Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.11.1989, Az.: 4 A 153/87

Gerichtliche Kontrolle der Regelsatzfestsetzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.11.1989
Aktenzeichen
4 A 153/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12816
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:1129.4A153.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 31.07.1987 - AZ: 3 Hi A 197/85
nachfolgend
BVerwG - 25.11.1993 - AZ: BVerwG 5 C 8.90

Fundstelle

  • DÖV 1990, 485 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

1. Bei der Festsetzung der Regelsätze hat der Vorschriftengeber einen gerichtlich eingeschränkt zu kontrollierenden Spielraum (Ermächtigung zu administrativer Letztentscheidung)

2. Die Bemessung der niedersächsischen Regelsätze für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis zum 30. Juni 1986 nach dem "alternativen Warenkorbmodell" ist im Hinblick auf den Ansatz für Haushaltsenergie fehlerhaft; diese Regelsätze sind daher unwirksam.

Tenor:

Die Berufungen der Kläger zu 3) und 4) gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hannover - 3. Kammer Hildesheim - vom 31. Juli 1987 werden zurückgewiesen.

Auf die Berufungen der Kläger zu 1) und 2) wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen - teilweise geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über die dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis zum 18. November 1985 zu gewährende Hilfe zum Lebensunterhalt neu zu entscheiden.

Der Bescheid der Beklagten vom 23. April 1985 und der Widerspruchsbescheid des Landkreises Hildesheim vom 18. November 1985 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Mit Bescheid vom 23. April 1985 regelte die Beklagte die Hilfe zum Lebensunterhalt, den sie den Klägern zu 1) und 2) gewährte, ab dem 1. Juni 1985. Sie berücksichtigte dabei das dem Kläger zu 1) gewährte Kindergeld als Einkommen. Die Hilfe für die Kläger zu 1) und 2) errechnete die Beklagte, indem sie den "Gesamtbedarf" der Kläger zu 1) und 2) ermittelte und diesem Bedarf das Kindergeld in Höhe von 150,-- DM gegenüberstellte.

2

Den Widerspruch, mit dem sich die Kläger gegen die Anrechnung des Kindergeldes wandten, wies der Landkreis Hildesheim mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 1985 zurück.

3

Die Klage hat das Verwaltungsgericht mit Gerichtsbescheid vom 31. Juli 1987 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit sie von den Klägern zu 3) und 4) erhoben worden sei, weil diese durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert seien. Die Klage der Kläger zu 1) und 2) sei unbegründet, weil es rechtmäßig sei, das dem Kläger zu 1) gewährte Kindergeld als Einkommen zu berücksichtigen.

4

Gegen den ihnen am 7. August 1987 zugestellten Gerichtsbescheid wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung vom 4. September 1987, mit der sie ihren Vortrag im ersten Rechtszug wiederholen und darüber hinaus geltend machen, die Regelsätze seien zu niedrig bemessen (diese Überlegungen haben sie offenbar unter Verwechslung der Aktenzeichen in dem Parallelverfahren 4 OVG A 152/83 vorgetragen).

5

Sie beantragen,

6

die Beklagte zu verpflichten, den Klägern zu 1) und 2) für die Zeit vom 1. Juni bis zum 18. November 1985 Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, und zwar ohne Anrechnung des Kindergeldes und unter Berücksichtigung von um 15 v.H. erhöhten Regelsätzen.

7

Die Beklagte beantragt,

8

die Berufung zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichtes und trägt vor, die Leistungen für die Kläger reichten aus, insbesondere weil die Kläger eine Vielzahl von Sozialleistungen erhielten.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die Berufung der Kläger zu 3) und 4) ist nicht begründet. Die Berufung der Kläger zu 1) und 2) hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

12

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht erkannt, daß die Klage der Kläger zu 3) und 4) nicht zulässig ist; diese Kläger sind nicht klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), weil diese Kläger durch die streitigen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt sein können. Die Bescheide sind nämlich nicht an sie gerichtet.

