Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.05.2021, Az.: 5 U 6/21

Zivilrechtlicher Ehrenschutz einer juristischen Person des öffentlichen Rechts

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.05.2021
Aktenzeichen
5 U 6/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 37090
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - AZ: 9 O 70/20

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine juristische Person des öffentlichen Rechts berechtigt ist, zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber ehrverletzenden Äußerungen zu erheben, die in Bezug auf einzelne ihrer Mitarbeiter getätigt worden sind.
    2. Für eine Klage auf Unterlassung von ehrverletzenden Äußerungen kann im Einzelfall das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, soweit die streitgegenständliche Äußerung gegenüber einer Institution getätigt worden ist, von der der Äußernde berechtigterweise davon ausgehen durfte, diese sei für die Behandlung des Anliegens des Äußernden zuständig.

In dem Rechtsstreit
Landkreis Lüchow-Dannenberg, vertreten durch den Landrat, ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
1. R. S.,
2. J. S.,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Anwaltsbüro ...,
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richterin am Oberlandesgericht ... am 25. Mai 2021 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

  1. 2.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Kläger begehrt von den Beklagten zu 1 und 2 die Unterlassung verschiedener Äußerungen.

Der Kläger ist ein Landkreis, der durch sein Veterinäramt Aufgaben zum Schutz von Tieren und Menschen wahrnimmt. Fachdienstleiterin des Veterinäramtes ist Frau Dr. M.-B.. Sie ist bei dem Kläger als Amtsveterinärin angestellt und hatte in diesem Zusammenhang wegen der Wegnahme eines Pferdes dienstlich mit den Beklagten zu tun. Am 29. Januar 2020 ging beim Niedersächsischen Justizministerium ein Anschreiben vom 24. Januar 2020 ein, dass unstreitig jedenfalls die Beklagte zu 1 verfasst und abgesendet hat. Das Schreiben besteht aus zwei Teilen: Dem eigentlichen Anschreiben, in dem darum gebeten wird, "die Machenschaften im Landkreis Lüchow-Dannenberg, Veterinäramt FD 39" zu überprüfen sowie als Anlage die Kopie eines sechsseitigen an die Polizeidirektion L. adressierten Schreibens vom 22. Januar 2020, das eine Darstellung über die Umstände der Wegnahme des Pferdes durch das Veterinäramt aus Sicht des Verfassers des Schreibens beinhaltet.

Im Hinblick auf den Inhalt dieses Schreibens begehrt der Kläger von den Beklagten die Unterlassung folgender Äußerungen:

- "Die Amtsveterinärin, Frau Dr. M.-B., sei keine zugelassene approbierte Tierärztin",

- "das Veterinäramt habe den Stallgeruch eines Syndikats und sei besetzt mit einer mafiösen Dame",

- "der Landkreis Lüchow-Dannenberg, in Person durch die Amtsveterinärin. Frau Dr. M.-B., nehme grundlose illegale Tierwegnahmen vor".

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers.

B.

Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Berufung hat nach derzeitigem Beratungsstand schließlich auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die konkrete Begründung des Landgerichts für die von ihm ausgeurteilte Abweisung der Klage ist zwar nicht in vollem Umfang tragfähig. Im Ergebnis ist die Entscheidung des Landgerichts aber richtig.

I.

Die mit der Klage verfolgten Ansprüche gegen den Beklagten zu 2 bestehen nicht. Es kommen insoweit lediglich deliktische Ansprüche nach §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. §§ 185 ff. StGB, 1004 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass der Beklagte zu 2 selber eine deliktische Handlung in diesem Sinne begangen hat. Das wäre dann der Fall, wenn der Beklagte zu 2 die streitgegenständlichen Schreiben entweder eigenhändig verfasst und an die betreffenden Empfänger abgesandt hätte oder aber zumindest die von der Beklagten zu 1 vorgenommene Versendung dieser Schreiben, auf denen er jeweils auch selbst als (angeblicher) Aussteller angegeben ist, gebilligt hätte. Beides hat der Beklagte zu 2 bestritten (Seite 1 des Schriftsatzes vom 11. August 2020, Bl. 64 d. A.). Beweispflichtig für das Gegenteil ist der Kläger. Dieser hat indes kein (unmittelbares) Beweisangebot gemacht. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt auch der Umstand, dass sich "der Beklagte zu 2 im Prozess vor dem Landgericht und auch im Vorfeld nicht von den in den Briefen getätigten Aussagen distanziert hat" (Seite 3 der Berufungsbegründung, Bl. 160 d. A.) keineswegs ein zur Beweisführung hinreichendes Indiz für die genannte Behauptung des Klägers dar. Das folgt allein schon daraus, dass es keine rechtlich begründete Obliegenheit für den Beklagten zu 2 gibt, sich ausdrücklich von dem - seiner Behauptung nach nicht mit seinem Willen und Wissen verfassten - Schreiben zu distanzieren. Auf eine "Anscheinsvollmacht" (Seite 1 des Schriftsatzes des Klägers vom 5. Oktober 2020, Bl. 87 d. A.) bzw. eine "Duldungsvollmacht" (vgl. Seite 3 der Berufungsbegründung, Bl. 160 d. A.) kommt es in diesem Rahmen nicht an. Diese Rechtsinstitute finden im Rahmen des Deliktsrechts keine Anwendung. Auf die Frage, ob der Kläger hierzu überhaupt hinreichenden Tatsachenvortrag gehalten hat, kommt es deshalb schon gar nicht an.

