungszeitraum bereits zugelassenen Produkte „P.“ und „I.“ gegen ein „unannehmbares Risiko“ sprechen und damit der Zulassungsverweigerung nach Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 entgegenstünden.

Die Nichterteilung der Zulassung durch die Beklagte war auch trotz des zunächst nicht erteilten und später versagten Einvernehmens seitens des UBA rechtswidrig.

Ob und wenn ja welche Möglichkeiten die Beklagte hatte, sich über ein rechtswidrig nicht erteiltes bzw. versagtes Einvernehmen des UBA hinwegzusetzen, ist für die Frage der Rechtswidrigkeit der Nichterteilung der Zulassung nicht entscheidend. Denn die Frage des rechtswidrig versagten Einvernehmens ist nur ein Verwaltungsinternum (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 05.07.2016 – Au 3 K 15.1039 –; VG Bayreuth, Urteil vom 06.03.2012 – B 1 K 10.959 –, juris), für das im Außenverhältnis wiederum die Beklagte gegenüber der Klägerin verantwortlich ist. Deshalb handelt es sich auch um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Das fehlende Einvernehmen der Beteiligungsbehörde ist als Verwaltungsinternum für die gerichtliche Entscheidung über einen Verpflichtungsanspruch ohne Belang (VG Potsdam, Urteil vom 01.02.2018 – 1 K 617/16 – unter Verweis aufBVerwG, Urteil vom 19. November 1965 - IV C 184.65 -, juris). Die Feststellung eines Anspruchs und damit der Rechtswidrigkeit einer Versagung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung muss hier auch deshalb gegenüber der Beklagten trotz einer ggf. intern bestehenden Bindung an ein Einvernehmen möglich sein, da das vom UBA versagte Einvernehmen als Mitwirkungshandlung einer anderen Behörde gemäß § 44a VwGO von der Klägerin nicht gesondert angreifbar ist (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 19. Auflage 2013, § 44a Rn. 6). Könnte sich also die Beklagte im Rahmen der Anspruchsdurchsetzung bzw. –feststellung vor Gericht wirksam auf ein versagtes oder nicht erteiltes Einvernehmen zurückziehen, bedeutete dies eine Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes. Sein Einvernehmen hat das UBA zunächst nach Ablauf der 120-Tage-Frist rechtswidrig nicht erteilt und schließlich auch rechtswidrig versagt, was im Außenverhältnis die Beklagte gegenüber der Klägerin zu verantworten hat. Denn eine Versagung hätte nur unter den Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) 1107/2009 erfolgen dürfen. Dass diese Voraussetzungen nicht vorlagen, wurde bereits ausgeführt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).