13

Die Kläger zu 1) und 2) indessen sind klagebefugt. Das gilt auch für die Klägerin zu 2). Bei richtiger Betrachtung allerdings gewährt ihr die Beklagte laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Anrechnung von Einkommen (nach dem Grundsatz der individuellen Anspruchsberechtigung muß der Bescheid vom 23. April 1985 dahin verstanden werden, daß er die Hilfe für die Kläger zu 1) und 2) regelt und nur wegen der Hilfe für den Kläger zu 1) die Anrechnung seines Einkommens vorsieht). Gleichwohl hat die Klägerin zu 2) mit den angefochtenen Bescheiden nicht das erhalten, was sie verlangt. Sie meint nämlich, ihr stehe eine höhere laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu, weil die Regelsätze zu niedrig bemessen seien. Mit diesem Vortrag macht sie eine Verletzung ihrer eigenen Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend, ohne daß es eines weiteren Sachvortrages bedürfte. Eine weitere Substantiierung des Klagevorbringens ist nicht erforderlich. § 42 Abs. 2 VwGO setzt allerdings das Geltendmachen einer Verletzung von eigenen Rechten, nicht bloß eine tatsächliche Betroffenheit, voraus (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. Dez. 1980 - BVerwG 7 C 84.78 -, BVerwGE 61, 256). Ob - ist ein Kläger tatsächlich betroffen - auch eigene Rechte verletzt sein können, beantwortet sich anhand der "jeweiligen Schutznorm", auf die sich das Begehren eines Klägers stützen läßt. Eine solche Norm sind die §§ 11 Abs. 1, 12 BSHG, wonach derjenige Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten muß, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten kann. Derjenige Kläger, der also geltend macht, sein Regelbedarf werde - ohne daß Abweichungen nach der Besonderheit des Einzelfalles ersichtlich sind - von den Regelsätzen unzureichend gedeckt, rügt mit einem solchen Vortrag die Verletzung eigener Rechte; einer Substantiierung bedarf dieser Vortrag nicht, damit die auf Gewährung eines höheren Lebensunterhaltes gerichtete Klage als zulässig zu erachten ist. Das Verlangen nach Substantiierung (vgl. Stahlmann, Die Sozialhilferegelsätze zwischen Rechtsdogmatik und administrativer Sozialpolitik, ZfSH/SGB 1988 S. 401, 449) verkennt die Anforderungen, die § 42 Abs. 2 VwGO an den Sachvortrag eines Klägers stellt. § 42 Abs. 2 VwGO erfordert nicht mehr - und nicht weniger - als das Geltendmachen einer Verletzung von eigenen Rechten. Ist eine solche Verletzung eigener Rechte möglich, so bedarf es keines weiteren Tatsachenvortrages, um die Klage zulässig zu machen. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine solche Rechtsbehauptung nicht fern liegt, sondern - mag sie sich im Ergebnis auch als unrichtig erweisen - auf den Stand der Diskussion in interessierten Kreisen abhebt. Darauf hat sich die Klägerin zu 2) in ihrem Sachvortrag bezogen.

14

Die Klage der Kläger zu 1) und 2) hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Regelsätze für die Zeit vor dem 1. Juli 1985 wenden. Für diese Zeit hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der Bundesgesetzgeber (§ 22 Abs. 4 BSHG idF des 2. Haushaltsstrukturgesetzes und der Haushaltsbegleitgesetze 1983 und 1984) die Höhe der Regelsätze für die Zeit bis zum 30. Juni 1985 in einer von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden Höhe bestimmt hat.

15

Zu Unrecht wendet sich der Kläger zu 1) ferner gegen die Anrechnung des ihm zufließenden Kindergeldes. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist Kindergeld als Einkommen im Sinne von § 76 Abs. 1 BSHG - sei es als Einkommen des Kindergeldbeziehers, sei es des Kindes - zu berücksichtigen. Erwägungen, wie sie die Kläger anstellen, ist der Senat bereits in seinem Urteil vom 28. September 1988 - 4 OVG A 8/87 -) entgegengetreten. Dort heißt es (wenn auch vornehmlich mit Blick auf den Kindergeldzuschlag):

16

"Das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz gehört zu den Einkünften in Geld und damit zum Einkommen im Sinne des § 76 Abs. 1 BSHG (st. Rspr. d. BVerwG, s. Beschl. v. 11. Okt. 1985, FEVS 35, 1, und des Sen., s. Urt. v. 13. April 1988 - 4 OVG A 206/87 -). Für den Zuschlag nach § 11 a BKGG in der Fassung des 11. Änderungsgesetzes vom 27. Juni 1985 (BGBl I, 1251), um den sich das Kindergeld unter den dort genannten Voraussetzungen "erhöht", gilt nichts anderes.

