Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.11.1989, Az.: 5 A 129/87

Besoldungsdienstalter; Soldatenverhältnis; Betriebselektriker; Besoldung; DDR

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.11.1989
Aktenzeichen
5 A 129/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12778
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:1107.5A129.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig 07.05.1987 - 11 A 177/86
nachfolgend
BVerwG - 04.04.1990 - AZ: BVerwG 6 B 12/90
BVerwG - 28.11.1991 - AZ: BVerwG 2 C 11/91
BVerfG - 06.02.1996 - AZ: 2 BvR 209/92

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 7. Mai 1987 geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, die Zeit vom 11. Dezember 1971 bis zum 25. September 1975 bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters des Klägers als absetzbare Zeit im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG zu berücksichtigen. Die Bescheide vom 16. April und 29. September 1986 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der am 11. Dezember ... geborene Kläger ist nach seiner Ausbildung zum Zahnarzt seit dem März 1986 im Soldatenverhältnis auf Zeit als Stabsarzt bei der Beklagten tätig.

2

Mit Bescheid vom 16. April 1986 setzte die Beklagte das Besoldungsdienstalter des Klägers auf den 1. Mai 1975 fest und ließ hierbei unter anderem unberücksichtigt die Zeit vom 4. Oktober 1971 bis zum 25. September 1975, in der der Kläger als Betriebselektriker im Sanatorium ... DDR tätig war.

3

Aufgrund des hiergegen erhobenen Widerspruchs holte die Beklagte die Auskunft des Gesamtdeutschen Institutes vom 28. August 1986 ein, in der es heißt: Obwohl die Gesundheitseinrichtungen der DDR in die staatliche Leitung und Planung eingeordnet seien und das Gesundheitswesen in der DDR umfassend staatlich organisiert sei, scheine, soweit ersichtlich, das Sanatorium ... eine Einrichtung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes - FDGB - zu sein. Die Einrichtungen des FDGB seien in der Regel entsprechend Ziff. 46 der Satzung selber rechtsfähig; der Umfang der Rechtsfähigkeit der Einrichtungen werde im einzelnen durch das Präsidium des Bundesvorstandes des FDGB festgelegt. Wieweit das Sanatorium ... selber rechtsfähig sei, könne anhand der vorliegenden Unterlagen nicht geklärt werden. Eine Tätigkeit beim FDGB dürfte indes nicht als Tätigkeit bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn zu qualifizieren sein.

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Unter Berücksichtigung dieser Auskunft lehnte die Beklagte durch den Beschwerdebescheid vom 29. September 1986, durch den sie darüber hinaus das Besoldungsdienstalter des Klägers unter Berücksichtigung der Zeit, die der Kläger in politischem Gewahrsam in der DDR im Sinne des Häftlingshilfegesetzes verbracht hat (11. 8. 1970 bis 15. 9. 1971), auf den 1. Oktober 1975 festgesetzt und die Berücksichtigung weiterer Studienzeiten abgelehnt hat, die Berücksichtigung der Tätigkeit des Klägers als Betriebselektriker in dem Sanatorium .../DDR bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters ab.

5

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig am 26. September 1986 Klage erhoben.

6

Das Verwaltungsgericht hat Beweis darüber erhoben, ob das Sanatorium für Werktätige in .../DDR in den Jahren 1971 bis 1975 eine staatliche Institution gewesen ist, durch Einholung einer Auskunft des Osteuropa-Instituts an der Freien Universität Berlin - Abteilung Medizin -. In der daraufhin erteilten Stellungnahme vom 18. März 1987 heißt es abschließend, das Sanatorium ... stelle mit hoher Wahrscheinlichkeit eine staatliche Kureinrichtung dar. Selbst wenn dies aufgrund besonderer, dem Gutachter nicht bekannter Umstände nicht der Fall sein sollte, wäre die öffentlich-rechtliche Dienstherreneigenschaft zu bejahen, da der gewerkschaftliche Betrieb eines Sanatoriums - im Unterschied zu den dem Erholungswesen zuzurechnenden Ferienheimen des FDGB - dem staatlichen Aufgabenkreis unterfiele und damit trotz der Wahrnehmung durch eine gesellschaftliche, also formell nicht staatliche Organisation bei materieller Betrachtungsweise Staatstätigkeit darstelle.

