Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 14.10.2016, Az.: 9 B 40/16

Hemmungsmitteilung; Pflanzenschutzmittel; Zulassung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
14.10.2016
Aktenzeichen
9 B 40/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43498
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die im Zulassungsverfahren für ein Pflanzenschutzmittel mit einer sog. zonalen Hemmungsmitteilung bestimmte Frist für das Nachreichen von Unterlagen kann nicht verlängert werden. Die Präklusionsvorschrift des Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 steht auch der Berücksichtigung nachgereichter Unterlagen und Daten im Widerspruchsverfahren entgegen.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 100.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Hinblick auf ein pflanzenschutzrechtliches Zulassungsverfahren.

Am 25. November 2008 beantragte die in Luxemburg ansässige C. D., bei der es sich um eine frühere Konzernpartnerin der Antragstellerin handelt, bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. im Wege der gegenseitigen Anerkennung nach § 15b PflSchG 1998. Für das Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff F. hatte sie in Großbritannien und Frankreich nationale Zulassungen erhalten. Die Antragsgegnerin forderte die Antragstellerin zunächst zur Beibringung weiterer Daten und Studien auf, um das Vorliegen der von ihr für eine gegenseitige Anerkennung für erforderlich gehaltenen Voraussetzungen prüfen zu können. Am 26. Juli 2011 erteilte sie eine Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. mit Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2011, weil zu diesem Zeitpunkt die Referenzzulassung in Großbritannien ablaufen sollte. Nachdem die englische Zulassungsbehörde die dortige Zulassung des Pflanzenschutzmittels bis Ende des Jahres 2022 auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verlängert hatte, wurde bei der Antragsgegnerin eine entsprechende Verlängerung der nationalen Zulassung beantragt. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2011 lehnte die Antragsgegnerin die Verlängerung der Zulassung ab. Sie war unter anderem der Auffassung, Großbritannien habe die dort erteilte Zulassung ohne die gebotene erneute Prüfung des Pflanzenschutzmittels unter Berücksichtigung des neuesten Standes von Wissenschaft und Technik verlängert, indem es sich bei der Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung maßgeblich auf Unterlagen aus dem Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung des enthaltenen Wirkstoffs gestützt habe. Auch hielt sie eine Verlängerung der Geltungsdauer einer pflanzenschutzmittelrechtlichen Zulassung über einen Zeitraum von 10 Jahren hinaus nicht für zulässig. Gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin wurde am 23. Januar 2012 Widerspruch erhoben. Bei einer am 21. Juni 2012 durchgeführten Besprechung kamen die Antragsgegnerin und Vertreter der Firma C. überein, für die weitere Zulassung des Pflanzenschutzmittels E. ein eigenständiges zonales Zulassungsverfahren bei der Antragsgegnerin durchzuführen, wobei die im Wege der gegenseitigen Anerkennung erteilte Zulassung vom 26. Juli 2011 für die Dauer des Zulassungsverfahrens verlängert werden sollte. Auf der Grundlage von Art. 43 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verlängerte die Antragsgegnerin entsprechend die Zulassung jeweils um ein halbes Jahr, zuletzt zunächst bis zum 30. Juni 2016. Die Antragstellerin macht geltend, die Antragsgegnerin habe bei der Besprechung am 21. Juni 2012 wegen der erst im Vorjahr für die Erteilung der Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung vorgelegten aktuellen Daten und Studien ein verkürztes Zulassungsverfahren in Aussicht gestellt.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 stellte die Firma C. bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Erteilung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. im Wege des zonalen Zulassungsverfahrens. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens gaben das Julius Kühn-Institut (JKI) am 5. November 2013, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) am 8. November 2013 und das Umweltbundesamt (UBA) am 27. November 2013 Stellungnahmen ab, in denen sie jeweils das Fehlen verschiedener Unterlagen und Daten rügten. Die Antragsgegnerin nahm dies zum Anlass, am 9. Januar 2014 eine sog. zonale Hemmungsmitteilung zu erlassen, mit der sie mitteilte, die Bearbeitung des Zulassungsantrags zu unterbrechen, weil eine umfassende Bewertung des Pflanzenschutzmittels wegen nicht hinreichender Informationen und Unterlagen der Antragstellerin zu verschiedenen zu beurteilenden Gesichtspunkten, die sie im Einzelnen in der Hemmungsmitteilung anführte, nicht möglich sei. Für das Nachreichen von Unterlagen bestimmte sie eine Frist bis zum 9. Juli 2014 und wies darauf hin, dass sie den Zulassungsantrag ablehnen werde, wenn die Beanstandungen nicht fristgerecht behoben würden. Im Juni 2014 bemühte sich die Firma C. bei der Antragsgegnerin um die Gewährung einer Fristverlängerung, indem sie insbesondere darauf hinwies, zur Beseitigung der Beanstandungen erforderliche Feldversuche wegen hierfür vorgegebener Bearbeitungsdauern nicht fristgerecht durchführen zu können. Eine Fristverlängerung wurde seitens der Antragsgegnerin nicht gewährt. Unter Übersendung eines Zeitplans teilte die Firma C. der Antragsgegnerin im Juli 2014 mit, einen Teil der erbetenen Daten bis 31. Dezember 2014 vorlegen zu können, endgültige Resultate der durchzuführenden Feldversuche aber erst bis Ende November 2015 zu erwarten. Am 10. November 2014 erfolgte eine weitere Besprechung zwischen der Antragsgegnerin und Vertretern der Firma C., bei der nach Darstellung der Antragstellerin die Absprache getroffen worden sei, die Antragsgegnerin werde den Zulassungsantrag zunächst ablehnen, nachgereichte Daten und Studien allerdings im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens gegen den ablehnenden Bescheid berücksichtigen und für die Dauer dieses Verfahrens die im Wege der gegenseitigen Anerkennung erteilte Zulassung weiterhin verlängern.