17

Der Berücksichtigung des Kindergeldzuschlages als Einkommen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 11 Abs. 1 BSHG steht auch nicht § 77 Abs. 1 BSHG entgegen. Danach sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden, nur insoweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. In § 11 a BKGG ist - wie in den §§ 1 ff für das Kindergeld - ein "Zweck", zu dem diese Leistung gewährt wird, nicht "ausdrücklich genannt". Der Zuschlag dient wie das Kindergeld selbst der allgemeinen Entlastung der Familienhaushalte mit Kindern. Aber selbst wenn in der Beschreibung des Kreises der Berechtigten in § 11 a BKGG - Bezieher von Einkommen, deren zu versteuerndes Einkommen geringer als der Grundfreibetrag nach § 32 a Abs. 1 Nr. 1 Einkommenssteuergesetz ist - einen ausdrücklich genannten Zweck sähe, wäre die weitere Voraussetzung des § 77 Abs. 1 BSHG für die Nichtberücksichtigung als Einkommen nicht erfüllt. Denn dieser Zweck - zusätzliche Entlastung von Familienhaushalten mit Kindern, wenn der Kindergeldberechtigte den steuerlichen Grundfreibetrag für Kinder wegen geringen Einkommens nicht ausschöpfen kann - wiche nicht von dem Zweck ab, dem die Sozialhilfe im Einzelfall - hier die Hilfe zum Lebensunterhalt - dient (so BVerwG u. Sen., aaO, zum Kindergeld). Die Auffassung von Dietrich Schoch (ZfSH/SGB 1986, 103, 107), Zweckidentität zwischen Kindergeld und Hilfe zum Lebensunterhalt sei (geschätzt) nur hinsichtlich der Hälfte des Kindergeldes gegeben, mag zwar als sozialpolitisch wünschenswert angesehen werden, dafür fehlt es aber an einer Grundlage im Gesetz (so auch Giese, ZfSH/SGB 1986, 159).

18

Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, daß die Berücksichtigung des Kindergeldzuschlags als Einkommen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.

19

Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG ist primär an den Gesetzgeber adressiert (Friedrich Schoch, DVBl 1988, 863, 869, m.w.N.). Es begründet in der Regel keinen Anspruch des einzelnen Bürgers auf Gewährung bestimmter (höherer) sozialer Leistungen. Der Gesetzgeber hat bei der Gewährung staatlicher Sozialleistungen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit; sie findet ihre äußerste Grenze im Willkürverbot, ist aber nicht darauf zu überprüfen, ob der Gesetzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BSG, Urt. v. 10. 4. 1985, FamRZ 1985, 1130, m.w.N. aus der Rspr. d. Bundesverfassungsgerichts). Die Berücksichtigung von Einkommen im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt verletzt das Sozialstaatsprinzip jedenfalls nicht, solange die (oberste) Aufgabe der Sozialhilfe - dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschens entspricht (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG) - erfüllt wird. Das ist hier der Fall, da dem Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt und Kindergeld insgesamt jedenfalls die Mittel zur Verfügung stehen, die ihm die Führung eines Lebens ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht.

20

Auch das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt, wenn Kindergeld und Kindergeldzuschlag als Einkommen bei der Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt werden. Im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt ist - unabhängig von der Einkommensanrechnung - dem Grundsatz der familiengerechten Hilfe (§ 7 BSHG) in vielfältiger Weise Rechnung getragen, z.B. durch die Staffelung der Regelsätze (§ 2 RegelsatzVO), durch die Berücksichtigung des besonderen, vor allem des durch das Wachstum bedingten Bedarfs bei Kindern und Jugendlichen (§ 12 Abs. 2 BSHG) und durch die Anerkennung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehende (§ 23 Abs. 2 BSHG).

21

Schließlich hat der Gesetzgeber dadurch, daß er es unterlassen hat zu bestimmen, daß der Zuschlag zum Kindergeld bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei, nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip) verstoßen.

22

Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß (so grundlegend BVerfGE 1, 14, 52 [BVerfG 23.10.1951 - 2 BvG 1/51], und st. Rspr., vgl. die Übersicht bei F. Schoch, aaO, S. 875). Nach der neueren Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 7. 10. 1980, BVerfGE 55, 72, 88) ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Diese Grenze ist hier nicht überschritten. Die Klägerin vergleicht sich und ihre Kinder insbesondere mit Familien, in denen der Kindergeldberechtigte geringes Einkommen erzielt, das ihn und seine Familienangehörigen von Hilfe zum Lebensunterhalt unabhängig macht, und zusätzlich in den Genuß des Kindergeldzuschlags nach § 11 a BKGG kommt. Sie meint, es sei kein sachlich einleuchtender Grund dafür ersichtlich, mit dieser zusätzlichen staatlichen Sozialleistung vor den Ärmsten der Armen, nämlich den Sozialhilfeempfängern, Halt zu machen und sie ihnen nicht auch zusätzlich zur Sozialhilfe zu lassen. Entgegen ihrer Auffassung ist hier jedoch ein hinreichender sachlicher Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung gegeben. Aufgabe der Sozialhilfe ist es - wie bereits erwähnt -, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Laufende Leistungen zum Lebensunterhalt außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen werden nach Regelsätzen gewährt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Sie stellen, zusammen mit laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 3 RegelsatzVO) und mit einmaligen Leistungen zum Lebensunterhalt (§ 21 Abs. 1 BSHG), in der Regel ein menschenwürdiges Leben sicher. Soweit dies nach der Besonderheit des Einzelfalles ausnahmsweise nicht der Fall ist, sind laufende Leistungen abweichend von den Regelsätzen zu bemessen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG). Die Aufgabe der Sozialhilfe ist also grundsätzlich erfüllt, wenn dem Hilfesuchenden zu dem eigenen Einkommen (z.B. in Form von Kindergeld und Kindergeldzuschlag) so viel Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wird, daß er insgesamt genügend finanzielle Mittel zur Verfügung hat, um menschenwürdig leben zu können. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen jedenfalls nicht verpflichtet, höhere Leistungen (etwa durch Nichtanrechnung bestimmter Einkommensteile) im Hinblick darauf vorzusehen, daß es Einkommensbezieher gibt, denen zusammen mit anderen Sozialleistungen insgesamt mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen als den Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt.