7

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht: Aufgrund der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß er in der Zeit von 1971 bis 1975 bei einer staatlichen Einrichtung in der DDR beschäftigt gewesen sei und daher diese Zeit bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters berücksichtigt werden müsse.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 16. April 1986 und 29. September 1986 zu verpflichten, sein Besoldungsdienstalter auf den 1. Dezember 1972 festzusetzen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Sie hat zur Begründung geltend gemacht: Das Gutachten vom 18. März 1987 stehe im Gegensatz zu der Auffassung, die die Bundesanstalt für Gesamtdeutsche Aufgaben mit Schreiben vom 28. August 1986 vertreten habe. Hieraus und aus den von beiden Seiten vorgebrachten Argumenten könne wohl geschlossen werden, daß eine eindeutige Entscheidung, ob die Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1971 bis 1975 im Sanatorium ... öffentlich-rechtlichen Charakter gehabt habe, nur schwer zu erlangen sei. Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits komme es hierauf jedoch nicht ausschließlich an. Nach Nr. 29.1.2 der Verwaltungsvorschrift zu § 29 des Bundesbesoldungsgesetzes - BBesG - seien "Einrichtungen in der Deutschen Demokratischen Republik nur dann öffentlich-rechtliche Dienstherren i.S. des § 29 Abs. 1 BBesG, wenn sie auch nach den im Geltungsbereich des Grundgesetzes herrschenden Rechtsvorstellungen juristische Personen des öffentlichen Rechts wären. Hiervon ist auszugehen, wenn die bei ihnen ausgeübten Tätigkeiten auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes in aller Regel im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn wahrgenommen würden". Es seien also Tätigkeiten denkbar, die in der DDR als öffentlich-rechtlich angesehen werden, aber bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters nach § 29 Abs. 1 BBesG nicht anerkannt werden könnten. Diese Regelung solle sicherstellen, daß Dienstverhältnisse in der DDR entsprechenden Tätigkeiten im Bundesgebiet gleichgestellt würden, jedoch nicht gegenüber vergleichbaren Dienstverhältnissen im Geltungsbereich des Grundgesetzes bevorzugt würden. Nach den Erfahrungen, die sie auf dem Beihilfesektor habe, gebe es zwar einige wenige öffentlich-rechtliche Sanatorien in der Bundesrepublik, die Masse sei jedoch privatrechtlich organisiert. Da es bei der hier zu entscheidenden Frage darauf ankomme, ob die fragliche Tätigkeit im Geltungsbereich des Grundgesetzes in aller Regel im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn wahrgenommen werde, könne dies nur verneint werden.

13

Das Verwaltungsgericht hat durch sein Urteil vom 7. Mai 1987 die Klage abgewiesen. Es hat sich die von der Beklagten in der Klageerwiderung vertretene Auffassung zu eigen gemacht und darüber hinaus ausgeführt: Die Tätigkeit des Klägers als Betriebselektriker im Sanatorium .../DDR könne nicht als Tätigkeit im Dienst eines "öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Reichsgebiet" (§ 28 Abs. 3 Nr. 3 BBesG) angesehen werden. Insoweit könne dahinstehen, ob es sich bei dem Sanatorium ... um eine Einrichtung des Rates des Bezirks ... oder um eine Einrichtung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes handele. Entscheidend sei allein, daß Sanatorien nach den im Geltungsbereich des Grundgesetzes herrschenden Rechtsvorstellungen keine juristischen Personen des öffentlichen Rechts seien. Denn im Bundesgebiet seien Sanatorien in aller Regel gerade nicht öffentlich-rechtlich organisiert (vgl. Verzeichnis der Krankenhäuser in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 1. Januar 1982, herausgegeben vom Statistischen Bundesamt Wiesbaden, sowie Verzeichnis der Krankenhäuser in Schleswig-Holstein, Stand: 31. Dezember 1986, herausgegeben vom Statistischen Landesamt Schleswig-Holstein).

