Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.11.1989, Az.: 4 A 116/88

Einsatz des Vermögens; Hilfe in einer Werkstatt für Behinderte

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.11.1989
Aktenzeichen
4 A 116/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12780
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:1108.4A116.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 24.03.1988 - AZ: 4 A 186/87
nachfolgend
BVerwG - 29.04.1993 - AZ: BVerwG 5 C 12.90

Fundstelle

  • DÖV 1990, 485 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

Der Sozialhilfeträger darf Eingliederungshilfe für den Besuch einer Werkstatt für Behinderte nicht wegen Vermögens des Behinderten versagen. Er kann die Hilfe jedoch als Darlehen mit zielorientierten Bedingungen (i.d.R. keine Zinsen, keine Sicherung Fälligkeit erst beim Tode) gewähren.

Tenor:

Auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 24. März 1988 - unter Zurückweisung der Berufungen im übrigen - wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 9. Oktober 1985 bis zum 27. Juli 1987 Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für den Besuch der Werkstatt für Behinderte - abzüglich des Wertes der häuslichen Ersparnis - als Darlehen zu gewähren und die Darlehensbedingungen nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats festzulegen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Beklagte trägt drei Viertel der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens, der Kläger trägt ein Viertel; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,-- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Der im Jahre 1934 geborene Kläger arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte; er wohnt in der Wohn- und Begegnungsstätte der Harz-Weser-Werkstätten GmbH. Im Jahre 1980 erbte der Kläger ein Hausgrundstück; er veräußerte es im Jahre 1982 für etwa 360.000,-- DM. Ab dem 1. Mai 1982 beendete der Beklagte die dem Kläger gewährte Hilfe.

2

Mit Antrag vom 7. Oktober 1985, eingegangen am 9. Oktober 1985, beantragte der Kläger, der Beklagte solle die Kosten wegen seines Aufenthaltes in der Werkstatt für Behinderte tragen (1.122,10 DM im Monat). Zur Begründung führte er aus: Es sei unbillig, daß er den Aufenthalt in der Werkstatt selbst finanzieren müsse, obwohl er für seine Tätigkeit in der Werkstatt ein Entgelt erhalten müsse. Seine Erwerbsunfähigkeitsrente (629,-- DM im Monat) und seine Arbeitsprämie (149,-- DM im Monat) reichten nicht aus, die Aufwendungen für den Werkstattbesuch zu tragen. Diesen Antrag lehnte der Landkreis Northeim im Auftrage des Beklagten durch Bescheid vom 5. Mai 1987 mit der Begründung ab, der Kläger müsse sein Barvermögen einsetzen, um den Besuch in der Werkstatt für Behinderte zu finanzieren. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 27. Juli 1987 zurück.

3

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 24. März 1988 teilweise stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, "die Kosten für die Werkstattbetreuung des Klägers in der Werkstatt für Behinderte abzüglich des Wertes der häuslichen Ersparnis darlehensweise zu übernehmen". Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger müsse zwar nach § 88 Abs. 1 BSHG sein gesamtes Vermögen einsetzen, um seine Hilfebedürftigkeit zu beheben. Dem sofortigen Einsatz des Vermögens stehe aber § 88 Abs. 3 BSHG in Verbindung mit § 89 BSHG entgegen. Nach § 40 Abs. 2 BSHG solle Behinderten, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen könnten, nach Möglichkeit Gelegenheit zum Besuch einer Werkstatt für Behinderte geboten werden. Dort solle der Behinderte ein seinem Leistungsvermögen angemessenes Arbeitsentgelt erreichen können. Dieses Ziel des Bundessozialhilfegesetzes sei nicht zu verwirklichen, wenn ein Hilfesuchender den Besuch der Werkstatt für Behinderte mit seinem Vermögen finanzieren müsse.

4

Gegen das ihm am 13. April 1988 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung vom 13. Mai 1988, mit der er geltend macht: Die Bestimmungen der §§ 2, 28 und des Abschn. 4 des Bundessozialhilfegesetzes gälten für alle Hilfen in besonderen Lebenslagen und auch für die Hilfe nach § 40 Abs. 2 BSHG. Nur für den Bereich der "stationär oder teilstationär zu gewährenden Eingliederungshilfe" werde das Strukturprinzip des Nachrangs der Sozialhilfe durch § 43 Abs. 1 BSHG durchbrochen. Diese Vorschrift komme aber nicht zum Zuge, da es dem Kläger zuzumuten sei, die Aufwendungen für den Besuch der Werkstatt für Behinderte in voller Höhe selbst zu finanzieren. Die Härtevorschrift des § 88 Abs. 3 BSHG dürfe nicht angewandt werden, weil nicht nur ein Einzelfall vorliege, in dem der Einsatz des Vermögens hart erscheine.