23

Der Gleichheitssatz ist ferner nicht verletzt, wenn die Klägerin mit Beziehern von solchen Sozialleistungen verglichen wird, die kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung von der Anrechnung auf die Sozialhilfe ausgenommen sind. In Betracht kommen hier die Bezieher von Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG - vom 6. Dezember 1985 (BGBl I, 2154) und, für Zeiträume ab 1. Oktober 1987 (also außerhalb des hier maßgeblichen Prüfungszeitraums), Bezieher von Leistungen nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz - KLG - vom 12. Juli 1987 (BGBl I, 1585). Nach § 8 BErzGG sind das Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen (z.B. das Mutterschaftsgeld) bei anderen einkommensabhängigen Sozialleistungen wie der Sozialhilfe nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Das gleiche bestimmen die durch das Kindererziehungsleistungsgesetz an die dort genannten Rentengesetze angefügten Bestimmungen hinsichtlich dieser Leistung für Kindererziehung (z.B. § 66 ArVNG). Mag auch diese "Dynamik" sondergesetzlicher Ausnahme vom Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe als "Rückfall in die Gruppenfürsorge" (so Bäumerich, NDV 1988, 97, kritisch auch Giese, aaO, und Jaskula, ZfF 1987, 193) bedauert werden und ein System des Gesetzgebers bei der Schaffung immer neuer Ausnahmen nicht erkennen lassen, so kann doch das Unterlassen des Gesetzgebers, auch für die Bezieher des Kindergeldzuschlags eine Ausnahme zu schaffen, noch nicht als willkürlich bezeichnet werden. Denn den genannten Sozialleistungen, für die der Gesetzgeber die Nichtberücksichtigung bei der Sozialhilfe vorgeschrieben hat, liegen spezielle, nicht "wesentlich gleiche" Lebensverhältnisse und andere gesetzgeberische Motive und Ziele zugrunde als dem Kindergeld und dem Kinderzuschlag. Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen werden nur für die ersten zehn bzw. zwölf Monate nach der Geburt gewährt und sollen Müttern und Vätern Anreiz geben, sich gerade in dieser Zeit verstärkt unter Aufgabe oder teilweiser Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Durch die Leistung nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz soll die finanzielle Situation der älteren Mütter verbessert und deren außergewöhnliche Belastung bei der Kindererziehung in schweren Zeiten anerkannt werden. Die diesen gesetzlichen Regelungen zugrunde liegenden besonderen Lebensverhältnisse und gesetzgeberischen Ziele lassen es jedenfalls nicht als willkürlich erscheinen, wenn es der Gesetzgeber demgegenüber beim Kindergeld und Kindergeldzuschlag bei dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe läßt."

24

An diesen Überlegungen hält der Senat fest.

25

Auf den Bedarf der Klägerin zu 2) ist das Kindergeld bei rechter Auslegung der angefochtenen Bescheide nicht angerechnet worden, weil sie nicht Bezieherin des Kindergeldes ist.

26

Auch insoweit ist die Klage also nicht begründet.

27

Zu Recht greifen die Kläger jedoch die Regelsätze für die Zeit nach dem 1. Juli 1985 an, die der Niedersächsische Sozialminister gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 BSHG festgesetzt hat (Erlaß vom 12. Juni 1985, Nds. MBl 1985, 526).