Mit Bescheid vom 19. Januar 2015 lehnte die Antragsgegnerin den Zulassungsantrag der Firma C. ab. Zur Begründung gab sie an, der Zulassungsantrag sei unvollständig und genüge nicht den Anforderungen an die vorzulegenden Daten. Im Februar 2015 zeigte die Antragstellerin der Antragsgegnerin an, das Zulassungsverfahren für die Firma C. fortzuführen und deren Rechte an der im Wege der gegenseitigen Anerkennung erteilten Zulassung übernommen zu haben. Zugleich erhob sie mit Schreiben vom 20. Februar 2015 Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin. Am 25. Mai und am 9. Dezember 2015 übersandte die Antragstellerin der Antragsgegnerin die mit der Hemmungsmitteilung vom 9. Januar 2014 nachgeforderten Unterlagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2016 wies die Antragsgegnerin den erhobenen Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, der Zulassungsantrag sei nicht innerhalb der mit Hemmungsmitteilung vom 9. Januar 2014 bestimmten Frist von sechs Monaten vervollständigt worden. Nach Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 müsse der Zulassungsantrag damit abgelehnt werden. Vor dem Hintergrund dieser Bestimmung sei es auch nicht möglich, die zur Vervollständigung des Zulassungsantrags nachgereichten Unterlagen im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen. Soweit die Antragstellerin geltend gemacht habe, die Nachforderungen des UBA seien zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht absehbar gewesen, sei ihr teilweise zuzustimmen. Dies gelte aber nicht für die Nachforderungen zu den Bereichen Wirksamkeit, Rückstandsverhalten und Analytik, die ebenfalls maßgeblich für die Ablehnung des Zulassungsantrags gewesen seien. Die Antragstellerin hat am 20. Juni 2016 bei Gericht Klage erhoben (9 A 33/16), über die noch nicht entschieden ist. Zugleich hat sie die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Zulassungsverfahren für das Pflanzenschutzmittel E. in seiner Bearbeitung fortzusetzen und die im Wege der gegenseitigen Anerkennung am 26. Juli 2011 erteilte Zulassung bis zur materiellen Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Zulassung im zonalen Zulassungsverfahren zu verlängern.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes erlassen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Dazu muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass der geltend gemachte Anspruch besteht (Anordnungsanspruch) und die gerichtliche Entscheidung eilbedürftig ist (Anordnungsgrund). Besondere Anforderungen gelten für den Fall, dass die begehrte Entscheidung - wie hier - die Entscheidung in der Hauptsache (teilweise) vorwegnehmen würde. Da die einstweilige Anordnung grundsätzlich nur zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ausgesprochen werden darf, ist sie in diesen Fällen nur möglich, wenn sonst das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt würde. So darf die Entscheidung in der Hauptsache ausnahmsweise vorweggenommen werden, wenn ein Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben, d. h. hier zur Fortsetzung des Zulassungsverfahrens für das Pflanzenschutzmittel E. führen würde, und wenn es dem Antragsteller darüber hinaus schlechthin unzumutbar wäre, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (vgl. Finkelnburg/Dombert/ Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rn. 191 ff.).

Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage besteht zugunsten der Antragstellerin ein Anspruch auf Fortsetzung des zonalen Zulassungsverfahrens nicht. Die Antragsgegnerin hat den Zulassungsantrag mit Bescheid vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2016 zu Recht abgelehnt.