5

Er beantragt,

6

das Urteil des Verwaltungsgerichtes zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Anschlußberufung zurückzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen

9

und

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das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm, dem Kläger, für die Zeit vom 9. Oktober 1985 bis zum 27. Juni 1987 Eingliederungshilfe für den Besuch der Werkstatt für Behinderte als Zuschuß, abzüglich des Wertes der häuslichen Ersparnis zu gewähren.

11

Er macht geltend: Es liege auch eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG vor, wenn er die Hilfe nur als Darlehen erhalte; insbesondere werde sich diese Härte dann zeigen, wenn er den Besuch in der Werkstatt für Behinderte beende und dann das Darlehen zurückzahlen müsse.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat keinen, die Anschlußberufung hat teilweise Erfolg. Der Beklagte muß dem Kläger für den Besuch der Werkstatt für Behinderte Hilfe gewähren, und zwar als zinsloses Darlehen, das nicht zu sichern ist und dessen Rückerstattung mit dem Tode des Klägers fällig wird. Dazu im einzelnen:

14

Wie die Beteiligten bereits in richtiger Würdigung der Sach- und Rechtslage erörtert haben, zählt der Kläger zu den in § 39 in Verbindung mit § 40 Abs. 2 BSHG genannten Behinderten, die in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten. Geht man davon aus (siehe hierzu auch die Überlegungen am Ende der Entscheidungsgründe), daß bei diesem Personenkreis gemäß § 28 BSHG in Verbindung mit dem 4. Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes die Aufbringung der Mittel aus dem Vermögen für den Werkstattbesuch grundsätzlich nicht ausscheidet, so bedeutet der Einsatz des Vermögens für diesen Personenkreis doch eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG, der allerdings durch die darlehensweise Gewährung der Hilfe unter den eingangs genannten Bedingungen gesteuert werden könnte.

15

Zu dem Begriff der Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 und dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem - bereits vom Verwaltungsgericht erwähnten - Urteil vom 26. Januar 1966 (BVerwGE 23, 149 = FEVS 14, 81) ausgeführt:

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Der Begriff der Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG kann nur im Zusammenhang mit den vorangehenden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über das Schonvermögen zutreffend erläutert werden.

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Die Vorschriften über das Schonvermögen sollen gewährleisten, daß die Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen führt. Dem Sozialhilfeempfänger (und seinen Angehörigen) soll - nicht zuletzt, um ihn in seinem Bestreben zu unterstützen, sich von der Sozialhilfe unabhängig zu machen - ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erhalten bleiben. Überdies soll verhindert werden, daß die Sozialhilfe, die im Idealfall lediglich eine vorübergehende Hilfe ist, zu einem wirtschaftlichen Ausverkauf führt, damit den Willen zur Selbsthilfe lähmt und zu einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führt. Das Ziel der Härtevorschrift kann kein anderes sein ... Hiernach kommt es bei der Bestimmung des Begriffs der Härte darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG nicht entsprechenden Ergebnis führen würde.

18

Dem Begriff der Härte und dem Gebot der Individualisierung entspricht es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (Urt. v. 14. Mai 1969, FEVS 16, 321), daß auch eine nur teilweise Schonung des Vermögens zulässig ist, wenn bereits sie geeignet ist, eine vorhandene Härte zu beseitigen. Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat in seinem Urteil vom 5. Februar 1986 (4 OVG A 136/84) angeschlossen und dargelegt, daß einer vorhandenen Härte unter Umständen dadurch begegnet werden kann, daß Sozialhilfe in Form eines Darlehens gewährt wird. Insoweit ist dem Beklagten beizupflichten. Es beurteilt sich auch nach der Härtevorschrift des § 88 Abs. 3 BSHG - und nicht nach § 89 BSHG -, ob die Hilfe als Darlehen zu gewähren ist. § 89 BSHG beschreibt nur Konstellationen, in denen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für den Hilfesuchenden eine Härte bedeuten würde.