28

Nach welchen Kriterien die Regelsätze von den Verwaltungsgerichten zu kontrollieren sind, ist bisher in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht geklärt. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht unlängst - Beschluß vom 25. Jan. 1988 - BVerwG 5 B 96.87 -, NDV 1988, 284) ausgeführt, es sei einem einzelnen Träger der Sozialhilfe verwehrt, unter Mißachtung der Festsetzung der Regelsätze eine höhere Regelsatzhilfe zu gewähren und ebensowenig könne ein Verwaltungsgericht einen Träger der Sozialhilfe außerhalb des Anwendungsbereiches des § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG zu einer Hilfeleistung verpflichten, die regelmäßig die Regelsatzhilfe übersteige. In der Rechtsprechung einiger Obergerichte (vgl. die Nachweise bei Stahlmann, aaO, Fußnote 2) wird die Ansicht vertreten, die Regelsätze seien jedenfalls dann nicht zu niedrig bemessen, wenn es nicht evident sei, daß ein Hilfeempfänger mit den Regelsatzleistungen nicht auskommen könne. Ähnlich ist die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, die es in seinem Urteil vom 30. November 1966 (BVerwG 5 C 29.66, BVerwGE 25, 307 = FEVS 14, 243) niedergelegt hat. Diese Überlegungen lassen sich dahin zusammenfassen: Die Festsetzung der Regelsätze beruhe auf sorgfältigen Ermittlungen der Statistischen Ämter über die tatsächlichen Lebenshaltungskosten und auf dem auf wissenschaftlicher Grundlage von dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge erarbeiteten Bedürfniskatalog, dessen Stellungnahme als antizipiertes Sachverständigengutachten zu betrachten sei.

29

Inwieweit die Regelsätze und ihre Festsetzung durch Verwaltungsvorschrift (oder auch durch Rechtsverordnung) der gerichtlichen Kontrolle unterliege, ist jedoch - zunächst - keine Frage der Würdigung des Tatsachenstoffes, sondern eine Frage der sogenannten Kontrolldichte und damit nach der Struktur der §§ 11, 12, 22 Abs. 3 BSHG. Die Antwort auf diese Frage lautet: Die Festsetzung der Regelsätze unterliegt nur im beschränkten Umfang verwaltungsgerichtlicher Kontrolle, und zu diesem Ergebnis gelangt der Senat, ohne sich darauf festlegen zu müssen, nach welchem Modell (nach welcher "Typologie") die Kontrolle zu gestalten ist (Beurteilungsermächtigung im engeren Sinne, Prognoseermächtigung, Rezeptionsbegriff, normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift). Dabei ist von folgendem Ansatzpunkt auszugehen (vgl. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 24. Lieferung Januar 1985, Rdnr. 180 ff; Hill, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, NVwZ 1989, 401; Wortmann, Das Spiel mit Spielräumen, NWVBL 1989, 342; jeweils m.w.N.):

30

Die Verwaltungsgerichte haben alle Verwaltungsentscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen, ein Grundsatz, den auch § 19 Abs. 4 GG nahelegt, obwohl diese Vorschrift eine solche Regel nicht ohne Ausnahme vorschreibt. Der Gesetzgeber ist aber befugt, beachtet er das Bestimmtheits- und das Wesentlichkeitsgebot, die letztverbindliche Entscheidung für eine gesetzlich nicht eindeutig fixierte Situation ausnahmsweise der Verwaltung zuzuweisen. Eine solche Zuweisung muß sich aus der Struktur der anzuwendenden Norm ergeben, die zu einer Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung ermächtigen muß. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, Normen mit einer solchen Struktur zu schaffen. Aus Art. 80 GG ergibt sich nicht, daß der Gesetzgeber die Letztentscheidung nicht der Verwaltung überlassen und normkonkretisierende Vorschriften nur in der Gestalt von Rechtsverordnungen erlassen darf. Ebensowenig zwingt Art. 19 Abs. 4 GG zu der Annahme, die Letztentscheidung müsse bei den (Verwaltungs-)Gerichten liegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschl. v. 8. Juli 1982, BVerfGE 61, 82 [BVerfG 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80]) ist "unbeschadet normativ eröffneter Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsräume" eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche und rechtliche Feststellungen anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall rechtens ist, ausgeschlossen. Mit jener Einschränkung ist zugleich ausgedrückt, daß ein Gesetzestatbestand eine Ermächtigung zu administrativer Letztentscheidung enthalten kann. Es ist dann nur noch eine Frage der Auslegung, ob dem Gesetz eine solche Ermächtigung zu entnehmen ist.

31

Administrative Letztentscheidungsermächtigungen sind das Verwaltungsermessen und die Beurteilungsermächtigung. Inwieweit eine Vorschrift die Verwaltung zur Letztentscheidung ermächtigt, muß sich aus funktionell-rechtlichen Überlegungen ergeben. Welcher Typ einer Beurteilungsermächtigung zugrunde liegt, ist dann nicht von Belang, wenn die Unterscheidung der Typen von Ermächtigungen nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führt.