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Gegen dieses ihm am 19. Mai 1987 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Juni 1987 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er im wesentlichen vorträgt: Das Sanatorium für Werktätige Ostseebad .../DDR sei eine Einrichtung des Rates des Bezirkes .... Der Rat des Bezirkes ... sei als öffentlich-rechtlicher Dienstherr i.S. des § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG (§ 29 Abs. 1 BBesG) anzusehen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Nr. 29.1.2 der Verwaltungsvorschrift zu § 29 - BBesG VwV zu § 29 -. Denn auch nach den im Geltungsbereich des Grundgesetzes herrschenden Rechtsvorstellungen wäre der Rat des Bezirkes ... als Gebietskörperschaft eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Entgegen der von dem Verwaltungsgericht und der Beklagten vertretenen Auffassung sei nicht darauf abzustellen, ob es sich bei dem Sanatorium für Werktätige Ostseebad .../DDR um eine juristische Person handele. Denn dieses Sanatorium sei ähnlich wie ein Eigenbetrieb, ein Schwimmbad, eine Kureinrichtung oder eine Bücherei einer Gemeinde eine unselbständige Einrichtung des Rates des Bezirks .... Darauf, ob eine Tätigkeit als Betriebselektriker in einem Sanatorium in der Bundesrepublik "in aller Regel" als eine Tätigkeit "im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn" wahrgenommen (BBesG VwV zu § 29 Nr. 29.1.2) wird, komme es nicht an. Würde seine Tätigkeit in dem Sanatorium nicht berücksichtigt werden, bedeutete dies eine Schlechterstellung gegenüber denjenigen, die in einem in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betriebenen Sanatorium in der Bundesrepublik tätig waren und diese Tätigkeit bei einer Festsetzung des Besoldungsdienstalters berücksichtigt erhielten.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 11. Dezember 1971 bis zum 25. September 1975 bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters als absetzbare Zeit i.S. des § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG zu berücksichtigen, und die Bescheide vom 16. April und 29. September 1986 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie trägt vor: Nicht jede staatliche Institution der DDR sei als öffentlich-rechtlicher Dienstherr i.S. § 29 Abs. 1 BBesG zu werten. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts, nämlich festzustellen, ob Sanatorien im Bundesgebiet in aller Regel privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisiert seien, sei daher durchaus zutreffend. Es könne insoweit nicht darauf ankommen, wer Träger des Sanatoriums ... in der DDR sei. Ausschlaggebend sei vielmehr der Vergleich mit den Verhältnissen in der Bundesrepublik. Selbst wenn man aber dem Kläger folgen würde und es nicht auf die Organisationsform des Sanatoriums ankäme, sondern darauf, ob Träger des Sanatoriums eine öffentlich-rechtliche Institution ist, so käme man doch zu keinem anderen Ergebnis. Auch insoweit sei festzustellen, daß jedenfalls nicht in aller Regel Sanatorien von öffentlich-rechtlichen Institutionen getragen würden. Ein sehr großer, vermutlich sogar der weit überwiegende Teil aller Sanatorien in der Bundesrepublik Deutschland sei in privater Hand. Auf die Frage, wer Träger des Sanatoriums in ... in der DDR sei und wie dieses im einzelnen organisiert sei, komme es daher in keinem Falle an.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, hinsichtlich des Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge (Beiakten A und B) Bezug genommen.

21

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

22

Die Beklagte ist verpflichtet, die Tätigkeit des Klägers als Betriebselektriker im Sanatorium für Werktätige Ostseebad .../DDR in der Zeit vom 11. Dezember 1971 (Vollendung des 20. Lebensjahres) bis zum 25. September 1975 bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters als absetzbare Zeit i.S. des § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG zu berücksichtigen; soweit dies durch die Bescheide vom 16. April und 29. September 1986 abgelehnt wird, sind diese Bescheide aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 VwGO).