II.

Auch gegen die Beklagte zu 1 stehen dem Kläger die mit der Klage verfolgten Ansprüche nicht zu. Zwar wäre der Kläger hierfür aktivlegitimiert (dazu nachfolgend Ziffer 1). Die Klage ist indes bereits unzulässig, weil dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für die mit der Klage verfolgten Unterlassungsansprüche fehlt (dazu nachfolgend Ziffer 2). 1. Allerdings wäre die Klage nicht - als unbegründet - abzuweisen, weil der Kläger für die mit der Klage verfolgten Ansprüche nicht aktivlegitimiert ist. Die diesbezügliche Argumentation des Landgerichts mit einer "schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktion des Klägers, die eine Bagatellgrenze durch eine Äußerung in der Öffentlichkeit überschreitet", ist mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang zu bringen.

a) Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts können grundsätzlich zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Zwar haben sie weder eine "persönliche" Ehre, noch können sie wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein; sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben strafrechtlichen Ehrenschutz, der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, juris Rn. 28 f.; BGH, Urteil vom 16. November 1982 - VI ZR 122/80, juris Rn. 24 f.).

b) Gemessen daran gilt Folgendes:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts geht es in diesem Rahmen nicht darum, ob durch die jeweilige streitgegenständliche Äußerung bei der betroffenen juristischen Person des öffentlichen Rechts eine "schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung" (tatsächlich) eingetreten ist. Ein solches Verständnis hätte im Übrigen zur Konsequenz, dass sich juristische Personen des öffentlichen Rechts niemals mit rechtlichen Mitteln gegen ehrverletzende Äußerungen von Dritten wenden könnten, da es als faktisch ausgeschlossen erscheint, dass durch eine ehrverletzende Äußerung eines Dritten tatsächlich eine Funktionsbeeinträchtigung bei einer Behörde eintritt. Vielmehr geht es in diesem Rahmen allein darum, ob die jeweilige streitgegenständliche Äußerung geeignet ist, das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der betroffenen Behörde und dessen Funktionsfähigkeit zu gefährden (vgl. noch einmal BGH, Urteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, juris Rn. 13).

Gemessen daran ist eine Aktivlegitimation des Klägers in Bezug auf alle drei streitgegenständlichen Äußerungen zu bejahen:

- Hinsichtlich der Äußerung, die Amtsveterinärin Frau Dr. M.-B. sei keine zugelassene approbierte Tierärztin, bestünde die Gefahr, dass bei der Bevölkerung der Eindruck entsteht, der Kläger nehme ihm gesetzlich zugewiesene öffentliche Aufgaben nicht mit entsprechend qualifiziertem Personal vor;

- Entsprechendes gilt hinsichtlich der Äußerung, das Veterinäramt habe den Stallgeruch eines Syndikats und sei besetzt mit einer mafiösen Dame. Auch in Bezug auf diese Äußerung besteht die Gefahr, dass bei der Bevölkerung Zweifel in das Vertrauen der Arbeit des Klägers und dessen Funktionsfähigkeit entstehen könnten;

- Entsprechendes gilt hinsichtlich der Äußerung, der Landkreis Lüchow-Dannenberg, in Person durch die Amtsveterinärin Frau Dr. M.-B., nehme grundlose illegale Tierwegnahmen vor. Auch insoweit besteht die Gefahr eines Rufschadens. Die Bevölkerung muss und darf berechtigterweise davon ausgehen, dass der Kläger die ihm gesetzlich zugewiesenen öffentlichen Aufgaben gemäß Recht und Gesetz vornimmt.