32

Nach welchen Maßstäben sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle solcher Verwaltungsentscheidungen bemißt, läßt sich ohne abschließende Festlegung wie folgt beschreiben: Die Verwaltung muß einen zutreffenden und sorgfältig ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt haben, sie muß bei ihrer Entscheidung alle gesetzlich vorgegebenen Zwecke, Maßstäbe und Schranken beachtet haben, sie muß die Entscheidung von sachfremden Erwägungen freigestellt haben, sie muß sachgerechte Methoden anwenden und das Verfahren richtig abwickeln.

33

Macht der Kläger einen Anspruch auf Erlaß eines Verwaltungsaktes geltend, der mit einer "Letztentscheidung" zu Unrecht abgelehnt worden ist oder dem eine fehlerhafte (und damit unwirksame) "Letztentscheidung" entgegensteht, so muß das Verwaltungsgericht die für den Erlaß des Verwaltungsaktes zuständige Behörde verpflichten, dem Kläger gegenüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes über den Anspruch eine neue Entscheidung zu treffen (vgl. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 9. Aufl., Rdnr. 21 ui § 113; Rdnr. 17 ff zu § 114). Denn die Gerichte sind nach den dargestellten Gesichtspunkten nicht befugt, ihre eigene Entscheidung anstelle derjenigen Behörde zu setzen, die die Letztentscheidung zu treffen hat. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der Letztentscheidung um eine Verwaltungsvorschrift handelt und die Behörde, die die Vorschrift erlassen hat, nicht an dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligt ist und aufgrund der Regelungen der VwGO (§§ 65 f) nicht an dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligt werden darf. Denn gleichwohl ist diese Behörde - letztlich durch Art. 19 Abs. 4 GG - gehalten, unter Beachtung der von dem Verwaltungsgericht entwickelten Maßstäbe die Vorschrift für den Zeitraum, der von der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erfaßt ist, neu zu erlassen und damit eine Grundlage für eine neue Entscheidung zu schaffen, die gegenüber dem Kläger zu treffen ist.

34

Wendet man diese Maßstäbe an, so ergibt sich, daß § 22 Abs. 3 BSHG die Verwaltung ermächtigt, die Regelsätze letztverbindlich festzusetzen. Für diese Auslegung des § 22 Abs. 3 BSHG spricht, daß es bei der Festsetzung der Regelsätze nicht um die Entscheidung eines Einzelfalles geht, sondern der Sache nach um eine Normsetzung, der viele Generalisierungen und Wertungen, die letztlich rechtspolitischer Art sind, sowie umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen oder Erhebungen vorangehen müssen. Sie müssen auch ständig darauf untersucht werden, ob sie noch den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten gerecht werden, und müssen gegebenenfalls dementsprechend angepaßt werden. Bei der Festsetzung der Regelsätze handelt es sich also um eine Aufgabe, die im Prinzip von den Gerichten mit ihren Mitteln nicht überzeugender gelöst werden kann als von der Verwaltung. Derartige Aufgaben werden im Bereich der Leistungsverwaltung im allgemeinen vom Gesetzgeber selbst wahrgenommen. Der Bundesgesetzgeber hat sie nur aus historischen Gründen nicht selbst übernommen oder den Landesgesetzgebern überlassen, möglicherweise auch deshalb, weil die Regelsätze sich ständig wandelnden Verhältnissen angepaßt werden müssen, die sich regional auch unterschiedlich entwickeln können.

35

Nach welchen Maßstäben die Festsetzung der Regelsätze zu kontrollieren ist, braucht der Senat nicht im einzelnen zu entwickeln (er weist jedoch darauf hin, daß Vieles dafür spricht, nach den von Stahlmann - aaO - entwickelten Prüfungsmaßstäben zu verfahren). Es ist nämlich evident, daß die Festsetzung der Regelsätze in Niedersachsen für die Zeit ab 1. Juli 1985 (und in diesem Verfahren interessiert nur die Zeit bis zum 18. November 1985) zum Teil auf einer unzutreffenden Tatsachenbasis beruht. Bei der Bemessung der Regelsätze ist von einem unzutreffenden Ansatz des Aufwandes für elektrische Energie ausgegangen worden. Wie der Niedersächsische Sozialminister in seiner Antwort vom 15. November 1989 auf die Anfrage des Senates nochmals hervorgehoben hat, beruht die Festsetzung der Regelsätze in Niedersachsen für die Zeit ab dem 1. Juli 1985 auf dem Beschluß der Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder, die sich in Kenntnis des Berichtes der interministeriellen Arbeitsgruppe "Warenkorb/Regelsatz-Neues Bedarfsmengenschema" bei der Festsetzung der Regelsätze ab dem 1. Juli 1985 dafür ausgesprochen haben, der Festsetzung das Bedarfsmengenschema des "alternativen Warenkorbmodells" (Modell 3 Alternative A des Berichtes der interministeriellen Arbeitsgruppe) zugrunde zu legen. Als Ansatz für Haushaltsenergie wurde darin ein Stromverbrauch von monatlich 135 kWh festgelegt. Für diesen Ansatz wurden die Ergebnisse einer Erhebung der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke ausgewertet, wonach ein Alleinstehender - unter Zugrundelegung einer Grundgebühr für drei Tarifräume - monatlich durchschnittlich etwa 150 kWh verbraucht. Dabei wurde neben einer sogenannten Sockelelektrifizierung (Licht, Kleingeräte, Warmwasser, Küche, Kleinheizgeräte, Haartrockner) von einer Ausstattung mit Kühlschrank, Elektroherd, Waschmaschine und elektrischer Warmwasserbereitung im Bad ausgegangen. Nach den Beratungen der Unterarbeitsgruppe "Hauswirtschaftliche Bedürfnisse" der interministeriellen Arbeitsgruppe erschien dieser ein Abschlag von 10 v.H. von dem genannten durchschnittlichen Verbrauch angemessen, da dem Hilfeempfänger nur der notwendige Bedarf zugebilligt werden könne.