Nach Art. 37 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 entscheidet der einen Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels im zonalen Zulassungsverfahren gemäß Art. 33 der Verordnung prüfende Mitgliedstaat innerhalb von 12 Monaten nach Erhalt des Antrags, ob die Anforderungen für eine Zulassung erfüllt sind (Unterabs. 1). Benötigt der Mitgliedstaat zusätzliche Informationen, so setzt er eine Frist fest, innerhalb derer der Antragsteller diese Informationen vorzulegen hat (Unterabs. 2 Satz 1). In diesem Fall wird der Zeitraum von 12 Monaten um die vom Mitgliedstaat eingeräumte zusätzliche Frist verlängert (Unterabs. 2 Satz 2). Diese zusätzliche Frist beträgt höchstens sechs Monate und endet zum Zeitpunkt des Erhalts der zusätzlichen Informationen bei dem Mitgliedstaat (Unterabs. 2 Satz 3). Hat der Antragsteller nach Ablauf dieser Frist die fehlenden Informationen nicht vorgelegt, so teilt der Mitgliedstaat dem Antragsteller mit, dass der Antrag nicht zulässig ist (Unterabs. 2 Satz 4).

Gestützt auf Art. 33 in Verbindung mit Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hat die Antragsgegnerin den Zulassungsantrag der Antragstellerin aller Voraussicht nach in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt. Die von der Antragstellerin bzw. der zunächst das Zulassungsverfahren führenden Firma C. mit dem Zulassungsantrag vorgelegten Unterlagen enthielten nicht alle gemäß Art. 33 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für die Bewertung des Pflanzenschutzmittels erforderlichen Unterlagen und Daten. Auf diesen Umstand hat die Antragsgegnerin mit Hemmungsmitteilung vom 9. Januar 2014 gemäß Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hingewiesen und für das Nachreichen von Unterlagen die nach dieser Norm maximal zulässige Frist von sechs Monaten bestimmt. Nachdem der Zulassungsantrag nicht fristgerecht vervollständigt wurde, war er gemäß Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 abzulehnen.

Eine Verlängerung der in Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für das Nachreichen von Unterlagen bestimmten Frist von höchstens 6 Monaten ist rechtlich nicht möglich. In der Verordnung ist eine Verlängerung der Frist nicht vorgesehen. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, das „Guidance document on zonal evaluation and mutual recognition under Regulation (EC) No. 1107/2009“ der Europäischen Kommission vom 11. Juli 2014 (SANCO/13169/2010 rev. 9) sehe vor, dass der im zonalen Zulassungsverfahren berichterstattende Mitgliedstaat die Länge der Frist unter Berücksichtigung der ergänzend angeforderten Informationen realistisch bestimmen soll und den Zulassungsantrag lediglich ablehnen „soll“, wenn die Beibringung der fehlenden Informationen länger als sechs Monate in Anspruch nimmt (Ziff. 2.2.6.1), die Ablehnung des Zulassungsantrags mithin nicht zwingend erfolgen müsse, kann dem nicht gefolgt werden. Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 räumt dem den Antrag prüfenden Mitgliedstaat im Falle der nicht fristgerechten Nachbesserung eines Zulassungsantrags ein Ermessen nicht ein, sondern bestimmt zwingend, dass der Mitgliedstaat dem Antragsteller mitteilt, dass der Antrag nicht zulässig ist. Das „Guidance document“ der Europäischen Kommission ist nicht geeignet, diese zwingende Rechtsfolge abzuändern. Es enthält lediglich Hinweise, die rechtlich nicht bindend sind. Das kommt nicht nur im Titel des Dokuments zum Ausdruck, sondern ist einleitend auf Seite 1 auch ausdrücklich hervorgehoben („It does not represent the official position of the Commission. It does not intend to produce legally binding effects“).