2. Indes fehlt es für die mit der Klage verfolgten Unterlassungsansprüche an einem Rechtsschutzbedürfnis.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt einer Klage auf Unterlassung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem zivilgerichtlichen Verfahren dienen, regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche bzw. in einem weiteren Verfahren erfolgte Verurteilung zur Unterlassung oder Beseitigung in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Es wäre mit der rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar, wenn Parteien in einem anderen Rechtsstreit verurteilt werden könnten, Erklärungen zu widerrufen oder zu unterlassen, die sie im Ausgangsverfahren abgegeben haben. Damit würde in unerträglicher Weise in die Führung dieses Verfahrens eingegriffen. Die Parteien müssen in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Mit den schutzwürdigen Belangen der Betroffenen und mit den Erfordernissen eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege wäre es unvereinbar, wenn die Kompetenzen des Gerichts des Ausgangsverfahrens durch die Möglichkeit einer Geltendmachung von Abwehransprüchen in einem gesonderten Prozess vor einem anderen Gericht unterlaufen werden könnten. Ein weiterer Gesichtspunkt, der die Beschränkung des Ehrenschutzes bei Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen, rechtfertigt, ist der, dass dem Verletzten bereits in diesem Verfahren prozessual wie materiell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen bereitstehen; schon hier kann der Betroffene die ehrenkränkende Äußerung des Prozessgegners zur Nachprüfung durch das Gericht stellen (st. Rspr., aus jüngerer Zeit z. B. BGH, Urteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 86/16, juris Rn. 16, 17).

Entsprechendes gilt wegen dem öffentlichen Interesse an der Aufdeckung etwaiger Missstände bei Eingaben an öffentliche Stellen (BGH, a.a.O., Rn. 26). Das umfasst beispielsweise Äußerungen gegenüber Strafverfolgungsbehörden wie der Staatsanwaltschaft oder der Polizei (BGH, a.a.O., Rn. 26; BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 - VI ZR 79/11, juris Rn. 8), Äußerungen gegenüber einer Landesärztekammer (BVerfG, Beschluss vom 28. August 2003 - 1 BvR 2194/02, juris Rn. 17, 18) sowie gegenüber der Aufsichtsbehörde einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (OLG Celle, Urteil vom 19. April 2012 - 13 U 235/11, juris Rn. 13 f.), eine Petition im Sinne von Art. 17 GG (BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1990 - 1 BvR 839/90, juris Rn. 28) sowie Äußerungen gegenüber ähnlichen Institutionen, sofern die Äußerung in einem Zusammenhang mit dem verfolgten Anliegen des Äußernden steht und nicht missbräuchlich erscheint (BVerfG, Beschluss vom 28. August 2003 - 1 BvR 2194/02, juris Rn. 17; vgl. im Überblick: Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kapitel 10, Rn. 36 f.; Erman/Klass, BGB, 16. Aufl., Anhang zu § 12 - das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 273).

Ob die vorgenannten Grundsätze ausnahmsweise dann nicht gelten, wenn die streitgegenständliche Äußerung - im Falle von Tatsachenäußerungen - "bewusst unwahr oder auf der Hand liegend falsch" war bzw. - im Falle von Meinungsäußerungen - eine Schmähkritik darstellen, hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen (Urteil vom 28. Februar 2012 - VI ZR 79/11, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 11. Dezember 2007 - VI ZR 14/07, juris Rn. 14). Das Bundesverfassungsgericht hat hingegen das vorgenannte Äußerungsprivileg bei "wissentlich unwahren oder leichtfertig unhaltbaren" (Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR 1404/04, juris Rn. 18) bzw. "bewusst unwahren oder auf der Hand liegend, also ohne weiteres - also ohne Beweisaufnahme - unwahren" (Beschluss vom 28. August 2003 - 1 BvR 2194/02, juris Rn. 18) Tatsachenbehauptungen bzw. - im Falle von Meinungsäußerungen - bei Vorliegen von Schmähkritik (Beschluss vom 25. September 2006 - 1 BvR 1898/03, juris Rn. 8 f.) verneint. In diesem Rahmen wird in der Instanzrechtsprechung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. Juli 1987 - 15 U 49/87, NJW 1987, 2522, 2523) sowie der Literatur (Wenzel/Burkhardt, a. a. O., Kap. 10 Rn. 32) allerdings vertreten, dass jedenfalls allein das "leichtfertige" Aufstellen einer (unrichtigen) Tatsachenbehauptung nicht zum Verlust des Äußerungsprivilegs führen könne, nachdem der Gesetzgeber in Abweichung zur früheren Fassung der Strafvorschrift des § 164 StGB mittlerweile nicht mehr die "leichtfertig falsche" Verdächtigung unter Strafe stellt, sondern nur noch die vorsätzliche.