36

Diese Überlegung hatte im Tatsächlichen keine Grundlage. Das hat sich auch wenig später bestätigt. Der durchschnittliche Stromverbrauch in einem Einpersonenhaushalt mit der genannten Geräteausstattung liegt nämlich auch in den Haushalten mit niedrigem Einkommen (Haushaltseinkommen - netto - bis 600,-- DM) nach einer im Jahre 1986 fertiggestellten auf das Jahr 1985 bezogenen Sonderauswertung einer Haushaltskundenbefragung bei 1.820 kWh pro Jahr (vgl. Tschoepe, Neues Bedarfsbemessungssystem für die Regelsätze in der Sozialhilfe nach § 22 BSHG, NDV 1987, 433; Schellhorn, Neues Bedarfsbemessungssystem für die Regelsätze der Sozialhilfe: Ableitung der Regelsätze für sonstige Haushaltsangehörige, NDV 1989, 157; Gutachterliche Äußerung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 6. Dez. 1988). Deutet man also die Überlegung der Unterarbeitsgruppe, die der Niedersächsische Sozialminister für die Festsetzung der Regelsätze übernommen hat, dahin, diese habe gemeint, der tatsächliche Verbrauch in einem Einpersonenhaushalt mit niedrigem Haushaltseinkommen betrage nur 135 kWh im Monat, so ist diese Annahme nicht zutreffend.

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Sollte hingegen diesen Überlegungen zu entnehmen sein, der Niedersächsische Sozialminister habe es im Anschluß an den Bericht der Unterarbeitsgruppe für richtig gehalten, bei der Bemessung der Regelsätze nicht vom Durchschnittsverbrauch der Haushalte mit niedrigem Einkommen auszugehen, sondern einen geringeren Verbrauch als notwendig im Sinne von § 12 BSHG anzuerkennen, so stünde eine solche Entscheidung nicht in Einklang mit den §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 12 BSHG, wie sie nach der ständigen Rechtsprechung des Senates zu verstehen sind. Der Senat hat unlängst (Urt. v. 12. Juli 1989 - 4 OVG A 205/88 -) nochmals dargelegt und bekräftigt, daß er anders als das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 3. Nov. 1988, FEVS 39, 89) an dieser Ansicht festhält: Um den Begriff des "Notwendigen" im Sinne von § 12 BSHG auszufüllen, ist auch auf das Verhalten der Verbraucher mit niedrigem Einkommen zurückzugreifen.

38

Nicht zu beanstanden ist, daß auch wegen des Aufwandes für den Bezug an elektrischer Energie ein Abschlag (hier: 4 v.H.) angesetzt worden ist. Hierzu hat der Niedersächsische Sozialminister in seiner Stellungnahme vom 15. November 1989 nämlich zu Recht ausgeführt, der Teilwarenkorb "Hauswirtschaftliche Bedürfnisse" enthalte neben dem Aufwand für Energie noch andere Positionen (Waren) zur Abgeltung weiterer Bedürfnisse, die bei der Führung eines Haushaltes anfallen. Es habe in der interministeriellen Arbeitsgruppe Einigkeit darüber bestanden, daß nur bei den letzteren ein Abschlag zur Annäherung an das untere Quartil vorzunehmen seien, weil - anders als bei der Menge der Warenkorbposition - der Energiepreis nicht durch wirtschaftliches Verhalten des Hilfeempfängers beeinflußt werden könne. Deshalb sei dieser Teilwarenkorb nicht insgesamt mit einem Quartilsabschlag von 12 oder 13 v.H., sondern mit einem Quartilsabschlag von 4 v.H. bedacht worden; das entspreche dem Anteil dieses Teilwarenkorbes ohne den Aufwand für den Bezug elektrischer Energie.

