Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.05.2021, Az.: 6 U 9/21

Ehe nach yezidischem Ritus; Übergabe von Schmuck als Schenkung; Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage; Scheitern einer Ehe nach nicht nur kurzer Dauer

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.05.2021
Aktenzeichen
6 U 9/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 62471
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2021:0510.6U9.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 10.02.2021 - AZ: 3 O 82/20

Amtlicher Leitsatz

Zu den - zurückhaltend anzuwendenden - Grundsätzen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, wenn der Schwiegervater der Ehefrau dieser anlässlich der Ehe nach yezidischem Brauch Schmuck geschenkt hat und die Ehe nach nicht nur kurzer Dauer (§ 1579 Abs. 1 Nr. 1 BGB) endgültig scheitert.

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 10. Februar 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu diesem Beschluss binnen 2 Wochen seit seiner Zustellung schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 13.232 €.

Gründe

Der Senat hält die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für gegeben. Insbesondere hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

I.

Der Sohn des Klägers und die Beklagte schlossen am 11. Juni 2016 die Ehe nach yezidischem Ritus. Die Beziehung ist mit Auszug der Beklagten aus der gemeinsamen Wohnung am 31. Januar 2019 endgültig gescheitert.

Der Kläger verlangt die Rückgabe des von ihm der Beklagten übergebenen Schmucks bzw., nachdem die Beklagte den Schmuck verkauft hat, Wertersatz.

Der Kläger stützt seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil im Wesentlichen auf die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage.

II.

1. Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, § 313 Abs. 1 BGB.

a) Die Übergabe des Schmucks an die Beklagte ist als Schenkung zu qualifizieren. Mit Urteil vom 3. Februar 2010 in XII ZR 189/06 hat der BGH unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass Zuwendungen der Eltern, die um der Ehe ihres Kindes willen an das Schwiegerkind erfolgen, keine unbenannte Zuwendung, sondern Schenkung sind. Dies gilt auch für Fälle der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, BGH, X ZR 107/16, Urteil vom 18. Juni 2019.

Auf Zuwendungen, wie sie hier in Rede stehen, sind die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich anwendbar, BGH, XII ZR 189/06, Urteil vom 3. Februar 2010.Wie jedem Vertrag können auch dem Schenkungsvertrag Umstände oder Vorstellungen eines oder beider Vertragspartner vom Bestand oder künftigen Eintritt solcher Umstände zugrunde liegen, die nicht zum Vertragsinhalt erhoben werden, auf denen der Geschäftswille jedoch gleichwohl aufbaut und deren schwerwiegende Veränderung daher eine Anpassung des Vertrages oder ausnahmsweise sogar das Recht eines oder beider Vertragspartner erfordern kann, sich vom Vertrag zu lösen.

Bei der Prüfung, was im Einzelfall Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrages ist, ist aber zu berücksichtigen, dass der Schenkungsvertrag kein Austauschvertrag ist. Die geschenkte Sache wird dem Beschenkten zur freien Verfügung überlassen. Der Beschenkte schuldet keine Gegenleistung. Eine Rückforderung muss der Beschenkte nur ausnahmsweise fürchten, insbesondere gemäß § 530 BGB für den Fall der schweren Verfehlung bzw. des groben Undanks. Bis zu dieser Grenze hat danach der Schenker grundsätzlich das Risiko zu tragen, dass die künftige Lebensgestaltung des Beschenkten und sein Umgang mit dem Geschenk nicht den Vorstellungen entsprechen, die mit dem Schenkungsversprechen verbunden waren, BGH, X ZR 107/16, Urteil vom 18. Juni 2019.

Bei der Annahme, dass Vorstellungen einer Partei oder beider Parteien die Geschäftsgrundlage einer Schenkung bilden, ist Zurückhaltung geboten. Nicht jede bei Vertragsschluss zu Tage tretende Vorstellung gehört zur Geschäftsgrundlage des Vertrags. Dies gilt selbst dann, wenn, anders als hier, Grundeigentum oder Geld zum Erwerb von Grundeigentum geschenkt wird und anzunehmen ist, dass der Grunderwerb regelmäßig auf eine längere Dauer ausgelegt ist, BGH, X ZR 107/16, Urteil vom 18. Juni 2019. Selbst bei einer Immobilie kann der Schenker nur erwarten, dass die Lebensgemeinschaft und damit die gemeinsame Nutzung der Immobilie von mehr als kurzer Dauer ist.

Dabei ist vorliegend insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beziehung des Sohnes des Klägers mit der Beklagten nicht nur von kurzer Dauer war, wenn man sich insoweit an § 1579 Abs. 1 Nr. 1 BGB orientiert. Die Praxis nimmt in diesem Zusammenhang jedenfalls als Faustregel an, dass nur Ehen bis zu zwei Jahren Dauer als kurz anzusehen sind. Ergänzend ist auf das Gutachten der Universität K. vom 23. November 2020 (Bl. 89 ff.) zu verweisen, wonach eine Scheidung/Trennung auch unter Yeziden möglich sei, auch auf Wunsch der Ehefrau geschehen könne und gerade in der jüngeren Generation auch immer häufiger vorkomme. Auch vor diesem Hintergrund gab es kein "normatives Vertrauendürfen" (Fikentscher, Schuldrecht, 8. Aufl., Rn. 163) auf den Bestand der Beziehung. Gegen die begehrte Rückabwicklung spricht vorliegend weiter, dass die Beklagte nicht berufstätig war (Berufungsbegründung S. 3), und vor diesem Hintergrund die Schenkung des Schmucks, den die Beklagte inzwischen verkauft hat, auch der Sicherung der Lebenshaltung der Beklagten diente, was durch das o. g. Gutachten bestätigt wird, in dem entgegen der Annahme der Berufungsbegründung die Aussage zur materiellen Absicherung der Braut auch gerade nicht auf den Islam beschränkt wird.

b) Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn die Geschäftsgrundlage eines Vertrages weggefallen ist, weil sich grundlegende Umstände schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, hätten sie diese Veränderung vorausgesehen, nach § 313 Abs. 1, 3 BGB grundsätzlich nur eine Anpassung des Vertrags verlangt werden kann. Dieser Vorrang der Anpassung gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Parteien in Voraussicht der veränderten Umstände den Vertrag nicht mit anderem Inhalt, sondern gar nicht geschlossen hätten, BGH, X ZR 107/16, Urteil vom 18. Juni 2019. Selbst wenn die Rechtsansicht des Klägers zuträfe und die Geschäftsgrundlage seiner Schenkung an die Beklagte tatsächlich entfallen wäre, könnte er mithin allenfalls teilweisen Ersatz verlangen.

2. Der Kläger kann nichts daraus für sich herleiten, dass nach seinem Vortrag (Berufungsbegründung S. 4) "ständig der Bruder der Beklagten aufgetreten" sei und erklärt habe, "dass der Schmuck selbstverständlich zurückgegeben werde". Für eine Zurechnung einer solchen Äußerung an die Beklagte ist nichts ersichtlich, ganz abgesehen davon, dass mit der Verwertung des Schmucks eine Rückgabe längst ausgeschlossen ist.

3. Soweit das Landgericht die Voraussetzungen für einen Widerruf der Schenkung nach § 530 BGB verneint hat, greift der Kläger dies mit seiner Berufung nicht an. Fehler insoweit sind im angefochtene Urteil auch nicht erkennbar.