23

Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG (in der hier maßgeblichen, zur Zeit des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 29. 9. 1986 geltenden Fassung vom 13. 11. 1980, BGBl I S. 2081, die mit der gegenwärtig geltenden Fassung und der Bekanntmachung vom 21. 2. 1989, BGBl I S. 261 übereinstimmt) werden von dem Zeitraum, um dessen Hälfte der Beginn des Besoldungsdienstalters nach Abs. 2 hinauszuschieben ist, u.a. die Zeiten abgesetzt, in denen der betroffene Beamte nach Vollendung des 20. Lebensjahres hauptberuflich "im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Reichsgebiet" tätig war. Daran, daß die Tätigkeit des Klägers als Betriebselektriker hauptberuflich ausgeübt wurde, besteht kein Zweifel. Zweifelhaft ist auch nicht, daß ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr im Bereich der DDR als Dienstherr im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist (BVerwG, Urt. v. 12. 9. 1968 - II C 74.67 -, BVerwGE 30, 219, in dem die Berücksichtigung von Dienstzeiten anerkannt wird, die bei der "Volkspolizei" in der sowjetischen Besatzungszone verbracht wurden.). Im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn hat sich nur derjenige befunden, dessen Tätigkeit im Rahmen eines Abhängigkeitsverhältnisses geleistet wurde, kraft dessen der Dienstpflichtige bezüglich der Art und Weise der Tätigkeit den Weisungen des Dienstherrn unterlag (BVerwG, Urt. v. 20. 6. 1985 - 2 C 101.81 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 235 § 28 BBesG Nr. 9, in dem das Vorliegen dieser Voraussetzung verneint wird in bezug auf die Tätigkeit eines Angestellten für die als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Betriebskrankenkasse einer privaten Aktiengesellschaft, zu der allein der betroffene Beamte im Arbeitsverhältnis stand). Maßgeblich ist also, ob ein solches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Sanatorium für Werktätige Ostseebad Heiligendamm oder dem Rat des Bezirkes Rostock bestand, kraft dessen der Kläger bezüglich der Art und Weise seiner Tätigkeit als Betriebselektriker den Weisungen unterlag. Unterlagen hierüber liegen nicht vor. Dem Vortrag der Beteiligten und insbesondere der Stellungnahme des Gesamtdeutschen Instituts vom 28. August 1986 sowie der Stellungnahme des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin vom 18. März 1987 kann entnommen werden, daß das Sanatorium für Werktätige Ostseebad ... eine selbständige Einrichtung war, deren Weisungen der Kläger bezüglich der Art und Weise seiner Tätigkeit als Betriebselektriker unterlag. Maßgeblich ist also, ob das Sanatorium für Werktätige Ostseebad ... während des hier maßgeblichen Zeitraumes (11. 12. 1971 bis 25. 9. 1975) ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr i.S. des § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG war. Dies ist unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin vom 18. März 1987 zu bejahen. In dieser Stellungnahme wird unter Auswertung der maßgeblichen Vorschriften der DDR und unter Berücksichtigung weiterer Literatur überzeugend ausgeführt, daß das Sanatorium für Werktätige Ostseebad ... eine Einrichtung des Gesundheitswesens ist, deren Träger die Staatsorgane auf Kreis- und Bezirksebene sind. Nach Auffassung des Gutachters hat es sich bei dem Sanatorium für Werktätige Ostseebad Heiligendamm ursprünglich um eine Einrichtung des FDGB gehandelt, was aber für den hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr angenommen werden könne. Hierdurch erklärt sich auch der Widerspruch zu der Auskunft des Gesamtdeutschen Instituts vom 28. August 1986, in dem ohne Begründung davon ausgegangen wird, daß die ursprüngliche Trägerschaft des FDGB bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt fortbestanden habe. Hinzu kommt, daß der Gutachter des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin die Eigenschaft des Sanatoriums für Werktätige Ostseebad ... als öffentlich-rechtlicher Dienstherr auch dann bejaht, wenn, entgegen der von ihm vertretenen Ansicht, dieses Sanatorium von dem FDGB getragen würde. Dies wird begründet mit der Tatsache, daß der FDGB sowohl Aufgaben außerhalb der staatlichen Organe als auch Staatsaufgaben wahrnimmt und zu der gewerkschaftlichen Auftragstätigkeit für den Staat nach den in der DDR geltenden Vorschriften sowohl die Leitung der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten als auch Aufgaben im Rahmen der Gesundheitsverwaltung gehören.