39

Ohne daß es für die Entscheidung des Senates noch darauf ankäme, ist festzuhalten, daß das Verfahren für die Festsetzung der Regelsätze für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis zum 30. Juni 1986 nicht verfahrensfehlerfrei gestaltet worden ist. Sozialerfahrene Personen sind nämlich nicht gemäß § 114 Abs. 1 VwGO vor der Entscheidung des Niedersächsischen Sozialministers beteiligt worden. Der Niedersächsische Sozialminister hat vielmehr die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Niedersachsen mit Schreiben vom 7. Juni 1985 um Stellungnahme gebeten; er hat aber die Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft "aus Zeitgründen" nicht mehr abgewartet, um ein "noch gerade rechtzeitiges Inkrafttreten des Regelsatzerlasses" zu ermöglichen. Dieser Verfahrensfehler ist wesentlich. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege habe von vornherein das der Festsetzung der Regelsätze zugrunde liegende Modell abgelehnt und deshalb habe auch mit einer ablehnenden Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände Niedersachsen gerechnet werden müssen. Durch eine solche Überlegung liefe die Verfahrensvorschrift des § 114 Abs. 1 BSHG leer. Sozialerfahrene Personen sind nur dann - auf Landesebene - sachgerecht beteiligt, wenn ihnen auch in zeitlicher Hinsicht die Möglichkeit eingeräumt wird, vor der Festsetzung der Regelsätze Stellung zu nehmen und wenn ihre Stellungnahme bei der Entscheidung über die Festsetzung der Regelsätze in die Entscheidungsfindung einbezogen wird. Der Senat läßt offen, ob ansonsten der vom Nds. Sozialminister gewählte Modus, sozialerfahrene Personen zu beteiligen (z.B. die Anhörung eines Verbandes) § 114 Abs. 1 BSHG gerecht wird.

40

Aus den Ausführungen zur gerichtlichen Kontrolle einer "Letztentscheidung" folgt, daß der Senat dem Verpflichtungsbegehren der Kläger nicht entsprechen darf, obwohl die bloße Korrektur des Ansatzes für Haushaltsenergie nur zu einer geringen Erhöhung der Regelsätze führen würde; es ist nämlich dem Regelsatzgeber unbenommen, an der von ihm festgesetzten Höhe der Regelsätze (in einem fehlerfreien Verfahren) festzuhalten, wenn er aufgrund jener Maßstäbe zu dem Ergebnis gelangen sollte, trotz des festgestellten Fehlers in der Sache müßten die Regelsätze nicht erhöht werden (wegen § 2 Abs. 3 RegelsatzVO wirkt sich der dargestellte Fehler auch auf die Bemessung der Regelsätze der Haushaltsangehörigen aus).

41

Den Einwänden der Beklagten schließt sich der Senat nicht an. Zunächst ist es unbeachtlich, welche Leistungen der Sozialhilfe die Kläger insgesamt erhalten (also z.B. Blindengeld und Pflegegeld). Ihnen steht laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu, und dieser Ansatz verlangt, daß auch die Regelsätze zutreffend bemessen sind. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte in dem zu betrachtenden Zeitraum wiederholt - nachträglich - gemäß § 15 a BSHG Hilfe geleistet hat, weil es die Kläger zu Zahlungsrückständen bei dem Energieversorgungsunternehmen haben kommen lassen. Zum einen haben die Kläger nämlich nach ihrem unbestrittenen Vortrag auch mit elektrischer Energie geheizt, so daß die Rückstände und die Notwendigkeit der nachträglichen Hilfe darauf zurückzuführen sein können (den Aufwand für Heizung erfassen die Regelsätze nicht). Zum anderen hat eine Leistung nach § 15 a BSHG eine andere rechtliche Qualität als die Leistung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt und zum dritten ist bei der Kontrolle der Regelsätze nachzuprüfen, nach welchem Schema diese festgesetzt worden sind; ein solches Schema bindet aber den Hilfeempfänger nicht bei seiner Entscheidung, für welchen Zweck er die Regelsatzleistungen verwendet.

42

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO. Bei dieser Entscheidung hat der Senat bedacht, daß die Kostenentscheidung - wegen der Gerichtskostenfreiheit weitgehend nur formale Bedeutung hat.

43

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil es von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung ist, nach welchem Maßstab die Regelsätze zu kontrollieren sind und weil er von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. Januar 1988 (aaO) abgewichen ist.

44

Jacobi

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Klay

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Atzler