Aus übergeordneten Rechtsgründen und insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bestehen gegen die Bestimmung einer nicht verlängerbaren Frist mit Präklusionswirkung keine Bedenken. Die Bestimmung fester Fristen für die verschiedenen Verfahrensstufen soll dazu beitragen, pflanzenschutzmittelrechtliche Zulassungsverfahren zu beschleunigen und vorhersehbarer zu machen (vgl. Erwägungsgründe 12, 14 und 25 der Verordnung <EG> Nr. 1107/2009 sowie in diesem Sinne auch E-Mail der Europäischen Kommission an das Gericht vom 16.9.2016, in der hervorgehoben wird, dass Antragsteller zuvor immer wieder versucht hätten, eine Verfahrensentscheidung durch Hinauszögern von Datennachlieferungen zu verzögern). Damit verfolgt der Verordnungsgeber ein legitimes Ziel. Antragsteller sollen angehalten werden, von Anfang an entscheidungsreife Unterlagen einzureichen. Eine Präklusionsnorm ist zur Erreichung dieses Ziels sowohl geeignet als auch erforderlich. Ohne eine solche Regelung könnte dem unbegrenzten Nachschieben von Daten mit entsprechender Verzögerung der jeweiligen Zulassungsverfahren nicht begegnet werden. Zulassungsantragsteller werden durch die Regelung auch nicht unangemessen belastet. Insbesondere führt sie nicht zu einem endgültigen Rechtsverlust, denn dem Antragsteller verbleibt die Möglichkeit eines neuen Zulassungsantrags. Der damit gegebenenfalls verbundene weitere Kosten- und Zeitaufwand ist vom Zulassungsantragsteller selbst zu verantworten, in dessen Sphäre es liegt, dass die mit dem Zulassungsantrag vorgelegten Daten derart weit reichende Lücken aufweisen, dass es ihm nicht möglich ist, Nachforderungen innerhalb der gesetzten Frist zu erfüllen (vgl. zu ähnlichen Präklusionsvorschriften im Arzneimittelrecht: BVerwG, Urt. v. 9.4.2014 - 3 C 10/13 -, juris; Beschl. v. 20.1.2014 - 3 B 40/13 -, juris; Urt. v. 27.1.2011 - 3 C 10/10 -, NVwZ-RR 2011, 369; OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 19.4.2007 - 13 A 2975/06 -, juris).

Die Präklusionsregelung des Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 steht auch der Berücksichtigung nachgereichter Unterlagen und Daten im Widerspruchsverfahren entgegen. Zwar verhält sich die Norm nicht ausdrücklich zu einem nach nationalen Recht durchzuführenden Rechtsbehelfsverfahren. Die in der Verordnung vorgesehene Präklusionswirkung würde aber ins Leere gehen, wenn sie lediglich für das Antragsverfahren Geltung beanspruchen könnte, in einem Widerspruchsverfahren und einem etwaigen späteren Klageverfahren hingegen ein unbegrenztes Nachschieben von Daten erlaubt wäre (vgl. zu diesem Gesichtspunkt im Arzneimittelrecht auch: OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 19.4.2007, a. a. O.). Die praktische Durchsetzung und Wirksamkeit des europäischen Rechts würde auf diese Weise verhindert oder zumindest erheblich erschwert.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Antragsgegnerin habe mit ihr bei der am 10. November 2014 durchgeführten Besprechung vereinbart, nachgereichte Daten und Studien im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen, ist die Antragsgegnerin dem entgegengetreten und hat erklärt, eine solche Abrede sei nicht getroffen worden. Der von der Antragstellerin vorgelegte Besprechungsvermerk (Anlage K 26 zur Antragsschrift) ist von der Antragstellerin selbst gefertigt worden und schon deshalb nicht geeignet, eine entsprechende Abrede zu belegen. Unabhängig davon wäre eine Berücksichtigung nach Fristablauf nachgereichter Unterlagen durch die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren nach den vorstehenden Ausführungen auch rechtswidrig. Dass die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren nicht sogleich unmissverständlich klargestellt hat, in Ansehung der Rechtslage nach dem 9. Juli 2014 vorgelegte Daten und Unterlagen auch im Rechtsbehelfsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen, erklärt die Antragsgegnerin mit einer angespannten Personalsituation, die eine schnellere Bearbeitung nicht zugelassen habe. Selbst wenn die Antragstellerin aus ihrer Sicht darauf vertraut haben sollte, die mit erheblichem Kostenaufwand nachgelieferten Daten würden im Widerspruchsverfahren inhaltlich geprüft und bewertet, wäre dieser Umstand nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen, denn die Rechtslage lässt die Berücksichtigung nachgereichter Daten und Studien im Widerspruchsverfahren nicht zu. Auf das Vorbringen der Antragstellerin, die Antragsgegnerin gestatte in ihrer Verwaltungspraxis in anderen Fällen Zulassungsantragstellern im Widerspruchsverfahren Daten nachzureichen, hat die Antragsgegnerin erwidert, nachgelieferte Unterlagen im Widerspruchsverfahren nur für Zulassungsverfahren zu berücksichtigen, die noch nicht nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 geführt werden, sondern nach der zuvor geltenden Rechtslage zu beurteilen seien.