24

Danach ist die Tätigkeit des Klägers als Betriebselektriker im Sanatorium für Werktätige Ostseebad ... als eine Tätigkeit im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn i.S. des § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG anzusehen. Dem steht nicht entgegen, daß diese Vorschrift - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - ihrem Sinn und Zweck nach Dienstverhältnisse insbesondere in der DDR oder in Ost-Berlin entsprechenden Tätigkeiten im Bundesgebiet einschließlich Berlin gleichstellen, nicht dagegen gegenüber Dienstverhältnissen im Geltungsbereich des Grundgesetzes besser stellen soll (vgl. Schwegmann/Summer, Bundesbesoldungsgesetz - Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: Juni 1989, II/1 § 29 BBesG Rdnr. 1 S. 7). Denn es gibt, wie das Verwaltungsgericht zu Recht unter Hinweis auf statistische Unterlagen festgestellt hat, auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes dem Sanatorium für Werktätige Ostseebad ... vergleichbare Einrichtungen, die von einer Gebietskörperschaft, etwa einer Gemeinde oder einer Stadt, betrieben werden. Der Kläger hätte also als Betriebselektriker eines Sanatoriums auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn stehen können. Entgegen der von dem Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht kann aus dem Gesetz nicht hergeleitet werden, daß dies in aller Regel so sein muß. Denn schon durch die Möglichkeit, daß im Geltungsbereich des Grundgesetzes eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt werden kann, wird die sich aus dem Sinn und Zweck des § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG ergebende Vermeidung einer Besserstellung erreicht. Etwas anderes kann auch nicht aus den Verwaltungsvorschriften zu § 29 BBesG hergeleitet werden. Nach 29.1.2 BBesG VwV (vom 23. 11. 1979, GMBl 1980, 3) sind Einrichtungen in der Deutschen Demokratischen Republik nur dann öffentlich-rechtliche Dienstherren i.S. des § 29 Abs. 1, wenn sie auch nach den im Geltungsbereich des Grundgesetzes herrschenden Rechtsvorstellungen juristische Personen des öffentlichen Rechts wären. Hiervon ist nach der genannten Verwaltungsvorschrift auszugehen, wenn die bei ihnen ausgeübten Tätigkeiten auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes in aller Regel im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn wahrgenommen werden (z.B. berufsmäßiger Dienst als Soldat oder Angehöriger der Polizei). Daraus ergibt sich nicht und insbesondere läßt sich dies auch nicht aus § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG herleiten, daß eine Tätigkeit bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn nur dann angenommen werden kann, wenn diese in aller Regel auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes als solche angesehen wird. Denn die Frage, ob es sich auch um eine Tätigkeit bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn handelt, wenn dies im Geltungsbereich des Grundgesetzes nicht in aller Regel, sondern nur gelegentlich im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn wahrgenommen wird, wird in der Verwaltungsvorschrift nicht beantwortet. Daß die genannte Verwaltungsvorschrift solche Tätigkeiten nicht ausnehmen will, ergibt sich auch aus der weiteren Regelung, nach der es sich um eine Tätigkeit bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn z.B. grundsätzlich nicht handelt bei Beschäftigungszeiten in den volkseigenen Betrieben und in Handelsorganisationen der DDR. Denn wenn dies grundsätzlich so ist, ist nicht ausgeschlossen, daß es ausnahmsweise auch anders sein kann. Außerdem ist der Grund für den Ausschluß dieser Tätigkeiten darin zu sehen, daß solche Beschäftigungen im Geltungsbereich des Grundgesetzes ausschließlich im Dienste privatwirtschaftlich organisierter Arbeitgeber ausgeübt werden. Das gilt jedoch nicht für die Tätigkeit in einem Sanatorium, die auch im Geltungsbereich des Grundgesetzesöffentlich-rechtlich organisiert sein kann.

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Die danach letztlich unterlegene Beklagte hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens (einschließlich der Kosten der Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht) zu tragen. Die Kostenentscheidung ist nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO vorläufig vollstreckbar.

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Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der hierfür sich aus §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO ergebenden Voraussetzungen vorliegt.

27

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Staege ist wegen Eintritts in den Ruhestand gehindert, seine Unterschrift beizufügen. Dr. Thiedemann

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Dr. Thiedemann

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Reisner