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Aus folgenden Gründen bedeutet es für einen Hilfesuchenden, der eine Werkstatt für Behinderte besucht, eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG, wenn er zur Finanzierung des Aufenthalts in einer Werkstatt für Behinderte sein Vermögen einsetzen muß: Den "Regelvorschriften" des § 88 Abs. 2 BSHG liegt der Gedanke zugrunde, es dürfe der "Wille zur Selbsthilfe" nicht "gelähmt" werden und der Hilfesuchende dürfe nicht "nachhaltig sozial herabgestuft" werden. Demzufolge darf die Sozialhilfe u.a. nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage gewährt wird (Nr. 1 aaO) und von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind (Nr. 4 aaO); zu den zuletzt genannten Gegenständen zählen auch landwirtschaftlich oder gewerblich genutzte Grundstücke. Dieses Konzept ist, wie bereits erwähnt, zu betrachten, wenn zu prüfen ist, ob die Anwendung der Regelvorschriften (des § 88 Abs. 2 BSHG) zu einem den Leitvorstellungen dieser Vorschrift nicht entsprechenden Ergebnis führen würde. Letzteres ist für den Einsatz von Vermögen für den Besuch einer Werkstatt für Behinderte zu bejahen, weil der eingangs genannte Personenkreis, um Selbsthilfe zu praktizieren und einer sozialen Herabstufung entgegenzuwirken, eine Werkstatt für Behinderte besuchen darf und in dieser Werkstatt ein angemessenes Entgelt erzielen muß und der Vermögenseinsatz dem entgegenstehen würde.

20

§ 40 Abs. 3 BSHG bestimmt: "Der Begriff der Werkstatt für Behinderte und ihre fachlichen Anforderungen richten sich nach den Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes". Damit hat der Gesetzgeber die Bestimmung des § 54 SchwbG in das Bundessozialhilfegesetz hineingezogen. Nach Absatz 2 Satz 1 aaO muß es die Werkstatt den Behinderten ermöglichen, ihre Leistungsfähigkeit zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und ein dem Leistungsvermögen angemessenes Arbeitsentgelt zu erreichen. Diese Forderung bedeutet (ohne daß darauf einzugehen wäre, wie das Rechtsverhältnis zwischen Werkstatt und Behinderten einerseits und zwischen Träger der Sozialhilfe und Träger der Werkstatt andererseits einzuordnen ist), daß konstitutives Merkmal einer Werkstatt für Behinderte ist, daß sie dem Behinderten für seine dort verrichtete Arbeit ein Entgelt gewährt.

21

Dieses Merkmal erfordert zugleich, daß dem Behinderten das Entgelt verbleiben muß, das er für seine Arbeit erhält. Ein solches Austauschverhältnis ist konstitutive Merkmal des Arbeitens in einer Werkstatt für Behinderte. Erhält der Behinderte ein seinem Leistungsvermögen entsprechendes Entgelt, werden sein Wille zur Selbsthilfe und seine soziale Rehabilitation gefördert. Der Behinderte wird dadurch - auch - in die Lage versetzt, eigenverantwortlich am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen. Diese Ziele des Bundessozialhilfegesetzes hat der Träger der Sozialhilfe zu unterstützen. Sie wären aber nicht zu erreichen und der Zweck der Eingliederungshilfe würde verfehlt werden, wenn der Hilfeempfänger für seinen Aufenthalt in der Werkstatt für Behinderte sein Vermögen einsetzen müßte und ihm so im Ergebnis ein Arbeitsentgelt nicht mehr zuflösse.

22

Von dahingehenden Vorstellungen ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, als er das Gesetz zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechtes (BT-Drucks. 7/656 in Verbindung mit BT-Drucks. 7/1515) geschaffen hat. In dem Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks. 7/1515), in dem das Gesetz gewordene Konzept des § 40 Abs. 2, 3 BSHG dargestellt ist, heißt es, es solle von einem einheitlichen, umfassenden Begriff der Werkstatt für Behinderte ausgegangen werden, der für alle Gesetze Geltung haben solle, die sich mit diesen Werkstätten befaßten. Nur so könne "die zwischen der Arbeitsverwaltung auf der einen Seite und den Trägern der Sozialhilfe und einigen Behindertenorganisationen auf der anderen Seite bestehenden unterschiedlichen Auffassungen zur Konzeption der Werkstätten für Behinderte überbrückt werden". Da weder das Arbeitsförderungsgesetz noch das Bundessozialhilfegesetz über eine ausführliche Definition der Werkstatt für Behinderte "verfügten" habe "der Ausschuß, gestützt auf weitgehende übereinstimmende Anträge aller Fraktionen, einen eigenständigen Begriff der Werkstatt vorgeschlagen, der auch für das Arbeitsförderungsgesetz und das Bundessozialhilfegesetz gelten" solle. Zu diesem Begriff gehört aber jenes konstitutive Merkmal der Entgeltlichkeit.