Der Vortrag der Antragstellerin, die Nachforderung weiterer Daten und Unterlagen sei für sie im Hinblick auf das von der Antragsgegnerin bei der Besprechung am 21. Juni 2012 in Aussicht gestellte verkürzte Verfahren in vollem Umfang oder zumindest insoweit im Zeitpunkt der Antragstellung unvorhersehbar gewesen, als sich die Nachforderung von Daten auf Dokumente gestützt habe, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verfügbar oder noch nicht verbindlich gewesen seien, was insbesondere auf die Nachforderungen des UBA zutreffe, vermag dies dem vorläufigen Rechtsschutzantrag ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Antragsgegnerin hat dazu überzeugend ausgeführt, im Vorfeld des Antrags auf Erteilung einer Zulassung im zonalen Zulassungsverfahren sei von der Antragstellerin bzw. der Firma C. nicht darauf hingewiesen worden, dass sie die Zulassung mit einem höheren Mittelaufwand beantragen wolle als er bei der Zulassung des Pflanzenschutzmittels im Wege der gegenseitigen Anerkennung gestattet worden sei. Schon aus diesem Grund habe die Antragstellerin nicht darauf vertrauen können, dass zu dem vom JKI zu beurteilenden Bereich der Wirksamkeit des Pflanzenschutzmittels keine Daten vorgelegt werden müssten, die nicht schon Gegenstand der Erteilung der Zulassung im Wege der gegenseitigen Anerkennung gewesen seien. Dem ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten. Hinsichtlich der Beurteilung der Wirksamkeit des Pflanzenschutzmittels hat das JKI unter anderem ausgeführt, mit dem Zulassungsantrag seien keine Unterlagen zu EC10-Werten und Versuchsergebnissen zum Verhalten des Wirkstoffs im Boden vorgelegt worden, die erforderlich seien, um die Wirkung auf Folgekulturen beurteilen zu können. Auch fehle eine vollständige Risikobewertung für benachbarte Kulturen unter Berücksichtigung der theoretischen Abdrift in unterschiedlicher Entfernung zur Zielfläche und der ED50-Werte (vgl. Stellungnahme des JKI vom 5.11.2013 und Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.1.2015 zu Ziffer II.2 Buchst. b und c). Bedenken gegen die inhaltliche Berechtigung dieser Beanstandungen des Zulassungsantrags hat die Antragstellerin nicht erhoben und auch für das Gericht sind solche nicht begründet. Bei dieser Sachlage bedarf keiner Klärung, ob die Nachforderungen der Antragsgegnerin auch im Übrigen in vollem Umfang berechtigt gewesen sind, denn schon die nicht fristgerecht behobene Unvollständigkeit des Zulassungsantrags für den Bereich der vom JKI erhobenen Nachforderungen verpflichtete die Antragsgegnerin zur Ablehnung des Zulassungsantrags. Nach Art. 33 Abs. 3 und Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 obliegt es dem Zulassungsantragsteller, die Zulassungsbehörde spätestens innerhalb der mit einer Hemmungsmitteilung gesetzten Frist in die Lage zu versetzen, das Pflanzenschutzmittel umfassend bewerten zu können, wozu auch der Bereich der Wirksamkeit des Pflanzenschutzmittels zählt.

Ob die Antragsgegnerin im früheren Verfahren auf Zulassung des Pflanzenschutzmittels im Wege der gegenseitigen Anerkennung berechtigt war, die Vorlage weiterer Daten und Studien zu fordern, was von der Antragstellerin bestritten wird, kann dahinstehen, denn diese Frage bleibt ohne Auswirkung auf das streitgegenständliche zonale Zulassungsverfahren.

Ist damit bereits ein Anordnungsanspruch für den Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung zur Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Bearbeitung des Zulassungsverfahrens fortzusetzen, nicht begründet, bedarf keiner Klärung, ob die Antragstellerin das Vorliegen eines Anordnungsgrundes hinreichend glaubhaft gemacht hat, was die Antragsgegnerin bezweifelt.

Bei dieser Sachlage ist auch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verpflichtung der Antragsgegnerin, die im Wege der gegenseitigen Anerkennung am 26. Juli 2011 erteilte Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. vorläufig zu verlängern, kein Raum. Dies gilt erst recht, als die Antragsgegnerin die Zulassung zwischenzeitlich (zunächst) bis zum 31. Dezember 2016 verlängert und mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2016 klargestellt hat, die Verlängerung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts im Hauptsacheverfahren vornehmen zu wollen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei sich die Kammer für die Bemessung des Streitwerts an den Angaben der Antragstellerin orientiert und unter Berücksichtigung der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache von einer Halbierung des Streitwerts für das vorläufige Rechtsschutzverfahren absieht.