Beweispflichtig für das Vorliegen eines Ausnahmefalles in dem vorgenannten Sinn ist nach allgemeinen Beweislastregeln der Geschädigte, der sich auf das Vorliegen einer Ausnahme von einem Grundsatz beruft.

b) Gemessen daran gilt vorliegend Folgendes:

aa) Vom Grundsatz her sind die streitgegenständlichen Äußerungen der Beklagten zu 1 in dem vorgenannten Sinn privilegiert:

- Das gilt unzweifelhaft, soweit die entsprechenden Schreiben an den Polizeipräsidenten Hannover sowie die Polizeidirektion L. gesandt worden sind. Auf den Streit der Parteien darüber, ob die Beklagte zu 1 die streitgegenständlichen Schreiben tatsächlich an die Letztgenannte übersendet hat, kommt es deshalb nicht an. Beweispflichtig wäre insoweit allerdings der Kläger, der die Beweislast für eine Verletzungshandlung der Beklagten zu 1 trägt.

- Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte das streitgegenständliche Schreiben an die "Beschwerdestelle" des niedersächsischen Justizministeriums gesandt hat. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob dem Justizministerium des Landes Niedersachsen in rechtlicher Hinsicht eine Aufsichtsfunktion gegenüber dem Kläger zukommt. Entscheidend ist nach Auffassung des Senats allein, dass dies für einen juristischen Laien wie der Beklagten zu 1 mindestens nicht ganz fernliegend ist und die Beklagte zu 1 mit ihrem streitgegenständlichen Schreiben auch ganz ersichtlich die Intention verfolgt hat, das Niedersächsische Justizministerium zu einer "aufsichtsrechtlichen" Überprüfung des Verhaltens des Klägers zu veranlassen. Das folgt zum einen daraus, dass die Beklagte zu 1 das Schreiben (Bl. 5 d. A.) an eine "Beschwerdestelle" des Niedersächsischen Justizministeriums gesandt hat und auch der Inhalt des Schreibens unzweifelhaft darauf abzielt, den Empfänger des Schreibens, den die Beklagte zu 1 ausweislich seines Inhalts ersichtlich hierzu als befugt angesehen hat, um die aufsichtsrechtliche Überprüfung des Verhaltens des Klägers zu bitten.

bb) Dass sich die Beklagte zu 1 ausnahmsweise nicht auf das ihr grundsätzlich zustehende Äußerungsprivileg berufen kann, hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht dargelegt.

aa) Bei den Äußerungen "die Amtsveterinärin ... sei keine zugelassene approbierte Tierärztin" sowie "der Landkreis Lüchow-Dannenberg ... nehme grundlose illegale Tierwegnahmen vor", handelt es sich um Tatsachenbehauptungen. Das hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt und wird ausweislich der Berufungsbegründung auch von dem Kläger so gesehen. Auf diesbezügliche eigene ergänzende Erläuterungen verzichtet der Senat daher (zumindest an dieser Stelle).

Nach dieser Maßgabe hätte der Kläger darlegen und - falls streitig - beweisen müssen, dass die genannten Äußerungen - "wissentlich oder leichtfertig unhaltbar" oder "auf der Hand liegend, also ohne weiteres - also ohne Beweisaufnahme - unwahr" waren (soweit man überhaupt mit dem Bundesverfassungsgericht diese Ausnahmetatbestände anerkennt). Dass diese subjektiven Voraussetzungen auf Seiten der Beklagten zu 1 zum Zeitpunkt der Versendung der streitgegenständlichen Schreiben vorgelegen haben, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Im Gegenteil ist es in Bezug auf die letztgenannte Äußerung zwischen den Parteien sogar unstreitig, dass es in der Vergangenheit bereits vorgekommen ist, dass der Kläger in Person durch seine Amtsveterinärin Dr. M.-B. mitunter Tierwegnahmen vorgenommen hat, die sich als rechtswidrig herausgestellt haben. Diese Behauptung der Beklagten ist also richtig.

bb) Die Äußerung "das Veterinäramt habe den Stallgeruch eines Syndikats und sei besetzt mit einer mafiösen Dame" stellt eine Meinungsäußerung dar (dazu nachfolgend (1)). Nach dieser Maßgabe entfällt das Äußerungsprivileg der Beklagten zu 1 nicht, da diese Meinungsäußerung keine unzulässige Schmähkritik darstellt (dazu nachfolgend (2)). Wäre es im Übrigen so, dass - wie der Kläger mit der Berufungsbegründung argumentiert - es sich bei dieser Äußerung um eine Tatsachenbehauptung handeln würde, würde wiederum das gelten, was der Senat vorstehend unter Gliederungspunkt aa) ausgeführt hat: Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger hätte dann bereits keinen Vortrag dazu gehalten, dass die in diesem Rahmen erforderlichen subjektiven Voraussetzungen auf Seiten der Beklagten zu 1 vorgelegen haben.