23

Der Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG wird jedoch bereits dann begegnet, wenn dem Kläger die Hilfe als Darlehen gewährt wird mit der Maßgabe, daß Darlehenszinsen nicht zu entrichten sind, das Darlehen nicht gesichert werden darf und erst mit dem Tode des Hilfeempfängers fällig wird. Unter diesen Einschränkungen trifft die darlehensweise Gewährung der Hilfe den Kläger nicht hart. Insbesondere muß er das Darlehen nicht bereits dann zurückzahlen, wenn er die Werkstatt für Behinderte verläßt.

24

Müßte er das Darlehen schon zu Lebzeiten - z.B. nach Aufgabe seiner Tätigkeit - zurückzahlen, würde das darauf hinauslaufen, daß für ihn das Arbeitsentgelt seinen Sinn verlieren würde; er würde es im Ergebnis nur als auf befristete Zeit zur Verfügung gestellt betrachten müssen. Ähnliches würde für eine Verzinsung gelten. Würde das Darlehen mit dem Vermögen gesichert, würde ihm dieses praktisch entzogen. Die Sicherung würde daher ebenso wie der Einsatz des Vermögens nicht zu einem den Leitvorstellungen des § 88 BSHG entsprechenden Ergebnis führen.

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Der Einwand des Beklagten, § 88 Abs. 3 BSHG dürfe dann nicht angewandt werden, wenn eine ganze Gruppe von Hilfesuchenden aufgrund der Härtevorschrift nicht zum vollen Einsatz ihres Vermögens herangezogen werde, trifft nicht zu. Die Härtevorschrift in der Auslegung, die ihr das Bundesverwaltungsgericht (aaO) und der Senat (aaO) gegeben haben, schließt es nicht aus, sie auf eine bestimmte Gruppe von Hilfeempfängern anzuwenden. Ziel der Härtevorschrift ist es nämlich, zu vermeiden, daß entgegen den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG der Einsatz von Vermögen verlangt wird. Deshalb widerspricht es nicht Strukturprinzipien des Bundessozialhilfegesetzes und der Konzeption der Härtevorschrift, sie auch dann anzuwenden, wenn das zu dem Ergebnis führt, daß eine bestimmte Gruppe von Hilfeempfängern ihr Vermögen nicht oder nur unter bestimmten Einschränkungen einsetzen muß.

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Ein anderes Ergebnis wäre auch nicht zu gewinnen, wollte man die Härtevorschrift - entgegen der Auffassung des Senates - nicht anwenden. Dem Bundessozialhilfegesetz liegt das Strukturprinzip zugrunde, daß dann der Einsatz von Einkommen und Vermögen nicht verlangt werden darf, wenn dadurch der Erfolg der Hilfe gefährdet wird (vgl. §§ 43 Abs. 2 BSHG; 72 Abs. 3 BSHG, 75 Abs. 4 BSHG). Dieses Strukturprinzip wäre anzuwenden, wenn die Härtevorschrift des § 88 Abs. 3 BSHG für den genannten Personenkreis nicht zum Zuge käme. Insoweit enthielte dann das Bundessozialhilfegesetz eine Regelungslücke, weil es entgegen seinen Strukturprinzipien nicht davon absähe, den Einsatz des des Vermögens zu verlangen, obwohl hierdurch der Zweck der Hilfe vereitelt würde. Müßte ein Hilfesuchender sein Vermögen ohne jede Einschränkung einsetzen, um den Besuch einer Werkstatt für Behinderte zu finanzieren, wäre das Ziel dieser Hilfe, nämlich den Behinderten dadurch in die Gesellschaft einzugliedern, daß ihm ein Arbeitsentgelt gewährt wird, nicht mehr zu erreichen.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 167, 188 Satz 2 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

28

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil es von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung ist (§ 132 Abs. 2 VwGO), ob Behinderten, die über Vermögen verfügen, für den Besuch der Werkstatt für Behinderte Sozilhilfe zu gewähren ist, ohne daß ihnen zuzumuten ist, die Mittel in vollem Umfang aus ihrem Vermögen aufzubringen.

29

Jacobi

30

Klay

31

Atzler