(1) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Die Überprüfung einer Aussage auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder nicht wahr erweisen lassen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinung sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz geschützt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (z. B. BGH, Urteil vom 16. Januar 2018 - VI ZR 498/16, juris Rn. 35,36).

Nach diesen Grundsätzen ist die streitgegenständliche Äußerung als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Dazu verweist der Senat zunächst auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2014 (VI ZR 39/14, juris Rn. 10), der ein Sachverhalt zugrunde lag, der mit dem vorliegenden mindestens gut vergleichbar ist (der dortige Beklagte hatte geäußert, die dortige Klägerin, ein Unternehmen, betreibe mit der Vermarktung ihres Produktes einen "groß angelegten Schwindel" bzw. "Betrug", bei den Kunden der dortigen Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den Produkten der dortigen Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der dortigen Klägerin vermarkteten Produkte entspreche der eines "Perpetuum-Mobiles" und die vom Hersteller "herbeigezerrte" wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei "völliger Unsinn"). Der Bundesgerichtshof hat jene Äußerungen als Meinungsäußerungen gewertet. So liegt es auch hier. Zwar weisen auch vorliegend die Teilaussagen der streitgegenständlichen Äußerung in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt die Beklagte zu 1 mit den Formulierungen "Stallgeruch eines Syndikats" und "besetzt mit einer mafiösen Dame" zum Ausdruck, dass das Veterinäramt des Klägers mindestens in personellen Teilbereichen kriminell agiere. Dennoch bringt die Beklagte zu 1 mit ihrer angegriffenen Äußerung in erster Linie die Missbilligung des Vorgehens des Veterinäramtes des Klägers im Rahmen eines bestimmten Aufgabenbereiches, nämlich der Wegnahme von Tieren zum Ausdruck. Das stellt in erster Linie eine subjektive Wertung dar.

(2) Die hier erörterte Meinungsäußerung stellt keine unzulässige Schmähkritik dar.

(a) Der Begriff der Schmähkritik ist wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts von Verfassung wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Zu beachten ist hierbei, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch grundlos, pointiert, polemisch und überspitzt geäußert werden darf; die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist oder wo Gründe für die geäußerte kritische Bewertung nicht gegeben werden. Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung. Eine isolierte Betrachtung eines einzelnen Begriffs kann allenfalls unter dem eigenen Gesichtspunkt der Formalbeleidigung eine Abwägung entbehrlich machen. Bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage liegt eine Schmähkritik nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt. Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 362/18, juris Rn.17; BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, juris Rn. 18). Entscheidend in diesem Rahmen ist mithin in besonderem Maße, ob die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. August 2020 - 1 BvR 2249/19, juris Rn. 17), noch einen Sachbezug hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15, juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14, juris Rn. 19).

(b) Gemessen daran stellt die streitgegenständliche Äußerung keine unzulässige Schmähkritik dar. Selbstverständlich ist die Äußerung ausfallend, scharf und beeinträchtigt den Ruf des Veterinäramtes des Klägers und damit diesen auch selbst. Indes steht der ehrbeeinträchtigende Gehalt der Äußerung nicht außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes. Im Gegenteil erfolgte die streitgegenständliche Äußerung - unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des streitgegenständlichen Schreibens (vgl. dazu z. B. BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 - VI ZR 437/19, juris, Rn. 11) - ersichtlich im Zusammenhang mit der Darstellung des Vorgangs der Wegnahme eines Pferdes bei den Beklagten durch die Amtsveterinärin des Veterinäramtes des Klägers, die die Beklagte zu 1 aus ihrer subjektiven Sicht heraus als rechtswidrig beurteilt. Dann aber kommt es nach Maßgabe der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in Betracht, eine solche Äußerung als unzulässige Schmähkritik zu werten.

C.

Den Streitwert setzt der Senat auf 6.000 € fest. Der Kläger hat in seiner Klageschrift den Streitwert mit 5.000 € angegeben. Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2020 den Streitwert "im Einvernehmen mit den Parteivertretern" auf 6.000 € festgesetzt. Anlass, davon abzuweichen, sieht der Senat nicht.